Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. April 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts (SG) Stuttgart vom 30. April 2024 ist zulässig (§ 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), sie ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, der eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 € nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§144 Abs.1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert ist vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbescheids vom 5. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2021 verurteilt, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 451,01 € zu erstatten. Ursprünglich hat der Beklagte mit diesem Kostenfestsetzungsbescheid vom 5. Juli 2021 die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf insgesamt 237,41 € festgesetzt. Die Beschwerdesumme ist somit bei einer Differenz von 213,60 € zu Lasten des Beklagten nicht erreicht.
Da das SG die Berufung im Urteil vom 30. April 2024 nicht zugelassen hat, bedarf eine Berufung der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichtes unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine oder mehrere Rechtsfragen aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig sind. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung, gegebenenfalls sogar des Schrifttums, angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Berufungsverfahren eine Klärung erwarten lässt (s. hierzu Keller bzw. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 144 Rn. 28 u. § 160 Rn. 6; s. u.a. BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 60 und SozR 3-1500 § 160 a Nr. 16). Geht es um bereits geklärte Rechtsfragen, so ist darzulegen, aus welchen erheblichen Gründen sich die Notwendigkeit einer Überprüfung der bereits vorliegenden Rechtsprechung ergibt; dies ist etwa dann der Fall, wenn dieser Rechtsprechung in nicht nur geringfügigen Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (BSG, SozR 1500 § 160a Nr. 13). Der Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung).
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinne wirft die Streitsache jedoch nicht auf. Der Beklagte begründet seine Beschwerde damit, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, weil die Rechtsanwaltsgesellschaft r1 zahlreiche Widersprüche einlege und grundsätzlich nur mit Textbausteinen arbeite und daher Widersprüche nicht konkret, d.h. einzelfallbezogen begründe, was sich von der Vorgehensweise der übrigen Anwälte unterscheide. Es könne nicht sein, dass die Verwendung von Textbausteinen gleich entlohnt werde wie die aufwändige konkrete rechtliche Prüfung mit einzelfallbezogener Begründung. Die damit aufgeworfene Rechtsfrage geht jedoch nicht über den vorliegenden Einzelfall hinaus. Denn die Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Höhe der Gebühr findet sich in § 14 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -). Danach bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Schon ausgehend vom Wortlaut des § 14 Abs. 1 RVG handelt es sich vorliegend um eine ausschließlich auf den Einzelfall bezogene Prüfung der vom Rechtsanwalt vorgenommenen Bestimmung der Gebühr auf der Grundlage ausschließlich unbestimmter Rechtsbegriffe (Berücksichtigung aller Umstände wie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, Billigkeit). Daran ändert sich nichts dadurch, dass die vorliegend beauftragte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH nach Ansicht des Beklagten grundsätzlich bei der Begründung von Widersprüchen eine Vorgehensweise hat, die die von diesen Rechtsanwälten bestimmte Gebühr unbillig erscheinen lasse und niedriger entlohnt werden müsse. Aus der seitens des Beklagten der Rechtsanwaltsgesellschaft mbH „vorgeworfenen “Arbeitsweise lässt sich eine über den jeweiligen Einzelfall hinausgehend grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtssache nicht ableiten. Letztlich macht der Beklagte eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung des SG wegen der unzutreffenden Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 14 Ans. 1 RVG geltend, was aber im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde unbeachtlich ist.
Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG muss geltend gemacht werden und die Entscheidung muss auf ihm beruhen können. Vorliegend macht der Beklagte den Verfahrensmangel geltend, dass das Urteil des SG keine konkrete Begründung enthalte, da sich die Begründung in der Behauptung erschöpfe, dass die Kosten angemessen seien. Auf die Argumente des Beklagten sei nicht eingegangen worden. Gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel (auch) dann vor, wenn das Urteil nicht mit Gründen versehen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a. a. O. § 144 Rn. 34). Gem. § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG muss ein Urteil die Entscheidungsgründe enthalten. Ein Urteil ist im Sinne des § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 547 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) dann mit Gründen nicht versehen, wenn es überhaupt keine Gründe enthält oder wenn die Gründe in so extremem Maße mangelhaft sind, dass sie ihre Funktion (Unterrichtung der Beteiligten über die dem Urteil zugrundeliegenden Erwägungen und Grundlage der Nachprüfung des Rechtsmittelgerichts) nicht erfüllen können (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 136 Rn. 7e). Die Begründungspflicht ist nicht schon dann verletzt, wenn die Gründe sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind. Vom Fehlen der Entscheidungsgründe ist demgegenüber auszugehen, wenn die Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen. Hiervon ausgehend ist das Urteil des SG vom 30. April 2024 mit Gründen versehen. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass Ausgangspunkt für die Höhe der zu erstattenden Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts die nach dem RVG zu bestimmende Geschäftsgebühr ist. Es hat weiter zutreffend ausgeführt, dass die Geschäftsgebühr u.a. für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information sich in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, nach Nr. 2302 VV RVG bemisst. Nach Nr. 2302 VV RVG umfasst die Geschäftsgebühr einen Betragsrahmen von 60,00 € bis 768,00 €. Davon ausgehend hat es zutreffend zugrunde gelegt, dass eine Gebühr von mehr als 359,00 € nach Nr. 2302 VV RVG nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sogenannte Schwellengebühr). Weiter hat das SG diesbezüglich die Bestimmung der Gebühr durch den Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG in Höhe von 359,00 € nach den von Gesetzes wegen anzuwendenden Kriterien geprüft. Es hat dann in nachvollziehbar begründeter Weise die Bestimmung der Geschäftsgebühr durch den Rechtsanwalt in Höhe der Schwellengebühr nicht beanstandet. Dabei hat es die Auffassung vertreten, dass eine Reduzierung der Geschäftsgebühr auf die halbe Schwellengebühr nicht angebracht sei, weil keine Anhaltspunkte für eine weit unter durchschnittliche anwaltliche Tätigkeit gegeben seien. Dies mag der Beklagte für eine nicht zutreffende Begründung halten. Nichts desto trotz ist damit aber das Urteil des SG vom 30. April 2024 in ausreichender Weise begründet. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.
Darüber hinaus liegt auch keine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG vor. Hierzu trägt der Beklagte vor, das Urteil weiche von Entscheidungen des Bundessozialgerichts und den Landessozialgerichten ab, weil die Ausübung des Ermessens offenbar nicht geprüft worden sei. Dazu wäre notwendig gewesen, dass der nach gerichtlicher Einschätzung angemessene Betrag mit Begründung genannt und anschließend geprüft werde, ob der verlangte Betrag den angemessenen Betrag nicht um mehr als 20% übersteige. Mit dieser Begründung verkennt der Beklagte jedoch, dass das SG keinen nach seiner eigenen Ermessensausübung angemessenen Betrag für die Höhe der Gebühr zu benennen hat, sondern gemäß § 14 Abs. 1 RVG zu prüfen hat, ob die vom Rechtsanwalt vorgenommene Bestimmung der Gebühr unbillig ist. Diese Prüfung hat das SG nach den gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 bis 3 RVG zugrunde zu legenden Kriterien vorgenommen. Dass die daraus folgende Rechtsauffassung des SG nicht der des Beklagten entspricht, begründet aber keine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Das SG hat keinen von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts oder der Landessozialgerichte abweichenden Rechtssatz zu § 14 Abs. 1 RVG aufgestellt.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen daher nicht vor.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.
Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Das angefochtene Urteil des SG vom 30. April 2024 wird hiermit rechtskräftig (vgl.§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 AS 3418/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 1678/24 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
Saved