Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.03.2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 901,31 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Seit seiner Verlegung aus dem E. C. am 12.04.2018 bis zu seiner Verlegung in das Herzzentrum des X. Ü. am 26.04.2018 wurde der im Jahr 00.00.0000 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte F. (Versicherter) im von der Klägerin betriebenen Vertragskrankenhaus behandelt. Die Aufnahme auf der Intermediate-Care-Station des klägerischen Krankenhauses erfolgte wegen einer kardialen Dekompensation mit respiratorischer Insuffizienz sowie formal troponinpositivem akuten Koronarsyndrom / NSTEMI.
Mit Rechnung vom 04.05.2018 forderte die Klägerin für die Behandlung des Versicherten unter Zugrundelegung der DRG F69A (Herzklappenerkrankung mit äußerst schweren oder schweren CC) eine Vergütung in Höhe von 4.705,13 €. Als Hauptdiagnose teilte sie dabei I35.0 (Aortenklappenstenose), als Nebendiagnosen unter anderem die Diagnosen I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) sowie I21.4 (akuter subendokardialer Myokardininfarkt) mit.
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig und bat aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit der Abrechnung den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) um Prüfung, ob die Hauptdiagnose I35.0 korrekt ist (Prüfanzeigen vom 16.05.2018). Dieser kam in seinem nach Prüfung vor Ort erstellten Gutachten (vom 24.07.2018) zu dem Ergebnis, dass die Hauptdiagnose in I50.01 zu ändern sei, woraus die geringer vergütete DRG F49E (invasive radiologische Diagnostik außer bei akutem Myokardinfarkt, ohne IntK >196/184/368 Aufwandspunkte, Alter > 14 Jahre, ohne kardiales Mapping, ohne schwere CC oder ein Belegungstag, mit komplexer Diagnose) folge. Der Versicherte sei mit globaler kardialer Dekompensation übernommen worden; diese habe die stationäre Behandlung veranlasst und sei Hauptdiagnose. Bei dem Kode I35.0 handele es sich um einen Echobefund ohne weiteren Aufwand des Krankenhauses. Im Rahmen des Begehungsverfahrens sei von Seiten der Krankenhausverantwortlichen die Änderung der Hauptdiagnose nur unter der Bedingung der Anerkennung der I35.0 als Nebendiagnose akzeptiert worden.
Die Beklagte teilte der Klägerin das Ergebnis der MDK-Prüfung mit und machte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.051,75 € geltend, den sie gemäß § 10 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V vom 03.02.2016 (Prüfverfahrensvereinbarung – PrüfvV 2016) aufgerechnet habe. Das Zahlungsavis vom 31.07.2018 wies bezogen auf den Behandlungsfall des Versicherten eine Gutschrift in Höhe von 3.653,38 € und einen Minusbetrag in Höhe von 4.705,13 € aus.
Die Klägerin widersprach dem MDK-Gutachten. Es sei sehr wohl seitens des Krankenhauses ein erheblicher Aufwand bezüglich der Aortenklappenstenose mit erhöhtem Ressourcenverbrauch betrieben worden.
Am 30.12.2019 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) sei Hauptdiagnose die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt worden sei, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes verantwortlich sei. Entgegen der Auffassung des MDK sei I35.0 als Hauptdiagnose zu kodieren. Der Ressourcenverbrauch hinsichtlich dieser Diagnose habe sowohl in der respiratorischen Stabilisierung des Patienten als auch in den wiederholt erforderlich gewordenen Pleurapunktionen bestanden. Erst nach Erreichen eines stabilen Zustandes sei eine Koronarangiografie möglich gewesen.
Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten bei dem Arzt für Innere Medizin Y. eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 21.04.2021 zu dem Ergebnis gekommen, dass als Hauptdiagnose der als Nebendiagnosen übermittelte Kode I21.4 und die Kodes I35.0 und I50.01 als Nebendiagnosen zu kodieren seien, woraus DRG F41B (mit eine effektiven DRG-Entgelt von 4.626,45 €) folge.
Die Klägerin hat der Auffassung des Sachverständigen zugestimmt und die Klage in Höhe der nach einer Testabrechnung bestehenden Differenz von 150,44 € zwischen der von ihr abgerechneten und der vom Sachverständigen ermittelten DRG zurückgenommen. Dem Austausch der Hauptdiagnose im gerichtlichen Verfahren stehe nicht § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 entgegen. Zwar habe das BSG in seinen Entscheidungen vom 18.05.2021 im Zusammenhang mit § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 eine Präklusionswirkung für nicht mehr veränderbare Teil des Datensatzes angenommen. Es habe allerdings ausdrücklich offengelassen (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R –, Rn. 18, juris), wie Fälle zu behandeln seien, in denen die im Datensatz mitgeteilte und vom Prüfauftrag umfasste Hauptdiagnose unzutreffend sei. Bei der hier streitgegenständlichen Hauptdiagnose handele es sich nicht um einen nicht mehr veränderbaren Teil des Datensatzes. Nach der Rechtsprechung des BSG knüpfe die materielle Präklusionswirkung an den Regelungszweck der PrüfvV, der aber nicht gefährdet sei, wenn genau der vom MDK in Auftrag gegebene Prüfgegenstand – hier die Hauptdiagnose – korrekt abgebildet werden müsse. Die Krankenkasse werde vorliegend auch nicht überrascht, da sowohl I35.0 als auch I21.4 von Beginn an durch die Klägerin kodiert worden seien.
Die Klägerin hat schriftlich beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 901,31 € zu verurteilen.
Die Beklagte hat schriftlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, da Gegenstand der MDK-Prüfung die Frage nach der Korrektheit der Hauptdiagnose gewesen sei, unterliege die vom Sachverständigen vorgenommene Datensatzänderung dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 und sei zu spät. Es sei unerheblich, dass die beiden Diagnosen I21.4 und I35.0 bereits Teil des Datensatzes gewesen seien. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R) sei die Änderung zugunsten der Klägerin nicht mehr zu berücksichtigen. Die von ihr gewählte Hauptdiagnose sei – auch nach dem Sachverständigengutachten – falsch, eine Änderung in I21.4 unzulässig und die Klage daher abzuweisen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 22.03.2022 zur Zahlung von 901,31 € verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei im Anschluss an das Sachverständigengutachten als Hauptdiagnose I21.4 zu kodieren, wodurch die DRG F41B angesteuert werde und sich eine offene Forderung in Höhe von 901,31 € ergebe. Der Anspruch auf diesen Betrag sei nicht durch § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 ausgeschlossen. Auch in der vorliegenden Konstellation, in der die nach gerichtlicher Überprüfung zutreffende Hauptdiagnose in dem ursprünglich übermittelten Datensatz als Nebendiagnose enthalten gewesen sei und die Bestimmung der zu kodierenden Hauptdiagnose in Abgrenzung zu den „nur“ als Nebendiagnosen anzusetzenden Diagnosen nach den Vorgaben der DKR D002f maßgeblich von dem Ausmaß des jeweiligen Ressourcenverbrauchs abhänge, sei der zu weit gefasste Wortlaut dieser Vorschrift teleologisch zu reduzieren. Der Zweck des Prüfverfahrens werde hierdurch nicht gefährdet, da kein neuer Sachverhalt in das Prüfverfahren eingebracht, sondern lediglich eine abweichende Bewertung hinsichtlich des Ressourcenverbrauchs der verschiedenen Diagnosen vorgenommen werde.
Gegen das ihr am 29.03.2022 zugegangene Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 29.04.2022. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das Sozialgericht verkenne, dass einem Austausch der Hauptdiagnose § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 entgegenstehe. Da Gegenstand des Prüfauftrages die korrekte Hauptdiagnose gewesen sei, seien nachträgliche Änderungen hinsichtlich der Hauptdiagnose nach der Rechtsprechung des BSG nicht mehr zulässig. Abrechenbar bleibe damit allein die vom MDK ermittelte Hauptdiagnose I50.0 und die daraus resultierende DRG F49E.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.03.2022 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Sozialgerichts. Entgegen der Auffassung der Beklagten lasse sich der Rechtsprechung des BSG nicht entnehmen, dass eine nachträgliche Änderung hinsichtlich der Hauptdiagnose nicht mehr möglich sei. Vielmehr sei die Klägerin danach in der hier vorliegenden Konstellation nicht mit einer Änderung der Reihenfolge der kodierten Diagnosen ausgeschlossen, denn das BSG habe eine Präklusionswirkung nur für nicht mehr veränderbare Teile des Datensatzes angenommen und dabei offengelassen, ob es sich bei der Änderung der Reihenfolge der unstreitig zutreffend kodierten Diagnosen um einen solchen nicht mehr veränderbaren Teil handele. Insbesondere werde vorliegend durch eine Abrechnung entsprechend der vom Sachverständigen ermittelten DRG nicht der Regelungszweck der PrüfvV beeinträchtigt. Eine notwendige Änderung in eine korrekte Hauptdiagnose betreffe von vornherein den geprüften Gegenstand. Es sei eine Bewertung des der Prüfung zugrundeliegenden Sachverhaltes vorzunehmen, so dass weder ein laufendes Prüfverfahren verzögert werde oder ein neues Prüfverfahren erforderlich sei noch die Krankenkasse mit einer Änderung überrascht werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Patientenakte der Klägerin sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der als echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG statthaften Klage zu Recht stattgegeben.
Der Klägerin steht der streitige Anspruch in Höhe von 901,31 € zu, weil der Beklagten in diesem Umfang kein Erstattungsanspruch infolge der Vergütung der Behandlung des Versicherten zustand und sie mit diesem daher nicht die Aufrechnung wirksam erklären konnte.
Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung eines anderen Versicherten der Beklagten zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung weiterer 901,31 € hatte; eine nähere Prüfung des Senats erübrigt sich insoweit (vgl. BSG, Urteil vom 31.07.2019 – B 1 KR 31/18 R –, Rn. 9, juris; Urteil vom 17.12.2013 – B 1 KR 57/12 R –, Rn. 8, juris jeweils m.w.N.).
Dieser unstreitige Vergütungsanspruch ist nicht durch Aufrechnung erloschen, denn der Beklagten stand in Höhe des noch streitgegenständlichen Betrages kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch hinsichtlich der Vergütung der stationären Behandlung des Versicherten Kall zu, der sie zur Aufrechnung berechtigte. Es fehlte an einer für die Aufrechnung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 387 ff. BGB erforderlichen Gegenforderung in Höhe von 901,31 € und damit am Bestehen einer Aufrechnungslage. Die für den Behandlungsfall Kall gezahlte Vergütung erfolgte insoweit nicht ohne Rechtsgrund.
Rechtsgrundlage der von der Klägerin geltend gemachten und von der Beklagten vorbehaltlos gezahlten Vergütung sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 KHEntgG und § 17b KHG, die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2018 und die von den Vertragsparteien auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2018. Die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet sich im Wesentlichen nach der mithilfe einer zertifizierten Software (Grouper) ermittelten DRG. Für die Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer DRG sind maßgebliche Kriterien die Hauptdiagnose, die Nebendiagnosen, eventuell den Behandlungsverlauf wesentlich beeinflussende Komplikationen, die im Krankenhaus durchgeführten Prozeduren sowie weitere Faktoren (Alter, Geschlecht etc.). Die Diagnosen werden mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), das seit dem 26.05.2020 zum Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gehört, im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen ICD-10 verschlüsselt. Die Prozeduren werden nach dem ebenfalls vom DIMDI, bzw. BfArM herausgegebenen OPS kodiert. Aus diesen Kodes wird dann zusammen mit den weiteren für den Behandlungsfall maßgeblichen Faktoren unter Verwendung eines Groupers die entsprechende DRG ermittelt (sogenannte Groupierung), anhand derer die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird (ausführlich dazu BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R –, BSGE 109, 236).
Abrechnungsbestimmungen sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Die Klassifikationssysteme können Begriffe entweder ausdrücklich definieren oder deren spezifische Bedeutung kann sich ergänzend aus der Systematik der Regelung ergeben. Ferner kann der Wortlaut ausdrücklich oder implizit ein an anderer Stelle normativ determiniertes Begriffsverständnis in Bezug nehmen. Fehlt es an solchen normativen definitorischen Vorgaben, gilt der Grundsatz, dass medizinische Begriffe im Sinne eines faktisch bestehenden, einheitlichen wissenschaftlich-medizinischen Sprachgebrauchs zu verstehen sind. Ergeben sich danach keine eindeutigen Ergebnisse, ist der allgemeinsprachliche Begriffskern maßgeblich (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 22.06.2022 – B 1 KR 31/21 R –, Rn. 12, juris m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben war der streitige Behandlungsfall nach dem schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Sachverständigengutachten unter Verschlüsselung der Hauptdiagnose I21.4 abzurechnen, was zusammen mit den von der Klägerin abgerechneten und zwischen Beteiligten unstreitigen Nebendiagnosen und OPS-Kodes in die DRG F41B und zu einem gegenüber dem von der Beklagten unter Zugrundelegung des MDK-Gutachtens ermittelten weiteren Vergütungsanspruch in Höhe von 901,31 € führt.
Die Hauptdiagnose wird nach der DKR D002f definiert als die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2022 – B 1 KR 31/21 R –, Rn. 14, juris m.w.N.). Als diese war zur Überzeugung des Senats ausweislich der Darlegungen des Sachverständigen I21.4 zu kodieren, denn der subendokardiale Myokardinfarkt des Versicherten war aufgrund der beschriebenen arteriosklerotisch veränderten rechten Herzkranzarterie mit Nachweis einer hochgradigen Stenose im medialen Bereich und des subtotal im distalen Bereich stenosierten Hauptstammes die Ursache für die vom klägerischen Krankenhaus initial beschriebene respiratorische Insuffizienz bei kardialer Dekompensation. Im Rahmen der Diagnostik des subendokardialen Myokardinfarkts ist diesbezüglich, wie der Sachverständige ebenfalls schlüssig dargelegt hat, auch der höchste Ressourcenverbrauch erfolgt.
Das klägerische Krankenhaus ist auch nicht gemäß § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 an der Nachkodierung der zur Abrechnung der DRG F41B führenden Hauptdiagnose I21.4 gehindert. Es durfte den Restvergütungsanspruch in Höhe von 901,31 € fällig stellen und die Abrechnung korrigieren.
Nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich (Satz 1). Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Absatz 2 an die Krankenkasse erfolgen (Satz 2). Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich (Satz 3). In den Fällen der Prüfung vor Ort – wie hier – finden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist (Satz 4).
§ 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 beinhaltet eine materielle Präklusionsregelung mit der Rechtsfolge, dass Änderungen zugunsten des vom Krankenhaus zu Abrechnungszwecken an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes nach Ablauf der in der PrüfvV geregelten Änderungsfristen unzulässig sind, soweit der Datensatz Gegenstand des Prüfverfahrens geworden ist (vgl. auch zum Folgenden BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R –, Rn. 16 ff., juris). Änderungen des MDK-geprüften Teils des Datensatzes nach § 301 SGB V außerhalb der in § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 geregelten Änderungsmöglichkeiten sind – auch mit Wirkung für ein ggf. nachfolgendes Gerichtsverfahren – unzulässig. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses kann nicht erfolgreich auf Grundlage von neuen (geänderten oder ergänzten) Daten durchgesetzt werden, deren Übermittlung unzulässig ist. Das Krankenhaus verliert das Recht, den Datensatz nach § 301 SGB V zu ändern, soweit er Prüfgegenstand der von der KK veranlassten MDK-Prüfung geworden ist; dies auch mit Wirkung für das Gerichtsverfahren.
Die Rechtsfolge des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 hat daher Auswirkungen nicht nur für den Austausch der Daten zur Begründung einer Nachforderung, sondern auch für Datenänderungen zur Begründung eines gleichbleibenden oder verminderten Rechnungsbetrags. Denn soweit der nicht mehr veränderbare Teil des Datensatzes unzutreffende Daten enthält, kann das Krankenhaus hierauf regelmäßig keinen durchsetzbaren Vergütungsanspruch stützen. Unzutreffende, nicht mehr änderbare Daten fallen als Berechnungselemente grundsätzlich ersatzlos weg. Dies gilt allerdings nicht, wenn es "nur" um quantitative Angaben geht (z.B. Dauer der Beatmungsstunden, Geburtsgewicht, Operationen- und Prozeduren-Schlüssel-Kodes mit quantitativen Unterscheidungen), also nicht ein Aliud, sondern ein Minus oder ein Maius zutreffend hätte kodiert werden müssen.
Der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 ist hier eröffnet, weil die maßgebliche Behandlung nach dem 31.12.2016 erfolgte und Gegenstand der von der Beklagten veranlassten Prüfung durch den MDK die Kodierung der Hauptdiagnose war.
Ob infolgedessen das Krankenhaus an einer Korrektur der Hauptdiagnose und entsprechend des Rechnungsbetrages und damit der Durchsetzung des Differenzbetrages zu dem vom MDK ermittelten Vergütungsanspruch infolge der genannten Präklusionswirkung gehindert ist (hier nach Feststellung der richtigen Diagnose infolge der Erkenntnisse im Gerichtsverfahren), hat das BSG bislang ausdrücklich offengelassen (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R –, Rn. 18 juris).
Der erkennende Senat bejaht diese Möglichkeit, weil dies insbesondere mit dem Sinn und Zweck der PrüfvV 2016 im Einklang steht.
Die Anwendung der normenvertraglichen Bestimmungen der PrüfvV 2016 unterliegt den allgemeinen für Gesetze geltenden Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft, also der Beurteilung unter Berücksichtigung von Wortlaut, Binnensystematik, Regelungssystem sowie Sinn und Zweck der Vorschrift im Kontext ihrer Entstehungsgeschichte (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R –, Rn. 21 f. juris).
Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 sind die „Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen“ geregelt. Das Wort „Datensatz“ bezieht sich auf die nach § 301 SGB Von dem Krankenhaus an die Krankenkasse übermittelten Daten (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R –, Rn. 24 juris). Vorliegend hat das klägerische Krankenhaus gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SGB V im Wege der elektronischen Datenübertragung die aus seiner Sicht maßgebliche Hauptdiagnose I35.0 und (u.a.) die Nebendiagnosen I50.01 sowie I21.4 übermittelt. Der Prüfauftrag umfasste die Hauptdiagnose – nicht hingegen die Nebendiagnosen. Die für die Durchsetzung des vorliegend streitigen Betrages erforderliche auf Basis der DRG F41B vorgenommene Datenänderung umfasste die Ersetzung der zunächst übermittelten Hauptdiagnose I35.0 durch die vom gerichtlichen Sachverständigen genannte, zunächst im Ursprungsdatensatz als Nebendiagnose übermittelte I21.4. Diese erst nach Abschluss der MDK-Prüfung vor Ort erfolgte Datensatzänderung ist daher vom Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 grundsätzlich erfasst. Jedoch besagt die Vorschrift nichts darüber, welche Konsequenzen eine fehlerhafte Zuordnung der an sich richtigen Diagnosen hinsichtlich der Bereiche Haupt- und Nebendiagnose haben soll. Einen materiellrechtlichen Ausschluss im Sinne der Begrenzung des Vergütungsanspruchs auf das zwischen den Beteiligten Unstreitige bzw. das bei Streichung der fehlerhaften Daten Verbleibende kann dem Korrekturverbot hinsichtlich der Hauptdiagnose nicht entnommen werden. Für ersteres fehlt eine Regelung und letzteres wäre mit dem DRG-Abrechnungssystem nicht kompatibel, weil ohne die Hauptdiagnose eine abrechnungsfähige DRG nicht mehr ansteuerbar ist.
Ein Verbot der Änderungen der Datensätze hinsichtlich der Hauptdiagnose lässt sich auch nicht mit der Systematik der durch die PrüfvV 2016 vorgegebenen Fristen der Korrekturmöglichkeiten in Einklang bringen. Für den hier zu beurteilenden Fall der Prüfung vor Ort ist eine Korrektur oder Ergänzung der Datensätze nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich (§ 7 Abs. 5 S. 4 PrüfvV 2016). Kommt der MDK in diesem Fall zu einem abweichenden, gegebenenfalls wie hier falschen Ergebnis, sähe sich das Krankenhaus im Fall der Beibehaltung seiner Daten dem Risiko ausgesetzt, den gesamten Vergütungsanspruch zu verlieren. Stellt sich nämlich später eine andere Diagnose als richtig heraus, wäre das Krankenhaus wegen Ablaufs der Änderungsfrist zur Korrektur nicht mehr berechtigt. Da die von ihm gemeldete Diagnose fehlerhaft und damit nicht vergütungsfähig wäre, fehlte es insgesamt an einem Vergütungsanspruch.
Ein solches Ergebnis gebieten auch nicht Sinn und Zweck der Regelung des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016. Die Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens, wie sie die PrüfvV 2016 zum Ziel hat (zur Entstehungsgeschichte vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R –, Rn. 29) wird im Rahmen des § 7 Abs. 5 S. 1-4 dadurch erreicht, dass der MDK nach Ablauf der entsprechenden Fristen nur die nach § 301 SGB V übermittelten Daten seiner Prüfung zugrundelegen muss. Die damit verbundene Präklusionswirkung soll grundsätzlich auch in einem dem Prüfverfahren folgenden Gerichtsverfahren Bestand haben (BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R –, Rn. 30). Dies ist erforderlich, damit das Krankenhaus nicht nach Abschluss des Prüfverfahrens dessen Wirkung mittels späterer Änderung des geprüften Teils des Datensatzes beseitigen könnte.
Diese Überlegungen gelten aber nicht, wenn – wie hier – Streit über die Richtigkeit der kodierten Hauptdiagnose entstanden ist und das Ergebnis der gerichtlichen Überprüfung lediglich einen Wechsel von Haupt- und Nebendiagnosen zeitigt. Der damit verbundene Aufwand der gerichtlichen Aufklärung bleibt beschränkt auf die übermittelten Daten und ihre richtige Zuordnung. Eine Ausweitung des Prüfverfahrens ist damit nicht verbunden.
Die gegenteilige Auslegung führte im Streit um die Hauptdiagnose zu einer unangemessenen Risikoverschiebung zulasten des Krankenhauses, die mit der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 KHG nicht vereinbar scheint. In allen Zweifelsfällen bezüglich der zu kodierenden Hauptdiagnose wäre allein dem Krankenhaus das Risiko zugewiesen, dass sich seine Einschätzung als falsch erweist. Da es in diesem Fall regelmäßig wegen Ablauf der Fristen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016, insbesondere in Fällen nachfolgender Gerichtsverfahren, an einer sich als notwendig herausstellenden Korrektur oder Ergänzung der Daten gehindert wäre, fehlte es an einer den Vergütungsanspruch begründenden Rechnung. Die unzutreffend übermittelte Hauptdiagnose dürfte keine Berücksichtigung finden, eine Ersetzung wäre nicht statthaft. Insoweit wäre die Rechnung daher auch nicht auf die von dem MDK als zutreffend erachtete Diagnose umzustellen, weil auch hierfür die PrüfvV 2016 keine Grundlage enthält. Selbst wenn man letzteres im Wege der teleologischen Reduktion (nach BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R –, Rn. 36, juris gilt die Präklusion nicht, wenn Daten gerade in Umsetzung des MDK-Prüfergebnisses korrigiert oder ergänzt werden) als zulässig erachtete, hülfe dies dem Krankenhaus nur bedingt, wenn die vom MDK wie hier für zutreffend erachtete Hauptdiagnose falsch ist und einen zu niedrigen Vergütungsanspruch begründet.
Der Regelungszweck der Vorschrift des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 gebietet daher auch hier eine teleologische Reduktion ihres zu weit gefassten Wortlauts. Diese ist dann geboten, wenn der Wortlaut Sachverhalte erfasst, die die Vorschrift nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. So liegt der Fall hier. Ohne eine teleologische Reduktion erfasste die Regelung Sachverhalte, die sie nach ihrem objektiven, erkennbaren Regelungszweck nicht regeln soll. Es kann vom Regelungszweck der Vorschrift nicht gewollt sein – worauf die Beklagte die Klägerin aber vorliegend verweisen will –, dass das Krankenhaus eine Änderung des Datensatzes lediglich dahingehend vornehmen darf, dass es die unzutreffenden Daten des MDK-Gutachtens übernimmt und seinen Vergütungsanspruch hierauf begrenzt. Andernfalls könnte der MDK, wenn sich die Diagnosezuordnung des Krankenhauses als fehlerhaft erweist, gleichsam über die Abrechnung bestimmen, weil nur noch die im Prüfbericht genannten Diagnosen kodierbar wären.
Die – durch den Regelungszweck des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 nicht getragene – Unzulässigkeit der Datenänderung – die zu erheblichen negativen finanziellen Konsequenzen für betroffene Krankenhäuser führen kann – wäre reiner Selbstzweck. Insoweit ist die Regelung auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2021 – B 1 KR 37/20 R –, Rn. 36, juris, m.w.N.).
Selbst wenn man auch die Änderung der Hauptdiagnose den Fristen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 unterwerfen wollte, wäre die Beklagte hier nach § 242 BGB an der Beschränkung der Vergütung auf den vom MDK als zutreffend erkannten Betrag gehindert.
Die von einer Krankenkasse im Einzelfall vorgenommene Beanstandung einer Krankenhausrechnung steht unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben, der über § 69 SGB V gemäß dem Rechtsgedanken des § 242 BGB auf die Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern einwirkt (BSG, Urteil vom 18.07.2013 – B 3 KR 21/12 R –, BSGE 114, 105-118, SozR 4-2500 § 275 Nr. 14, Rn. 20). Hat aber die Krankenkasse im Einklang mit dem von ihr beauftragten MDK infolge der Benennung einer falschen Hauptdiagnose dem Krankenhaus zum einen nicht die Möglichkeit der rechtzeitigen Datenkorrektur am Ende der Prüfung vor Ort ermöglicht und zum anderen das spätere Gerichtsverfahren maßgeblich verursacht, besteht weder für die Krankenkasse ein schützenswertes Vertrauen, eine zu geringe Vergütung leisten zu müssen, noch ist es mit dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit vereinbar, diese Umstände dem Krankenhaus zum Nachteil gereichen zu lassen.
Die Klägerin war auch nicht aus anderen Gründen an der Änderung ihrer Abrechnung gehindert, sodass eine Gegenforderung der Beklagten in der streitigen Höhe nicht bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 SGG) zugelassen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG.