Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Einstiegsgeld nach § 16b Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers als Betreiber eines Kiosks in S..
Am 19.02.2018 beantragte der am 00.00.0000 geborene Kläger Einstiegsgeld nach § 16b SGB II für den beabsichtigten Betrieb eines Kiosks ab dem 10.03.2018 (I., E.-straße in S.). Der Kläger stand zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Jahren beim Beklagten im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Er hat nach eigenen Angaben eine kaufmännische Ausbildung absolviert und war vier Jahre in einem Getränkemarkt als Marktleiter tätig. Im Rahmen eines vorherigen Antrags auf Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen nach § 16c Abs. 1 SGB II vom 20.11.2017 führte der Kläger im zweiten Teil dieses Antrags (Finanzplanung für drei Jahre) aus, dass für die Einrichtungen im Kiosk ein Gesamtbetrag von 5.056,98 Euro aufzuwenden sei, zusätzliche Kosten vor der Eröffnung für eine Kassenprogrammierung und eine Ausschankkonzession würden 315,20 Euro betragen, für den ersten Wareneinkauf würden insgesamt 2.167,90 Euro anfallen. Weiterhin reichte der Kläger eine Bestätigung der Firma D. OHG aus S. vom 17.11.2017 ein, wonach diese sich bereit erklärte, dem Kläger ein Automatendarlehen in Höhe von 3.200 Euro zu gewähren, wenn alle Unterlagen, insbesondere behördliche Genehmigungen für den Betrieb des Kiosks, vorliegen. Aus einer vom Finanzamt N. vom 26.10.2017 eingereichten Bescheinigung ging hervor, dass der Kläger zu seinen steuerlichen Verhältnissen dort nicht geführt werde. Eine Kreditanfrage bei der Sparkasse U. lehnte diese mit Schreiben vom 09.11.2017 aufgrund der Privatinsolvenz des Klägers ab. Ferner fügte der Kläger seinem Antrag eine Empfehlung einer fachkundigen Stelle zur selbstständigen Tätigkeit, hier der B. Unternehmensberatung aus F., vom 15.11.2017 bei, wonach die Gründung des Kiosks im Ergebnis befürwortet werde, weil der Kläger unter erschwerten Startbedingungen nicht nur sich selbst aus dem Leistungsbezug freischwimmen, sondern zudem Arbeitsplätze schaffen wolle. Weiterhin wurde ein Businessplan für das Vorhaben des Klägers vom 03.11.2017 beigefügt. Danach beabsichtigte er die Gründung des Kiosks als Vollexistenz. Das Warensortiment sollte aus Süßwaren, Getränken, Tabakwaren und Zeitungen sowie Zeitschriften bestehen, besondere Dienstleistungen seien ein Backshop sowie ein K.. Das Konzept bestehe aus Kaffee und kleineren Snacks, wechselnden Frühstücksangeboten, Kaffee und Kuchen am Nachmittag, einem Dartautomaten zur Unterhaltung im Bistro sowie dem Warensortiment. Der Kläger verfüge demnach über eine abgeschlossene Ausbildung als Verkäufer im Einzelhandel und sei viele Jahre im Einzelhandel beschäftigt gewesen, etwa als Marktleiter eines Getränkemarktes. Der Kiosk sollte von montags bis samstags von 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet sein. Hierbei sollten den Kläger vier Servicekräfte als Personal unterstützen, dies in einem Stundenumfang von 10, 12,5, 2 und 2,5 Stunden. Der Kläger selbst würde täglich von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr im Kiosk arbeiten. Kundenzielgruppen seien insbesondere Bewohner der Siedlung, Schüler eines nahegelegenen Gymnasiums, Personal und Besucher eines Altenzentrums und Jugendzentrums sowie Mitarbeiter umliegender Büros. Das Angebot des Klägers sei größer und vielfältiger als das der nahegelegenen Tankstelle. Es gebe einen Service, der Getränke und Snacks serviere, im Sommer bestünde die Möglichkeit der Außengastronomie. Hierfür benötige der Kläger die finanzielle Unterstützung des Beklagten. Der Kiosk und das Bistro bestünden seit 20 Jahren im Stadtteil und seien beliebt gewesen, weshalb für das Vorhaben gute Zukunftschancen bestünden.
Ausweislich eines vom Kläger eingereichten Rentabilitätsplans für den Kiosk sollte der Gewinn vor Steuern im ersten Geschäftsjahr 216,20 Euro, im zweiten Jahr 2.529,52 Euro und im dritten Jahr 4.951,80 Euro betragen. Privatentnahmen seien nach dem vorgelegten Liquiditätsplan des Klägers im ersten und zweiten Geschäftsjahr nicht möglich, im dritten Geschäftsjahr könnten ab dem dritten Monat Privatentnahmen in Höhe von monatlich 954 Euro aus dem Betrieb des Kiosks erfolgen.
Den Antrag auf Einstiegsgeld lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19.02.2018 ab. Die Tragfähigkeit von 953,61 Euro bei monatlicher Entnahmefähigkeit werde nach der vorliegenden Planung innerhalb der nächsten drei Jahre nicht erreicht. Weiter umfasse die Ermittlung des Kapitalbedarfs nicht alle für die Gründung notwendigen Kosten. Kosten für die Mietkaution, einen PKW und den zu tragenden Eigenanteil an der Unternehmensberatung seien nicht berücksichtigt worden. Für das Vorhaben des Klägers bestünde eine Finanzierungslücke von 3.045 Euro. Ferner würden dem Kläger branchenbezogene Erfahrungen auf dem Gebiet der Führung eines Bistros fehlen, es seien zudem gesundheitliche Beeinträchtigungen sowie die Privatinsolvenz des Klägers zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Gegen diesen Bescheid reichte der Kläger am 23.02.2018 per E-Mail „das zulässige Rechtsmittel“ ohne weitere Begründung ein.
Am 10.03.2018 nahm der Kläger den Betrieb des Kiosks in S. (I.) auf.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2018 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und wiederholte hierbei im Wesentlichen die Ausführungen des Ausgangsbescheides.
Am 06.04.2018 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Köln (SG) Klage erhoben. Obwohl auch sein Antrag auf Förderung zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit abgelehnt worden sei, habe er eine Gastronomie- und Lebensmittelschulung aus eigener Tasche bezahlt und den Kiosk am 10.03.2018 eröffnet. Die Miete für den Kiosk sei für ein Jahr abgesenkt worden und die Kosten für die Übernahme eines Teils der Ladeneinrichtung und die Kaution seien gestundet. Er sei vom Beklagten falsch beraten worden, die Voraussetzungen für die Bewilligung von Einstiegsgeld lägen bei ihm vor.
Mit Schreiben vom 26.11.2020 erklärte der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren, dass er seinen Firmensitz gewechselt und dies dem Beklagten mitgeteilt habe. Er betreibe nunmehr einen Kiosk in Y. an der Straße Z.-straße. Der geltende Existenzgründungszuschuss sei vom Sitz des Geschäftslokals unabhängig, da der Zuschuss der Existenzgründung personen-, nicht aber sachbezogen und das betriebene Gewerbe, ein Kiosk, identisch geblieben sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2018 zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen vom 19.02.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verwies zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2021, dem damaligen Prozessbevollmächtigen des Klägers am 17.11.2021 zugestellt, abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einstiegsgeld für die Aufnahme seines Kiosks, da die Voraussetzungen von § 16b Abs. 1 und 2, § 16c Abs. 3 SGB II nicht vorlägen. Insbesondere sei das Tatbestandsmerkmal „Überwindung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit“ nach § 16c Abs. 3 S. 1 SGB II nicht erfüllt, denn nach den eingereichten Unterlagen ergäben sich aus einer ex ante Betrachtung erhebliche Zweifel an der Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit des Klägers. Die persönliche Eignung des Klägers im Businessplan sei zu positiv bewertet worden und berücksichtige nicht, dass die letzte Tätigkeit des Klägers mehrere Jahre zurückliege. Aufgrund der gesundheitlichen Situation des Klägers und dessen Schuldensituation hätte ein höheres Risiko angesetzt werden müssen. Der Kläger kalkuliere einen viel zu geringen Wareneinsatz von 37 % für das erste, 34 % für das zweite und 35 % für das dritte Geschäftsjahr ein, der nicht der Realität entspreche. Vielmehr sei bei einem Kiosk ein Wareneinsatz von mindestens 60 % im Rahmen einer Mischkalkulation einzusetzen, wenn man davon ausginge, dass der Kiosk 53 % und das Bistro 29 % des Umsatzes ausmache. Davon ausgehend würde der Kiosk in den ersten drei Geschäftsjahren Verluste erzielen und sei nicht rentabel. Die Abweichungen zwischen der Liquiditätsplanung und der Rentabilitätsbetrachtung in Bezug auf Umsätze von 6.100 Euro könne der Kläger zudem nicht darlegen.
Gegen das Urteil des SG hat der Kläger am 14.12.2021 das „zulässige Rechtsmittel“ eingelegt. Die Anzweifelung seiner Eignung werde bestritten, er habe eine kaufmännische Ausbildung mit dem Prüfungsurteil „gut“ abgeschlossen. Er sei zudem als Marktleiter eines Getränkemarktes tätig gewesen. Ferner sei die Annahme des SG, sein Wareneinsatz sei zu gering berechnet, unzutreffend, denn er habe sich entschieden, einen erheblichen Wareneinsatz bei Zigaretten zu sparen und Zigarettenautomaten aufstellen zu lassen. Es handele sich schließlich um einen untypischen Kiosk, denn es sei zusätzlich ein Paketshop, Bistro und Zigarettenautomat integriert gewesen. Das SG sei daher von unzutreffenden Erwägungen ausgegangen. Ferner fehle es an einer Ermessensausübung des Beklagten, die selbst unter Berücksichtigung der von ihm ermittelten Annahmen notwendig gewesen wäre.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.2021 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2018 zu verpflichten, seinen Antrag auf Einstiegsgeld vom 19.02.2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Schriftsätzlich beantragt der Beklagte am 16.03.2022 sinngemäß,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.2021 zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist auf das angefochtene Urteil des SG.
Auf die gerichtliche Verfügung vom 26.10.2022, wann der Kläger den zuletzt betriebenen Kiosk aufgegeben habe und aus welchem Grund die Aufgabe erfolgt sei, erklärte dieser mit Schreiben vom 05.05.2023 und 08.05.2023, dass er den Kiosk am 30.06.2021 aufgrund längerfristiger Erkrankung aufgegeben habe und seit Dezember 2022 einen neuen Kiosk betreibe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gab der Kläger an, sein Gewerbe endgültig zum 30.06.2023 abgemeldet zu haben. Wegen der weiteren Einzelheiten seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Beklagten in der mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheiden, da der Beklagte in der ihm ordnungsgemäß bekannt gegebenen Terminsmitteilung entsprechend § 110 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
A. Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 19.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2018, mit dem er den Antrag des Klägers vom 19.02.2018 auf Einstiegsgeld nach § 16b Abs. 1 SGB II abgelehnt hat. Bei Streitigkeiten über Einstiegsgeld handelt es sich um einen von den laufenden Leistungen zur Grundsicherung abtrennbaren Streitgegenstand, welcher isoliert geltend gemacht werden kann (BSG Urteil vom 21.07.2021, B 14 AS 18/20 R, Rn. 10, juris; LSG NRW Urteil vom 25.06.2013, L 2 AS 2249/12, Rn. 33, juris).
Der hier angegriffene Bescheid hat sich aufgrund der Schließung des Kiosks in S. sowie der endgültigen Aufgabe des Gewerbes des Klägers nicht etwa durch Zeitablauf nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erledigt. Nach § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Maßgeblich für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungsleistungen nach § 16b SGB II vorliegen, ist eine ex ante Beurteilung, d.h. eine zukunftsorientierte Betrachtungsweise der zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier 23.03.2018) bekannten Tatsachen (LSG NRW Urteile vom 25.06.2013, L 2 AS 2449/12, Rn. 46, juris und vom 06.06.2013, L 7 AS 1884/12, Rn. 40, juris; BSG Urteil vom 30.08.2007, B 10 EG 6/06 R, Rn. 15, juris), wobei spätere tatsächliche Entwicklungen die getroffene Verwaltungsentscheidung nicht mehr beeinflussen (BSG Urteil vom 26.09.1990, 9b/11 Rar 151/88, Rn. 15, juris). Da der Kläger den Kiosk in S. im hier maßgeblichen Zeitpunkt am 23.03.2018 betrieben hat, hat sich der Bescheid nicht nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt und die von ihm ausgehenden Rechtswirkungen bestehen weiterhin fort.
Einstiegsgeld nach § 16b SGB II für den zwischenzeitlich betriebenen Kiosk in Y. an der Straße Z.-straße oder den im Dezember 2022 neu eröffneten Kiosk ist hier nicht streitgegenständlich. Denn es handelt sich jeweils um einen anderen Streitgegenstand, dem ein abweichender Lebenssachverhalt zugrunde liegt, was zudem einen vorherigen weiteren Antrag beim Beklagten nach § 37 Abs. 1 S. 1 SGB II erfordert hätte (zum Antragserfordernis: BSG Urteil vom 05.08.2015, B 4 AS 46/14 R, Rn. 13, juris).
Streitgegenstand ist nach der herrschenden prozessualen Theorie der prozessuale Anspruch, nämlich das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine – bestimmte oder bestimmbare – Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG Urteile vom 30.06.2021, B 4 AS 70/20 R, Rn. 14, juris und vom 06.04.2011, B 4 AS 119/10 R, Rn. 28, juris).
Die vom Beklagten hier streitgegenständliche getroffene Entscheidung in Form des Bescheides vom 19.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2018 (§ 95 SGG) bezieht sich ausschließlich auf den I. in S. und kann daher nicht maßgeblich sein für einen rund 35 Kilometer entfernten, neu eröffneten Kiosk in P. oder einen weiteren im Dezember 2022 eröffneten Kiosk. Denn der Klagegrund, aus dem sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge, die Gewährung von Einstiegsgeld nach § 16b SGB II ergibt, ist hier ausschließlich der Lebenssachverhalt, der sich zum I. in S. verhält. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger in seinem Antrag vom 19.02.2018 die Eröffnung des Brunnenkiosks in S. zum 10.03.2018 erwähnte, dahingehende betriebswirtschaftliche Auswertungen einreichte und sich auch in der Klagebegründung vom 10.04.2018 vor dem SG auf den am 10.03.2018 eröffneten Kiosk in S. bezogen hat. Grundlage des angegriffenen Bescheides des Beklagten sind zudem ausschließlich die betriebswirtschaftlichen Unterlagen zum I. in S., aufgrund derer der Beklagte zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht mit der Eröffnung des Kiosks überwunden werden könne.
Die vom Kläger im Schreiben vom 26.11.2020 vor dem SG geäußerte Rechtsauffassung, die begehrten Leistungen seien vom Sitz des Kiosks unabhängig und personen-, aber nicht sachbezogen, wird durch den Wortlaut von § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II widerlegt, der auf die selbstständige Tätigkeit abstellt und nicht ausschließlich personenbezogen ist. So ist insbesondere für das Tatbestandsmerkmal „Überwindung der Hilfebedürftigkeit“ und der Erforderlichkeit nach § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II rechtlich relevant, inwieweit die selbstständige Tätigkeit bei prognostischer Betrachtung dazu führen kann, ob der Leistungsempfänger nach dem SGB II damit seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten kann. Dies ist, was sich aus den obigen Ausführungen ergibt, jeweils abhängig von den betriebswirtschaftlichen Auswertungen und der jeweils konkret angestrebten Erwerbstätigkeit und kann je nach Art und Ort der selbstständigen Erwerbstätigkeit erheblich variieren.
B. Die Berufung ist statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750 Euro nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Der Kläger begehrt hier Einstiegsgeld nach § 16b Abs. 1 SGB II, was nach dem Schreiben des Beklagten vom 29.04.2020 monatlich 208 Euro, entsprechend der halben Regelleistung des Klägers im Jahr 2018, betragen hätte und sich aus § 16b Abs. 3 S. 1 SGB II i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 1 der Verordnung zur Bemessung von Einstiegsgeld (Einstiegsgeld-Verordnung - ESGV) ergibt.
Die Berufung ist auch fristgerecht eingelegt, § 151 Abs. 1 SGG. Das Urteil des SG vom 08.11.2021 wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.11.2021 zugestellt, die – so auszulegende – Berufungseinlegung erfolgte am 14.12.2021 und somit binnen der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG.
C. Die Berufung ist aber unbegründet.
I. Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, insbesondere ist die einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 1 und 2 SGG eingehalten worden, denn der angegriffene Widerspruchsbescheid datiert vom 23.03.2018, Klageeingang beim SG war am 06.04.2018.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGG.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet und wurde vom SG zu Recht mit Urteil vom 08.11.2021 abgewiesen.
Der Bescheid vom 19.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2018 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Einstiegsgeld nach § 16b Abs. 1 SGB II für den am 10.03.2018 eröffneten I. in S.. Zu Recht hat der Beklagte den dahingehenden Antrag des Klägers abgelehnt, wobei der maßgebliche Zeitpunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beklagten nach § 16b Abs. 1 SGB II der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2018 ist (vgl. LSG NRW Urteil vom 06.06.2013, L 7 AS 1884/12, Rn. 42, juris). Aus diesem Grunde besteht auch trotz der Schließung des hier maßgeblichen Kiosks in S. sowie der endgültigen Aufgabe des Gewerbes des Klägers zum 30.06.2023 ein Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe, da der Kiosk in S. am 23.03.2018 betrieben wurde und ein materiell- rechtlicher Anspruch auf Einstiegsgeld nach § 16b SGB II nicht aufgrund der mittlerweile erfolgten Schließung dieses Kiosks bzw. der endgültigen Aufgabe des Gewerbes ausgeschlossen ist.
§ 16b Abs. 1 SGB II in der seit 01.08.2016 geltenden Fassung lautet wie folgt:
„Zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit kann erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit ein Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. 2Das Einstiegsgeld kann auch erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit entfällt.“
Der Kläger gehört zu dem förderungsfähigen Personenkreis des § 16b Abs. 1 SGB II, da er dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist. Er ist erwerbsfähig und hilfebedürftig im Sinne der §§ 7, 9 SGB II. Der Bewilligung von Einstiegsgeld steht jedoch entgegen, dass Einstiegsgeld nach § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich „bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit“ gewährt werden kann, was hier nicht der Fall ist.
Die Bewilligung des Einstiegsgeldes ist davon abhängig, dass Einstiegsgeld und Aufnahme der Erwerbstätigkeit in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen (BSG Urteil vom 04.03.2021, B 4 AS 59/20 R, Rn. 19, juris). Ein solch kausaler Zusammenhang wird beispielsweise verneint, wenn der Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld nur wenige Tage vor der Arbeitsaufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses, welches nach § 16b Abs. 1 SGB II gefördert werden soll, gestellt wird (BSG, a.a.O., Rn. 21, juris). Hier liegt der Fall so, dass der Antragsteller den Antrag auf Einstiegsgeld am 19.02.2018 gestellt hat, mithin lediglich 3 Wochen vor Eröffnung des Kiosks, und das voraussichtliche Datum der Eröffnung in diesem Antrag bereits mitgeteilt hat. Auch die entsprechenden Vorbereitungen für die Eröffnung des Kiosks wie beispielsweise die Erstellung des Businessplans oder der Abschluss des entsprechenden Mietvertrages waren zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt. So datiert der Businessplan vom 03.11.2017. Der Kläger hatte bereits entsprechend dem Schreiben vom 17.11.2017 die Zusage für ein Automatendarlehen in Höhe von 3.200 Euro von der Firma D. OHG erhalten. Im November 2017 hat sich der Kläger an die Unternehmensberatung B. in F. zwecks Unterstützung für sein Vorhaben gewandt. Am 25.10.2017 hat der Kläger an einer Unterrichtung nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Gaststättengesetz (GastG) entsprechend der Teilnahmebescheinigung der Industrie- und Handelskammer F. teilgenommen, in der er über lebensmittelrechtliche Kenntnisse unterrichtet wurde. Der Senat geht angesichts dieser Umstände davon aus, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit und dem Einstiegsgeld nicht gegeben war, da die Planung und Vorbereitung der selbstständigen Tätigkeit des Klägers bereits ohne die Gewährung von Einstiegsgeld deutlich fortgeschritten war, sodass ein unmittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Gewährung von Einstiegsgeld und der Eröffnung des Kiosks am 10.03.2018 zu verneinen ist. Weiterhin war dem Kläger der voraussichtliche Termin der Betriebsaufnahme des Kiosks (10.03.2018) bei Antragstellung am 19.02.2018 bereits bekannt und er hat den Kiosk an diesem Tag ohne die Gewährung von Einstiegsgeld eröffnet. Mithin waren die Vorbereitungen für die Eröffnung des Kiosks in einem derart fortgeschrittenen Stadium, dass es der Gewährung von Einstiegsgeld nicht mehr bedurfte, um den Kiosk zu eröffnen und zu betreiben.
Ferner ist die Gewährung von Einstiegsgeld für den I. in S. nicht erforderlich im Sinne von § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II.
Wird eine Beschäftigung bereits ausgeübt, kann die bezweckte Motivationshilfe für eine Beschäftigungsaufnahme nicht mehr erreicht werden. Eine solche ist auch dann nicht erforderlich, wenn ein Arbeitsloser auch ohne die Förderung bereits fest entschlossen ist, die angebotene Beschäftigung zu beginnen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 04.10.2012, L 5 AS 157/10, Rn. 26, juris). Sinn und Zweck von § 16b SGB II ist es, einen Anreiz für die Aufnahme und Fortführung einer abhängigen oder selbstständigen Tätigkeit zu schaffen, nicht jedoch die dauerhafte Fortführung einer solchen Tätigkeit zu subventionieren (LSG Niedersachsen Bremen Urteil vom 25.05.2011, L 13 AS 178/10, Rn. 17 ff., juris; LSG NRW Urteil vom 06.06.2013, L 7 AS 1884/12, Rn. 44, juris). Zu berücksichtigen ist, dass das Einstiegsgeld nach der amtlichen Gesetzesbegründung dazu dienen soll, für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit einen finanziell attraktiven Anreiz zu schaffen (vgl. BT-Drucksache 15/1516, S. 59, zu § 29 SGB II a.F.). Im Rahmen des gerichtlich voll überprüfbaren Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit ist zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier 23.03.2018) zu prüfen, ob die Eingliederung in den Arbeitsmarkt als „ultima ratio“ nur durch das Einstiegsgeld gewährt werden kann oder ob dazu Alternativen bestehen (BSG Urteile vom 04.03.2021, B 4 AS 59/20 R, Rn. 20, juris und vom 05.08.2015, B 4 AS 46/14 R, Rn. 18, juris). Am 23.03.2018 hatte der Kläger den Betrieb des Kiosks in S. bereits seit dem 10.03.2018 aufgenommen, sodass eine Erforderlichkeit des Einstiegsgeldes im o.g. Sinne zu verneinen ist.
Sofern der Kläger vorträgt, es seien im Rahmen der Erforderlichkeit nach § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II zwischen der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen und einer selbstständigen Erwerbstätigkeit unterschiedliche Maßstäbe anzunehmen, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Dem Wortlaut von § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II ist eindeutig zu entnehmen, dass sich die Erforderlichkeit der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sowohl auf die sozialversicherungspflichtige als auch die selbstständige Erwerbstätigkeit bezieht. Der Gesetzgeber differenziert mithin an dieser Stelle nicht zwischen einer sozialversicherungspflichtigen (unselbstständigen) Beschäftigung und der selbstständigen Erwerbstätigkeit. Der Unterscheidung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung nach § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II kommt somit keine wesentliche praktische Bedeutung zu, da beide Fälle dieselbe Förderungsmöglichkeit nach § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II erhalten (vgl. Leopold/Harks in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 16b (Stand: 06.01.2023), Rn. 51).
Weiterhin führt das Einstiegsgeld für den I. in S. zum hier maßgeblichen Zeitpunkt am 23.03.2018 nicht zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit nach § 16b Abs. 1 S. 1 SGB II. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Überwindung von Hilfebedürftigkeit“ unterliegt aufgrund der Rechtsschutzgarantie von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) der vollen gerichtlichen Überprüfung (BSG Urteil vom 05.08.2015, B 4 AS 46/14 R, Rn. 18, juris; LSG NRW Urteile vom 06.06.2013, L 7 AS 1884/12, Rn. 40, juris und vom 25.06.2013, L 2 AS 2249/12, Rn. 47 ff., juris).
Prognostisch wahrscheinlich kann die Hilfebedürftigkeit überwunden werden, wenn die beabsichtigte zu fördernde Tätigkeit anhand einer Plausibilitätsprüfung und einer Prüfung des schlüssigen Konzepts eine konkrete und realistische Möglichkeit auf wirtschaftlichen Erfolg von einiger Dauer bietet (BSG Urteil vom 01.06.2010, B 4 AS 63/09 R, Rn. 13, juris). Die angestrebte Erwerbstätigkeit muss dem Leistungsberechtigten die ernsthafte Perspektive eröffnen, in absehbarer Zeit aus eigenen Kräften den Lebensunterhalt jedenfalls für sich decken zu können (LSG Bayern Beschluss vom 30.07.2014, L 11 AS 491/14 B ER, Rn. 12, juris). Für die prognostische Beurteilung ist der Gesamtförderungszeitraum zu betrachten (Leopold/Harks in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 16b (Stand: 06.01.2023), Rn. 57). Dieser beträgt nach § 16b Abs. 2 S. 1 SGB II höchstens 24 Monate.
Geht man hier von einem Gesamtförderungszeitraum von höchstens 24 Monaten nach § 16b Abs. 2 S. 1 SGB II aus, kann der Kläger durch den Betrieb des Brunnenkiosks in S. seine Hilfebedürftigkeit bei prognostischer Betrachtung nicht überwinden und seinen – vollständig bedarfsdeckenden – Lebensunterhalt dadurch insbesondere nicht aus eigenen Kräften verdienen. Aus dem im Verwaltungsverfahren eingereichten Liquiditätsplan für den Kiosk geht hervor, dass der Kläger weder im ersten noch im zweiten Geschäftsjahr Privatentnahmen aus seiner selbstständigen Tätigkeit entnehmen können würde. Dieser wohl im November 2017 erstellte Liquiditätsplan bezieht sich auf die ersten drei Geschäftsjahre und keinen konkreten Zeitraum, weshalb diese prognostischen Angaben aus dem Liquiditätsplan auf den hier erfolgten Geschäftsbeginn ab März 2018 entsprechend zu übertragen sind. So ist hinter dem Liquiditätsplan zum ersten Geschäftsjahr, welches beginnend ab März 2018 verläuft, ausgeführt, dass die Gesamtausgaben des Klägers monatlich 829 Euro betragen würden, sein monatliches Einkommen ebenfalls 829 Euro betrage (467 Euro Nettoeinkommen zzgl. 362 Euro sonstige Einkünfte/Witwerrente). Der voraussichtliche Gewinn sollte im gesamten ersten Geschäftsjahr lediglich 216,20 Euro betragen, was sich aus dem vom Kläger vorgelegten Rentabilitätsplan ergibt. Für das zweite Geschäftsjahr sind entsprechend dem Liquiditätsplan ebenfalls keine Privatentnahmen des Klägers vorgesehen. Ausgehend von monatlichen Gesamtausgaben in Höhe von 1.351,61 Euro und einem Einkommen in Höhe von lediglich 362 Euro ergibt sich für Privatentnahmen ein Minus von 953,61 Euro. Erst ab dem dritten Geschäftsjahr sollen ab dem dritten Monat Privatentnahmen von monatlich 954 Euro möglich sein. Da der Kläger somit in den ersten 24 Monaten seiner selbstständigen Tätigkeit bei prognostischer Betrachtungsweise keinerlei Privatentnahmen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes aus dem Betrieb seines Kiosks entnehmen können würde, kann eine Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch den Betrieb des Brunnenkiosks in S. nicht angenommen werden.
Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 16b Abs. 1 SGB II nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob der Beklagte im angefochtenen Bescheid sein Ermessen nach § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Voraussetzung der Ermessensentscheidung des Beklagten ist insbesondere die hier nicht vorliegende Erforderlichkeit des Einstiegsgeldes (BSG Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 3/05 R, Rn. 19, juris).
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 1, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
E. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht.
em Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter, der nicht schon durch die oben genannten Vereinigungen, Gewerkschaften oder juristischen Personen vertreten ist, Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.