L 10 KR 115/23

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 44 KR 33/23
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 KR 115/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 22. Juni 2023 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Beiträgen zu der seit 1. April 2007 bestehenden Kranken- und Pflegeversicherung.

 

In dem im Dezember 2020 bei dem Sozialgericht Berlin eingeleiteten (S 97 R 2306/20), von dort an das Sozialgericht Kiel verwiesenen (S 17 R 30/21) und zwischenzeitlich durch Berufung des Klägers vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht fortgeführten Verfahren (L 1 R 79/23) wandte der Kläger sich gegen eine Drittschuldnererklärung der dort beklagten Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg vom 17. November 2020 aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Berlin-Spandau vom 4. November 2020 über einen Betrag in Höhe von 88,50 Euro bzw die Einbehaltung dieses Betrages von der Altersrente für den Monat Januar 2021 mit Rentenbescheid vom 17. November 2020 sowie die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse der Kosteneinziehungsstelle der Justiz bei dem Amtsgericht Spandau vom 28. August 2019 über einen Betrag in Höhe von 766,52 Euro sowie vom 10. September 2021 über einen Betrag in Höhe von 139,25 Euro. Diese Klage hat das Sozialgericht Kiel abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 24. Juli 2023).

 

Der zu dem Verfahren S 17 R 30/21 eingereichte Schriftsatz des Klägers vom 1. März 2023 hat zwar das Aktenzeichen S 17 R 30/21 benannt, jedoch hat er eine „Weitere Klage gegen die DAK Krankenkasse Pflegeversicherung Rentenversicherungskasse“ mit dem Ziel, die „Zwangsbeiträge“ zu erstatten, enthalten. Diesen hat das Sozialgericht Kiel als Eingangsschriftsatz für eine neue Klage erfasst, unter dem Aktenzeichen S 44 KR 33/23 geführt und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2023 als unzulässig abgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 27. Juni 2023 bei dem Sozialgericht Kiel eingegangene und von dort an das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht weitergeleitete Berufung des Klägers.

 

Die Beklagten griffen den Schriftsatz des Klägers vom 1. März 2023 zwischenzeitlich als Überprüfungsantrag auf und lehnten mit Bescheid vom 14. April 2023 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2024 eine Erstattung von Beiträgen ab. Die rechtmäßig bestehende Versicherungspflicht des Klägers sei mit der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verbunden, die von dem Träger der Rentenversicherung als Einzugsstelle einbehalten werden.

 

Der Kläger sieht einen Anspruch auf Erstattung von Beiträgen darin begründet, dass ihm während der Corona-Pandemie ärztliche Leistungen und später die Teilnahme an Herz-Kreislauf-Programmen, Diabetesprogrammen verweigert worden seien und er immer noch keinen zur Behandlung bereiten Arzt finde. Konkrete Nachweise über fehlgeschlagene Versuche, ärztliche Behandlung durch konkret benannte Ärzte zu erhalten, oder eine konkrete ablehnende Entscheidung der Beklagten benennt und legt der Kläger nicht vor.

 

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 22. Juni 2023 und den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2023 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2024 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die seit dem 15. Februar 2021 zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlten Beiträge zu erstatten.

 

Die Beklagten beantragen,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie halten ihre Entscheidung für rechtmäßig und zutreffend.

 

Das Gericht hat den Kläger mit mehreren Hinweisschreiben (Schreiben vom 8. März 2024, 15. März 2024, 18. März 2024, 22. März 2024, 4. April 2024 sowie den Beschluss vom 15. Mai 2024), auf deren Inhalt vollumfänglich verwiesen wird, darüber informiert, welches Anliegen als verfahrensgegenständlich angesehen wird und aus welchen Gründen dieses Verfahren den Streitgegenstand „Beitragserstattung ab Anfang 2021“ hat. Das Gericht hat dem Kläger Einsicht in die Aktenvorgänge, die vorwiegend die zahlreichen Eingaben des Klägers enthält, gewährt und schließlich sogar einen kompletten Ausdruck überlassen (Schreiben vom 29. April 2024, 16. Mai 2024). Das Schreiben des Klägers vom 25. Mai 2024 ist erst am 28. Mai 2024 um 10:58 Uhr im Gericht eingegangen.

 

Dem Gericht haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten zu diesem Verfahren sowie dem Verfahren L 1 R 79/23, insbesondere zu S 17 R 30/21, vorgelegen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und sämtliche Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der am 28. Mai 2024 um 9.33 Uhr begonnenen und um 9:49 Uhr beendeten mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Gericht kann trotz des – wiederholt in jedem Schriftsatz gestellten – Befangenheitsgesuchs entscheiden, da dieses erneut mittels Beleidigungen begründet und auf eine gebotene richterliche Verfahrenshandlung hin – Ladung zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung, Gewährung von Akteneinsicht sowie Hinweisschreiben in der Sache zum Verfahrensgegenstand vom 8. März 2024, 15. März 2024, 18. März 2024, 22. März 2024, 4. April 2024 sowie den Beschluss vom 15. Mai 2024 - ohne substanzielle Begründung gestellt wurde. Ein solches Ablehnungsgesuch ist unzulässig <vgl bereits Beschluss des Senats vom 7. März 2024 (L 10 SF 15/24 AB) unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG>.

 

Der Terminsverlegungsantrag des Klägers vom 13. Mai 2024 (Eingang 15. Mai 2024) wurde, nach Hinweis des Gerichts vom 16. Mai 2024 auf die Anforderungen an die Begründung, unter Berücksichtigung des Schreibens des Klägers vom 18. Mai 2024 mit Beschluss vom 23. Mai 2024 abgelehnt, da kein Hinderungsgrund aus gesundheitlichen Gründen glaubhaft gemacht wurde. Daher konnte das Gericht entscheiden. Das Gericht hat ferner wiederholt auf den Gegenstand des Verfahrens hingewiesen und für seine Entscheidung insbesondere keine Unterlagen herangezogen, die dem Kläger nicht bekannt waren. Ausgewertet wurden die Schriftsätze des Klägers sowie die dem Kläger bekannten verfahrensgegenständlichen Entscheidungen der Beklagten. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) liegt daher nicht vor.

 

Das Gericht konnte nach § 153 Abs 5 SGG in der Besetzung einer Berufsrichterin mit zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden, da das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 29. September 2023 auf die Berichterstatterin übertragen wurde.

 

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingegangen, jedoch unbegründet.

 

1. Gegenstand des am 1. März 2023 begonnenen gerichtlichen Verfahrens ist – nur - das Begehren des Klägers, von den Beklagten aus seinem Renteneinkommen ab Anfang 2021 gezahlte Beiträge erstattet zu erhalten. Dieses Begehren haben die Beklagten mit Bescheid vom 14. April 2023 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2024 zwischenzeitlich beschieden. Nicht Gegenstand des Verfahrens sind konkrete Leistungen nach § 27 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) oder nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Die Beklagte erteilte am 18. April 2023 Auskunft über in Anspruch genommene Leistungen. Konkrete ablehnende Entscheidungen der Beklagten zu 1. sind nicht aktenkundig und nicht verfahrensgegenständlich. Für Pflegeleistungen führt der Kläger ein Verfahren vor dem Sozialgericht Kiel gegen die Beklagte zu 2. (Schriftsatz des Klägers vom 29. September 2022 an das Sozialgericht Kiel). Gegenstand dieses Verfahrens sind auch keine Fragestellungen rund um die Anerkennung einer Schwerbehinderung des Klägers oder die Berücksichtigung dieser Anerkennung durch eine andere Behörde. Diesbezüglich ist keine Entscheidung der Beklagten ergangen. Sofern der Kläger mit mehreren Schriftsätzen und wiederholt davon ausgeht, dass diese Frage auch Gegenstand dieses Verfahrens oder jedenfalls vorrangig zu diesem Verfahren zu klären sei, so ist das aus prozessrechtlichen und materiell-rechtlichen Gründen unzutreffend. Es gibt keinen aktenkundigen Lebenssachverhalt über die Anerkennung der Schwerbehinderung, der dem hier relevanten Verfahrensgegenstand zuzuordnen ist. Die Anerkennung einer Schwerbehinderung hat – mangels einer existierenden Vorschrift – insbesondere keine Auswirkungen auf die Zahlungspflicht für Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung. Sofern die anerkennte Schwerbehinderung den Grund für die im Dezember 2020 eingegangene und an das Sozialgericht Kiel verwiesene Klage S 17 R 30/21 darstellt, sind eventuelle Fragestellungen in dem dortigen Berufungsverfahren L 1 R 79/23 zu klären.

 

2. Nach Erlass des Bescheides der Beklagten vom 14. April 2023 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2024 liegen zwischenzeitlich alle Sachurteilsvoraussetzungen vor mit der Folge, dass die Klage zulässig geworden ist (vgl dazu BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 – B 6 KA 8/13 R – Rn 21). Damit ist die Begründung der Entscheidung des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2023 nicht mehr zutreffend und das Berufungsgericht hat eine Prüfung in der Sache anhand der Entscheidung der Beklagten vom 14. April 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2024 durchzuführen. Diese Entscheidungen der Beklagten sind rechtmäßig.

 

a) Da nur die gesetzliche Krankenkasse bzw die soziale Pflegekasse die Voraussetzungen über die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw nach § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 12 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) prüft sowie die weiteren Entscheidungen zur Beitragserhebung zur gesetzlichen Krankenversicherung bzw sozialen Pflegeversicherung aus dem Renteneinkommen trifft (vgl §§ 239247 SGB V) und die Träger der Rentenversicherung allenfalls als Einzugsstelle fungieren (vgl § 255 Abs 1 Satz 1 SGB V), war es rechtlich zutreffend, diesen Verfahrensgegenstand bei dem Sozialgericht Kiel als neue Klage gegen die Beklagten unter dem Aktenzeichen S 44 KR 33/23 zu erfassen. Die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg ist nicht zuständig für diese Entscheidungen, da sie nur die Einzugsstelle für die Beiträge ist. Folglich kann sie auch nicht – spiegelbildlich – über eventuelle Erstattungsansprüche entscheiden.

 

b) Die Entscheidung der Beklagten vom 14. April 2023 idF des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2024, die Erstattung von seit dem 1. Januar 2021 bzw 15. Februar 2021 gezahlten Beiträgen abzulehnen, erweist sich als rechtmäßig.

 

Der Kläger unterliegt – unstreitig – seit 1. April 2007 nach der durch Gesetz vom 26. März 2007 (BGBl I, 378) zum 1. April 2007 eingeführten Regelung in § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V der Pflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung und nach § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 12 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) der Pflicht zur sozialen Pflegeversicherung. Mit dieser Versicherungspflicht besteht die Verpflichtung zur Beitragszahlung auf beitragspflichtige Einnahmen. Zu diesen gehört der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V bzw § 54 Abs 3 SGB XI). Anhaltspunkte dafür, dass bei der Beitragserhebung die Regelungen über die Beitragssätze (§§ 241, 242 SGB V bzw § 55 SGB XI) nicht beachtet wurden, liegen nicht vor.

 

c) Soweit der Kläger sein Erstattungsbegehren maßgeblich darauf stützt, für die Beitragszahlung keine „Gegenleistung“ in Form der Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (aufgelistet in § 27 SGB V) erhalten zu haben, so begründet dieser Umstand – selbst wenn dem während der Corona-Pandemie und später so gewesen sein sollte – keinen Anspruch auf Beitragsrückerstattung. So ist es bereits von Verfassungs wegen nicht geboten, dass eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und Umfang und Höhe der Leistungen erzielt wird, da das System des Krankenversicherungsrechts nach dem SGB V von dem Prinzip des sozialen Ausgleichs geprägt ist (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2000 – 1 BvL 1/98 – Rn 43, 51). Da es gleichermaßen auch nicht auf ein individuelles Schutzbedürfnis eines gesetzlich Versicherten ankommt (vgl zum Vorstehenden: BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 12/18 R –, Rn 33 f., juris), besteht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückerstattung von Beiträgen für Zeiten, in denen keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen wurden. Welche Gründe der Nichtinanspruchnahme entgegenstanden und ob die Krankenkasse die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen beeinflussen konnte oder nicht, ist ebenfalls nicht relevant. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1. Leistungen gezielt verweigert hat, liegen nicht vor. Insbesondere hat die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren einen Auszug über in Anspruch genommene Leistungen vorgelegt.

 

3. Da die Beklagten keine Entscheidungen darüber getroffen haben, dem Kläger Leistungen zu verweigern, hat der Vortrag des Klägers, ihm würden Behandlungen im Inland verweigert, keine verfahrensrechtlich zu beachtende Grundlage. Es ist kein selbständiger Verfahrensgegenstand auszumachen, für den die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen und eine Entscheidung der Beklagten auf ihre Rechtmäßigkeit hin geprüft werden könnten.

 

4. Nicht verfahrensgegenständlich zu entscheiden sind von dem Kläger aufgeworfene Fragestellungen um einen Schwerbehindertenausweis einer nicht benannten Behörde. Diesbezüglich hat das Sozialgericht in dem Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2023 keine Entscheidung getroffen. Der 10. Senat dieses Gerichts kann auf ein solches Verfahren auch keinen Einfluss nehmen. Ein abtrennbarer Streitgegenstand liegt ohne eine Entscheidung einer Behörde, die als Klagegegner zu benennen wäre, und ohne eine konkrete Entscheidung einer Behörde ebenfalls nicht vor. Beides ist jedoch zu benennen (§ 92 Abs 1 Satz 1 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich behördliche Entscheidungen vorliegen, die während der Laufzeit dieses gerichtlichen Verfahrens gegenüber dem Kläger ergangen sind, liegen nicht vor. Die bloße Anhäufung allgemein gehaltener klägerischer Beschwerden über behördliches oder gerichtliches Vorgehen oder eine Verweigerungshaltung von Ärzten zu dem Aktenzeichen dieses Verfahrens boten keinen Anlass für weitere Ermittlungen von Amts wegen. Der Kläger ist offenkundig in der Lage, Schriftsätze und Vorgänge im Fall einer behördlichen Entscheidung zuzuordnen. Das zeigt insbesondere die Übersendung der Widerspruchsentscheidung in diesem Verfahren.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 SGG) oder eine Abgabe an das Bundessozialgericht liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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