Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen nach § 16c Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers als Betreiber eines Kiosks in Y..
Am 20.11.2017 beantragte der am 00.00.0000 geborene Kläger beim Beklagten Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen nach § 16c SGB II für den beabsichtigten Betrieb eines Kiosks (S., K.-straße in Y.). Der Kläger stand zu diesem Zeitpunkt seit mehreren Jahren beim Beklagten im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Er hat nach eigenen Angaben eine kaufmännische Ausbildung absolviert und war vier Jahre in einem Getränkemarkt als Marktleiter tätig. Im Rahmen des Antrags führte der Kläger im zweiten Teil (Finanzplanung für drei Jahre) aus, dass für die Einrichtungen im Kiosk ein Gesamtbetrag von 5.056,98 Euro aufzuwenden sei, zusätzliche Kosten vor der Eröffnung für eine Kassenprogrammierung und eine Ausschankkonzession würden 315,20 Euro betragen, für den ersten Wareneinkauf würden insgesamt 2.167,90 Euro anfallen. Weiterhin reichte der Kläger eine Bestätigung der Firma Automaten T. OHG aus Y. vom 17.11.2017 ein, wonach diese sich bereit erklärte, dem Kläger ein Automatendarlehen in Höhe von 3.200 Euro zu gewähren, wenn alle Unterlagen, insbesondere behördliche Genehmigungen für den Betrieb des Kiosks, vorliegen. Aus einer vom Finanzamt P.-C. vom 26.10.2017 eingereichten Bescheinigung ging hervor, dass der Kläger zu seinen steuerlichen Verhältnissen dort nicht geführt werde. Eine Kreditanfrage bei der Sparkasse Ü. lehnte diese mit Schreiben vom 09.11.2017 aufgrund der Privatinsolvenz des Klägers ab. Ferner fügte der Kläger seinem Antrag eine Empfehlung einer fachkundigen Stelle zur selbstständigen Tätigkeit, hier der L. Unternehmensberatung aus P. vom 15.11.2017 bei, wonach die Gründung des Kiosks im Ergebnis befürwortet werde, weil der Kläger unter erschwerten Startbedingungen nicht nur sich selbst aus dem Leistungsbezug freischwimmen, sondern zudem Arbeitsplätze schaffen wolle. Weiterhin wurde ein Businessplan für das Vorhaben des Klägers vom 03.11.2017 beigefügt. Danach beabsichtigte er die Gründung des Kiosks als Vollexistenz. Das Warensortiment sollte aus Süßwaren, Getränken, Tabakwaren und Zeitungen sowie Zeitschriften bestehen, besondere Dienstleistungen seien ein Backshop sowie ein B.-Paketshop. Das Konzept bestehe aus Kaffee und kleineren Snacks, wechselnden Frühstücksangeboten, Kaffee und Kuchen am Nachmittag, einem Dartautomaten zur Unterhaltung im Bistro sowie dem Warensortiment. Der Kläger verfüge demnach über eine abgeschlossene Ausbildung als Verkäufer im Einzelhandel und sei viele Jahre im Einzelhandel beschäftigt gewesen, etwa als Marktleiter eines Getränkemarktes. Der Kiosk sollte von montags bis samstags von 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet sein. Hierbei sollten den Kläger vier Servicekräfte als Personal unterstützen, dies in einem Stundenumfang von 10, 12,5, 2 und 2,5 Stunden. Der Kläger selbst würde täglich von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr im Kiosk arbeiten. Kundenzielgruppen seien insbesondere Bewohner der Siedlung, Schüler eines nahegelegenen Gymnasiums, Personal und Besucher eines Altenzentrums und Jugendzentrums sowie Mitarbeiter umliegender Büros. Das Angebot des Klägers sei größer und vielfältiger als das der nahegelegenen Tankstelle. Es gebe einen Service, der Getränke und Snacks serviere, im Sommer bestünde die Möglichkeit der Außengastronomie. Hierfür benötige der Kläger die finanzielle Unterstützung des Beklagten. Der Kiosk und das Bistro bestünden seit 20 Jahren im Stadtteil und seien beliebt gewesen, weshalb für das Vorhaben gute Zukunftschancen bestünden.
Ausweislich eines vom Kläger eingereichten Rentabilitätsplans für den Kiosk sollte der Gewinn vor Steuern im ersten Geschäftsjahr 216,20 Euro, im zweiten Jahr 2.529,52 Euro und im dritten Jahr 4.951,80 Euro betragen. Privatentnahmen seien nach dem vorgelegten Liquiditätsplan des Klägers im ersten und zweiten Geschäftsjahr nicht möglich, im dritten Geschäftsjahr könnten ab März Privatentnahmen in Höhe von monatlich 954 Euro aus dem Betrieb des Kiosks erfolgen.
Den Antrag vom 20.11.2017 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19.12.2017 ab. Das Eingliederungsziel mit der Förderung eines Zuschusses nach § 16c SGB II in Höhe von 5.056,98 Euro, mit maximaler Förderung von 5.000 Euro, könne für die Selbstständigkeit des Klägers nicht erfolgversprechend eingesetzt werden, da eine Ausübung der Selbstständigkeit im Haupterwerb zu keiner tragfähigen und dauerhaften Sicherstellung des Lebensunterhaltes und Beendigung der Hilfebedürftigkeit führen werde. Die Tragfähigkeit von 953,61 Euro bei monatlicher Entnahmefähigkeit werde nach der vorliegenden Planung innerhalb der nächsten drei Jahre nicht erreicht. Weiter umfasse die Ermittlung des Kapitalbedarfs nicht alle für die Gründung notwendigen Kosten. Kosten für die Mietkaution, einen PKW und den zu tragenden Eigenanteil an der Unternehmensberatung seien nicht berücksichtigt worden. Es bestünde eine Finanzierungslücke von 3.045 Euro. Ferner würden dem Kläger branchenbezogene Erfahrungen auf dem Gebiet der Führung eines Bistros fehlen, es seien zudem gesundheitliche Beeinträchtigungen sowie die Privatinsolvenz des Klägers zu berücksichtigen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 28.12.2017 Widerspruch ein. Mit seiner Begründung legte der Kläger eine ergänzende Stellungnahme der Unternehmensberatung L. vom 04.01.2018 vor, die sich zum Bescheid vom 19.12.2017 verhält. Der Beklagte berücksichtige nicht, dass der Kiosk derzeit mit Gewinn betrieben werde. Die Unternehmensberatung L. führt dabei aus, dass mit dem Darlehen des Beklagten in Höhe von 5.000 Euro der Investitionsbedarf des Klägers zu decken sei, das Startgeld in Höhe von 3.200 Euro von Herrn T. gewährleiste die Liquidität. Nach dem Bundeswirtschaftsministerium müsse ein Unternehmen nicht sofort Gewinne abwerfen, die ausreichend sind, um den Lebensunterhalt zu sichern. Ferner ergebe sich aus der Liquiditätsplanung für das dritte Geschäftsjahr die Möglichkeit der Entnahme von 954 Euro monatlich. Eine Finanzierungslücke bestünde ebenfalls nicht. Das Geschäft werde pro Monat 300-400 Euro schwarze Zahlen schreiben nach der vorgelegten Finanzplanung.
Am 10.03.2018 nahm der Kläger den Betrieb des Kiosks in Y. (S.) auf.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2018 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und wiederholte im Wesentlichen die Ausführungen des Ausgangsbescheides. Der Widerspruchsbescheid wurde an den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit einfachem Brief versandt.
Am 30.04.2018 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Köln (SG) Klage erhoben. Dabei verwies der Kläger auf eine erneute Stellungnahme der L. Unternehmensberatung vom 10.04.2018 und trug vor, dass die Kritik des Beklagten, die selbstständige Tätigkeit gewährleiste keine monatliche Entnahmefähigkeit bei 953,61 Euro, es liege nur eine unzureichende Liquiditätsplanung vor und der Zuschuss des Beklagten sei nicht ausreichend, fehlgehe. Der ohne weitere Nachweise behauptete Vergleich mit anderen Kioskbetrieben in P. könne nicht die Ablehnung rechtfertigen. Auch sei es falsch, dass bei der Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers sowie dessen aktueller Schuldensituation nach der Privatinsolvenz ein unkalkulierbares Risiko vorliegen würde. Der Beklagte habe im Widerspruchsbescheid sein pflichtgemäßes Ermessen nicht ausgeübt. Ferner zahle er für das erste Jahr der Mietdauer lediglich 500 Euro Nettokaltmiete und 150 Euro Nebenkostenvorauszahlung.
Mit Schreiben vom 26.11.2020 erklärte der Kläger im Parallelverfahren S 2 AS 1505/18 (SG Köln) bzw. L 12 AS 68/22, dass er seinen Firmensitz gewechselt und dies dem Beklagten mitgeteilt habe. Er betreibe nunmehr einen Kiosk in G. an der Straße am W.-straße. Der geltende Existenzgründungszuschuss sei vom Sitz des Geschäftslokals unabhängig, da der Zuschuss der Existenzgründung personen-, nicht aber sachbezogen sei und das betriebene Gewerbe, ein Kiosk, identisch geblieben sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018 zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen vom 20.11.2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verwies zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2021, dem damaligen Prozessbevollmächtigten am 17.11.2021 zugestellt, abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einstiegsgeld für die Aufnahme seines Kiosks, da die Voraussetzungen von § 16c Abs. 1, 3 SGB II nicht vorlägen. Insbesondere sei das Tatbestandsmerkmal „Überwindung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit“ nicht erfüllt, denn nach den eingereichten Unterlagen ergäben sich aus einer ex ante Betrachtung erhebliche Zweifel an der Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit des Klägers. Die persönliche Eignung des Klägers im Businessplan sei zu positiv bewertet worden und berücksichtige nicht, dass die letzte Tätigkeit des Klägers mehrere Jahre zurückliege. Aufgrund der gesundheitlichen Situation des Klägers und dessen Schuldensituation hätte ein höheres Risiko angesetzt werden müssen. Der Kläger kalkuliere mit einem viel zu geringen Wareneinsatz von 37 % für das erste, 34 % für das zweite und 35 % für das dritte Geschäftsjahr, der nicht der Realität entspreche. Vielmehr sei bei einem Kiosk ein Wareneinsatz von mindestens 60 % im Rahmen einer Mischkalkulation einzusetzen, wenn man davon ausginge, dass der Kiosk 53 % und das Bistro 29 % des Umsatzes ausmache. Davon ausgehend würde der Kiosk in den ersten drei Geschäftsjahren Verluste erzielen und sei nicht rentabel. Die Abweichungen zwischen der Liquiditätsplanung und der Rentabilitätsbetrachtung in Bezug auf Umsätze von 6.100 Euro könne der Kläger zudem nicht darlegen.
Gegen das Urteil des SG hat der Kläger am 14.12.2021 das „zulässige Rechtsmittel“ eingelegt. Die Anzweifelung seiner Eignung werde bestritten, er habe eine kaufmännische Ausbildung mit dem Prüfungsurteil „gut“ abgeschlossen. Er sei zudem als Marktleiter eines Getränkemarktes tätig gewesen. Ferner sei die Annahme des SG, sein Wareneinsatz sei zu gering berechnet, unzutreffend, denn er habe sich entschieden, einen erheblichen Wareneinsatz bei Zigaretten zu sparen und Zigarettenautomaten aufstellen zu lassen. Es handele sich schließlich um einen untypischen Kiosk, denn es sei zusätzlich ein Paketshop, Bistro und Zigarettenautomat integriert gewesen. Das SG sei daher von unzutreffenden Erwägungen ausgegangen. Ferner fehle es an einer Ermessensausübung des Beklagten, die selbst unter Berücksichtigung der von ihm ermittelten Annahmen notwendig gewesen wäre.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.2021 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018 zu verpflichten, seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen vom 20.11.2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Schriftsätzlich beantragt der Beklagte am 16.03.2022 sinngemäß,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08.11.2021 zurückzuweisen.
Der Beklagte verweist auf das angefochtene Urteil des SG.
Auf die gerichtliche Verfügung vom 26.10.2022, wann der Kläger den zuletzt betriebenen Kiosk aufgegeben habe und aus welchem Grund die Aufgabe erfolgt sei, erklärte dieser mit Schreiben vom 05.05.2023 und 08.05.2023 im Parallelverfahren L 12 AS 68/22, dass er den Kiosk am 30.06.2021 aufgrund längerfristiger Erkrankung aufgegeben habe und seit Dezember 2022 einen neuen Kiosk betreibe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat gab der Kläger an, dass er sein Gewerbe endgültig zum 30.06.2023 aufgegeben habe. Wegen der weiteren Einzelheiten seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.07.2023 Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Beklagten in der mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheiden, da der Beklagte in der ihm ordnungsgemäß bekannt gegebenen Terminsmitteilung gemäß § 110 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
A. Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 19.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018, mit dem er den Antrag des Klägers vom 20.11.2017 auf Gewährung von Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen nach § 16c Abs. 1 SGB II für den Kiosk in Y. abgelehnt hat. Der Anspruch auf Eingliederungsleistungen nach § 16c SGB II stellt einen abtrennbaren Streitgegenstand dar (BSG Urteile vom 21.07.2021, B 14 AS 18/20 R, Rn. 10, juris, und vom 01.06.2010, B 4 AS 63/09 R, Rn. 10, juris).
Der hier angegriffene Bescheid hat sich aufgrund der Schließung des Kiosks in Y. sowie der endgültigen Aufgabe des Gewerbes des Klägers nicht etwa durch Zeitablauf nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) erledigt. Nach § 39 Abs. 2 SGB X bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Maßgeblich für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungsleistungen nach § 16c SGB II vorliegen, wobei hier insbesondere die wirtschaftliche Tragfähigkeit nach § 16c Abs. 3 S. 1 SGB II relevant ist, ist eine ex ante Beurteilung, d.h. eine zukunftsorientierte Betrachtungsweise der zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier 21.03.2018) bekannten Tatsachen (LSG NRW Urteile vom 25.06.2013, L 2 AS 2449/12, Rn. 46, juris und vom 06.06.2013, L 7 AS 1884/12, Rn. 40, juris; BSG Urteil vom 30.08.2007, B 10 EG 6/06 R, Rn. 15, juris), wobei spätere tatsächliche Entwicklungen die getroffene Verwaltungsentscheidung nicht mehr beeinflussen (BSG Urteil vom 26.09.1990, 9b/11 Rar 151/88, Rn. 15, juris). Da der Kläger den Kiosk in Y. im hier maßgeblichen Zeitpunkt am 21.03.2018 betrieben hat, hat sich der Bescheid nicht nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt und die von ihm ausgehenden Rechtswirkungen bestehen weiterhin fort.
Eingliederungsleistungen nach § 16c Abs. 1 SGB II für den zwischenzeitlich betriebenen Kiosk in G. an der Straße am W.-straße oder den im Dezember 2022 neu eröffneten Kiosk sind hier nicht streitgegenständlich. Denn es handelt sich jeweils um einen anderen Streitgegenstand, dem ein abweichender Lebenssachverhalt zugrunde liegt, was zudem einen vorherigen weiteren Antrag beim Beklagten nach § 37 Abs. 1 S. 1 SGB II erfordert hätte (zum Antragserfordernis: BSG Urteil vom 05.08.2015, B 4 AS 46/14 R, Rn. 13, juris).
Streitgegenstand ist nach der herrschenden prozessualen Theorie der prozessuale Anspruch, nämlich das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine – bestimmte oder bestimmbare – Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG Urteile vom 30.06.2021, B 4 AS 70/20 R, Rn. 14, juris und vom 06.04.2011, B 4 AS 119/10 R, Rn. 28, juris).
Die vom Beklagten hier streitgegenständliche getroffene Entscheidung in Form des Bescheides vom 19.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018 (§ 95 SGG) bezieht sich ausschließlich auf den S. in Y. und kann daher nicht maßgeblich sein für einen rund 35 Kilometer entfernten, neu eröffneten Kiosk in G. oder einen weiteren im Dezember 2022 eröffneten Kiosk. Denn der Klagegrund, aus dem sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge, die Gewährung von Eingliederungsleistungen nach § 16c SGB II ergibt, ist hier ausschließlich der Lebenssachverhalt, der sich zum S. in Y. verhält. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger in seinem Antrag vom 20.11.2017 die Eröffnung des S. in Y. erwähnte, dahingehende betriebswirtschaftliche Auswertungen einreichte und sich auch in der Klagebegründung vom 30.04.2018 vor dem SG auf den am 10.03.2018 eröffneten Kiosk in Y. bezogen hat. Grundlage des angegriffenen Bescheides des Beklagten sind zudem ausschließlich die betriebswirtschaftlichen Unterlagen zum S. in Y., aufgrund derer der Beklagte zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht mit der Eröffnung des Kiosks überwunden werden könne. Ein anderer Lebenssachverhalt wird ferner durch den Umstand belegt, dass der vom Kläger in G. eröffnete Kiosk auf einem anderen Konzept beruhte, als der in Y.. So erklärte der Kläger im Verhandlungstermin am 26.07.2023, dort Lebensmittel vom Balkan anzubieten und kein Bistro mehr zu betreiben. Das wirtschaftliche Konzept hat sich insoweit im Vergleich zum Kiosk in Y. maßgeblich geändert, weshalb auch deshalb von einem anderen Lebenssachverhalt und Streitgegenstand auszugehen ist.
Die vom Kläger im Schreiben vom 26.11.2020 im Parallelverfahren S 2 AS 1505/18 bzw. L 12 AS 68/22 vor dem SG geäußerte Rechtsauffassung, die begehrten Leistungen seien vom Sitz des Kiosks unabhängig und personen-, aber nicht sachbezogen, wird durch den Wortlaut von § 16c Abs. 1 S. 1 widerlegt, der auf die selbstständige Tätigkeit abstellt und nicht ausschließlich personenbezogen ist. So ist insbesondere für das Tatbestandsmerkmal der dauerhaften Überwindung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit nach § 16c Abs. 3 S. 1 SGB II rechtlich relevant, inwieweit die selbstständige Tätigkeit bei prognostischer Betrachtung dazu führen kann, ob der Leistungsempfänger nach dem SGB II damit seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften bestreiten kann. Dies ist, was sich aus den obigen Ausführungen ergibt, jeweils abhängig von den betriebswirtschaftlichen Auswertungen und der jeweils konkret angestrebten Erwerbstätigkeit und kann je nach Art und Ort der selbstständigen Erwerbstätigkeit erheblich variieren. Ferner ist in den Tatbestandsvoraussetzungen von § 16c Abs. 3 S. 1 SGB II normiert, dass eine wirtschaftliche Tragfähigkeit der selbstständigen Tätigkeit eine Leistungsvoraussetzung darstellt, was die vom Kläger angenommene Personenbezogenheit der Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen nach § 16c SGB II ebenfalls widerlegt.
B. Die Berufung ist statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750 Euro nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Der Kläger begehrt hier Leistungen zur Eingliederung in Arbeit bis zum Höchstbetrag von 5.000 Euro nach § 16c Abs. 1 S. 2 SGB II.
Die Berufung ist auch fristgerecht eingelegt, § 151 Abs. 1 SGG. Das Urteil des SG vom 08.11.2021 wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.11.2021 zugestellt, die – so auszulegende – Berufungseinlegung erfolgte am 14.12.2021 und somit binnen der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 SGG.
C. Die Berufung ist aber unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 1 und 2 SGG eingehalten worden. Danach ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben, § 87 Abs. 1 S. 1 SGG. Hat – wie hier – ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, § 87 Abs. 2 SGG. Der Widerspruchsbescheid vom 21.03.2018 ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers erst am 28.03.2018 nach § 37 Abs. 1 S. 1, S. 2 SGB X bekanntgegeben worden, was sich aus dessen Erklärung im Erörterungstermin vor dem SG am 18.11.2019 ergibt sowie dem entsprechenden Eingangsstempel, den das SG im Erörterungstermin in Augenschein genommen hat. Dieser wies nach den Feststellungen des SG das Datum 28.03.2018 aus. Ein vorheriger Zugang ergibt sich hier insbesondere nicht durch eine Bekanntgabefiktion im Sinne des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt. Der Bescheid ist ausweislich des Posteingangsstempels der Kanzlei des ehemaligen Prozessbevollmächtigten nach § 37 Abs. 2 S. 3 1. HS SGB X zu einem späteren Zeitpunkt, dem 28.03.2018, bekanntgegeben worden. Der Beklagte ist insoweit beweisbelastet, was sich aus § 37 Abs. 2 S. 3 2. HS SGB X ergibt. Danach hat im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Dies kann der Beklagte jedoch nicht, da er den Widerspruchbescheid vom 21.03.2018 per einfachem Brief versandt hat und über keinen Zustellnachweis verfügt. Die Klagefrist beginnt mithin am 29.03.2018 (§ 64 Abs. 1 SGG). Sie endet am Montag, den 30.04.2018, da der 28.04.2018 ein Sonnabend ist (§ 64 Abs. 3 SGG).
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGG.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet und wurde vom SG zu Recht mit Urteil vom 08.11.2021 abgewiesen.
Der Bescheid vom 19.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen nach § 16c Abs. 1 und Abs. 3 SGB II für den am 10.03.2018 eröffneten S. in Y.. Zu Recht hat der Beklagte den dahingehenden Antrag des Klägers abgelehnt, wobei der maßgebliche Zeitpunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Beklagten nach § 16c Abs. 1 SGB II der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018 ist (vgl. LSG NRW Urteil vom 06.06.2013, L 7 AS 1884/12, Rn. 42, juris). Aus diesem Grunde besteht auch trotz der Schließung des hier maßgeblichen Kiosks in Y. sowie der endgültigen Aufgabe des Gewerbes des Klägers zum 30.06.2023 ein Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe, da der Kiosk in Y. am 21.03.2018 betrieben wurde und ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Eingliederungsleistungen nach § 16c SGB II nicht aufgrund der mittlerweile erfolgten Schließung dieses Kiosks bzw. der endgültigen Aufgabe des Gewerbes ausgeschlossen ist.
§ 16c Abs. 1 und Abs. 3 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung vom 01.04.2012 lautet wie folgt:
„Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, können Darlehen und Zuschüsse für die Beschaffung von Sachgütern erhalten, die für die Ausübung der selbständigen Tätigkeit notwendig und angemessen sind. Zuschüsse dürfen einen Betrag von 5 000 Euro nicht übersteigen. (§ 16c Abs. 1 SGB II).
Leistungen zur Eingliederung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, können nur gewährt werden, wenn zu erwarten ist, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist und die Hilfebedürftigkeit durch die selbständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert wird. Zur Beurteilung der Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit soll die Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen. (§ 16c Abs. 3 SGB II)“
Der Kläger gehört zu dem förderungsfähigen Personenkreis des § 16c Abs. 1 SGB II, da er dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist. Er ist erwerbsfähig und hilfebedürftig im Sinne der §§ 7, 9 SGB II.
Es handelt sich beim Betrieb des S.s in Y. auch um eine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne von § 16c Abs. 1 S. 1 SGB II, die der Kläger nach eigenen Angaben im Businessplan von montags bis samstags von 08:00 Uhr bis 16:00 Uhr ausüben wollte, mithin in einem zeitlich erheblichen Umfang, der über das übliche Maß einer 40-Stundenwoche eines in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmers hinausgeht.
Anders als beim Einstiegsgeld nach § 16b Abs. 1 SGB II unterscheidet § 16c Abs. 1 S. 1 SGB II begrifflich zwischen der Aufnahme und der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit, weshalb grundsätzlich nicht nur eine erst neu aufzunehmende Tätigkeit gefördert werden kann, sondern auch eine solche, die bereits neben dem Leistungsbezug ausgeübt wird (vgl. auch Harks in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 16c (Stand: 03.01.2023), Rn. 13).
Die Eingliederungsleistungen nach § 16c Abs. 1 SGB II für den S. in Y. führen zum hier maßgeblichen Zeitpunkt am 21.03.2018 jedoch nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums zur dauerhaften „Überwindung oder Verringerung von Hilfebedürftigkeit“ nach § 16c Abs. 3 S. 1 SGB II. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff unterliegt aufgrund der Rechtsschutzgarantie von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) der vollen gerichtlichen Überprüfung (BSG Urteil vom 05.08.2015, B 4 AS 46/14 R, Rn. 18, juris; LSG NRW Urteile vom 06.06.2013, L 7 AS 1884/12, Rn. 40, juris und vom 25.06.2013, L 2 AS 2249/12, Rn. 47 ff., juris). Hierbei muss zu erwarten sein, dass die selbstständige Tätigkeit zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier am 21.03.2018) wirtschaftlich tragfähig ist und die Hilfebedürftigkeit dadurch innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert wird. Dies stellt eine Konkretisierung des Grundsatzes aus § 3 Abs. 1 S. 1 SGB II dar, wonach Eingliederungsleistungen nur erbracht werden können, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind (vgl. Harks in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 16c (Stand: 03.01.2023), Rn. 27). Zwar verlangt die Vorschrift im Gegensatz zu § 16b Abs. 1 SGB II nicht die vollständige Überwindung der Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II durch die zu erwartenden Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit, zu fordern ist jedoch die Deckung eines wesentlichen Anteils des Lebensbedarfs (LSG Bayern Urteil vom 22.10.2015, L 7 AS 260/15, Rn. 42, juris). Hierfür ist eine Prognose anzustellen, da sich der Erfolg der Eingliederungsleistung mit hinreichender Sicherheit vorhersagen lassen muss (BSG Urteil vom 01.06.2010, B 4 AS 63/09 R, Rn. 13, juris). Zwar enthält § 16c Abs. 3 S. 1 SGB II keine Definition für den angemessenen Zeitraum dieser Prognose, nach der Gesetzesbegründung ist jedoch bei Existenzgründern aufgrund der Startschwierigkeiten entgegen der Rechtsauffassung des Klägers von einem Zeitraum von bis zu 24 Monaten und nicht 36 Monaten auszugehen (BT-Drs. 16/10810, S. 47). Dort heißt es wie folgt:
„Von den SGB-II-Leistungsträgern ist zu beurteilen, ob die Hilfebedürftigkeit durch die selbständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert werden kann. Bei Personen, die bereits seit längerem selbständig tätig sind und bei denen Hilfebedürftigkeit vorliegt, wird in der Regel ein Zeitraum von zwölf Monaten angemessen sein. Da Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit im SGB II regelmäßig unter schwierigen Bedingungen erfolgen, bedarf es bei Existenzgründern eines größeren Spielraums. Bei dieser Personengruppe sollte daher ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten zugrunde gelegt werden“.
Diese Zeitvorgaben sind auch in die Weisungen des Beklagten eingegangen, nach denen als angemessener Zeitrahmen für die Prognose bis zum Erreichen der Tragfähigkeit von einem Zeitraum von 24 Monaten entsprechend der o.g. Gesetzesbegründung auszugehen ist (Fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 20.07.2017 zu § 16c SGB II, Rn. 16c.22).
Geht man hier prognostisch zu Gunsten des Klägers und entsprechend der Intention des Gesetzgebers von einem angemessenen Zeitraum von bis zu 24 Monaten aus, kann er durch den Betrieb des S.s in Y. seine Hilfebedürftigkeit weder überwinden noch verringern. Aus dem im Verwaltungsverfahren eingereichten Liquiditätsplan für den Kiosk geht hervor, dass der Kläger weder im ersten noch im zweiten Geschäftsjahr Privatentnahmen aus seiner selbstständigen Tätigkeit entnehmen können würde. Dieser wohl im November 2017 erstellte Liquiditätsplan bezieht sich auf die ersten drei Geschäftsjahre und keinen konkreten Zeitraum, weshalb diese prognostischen Angaben aus dem Liquiditätsplan auf den hier erfolgten Geschäftsbeginn ab März 2018 entsprechend zu übertragen sind. So ist hinter dem Liquiditätsplan zum ersten Geschäftsjahr, welches beginnend ab März 2018 verläuft, ausgeführt, dass die Gesamtausgaben des Klägers monatlich 829 Euro betragen und sein monatliches Einkommen ebenfalls 829 Euro betrage (467 Euro Nettoeinkommen zzgl. 362 Euro sonstige Einkünfte/Witwerrente). Der voraussichtliche Gewinn sollte im gesamten ersten Geschäftsjahr lediglich 216,20 Euro betragen, was sich aus dem vom Kläger vorgelegten Rentabilitätsplan ergibt. Für das zweite Geschäftsjahr sind entsprechend dem Liquiditätsplan ebenfalls keine Privatentnahmen des Klägers vorgesehen, ausgehend von monatlichen Gesamtausgaben in Höhe von 1.351,61 Euro und einem Einkommen in Höhe von lediglich 362 Euro ergibt sich für Privatentnahmen ein Minus von 953,61 Euro. Erst ab dem dritten Geschäftsjahr sollen ab dem dritten Monat Privatannahmen von monatlich 954 Euro möglich sein. Da der Kläger somit in den ersten 24 Monaten seiner selbstständigen Tätigkeit bei prognostischer Betrachtungsweise keinerlei Privatentnahmen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes aus dem Betrieb seines Kiosks entnehmen könnte, kann eine Überwindung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit durch den Betrieb des S.s in Y. nicht angenommen werden.
Ob bei der Frage des Zeitraums für die Prognose bis zum Erreichen der Tragfähigkeit auf einen Zeitraum von 24 oder – wie der Kläger meint – auf einen Zeitraum von 36 Monaten abzustellen ist, kann letztlich aber dahinstehen, da zum Zeitpunkt 21.03.2018 ein Zuschuss für die Beschaffung von Sachgütern nicht notwendig im Sinne von § 16c Abs. 1 S. 1 SGB II ist. Notwendig sind jedenfalls solche Betriebsmittel, ohne die der Betrieb nicht fortgeführt bzw. die Geschäftsidee nicht umgesetzt werden kann (Harks in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 16c (Stand: 03.01.2023), Rn. 14). Bereits der Umstand, dass der Kläger am 10.03.2018 ohne die Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen den Kiosk eröffnet hat, obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt bewusst war, dass das von ihm geführte Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 19.12.2017 noch anhängig war, spricht gegen die Notwendigkeit der Eingliederungsleistungen. Untermauert wird dies durch die Aussage des Klägers im Erörterungstermin vom 18.11.2019 vor dem SG, in dem er erklärte, dass ihm die Eingliederungsleistungen des Beklagten zwar bei der Eröffnung des Kiosks fehlten, er diesen Betrag jedoch aus der eigenen Tasche finanziert habe. Der Kläger war mithin in der Lage, seinen Kiosk ohne die Eingliederungsleistungen zu eröffnen. Aus diesem Grund geht der Senat auch von einer fehlenden Erforderlichkeit der Eingliederungsleistungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 SGB II aus. Nach dieser Vorschrift können Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nur erbracht werden, soweit sie zur Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. Im Rahmen dieses gerichtlich voll überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 05.08.2015, B 4 AS 46/14 R, Rn. 18 und 23, juris), ist maßgeblich, ob die Eingliederungsleistung als „ultima ratio“ für die selbstständige Tätigkeit erforderlich ist und ob hierzu Alternativen bestehen (zum Begriff der Erforderlichkeit nach § 16b Abs. 1 SGB II: BSG Urteil vom 04.03.2021, B 4 AS 59/20 R, Rn. 20, juris). Da der Kläger den Kiosk am 10.03.2018 ohne die Eingliederungsleistungen des Beklagten eröffnet und in Betrieb genommen hat und sich die dafür erforderlichen finanziellen Mittel aus eigenen Mitteln arrangieren konnte, ist eine Erforderlichkeit der Eingliederungsleistungen des Beklagten im o.g. Sinne nicht gegeben.
Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 16c Abs.1 und 3 SGB II nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob der Beklagte im angefochtenen Bescheid sein Ermessen nach § 39 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Denn der in § 16c Abs. 1 SGB II normierte Ermessensspielraum des Beklagten ist erst eröffnet, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16c SGB II erfüllt sind (vgl. LSG Sachsen Beschluss vom 13.10.2009, L 3 AS 318/09 B ER, Rn. 25, juris).
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 1, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
E. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht.