Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Versicherung bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Kläger war bis zum 31.01.1993 bei der Beklagten freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Ab dem 01.02.1993 war er durchgängig als Selbstständiger in einer privaten Krankenversicherung versichert und ist auch weiterhin privat krankenversichert. Er vollendete am 00.00.2019 das 55. Lebensjahr. Zum 01.01.2022 nahm er eine abhängige Beschäftigung als Lagerist auf. Daneben ist er weiterhin als Selbstständiger in der Schauwerbegestaltung tätig.
Mit E-Mail vom 09.05.2022 bat der Kläger die Beklagte unter Beifügung einer Meldebescheinigung zur Sozialversicherung um eine Bestätigung einer bei ihr bestehenden Versicherung. Er sei seit dem 01.01.2022 über den Arbeitgeber bei der Beklagten versichert. Nachdem ihm telefonisch mitgeteilt worden war, dass eine Versicherung nicht möglich sei und der Arbeitgeber die Meldung ändern solle, bat der Kläger die Beklagte mit E-Mail vom 10.05.2022 erneut um Bestätigung der bei ihr bestehenden Versicherung.
Mit Bescheid vom 12.05.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Aufnahme als Mitglied nicht möglich sei. Wenn das 55. Lebensjahr bereits vollendet sei, müsse in den letzten fünf Jahren mindestens einen Tag lang eine gesetzliche Krankenversicherung bestanden haben. Der Kläger sei in den zurückliegenden fünf Jahren durchgehend privat versichert gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 24.05.2022 Widerspruch. Er gab an, dass neben seiner persönlichen Situation auch die gesamtgesellschaftliche Lage rund um die Corona-Pandemie ein wesentlicher Faktor gewesen sei, weshalb er sich Ende 2021 dazu gezwungen gesehen habe, neben seiner Selbstständigkeit eine Anstellung anzunehmen. Aus seiner Sicht würden bei der geltenden Rechtslage die Interessen der gesetzlichen Krankenversicherer gegenüber den Interessen der Versicherten in unverhältnismäßiger Weise bessergestellt, da Veränderungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Privatversicherten keine angemessene Berücksichtigung fänden. Es liege der Verdacht einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Regelung nahe. Für ihn bedeute die gegenwärtige Gesetzgebung, dass er trotz enormer pandemiebedingter Einkommenseinbußen in der privaten Krankenversicherung gefangen sei. Es sei auch keine Veränderung zum Besseren absehbar, da in seiner Branche der Markt durch Geschäftsaufgaben weiterhin rückläufig sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2022 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Für den Eintritt der Krankenversicherungspflicht sei es in seinem Fall nicht mehr relevant, ob er weiterhin geringfügig oder hauptberuflich selbstständig tätig sei. Ausschlaggebend sei, dass für ihn keine Krankenversicherungspflicht zum 01.01.2022 eintreten könne, da er das 55. Lebensjahr bereits vollendet habe. Ein Beitrittsrecht zur freiwilligen Krankenversicherung ab 01.01.2022 bestehe für ihn ebenfalls nicht, da er in den letzten fünf Jahren vor dem 01.01.2022 weder 24 Monate noch vor dem 01.01.2022 mindestens 12 Monate ununterbrochen in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen sei. Er sei durchgehend seit dem 01.02.1993 nicht in der gesetzlichen, sondern in der privaten Krankenversicherung versichert und habe sich bereits seinerzeit gegen die Absicherung in der Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung entschieden, um sich in der privaten Krankenversicherung zu versichern.
Mit seiner am 23.12.2022 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, dass der Gesetzgeber privatversicherten Selbstständigen nach Vollendung des 55. Lebensjahres weitgehend versperrt habe, in die gesetzliche Pflichtversicherung zurückzukehren. Es gebe nur wenige Ausnahmeregelungen, die aus seiner Sicht keine ausreichende Schutzwirkung hätten. Es stelle sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung. Er sehe einen Fall von Altersdiskriminierung. Seine Tätigkeit als Schauwerbegestalter sei aufgrund der Einschränkungen im Hinblick auf die Corona-Pandemie gar nicht mehr gefragt gewesen, sodass er eine abhängige Beschäftigung aufgenommen habe. Die finanzielle Belastung durch seine private Krankenversicherung sei für ihn langfristig nicht zu stemmen, obwohl er bereits den Standardtarif nutze. Die Beiträge zu seiner privaten Krankenversicherung machten gegenwärtig knapp ein Drittel seiner Einkünfte aus. Seiner Auffassung nach befinde er sich in einer vom Gesetzgeber gewollten Regelungslücke wieder, da für seine Situation keine sozialverträglichen Optionen mehr gegeben seien. Er hat angegeben, nie verheiratet gewesen zu sein.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2022 aufzuheben und festzustellen, dass er seit dem 01.01.2022 Mitglied bei der Beklagten ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt die Beklagte Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen und einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten für den 04.10.2023 anberaumt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist als Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Mit der Feststellung, dass für den Kläger seit dem 01.01.2022 eine Mitgliedschaft bei der Beklagten besteht, begeht dieser neben der Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 12.05.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2022 mit berechtigtem Interesse die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Klage ist unbegründet, da der Bescheid vom 12.05.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2022 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger ist nicht ab dem 01.01.2022 Mitglied bei der Beklagten.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind versicherungspflichtig Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausübung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Nicht versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ist gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 SGB V, wer hauptberuflich selbstständig erwerbstätig ist. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert (lit. a) oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder in den § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Innenland gehört hätten (lit. b). Versicherungsfrei sind gemäß § 6 Abs. 3a Satz 1 SGB V Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren. Weitere Voraussetzung ist gemäß § 6 Abs. 3a Satz 2 SGB V, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig waren. Dieser Voraussetzung gleich stehen gemäß § 6 Abs. 3a Satz 3 SGB V die Ehe oder die Lebenspartnerschaft mit einer in Satz 2 genannten Person. Gemäß § 6 Abs. 3a Satz 4 SGB V gilt § 6 Abs. 3a Satz 1 SGB V nicht für Personen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig sind.
Inwiefern der Kläger weiterhin hauptberuflich selbstständig tätig und damit gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 SGB V nicht versicherungspflichtig ist, kann dahinstehen, da der Kläger jedenfalls gemäß § 6 Abs. 3a SGB V versicherungsfrei und damit kein bei der Beklagten pflichtversichertes Mitglied ist.
Die Regelung des § 6 Abs. 3a SGB V wurde in das Gesetz aufgenommen, um eine klarere Abgrenzung der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung sowie den Schutz der Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten zu erreichen (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 – GKV-Gesundheitsreform 2000, BT-Drucks. 14/1245, S. 59). Zudem sollte die Regelung dem Grundsatz folgen, dass versicherungsfreie Personen, die sich frühzeitig für eine Absicherung in der privaten Krankenversicherung entschieden haben, diesem System auch im Alter angehören sollten. Dieser Grundsatz, der bereits in den für eine Pflichtmitgliedschaft als Rentner oder für einen freiwilligen Beitritt gesetzlich geforderten Vorversicherungszeiten zum Ausdruck kam, wurde mit der Neuregelung gestärkt (a. a. O., S. 59). Nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht hätten Personen beispielsweise durch Übergang von einer selbstständigen Tätigkeit in eine abhängige Beschäftigung auch dann Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung werden können, wenn sie vorher zu keinem Zeitpunkt einen eigenen Beitrag zu Solidarlasten geleistet hatten. Durch einen Wechsel zwischen den Versicherungssystemen seien Beitragszahler unzumutbar belastet worden, da die Leistungsausgaben für ältere Versicherte ihre Beiträge im Regelfall erheblich überstiegen (a. a. O., S. 59 f.). Für einen Wechsel bestünde regelmäßig auch keine sozialpolitische Notwendigkeit, da ein soziales Schutzbedürfnis wegen des seit langem bestehenden privaten Krankenversicherungsschutzes nicht gegeben sei. Die Prämienkalkulationen der privaten Krankenversicherungsunternehmen berücksichtigten Altersrückstellungen, die den Privatversicherten im Alter zugutekämen. Zudem sollte mit dem Gesetz die Altersgrenze für den Zugang zum Standardtarif von 65 Jahren auf 55 Jahre gesenkt und die Schutzfunktion des Standardtarifs erhöht werden (a. a. O., S. 60).
Die Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit des Klägers nach § 6 Abs. 3a Satz 1 SGB V sind erfüllt. Der Kläger wurde nicht vor Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig. Nachdem der Kläger am 00.00.2019 die Altersgrenze von 55 Jahren erreicht hatte, trat eine etwaige Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erst mit Aufnahme der Beschäftigung zum 01.01.2022 ein. Zudem war er in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der etwaigen Versicherungspflicht am 01.01.2022 nicht gesetzlich versichert. Der Kläger war seit dem 01.02.1993 durchgängig als Selbstständiger privat krankenversichert und hat erst zum 01.01.2022 eine abhängige Beschäftigung aufgenommen. Damit war der Kläger auch in dem Fünfjahreszeitraum vor Eintritt der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig (vgl. § 6 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Der Kläger ist auch nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig (vgl. § 6 Abs. 3a Satz 4 SGB V), da er aufgrund seiner bestehenden privaten Krankenversicherung einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hat.
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 3a SGB V und der dahinterstehenden Motive des Gesetzgebers vermag die Kammer keine planwidrige Regelungslücke vor dem Hintergrund der dargestellten Ausführungen des Gesetzgebers zu erkennen. Der Kläger ist versicherungsfrei.
Der Kläger hat zudem kein Beitrittsrecht zu einer freiwilligen Versicherung bei der Beklagten. Der Versicherung beitreten können gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V insbesondere Personen, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren. Der Beitritt ist der Krankenkasse gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft anzuzeigen. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger zu einem Zeitpunkt vor der bis zum 31.01.1993 bestehenden freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten sowie der sich anschließenden Selbstständigkeit und Versicherungsfreiheit versicherungspflichtig gewesen ist, ist jedenfalls eine Beitrittsanzeige innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 9 Abs. 2 SGB V durch den Kläger nicht erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.