L 5 KR 450/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 776/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 450/18
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30.5.2018 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 12.7.2016, des Bescheids vom 10.11.2016 und des Widerspruchsbescheids vom 15.6.2017 verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

 

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine in der Schweiz durchgeführte  Knie-TEP-Operation und die sich anschließende Rehabilitation.

 

Der 00.00.0000 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit freiwillig versichert. In der Schweiz unterhält er einen Zweitwohnsitz.

 

Am 08.07.2016 teilte der Kläger einem Mitarbeiter der Beklagten telefonisch mit, er plane eine Knie-TEP-Operation und wolle diese beim Arzt seines Vertrauens in der Schweiz durchführen lassen. Einen schriftlichen Antrag werde er noch stellen. Die Beklagte schrieb dem Kläger am 12.07.2016, die Kosten für die Implantation einer Knie-TEP nur in ihrem Geschäftsgebiet übernehmen zu können. Denn im Wohnumfeld des Klägers böten zahlreiche Krankenhäuser und Universitätskliniken die geplante stationäre Leistung an.

 

Der Kläger führte dazu am 20.07.2016 aus, sowohl die von ihm in Betracht gezogene Klinik als auch die Reha-Klinik lägen nur wenige Kilometer von seinem Zweitwohnsitz entfernt. Die Versorgung in der Schweiz gehöre zu den Besten. Da er Schmerzen habe und sein Knie bei ihm in der Region kaputt operiert worden sei, sei die Schweiz für die geplante Operation definitiv der richtige Ort. Er habe in Deutschland mit mehreren „so genannten“ Spezialisten gesprochen und festgestellt, dass meistens in der Ausbildung befindliche Ärzte operierten. In der Schweiz operiere der behandelnde Arzt. Zusätzlich werde man in Schweizer Krankenhäusern optimal versorgt. Sein letzter Krankenhausaufenthalt in Deutschland sei so erschreckend gewesen, dass er durch Zuzahlung auf die Privatstation ausgewichen sei. Zudem gebe es im rheinischen und oberbergischen Raum viele Krankenhauskeime. Die Zustände in deutschen Krankenhäusern hätten jüngst zu einem Todesfall in der Familie geführt. Daher erbitte er die Genehmigung für eine Operation in der Schweiz. Eventuelle Mehrkosten werde er übernehmen.

 

Am 25.10.2016 reichte der Kläger einen Kostenvoranschlag für einen zehntägigen stationären Aufenthalt in der L. Klinik in Speicher (Schweiz) zu CHF 42.410 sowie einen Kostenvoranschlag für eine anschließende Reha in der Klinik T. (Schweiz) zu 750 CHF pro Therapietag ein.

 

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) führte nach Aktenlage am 27.10.2016 aus, es gebe keine Hinweise auf eine außergewöhnliche medizinische Befundsituation. Eine Knie-TEP könne in allen entsprechend operativ tätigen orthopädischen Krankenhausabteilungen in Wohnortnähe, z.B. in Ü. oder Q., eingesetzt werden.

 

Mit Bescheid vom 10.11.2016 lehnte die Beklagte den Antrag auf Zustimmung zu der begehrten stationären Krankenhausbehandlung in der Schweiz ab. Die Zustimmung könne verweigert werden, wenn der Versicherte die Behandlung auch in Deutschland erhalten könne. Nach den Ermittlungen des MDK könne eine Knie-TEP in Vertragskrankenhäusern in G., K., F. oder Ü. eingesetzt werden.

 

Der Kläger ließ die geplante Operation während eines stationären Krankenhausaufenthaltes vom 14.11.2016 bis 25.11.2016 in der L. Klinik in Speicher durchführen. Anschließend absolvierte er die Reha vom 25.11.2016 bis 08.12.2016 in der Klinik T..

 

Mit E-Mail vom 19.12.2016 erklärte der Kläger, mit der Ablehnung nicht einverstanden zu sein. Er übersandte mit E-Mail vom 09.01.2017 u.a. die Rechnung der L. Klinik (42.396 CHF), einen“ Rückforderungsbeleg“ und eine „Honorar-Rechnung“ der Klinik T. über 10.707,50 CHF sowie einen „Rückforderungsbeleg“ der Klinik T. über 738,60 CHF. Er widerspreche der ablehnenden Entscheidung der Beklagten, wobei es ihm nur um die Kosten, die bei einer vergleichbaren Operation in Deutschland entstanden seien, gehe. Mit Fax vom 20.01.2017 ergänzte er, der Beklagten sei bekannt gewesen, dass er am 14.11.2016 seinen Krankenhausaufenthalt antrete, so dass ihn die Post gar nicht rechtzeitig habe erreichen können.

 

Die Beklagte erklärte dem Kläger zunächst mit Schreiben vom 10.01.2017, der Widerspruch sei u.a. bereits wegen des Versäumens der Widerspruchsfrist erfolglos. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.6.2017 wies sie den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 12.07.2016 dann aber als unbegründet zurück. Nach der EG-Verordnung Nr. 883/2004 vom 29.04.2004 könnten Versicherte Krankenhausleistungen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch nehmen. Eine solche könne nur erteilt werden, wenn die Behandlung medizinisch notwendig sei und die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nicht in einem Vertragskrankenhaus in Deutschland erbracht werden könne. Da die Operation auch im Inland habe durchgeführt werden können, habe man die Zustimmung nicht geben können. Dass in der Schweiz eine optimalere Versorgung mit besseren Gegebenheiten vorhanden seien solle, führe zu keiner anderen Entscheidung. Eine Wahlfreiheit gelte aufgrund des europäischen Rechts nur für ambulante Leistungen.

 

Mit seiner am 30.06.2017 erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen vertieft. Er habe bis 1987 Handball in höheren Klassen gespielt. 1988 sei er wegen eines Meniskusrisses bei einem Sportunfall viermal operiert worden. Dabei seien ein Tupfer und ein nicht aufgelöster Faden im Knie vergessen worden, so dass er erneut habe operiert werden müssen. Seit dem sei sein Knie nie wieder belastbar gewesen und er habe ständig Schmerzen gehabt. Der Zustand habe sich trotz intensiver medizinischer Maßnahmen immer weiter verschlechtert. Seine in einer Zahnarztpraxis in K. tätige Schwester habe ihm mitgeteilt, dass es in der von dem Mitarbeiter der Beklagten V. empfohlenen Klinik in K. Probleme mit resistenten Krankenhauskeimen gebe. Da deswegen kurz zuvor ein Familienmitglied verstorben sei, er sich bereits einmal in der Schweiz wegen einer Fußverletzung habe behandeln lassen und zu diesem Zeitpunkt die Voruntersuchungen in der Schweiz bereits abgeschlossen gewesen seien, habe er sich für die Schweiz entschieden. Die Beklagte habe keine Ermessensentscheidung getroffen, da sie das Wort „Ermessen“ noch nicht einmal erwähne, sondern davon spreche, dass keine Wahlfreiheit bestehe. Jedenfalls liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, da seine Argumente gar nicht gewürdigt worden seien. Vielmehr habe man allein auf die theoretische Möglichkeit einer Operation in Deutschland abgestellt. Seine persönlichen Erfahrungen mit Knieoperationen in Deutschland, der Todesfall in der Familie, seine besondere Situation nach vier Operationen und jahrelanger Schmerztherapie, die fehlende Spezialisierung der von der Beklagten benannten Kliniken, die Spezialisierung der Klinik in der Schweiz, seine Vorbehandlungen in der Schweiz, die Belastung der Kliniken vor Ort mit Krankenhauskeimen und das Vorhandensein einer barrierefreien Wohnung in der Schweiz seien nicht gewürdigt worden. Vor seinem Antrag habe die Mitarbeiterin der Beklagten O. ihm gesagt, dass eine OP in der Schweiz wohl kein Problem sein werde. Bei Anrufen in den Kliniken in F. bis nach T. habe er von Wartezeiten von mindestens einem halben Jahr erfahren.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.7.2016 und 10.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.6.2017 zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Es stehe außer Frage, dass der Kläger eine dem allgemein anerkannten Standard der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung auch in Deutschland habe in Anspruch nehmen können. Besonderheiten, die auf eine zwingende Behandlungsnotwendigkeit in dem von ihm gewählten Krankenhaushaus in der Schweiz schließen lassen könnten, seien nicht zu erkennen. Dazu seien die Angaben zu pauschal. Ein Ermessensfehler liege nicht vor.

 

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.5.2018 als unbegründet abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine nach § 13 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) von der Kasse zu erteilende Zustimmung lägen nicht vor, da die durchgeführte Operation in Deutschland zum Standardspektrum vieler Vertragskrankenhäuser zähle. Dies sei dem Kläger vorher auch bekannt gewesen. Die Entscheidung sei auch nicht ermessensfehlerhaft, da der Kläger die für seine Entscheidung relevanten Gründe erstmals in der Klageschrift vorgetragen habe. Der Ermessensspielraum werde durch das in § 13 Abs. 5 SGB V zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahmeverhältnis zudem beschränkt.

 

Gegen das ihm am 29.6.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.7.2018 Berufung eingelegt und sein Vorbringen wiederholt. Die Gründe für seine Entscheidung habe er bereits detailliert im Widerspruch aufgeführt. Auch ein durch das Regel-Ausnahmeverhältnis eingeschränkter Spielraum sei ein Ermessensspielraum, den die Beklagte habe ausfüllen müssen.

 

 

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30.5.2018 zu ändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie nimmt auf die Ausführungen der angegriffenen Entscheidung Bezug. Zwar sei es richtig, dass der Kläger seine Gründe schon mit dem Widerspruch vorgetragen habe. Damit habe sie sich jedoch kurz, aber ausreichend im Rahmen des Widerspruchsbescheids auseinandergesetzt.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

 

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren klargestellt hat, mit seiner Klage auch die für die Reha in der Klinik T.  entstandenen Kosten geltend zu machen, ist die Klage unzulässig. Denn zu diesem Begehren gibt es noch keine Verwaltungsentscheidung der Beklagten, die gerichtlich überprüft werden könnte. Der Kläger hat die beabsichtigte Reha in seinem telefonischen Antrag vom 8.7.2016 nicht erwähnt, sodass der Bescheid vom 12.7.2016 hierzu keine Entscheidung treffen konnte. Der Kläger hat erst am 25.10.2016 Kostenvoranschläge der L.-Klinik und der Klinik T. übersandt. Dies könnte konkludent als Antrag auch auf Kostenübernahme der Rehabilitation gewertet werden. Weder der Bescheid vom 10.11.2016 noch der Widerspruchsbescheid vom 15.6.2017 enthalten jedoch hierzu eine Entscheidung, da sie sich ausschließlich zu der Ablehnung eines stationären Krankenhausaufenthalts in der Schweiz verhalten. 

 

Das Sozialgericht hat die die stationäre Krankenhausbehandlung in der L.-Klinik betreffende Klage zu Unrecht mit Urteil vom 30.5.2018 abgewiesen. Der Bescheid vom 12.7.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.6.2017 und der Bescheid vom 10.11.2016 verletzen den Kläger in seinen Rechten nach § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn er hat Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

 

Nach § 13 SGB V Abs. 4 SGB V sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen. Abweichend von Absatz 4 können nach § 13 Abs. 5 SGB V in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

 

Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der nach § 13 Abs. 5 Satz 1 SGB V begehrten Zustimmung ergibt sich nicht bereits aus der telefonischen Auskunft der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau O.. Denn eine Zusicherung bedarf nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) der Schriftform.

 

Für den Senat steht außer Frage, dass das Knie des Klägers ebenso wirksam und dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend in einem Vertragskrankenhaus im Inland mit einer Knie-TEP hätte versorgt werden können. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils vom 30.5.2018 Bezug; § 153 Abs. 2 SGG.

 

Die Beklagte hat bei der Versagung ihrer Zustimmung jedoch eine fehlerhafte Ermessensentscheidung getroffen. Gemäß § 39 SGB I haben die durch eine leistungsrechtliche Ermessensnorm des SGB Begünstigten gegen den zuständigen Leistungsträger einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, dies aber nur dann, wenn die Voraussetzungen für die Pflicht des Leistungsträgers zur Ermessensbetätigung vorliegen. Nach  § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG unterliegt die Erfüllung der Voraussetzungen für das Bestehen der Ermessensbetätigungspflicht der vollen gerichtlichen Überprüfung. Hingegen sind die Gerichte bezüglich der Ermessensbetätigung und ihres Ergebnisses, der Ermessensentscheidung, gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG darauf beschränkt zu kontrollieren, ob der Leistungsträger seiner Pflicht zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch), mit seiner Ermessensentscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, das heißt eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt (Ermessensüberschreitung) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit und Ermessensmissbrauch; vgl  BSG, Urteil vom 14.12.1994 – 4 RA 42/94). Dass die Beklagte ihren Ermessensspielraum immerhin erkannt hat, lässt sich noch aus dem Bescheid vom 10.11.2016 („Die Zustimmung kann verweigert werden…“) und dem Widerspruchsbescheid vom 15.6.2017 („Versicherte können im Geltungsbereich […] nur nach vorheriger Zustimmung…“, „Die Zustimmung konnte nicht gegeben werden…“) entnehmen. Sie setzt sich jedoch nahezu gar nicht mit den zahlreichen, vom Kläger schon im Widerspruchsverfahren vorgetragenen und aus seiner Sicht für eine zwingende Operation in der Schweiz sprechenden Gründe auseinander. Lediglich im Widerspruchsbescheid vom 15.6.2017 führt sie aus, dass eine Zustimmung nicht bereits deshalb erteilt werden dürfe, weil die medizinische Versorgung in der Schweiz  vermeintlich optimaler sei. Bereits in seiner E-Mail vom 20.7.2016 hatte der Kläger ausführlich dargelegt, dass die Operation in der Schweiz durchgeführt werden solle, weil er dort einen barrierefreien Zweitwohnsitz in der Nähe der Klinik unterhalte, in Deutschland nur Assistenzärzte, in der Schweiz aber die behandelnden Ärzte operierten, er sich wegen erschreckender Umstände in deutschen Kliniken bereits einmal habe auf die Privatstation verlegen lassen, sein Knie bereits in Deutschland „kaputt operiert“ worden sei, er von einer Vertrauensperson erfahren habe, dass es in den Kliniken in der Umgebung Krankenhauskeime gebe und weil es in der Familie auf Grund der schlechten Situation in den Krankenhäusern bereits einen Todesfall gegeben habe. Die Beklagte erwähnt in dem Bescheid vom 10.11.2016 oder in dem Widerspruchsbescheid vom 15.6.2017 noch nicht einmal einen dieser Punkte, sodass von einer Auseinandersetzung oder Abwägung keine Rede sein kann, mithin ein Abwägungsdefizit vorliegt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Ermessensspielraum der Krankenkassen bei der Erteilung der Zustimmung erheblich eingeschränkt ist. § 13 Abs. 5 SGB V vollzieht die Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 12.07.2001, C-157/99, SozR 3-6030 Art 59 Nr 6; und vom 13.05.2003, C 385/99, SozR 4-6050 Art 59 Nr. 1), wonach Regelungen, die die Übernahme der Kosten für die Versorgung in einem Krankenhaus in einem anderen Mitgliedstaat davon abhängig machen, dass die Krankenkasse eine vorherige Zustimmung erteilt, unter bestimmten Voraussetzungen mit dem EG-Recht vereinbar sind. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber die Versagung der Zustimmung nur zugelassen, wenn der Versicherte eine notwendige stationäre medizinische Behandlung im Inland nicht oder nicht rechtzeitig erhalten kann, oder er während eines Aufenthalts im EG- bzw. EWR-Ausland (bzw. in der Schweiz) auf eine unverzügliche entsprechende Behandlung angewiesen ist (BT-Drucks 15/1525, S. 82). Dies entbindet die Beklagte jedoch nicht davon, sich mit den individuell vorgebrachten Argumenten auseinanderzusetzen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht; § 160 Abs. 2 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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