L 12 AS 1848/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 97/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1848/21
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 1/24 AR/B 4 AS 95/24 AR/B 4 AS 131/24 AR
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 01.03.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

 

Die Beteiligten streiten über zwei an den Kläger gerichtete Zahlungserinnerungen, die im Zusammenhang mit einem darlehensweisen Leistungsbezug des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II, in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung, a.F.) erfolgten.

 

Der am 00.00.0000 geborene Kläger bezog bis März 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Beigeladenen. Die für den Zeitraum März 2006 bis März 2007 gewährten Leistungen, die im Hinblick auf die zu prüfende Vermögenslage des Klägers darlehensweise bewilligt worden waren, forderte der Beigeladene mit Bescheid vom 12.09.2011 i.H.v. 6.978,95 Euro zurück und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2011 zurück. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Aachen (SG) war nicht erfolgreich (Az. S 2 AS 962/11), die Berufung nahm der Kläger zurück (Az. L 12 AS 960/12). Den in der Folge gestellten Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) hinsichtlich des Bescheides vom 12.09.2011 lehnte der Beigeladenen mit Bescheid vom 08.10.2018 ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2019 zurück. Die hiergegen erhobene Klage vor dem SG war nicht erfolgreich (Az. S 7 AS 188/19), die Berufung wies der Senat mit Urteil vom 30.06.2021 zurück (Az. L 12 AS 1197/19).

 

Mit dem hier streitigen Schreiben der Beklagten vom 11.12.2019 (Betreff: Zahlungserinnerung) erinnerte die Beklagte den Kläger an die am 30.09.2011 fällige Forderung des Beigeladenen i.H.v. 7.013,95 Euro und forderte ihn auf, diese bis spätestens zum 30.12.2019 zu zahlen. Wenn ihm dies nicht möglich sei, solle er sich umgehend mit dem Inkassoservice in Verbindung setzen. Fragen zur Entstehung der Forderung könne nur der Beigeladene beantworten. Dieser habe die Beklagte mit der Wahrnehmung des Forderungseinzugs gemäß § 44c Abs. 2 S. 2 Nr. 4 i.V.m. § 44b Abs. 4 SGB II beauftragt. Das Schreiben enthielt eine Forderungsaufstellung, nach der sich die Gesamtsumme aus der mit Bescheid des Beigeladenen vom 12.09.2011 darlehensweise bewilligten Leistung sowie aus der Mahnung des Beigeladenen vom 16.01.2017 zusammensetzte.

 

Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 14.12.2019 Widerspruch und begründete diesen damit, dass ein Gerichtsverfahren beim LSG NRW anhängig sei und die Forderung zum jetzigen Zeitraum nicht gerechtfertigt sei. Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2020 als unzulässig. Ein Widerspruch sei nur gegen Verwaltungsakte zulässig. Mit dem angefochtenen Schreiben seien weder Rechte des Klägers begründet noch geändert, entzogen oder festgestellt worden. Der Kläger sei lediglich daran erinnert worden, dass eine Zahlung nicht wie vorgesehen von ihm geleistet worden sei. Die Zahlungserinnerung enthalte keine eigenständige Regelung, da auch keine Mahngebühren mit der Zahlungserinnerung erhoben worden seien.

 

Mit einem weiteren hier streitigen Schreiben der Beklagten vom 28.09.2020 (Betreff: Zahlungserinnerung) erinnerte die Beklagte den Kläger erneut an die am 30.09.2011 fällige Forderung des Beigeladenen i.H.v. 7.013,95 Euro und forderte ihn auf, diese bis spätestens zum 12.10.2020 zu zahlen. Das Schreiben entsprach im Übrigen der Zahlungserinnerung vom 11.12.2019. Den hiergegen mit Schreiben vom 03.10.2020 erhobenen Widerspruch, in dem der Kläger auf das Gerichtsverfahren L 12 AS 1197/19 vor dem LSG NRW sowie das Verfahren S 7 AS 97/20 vor dem SG verwies, verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2020 als unzulässig. Mit dem Schreiben seien Rechte des Klägers weder begründet noch geändert, entzogen oder festgestellt worden, es sei lediglich an die Zahlung einer offenen Forderung erinnert worden.

 

Der Kläger hat am 04.02.2020 gegen das Schreiben der Beklagten vom 11.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2020 (Az. S 7 AS 79/20) sowie am 26.10.2020 gegen das Schreiben der Beklagten vom 28.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2020 (Az. S 7 AS 722/20) Klage vor dem SG erhoben. Das SG hat die beiden Verfahren mit Beschluss vom 15.12.2020 verbunden und unter dem Aktenzeichen S 7 AS 97/20 weitergeführt.

 

Der Kläger war der Ansicht, dass die Rückforderung nicht gerechtfertigt sei, da gegen die Forderungen noch Verfahren beim LSG NRW anhängig seien. Zudem sei seine finanzielle Situation nicht überprüft worden. Außerdem müsse ihm eine Ratenzahlung angeboten werden.

 

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

 

das Schreiben der Beklagten vom 11.12.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2020 sowie das Schreiben der Beklagten vom 28.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2020 aufzuheben.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie verwies auf ihre Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden vom 28.01.2020 und 21.10.2020.

 

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 01.03.2021 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Zahlungserinnerungen vom 11.12.2019 und 28.11.2020 keinen Verwaltungsakt darstellen würden, der mit der Anfechtungsklage angefochten werden könnte. Den Zahlungserinnerungen würde keine Regelungswirkung zukommen. Es werde weder erstmals eine Pflicht auferlegt noch verbindlich eine Rechtslage festgestellt. Es würden auch keine Mahngebühren erhoben. Die Beklagte habe dem Kläger lediglich mitgeteilt, dass der Beigeladene gegen den Kläger noch eine ausstehende Forderung i.H.v. 7.013,95 Euro habe. Im Übrigen sei dem Kläger eine reine Zahlungsfrist gesetzt worden. Auch die Widerspruchsbescheide stellten keinen Verwaltungsakt dar, da die Beklagte die Widersprüche wegen fehlender Regelung im Ausgangsbescheid als unzulässig verworfen habe. Auch eine Feststellungsklage käme nicht in Betracht. Zum einen könne dem Vorbringen des Klägers bereits nicht entnommen werden, dass er eine entsprechende Feststellung begehre, zum anderen fehle ein Feststellungsinteresse, da die Feststellung sich letztlich auf die Klärung der abstrakten Rechtsfrage beziehen würde, ob die Beklagte Widersprüche gegen Zahlungserinnerungen als unzulässig verwerfen könne. Die Rechtsmittelbelehrung enthielt den Hinweis, dass das Urteil nur mit der Berufung angefochten werden könne, wenn sie nachträglich durch Beschluss des LSG zugelassen werde und die Nichtzulassung der Berufung durch Beschwerde angefochten werden könne.

 

Gegen das ihm am 24.03.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.04.2021 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Er begründete diese damit, dass der Zahlungserinnerung ein Verwaltungsakt vorangegangen sei, gegen den weiterhin das Verfahren L 12 AS 1197/19 vor dem LSG NRW anhängig sei. Daher sei die Rückforderung seiner Meinung nach so lange zu stunden, bis ein Urteil in der Sache ergangen sei. Zudem sei im Zusammenhang mit dem Verfahren L 12 AS 1197/19 ersichtlich, dass er dort eine Anfechtungsklage beabsichtigt habe. Weiterhin müsse vor einer Rückforderung die Überprüfung seiner finanziellen Situation vorgenommen werden, wie die Beklagte im Verfahren L 12 AS 960/12 habe vornehmen wollen. Auf den Hinweis des Senats, dass gegen das Urteil des SG vom 01.03.2021 nicht die Nichtzulassungsbeschwerde, sondern die Berufung statthaft sei, hat der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen und am 10.12.2021 Berufung gegen das Urteil eingelegt.

 

Mit Schreiben vom 17.01.2022 teilte die Beklagte mit, dass ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes stattgefunden habe und das Verfahren an den Beigeladenen abgegeben worden sei. Die Übertragung der Aufgabe „Bearbeitung von gerichtlichen Verfahren im Bereich Inkasso SGB II“ auf die Beklagte habe am 30.12.2021 geendet, sodass ab dem 01.01.2022 der Beigeladene diese Aufgabe nun selber wahrnehme.

 

Der Senat hat mit Beschluss vom 05.09.2022 das Jobcenter Kreis Heinsberg zum Verfahren beigeladen.

 

Mit Schreiben vom 05.09.2022 hat der Senat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Beklagte für den Erlass der Widerspruchsbescheide sachlich unzuständig war. Daraufhin hat die Beklagte in der Folge mit Schreiben vom 17.02.2023 die Widerspruchsbescheide vom 28.01.2020 und 21.10.2020 zu den Zahlungserinnerungen aufgehoben.

 

Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 06.07.2022 und 05.05.2023 darauf hingewiesen, dass die erhobene Anfechtungsklage nicht statthaft sei und lediglich eine Feststellungsklage in Betracht kommen dürfte, gerichtet auf die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Darlehensrückforderung gegenüber dem Kläger geltend zu machen.

 

Der Kläger weist daraufhin, dass wenn er mit „Herr“ oder „Vorname, Name“ angesprochen werde, sich dies an eine juristische Person richte. Einer solchen habe er keine Vollmacht erteilt, als Bevollmächtigter für ihn zu handeln. Daher seien alle vermeintlichen Verträge, die die juristische Person unterzeichnet habe, die aufgrund von Täuschung eingegangen seien oder die durch Schweigen oder unterlassene Handlung zustande gekommen seien, nichtig oder würden mit rückwirkender oder mit sofortiger Wirkung unter Berufung auf § 119 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufgehoben.

 

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgericht Aachen vom 01.03.2021 abzuändern und das Schreiben der Beklagten vom 11.12.2019 sowie das Schreiben der Beklagten vom 28.09.2020 aufzuheben.

 

Zudem beantragt er schriftsätzlich,

 

„fest zu stellen ob da BGBl. Jahrgang 2006 Teil I Nr. 18 Art. 56 „Aufhebung der Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiet der Zwangsvollstreckung" rechtsverbindlichen Bestand hat“ (sic),

 

„fest zu stellen ob das BGBl. Jahrgang 2006 Teil I Nr. 18 Art. 61 „Auflösung des Gesetztes zur Änderung Zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften" rechtsverbindlichen Bestand hat“ (sic),

 

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

 

Sie verweist darauf, dass ihrer Ansicht nach ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes stattgefunden habe, aufgrund dessen der Beigeladene richtiger Beklagter sei.

 

Der Beigeladene beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 13.03.2023, dem Kläger am 22.03.2023 und der Beklagten am 24.03.2023 zugestellt, zu der beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

 

II.

 

Der Senat kann die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, weil der Fall keine Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint. Die Beteiligten sind dazu mit Schreiben vom 13.03.2023 angehört worden.

 

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind nach Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 28.01.2020 und 21.10.2020 durch die Beklagte lediglich noch die Zahlungserinnerungen vom 11.12.2019 und 28.09.2020.

 

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

 

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie ohne Zulassung statthaft. Die Zulassung ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nur dann erforderlich, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Nach § 144 Abs. 1 S. 2 SGG gilt das nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 144, Rn. 14 m.w.N.). Streitgegenstand sind vorliegend die Zahlungserinnerungen vom 11.12.2019 und 28.09.2020, mit denen an die Zahlung eines Betrages in Höhe von 7.013,95 Euro erinnert wurde, und deren Aufhebung der Kläger begehrt. Die Höhe der geltend gemachten Forderung entspricht dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers am Berufungsverfahren und bestimmt den Beschwerdewert, der damit 750 Euro übersteigt.

 

Die Berufung ist fristgerecht erhoben worden. Aufgrund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung im Urteil des SG vom 01.03.2021, mit der die Nichtzulassungsbeschwerde als statthaftes Rechtsmittel angegeben wurde, ist gemäß § 66 Abs. 2 SGG die Einlegung des Rechtsmittels innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig. Die am 10.12.2021 erhobene Berufung gegen das am 24.03.2021 zugestellte Urteil vom 01.03.2021 erfolgte innerhalb der Jahresfrist.

 

Die Beklagte war für den Erlass der Zahlungserinnerungen zur Geltendmachung der Forderungen des Beigeladenen zuständig, da dieser gemäß § 44b Abs. 1 S. 2 SGB II die Aufgabe auf die Beklagte übertragen hat. Etwaige Auswirkungen aufgrund der Änderungsvereinbarung zur Zusatzverwaltungsvereinbarung nach § 44b Abs. 4 SGB II zum Angebot O.8 – Forderungseinzug – vom 29.09.2021 zu der Bearbeitung von gerichtlichen Verfahren im Bereich Inkasso (SGB II) auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen können aufgrund der Aussichtlosigkeit der Berufung offen bleiben.

 

Die Berufung ist unbegründet, da das SG die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG zu Recht abgewiesen hat und auch die weiteren Begehren des Klägers keinen Erfolg haben.

 

Die Anfechtungsklage auf Aufhebung der Schreiben der Beklagten vom 11.12.2019 und vom 28.09.2020 ist bereits unzulässig. Nach § 54 Abs. 1 S. 1 Var. 1 SGG kann durch eine Anfechtungsklage die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Das Sozialgericht hat das Begehren des Klägers, der sich gegen die Zahlungserinnerungen der Beklagten wehrt, als Anfechtungsklage auf Aufhebung der Zahlungserinnerung in der Gestalt der zum damaligen Zeitpunkt noch existierenden Widerspruchsbescheide ausgelegt. Nach Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 28.01.2020 und 21.10.2020 durch die Beklagte ist die Anfechtungsklage gegen die Zahlungserinnerungen vom 11.12.2019 und vom 28.09.2020 unzulässig, da diese bereits keinen Verwaltungsakt darstellen. Gemäß § 31 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, stellen die Zahlungserinnerungen mangels Regelungswirkung keinen Verwaltungsakt dar. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, d.h. wenn Rechte begründet, abgelehnt, aufgehoben, festgestellt oder geändert werden oder wenn dies (jeweils) abgelehnt wird (Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Auflage 2023, § 31 SGB X (Stand: 15.11.2023), Rn. 39). Durch den Begriff der Regelung unterscheidet sich ein Verwaltungsakt von einer bloßen Mitteilung und anderem schlicht hoheitlichem Handeln. Ob ein Schreiben eine Regelung trifft oder schlicht eine Mitteilung enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Insofern ist im Einzelfall zu ermitteln, ob sich den gewählten Formulierungen unter Berücksichtigung des maßgebenden rechtlichen Gesichtspunktes des Empfängerhorizonts eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat, entnehmen lässt, dass eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt getroffen werden sollte (LSG NRW Beschluss vom 05.09.2012, L 19 AS 1379/12 B, Rn. 14, juris mVa BSG Urteil vom 05.09.2006, B 4 R 75/06 R, Rn. 16, juris). Eine bloße Zahlungserinnerung enthält keine Regelungswirkung (ebenso LSG Hamburg Urteil vom 25.11.2021, L 4 AS 253/20, Rn. 31, juris), da keine neue Rechtsfolge gesetzt wird, sondern lediglich an eine bereits gesetzte Rechtsfolge erinnert wird, die durch den ursprünglichen Leistungsbescheid gesetzt wurde.

 

Die Feststellungsanträge des Antragstellers sind unzulässig, da es sich um eine unzulässige Klageerweiterung im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG handelt. Hiernach ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder liegt eine Einwilligung der übrigen Beteiligten vor, noch hält der Senat die Änderung für sachdienlich. Für die Bejahung der Sachdienlichkeit ist entscheidend, dass die Änderung einen neuen Prozess erspart. An der Sachdienlichkeit fehlt es dagegen, wenn völlig neuer Streitstoff in den Prozess eingeführt wird (Guttenberger in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage 2022, § 99 SGG (Stand: 15.06.2022). Die Feststellungsanträge enthalten einen neuen Streitgegenstand, der unabhängig vom konkret vorliegenden Verfahren ist und eine hiervon abstrakte Rechtsfrage enthält.

 

Die in Betracht kommende Feststellungsklage, gerichtet auf die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Darlehensrückforderung gegenüber dem Kläger geltend zu machen, hat der Kläger trotz der Hinweise des Gerichts vom 06.07.2022 und 05.05.2023 nicht erhoben. Zudem wäre die Klage nicht begründet, da die Beklagte berechtigt war, die Forderung auf Rückzahlung des Darlehens gegenüber dem Kläger geltend zu machen. Zwar handelt es sich um Forderungen des Beigeladenen, doch dieser hatte gemäß § 44b Abs. 1 S. 2 SGB II die Aufgabe auf die Beklagte übertragen. Der Kläger kann der Geltendmachung der Darlehensrückforderung auch nicht entgegenhalten, dass eine solche Forderung nicht bestehe. Der Bescheid vom 12.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2011, mit dem die Rückforderung geltend gemacht wurde, ist nach Erledigung des Berufungsverfahrens (Az. L 12 AS 960/12) bestandskräftig geworden. Das Überprüfungsverfahren (Aktenzeichen L 12 AS 1197/19) war erfolglos und ist mittlerweile beendet. Auch eine Nichtigkeit des Bescheides vom 12.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2011 kann nicht angenommen werden. Infolge der Abweisung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2011 durch das Urteil des SG vom 27.04.2021 (Az. S 2 AS 962/11), welches nach Rücknahme der Berufung durch den Kläger (Az. L 12 AS 960/12) rechtskräftig geworden ist, steht die Wirksamkeit des zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses bindend (§ 77 SGG) fest (vgl. Senger in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage 2022, § 55 SGG (Stand: 15.06.2022), Rn. 56 mVa LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 06.09.2017, L 3 KA 72/15, Rn. 18, juris). Insofern wäre eine auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 12.09.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2011 gerichtete Feststellungsklage im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG ebenfalls ohne Erfolg.

 

Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass auch eine Klage auf Einstellung der Vollstreckung, wenn dies vom Kläger begehrt worden wäre, nicht zulässig gewesen wäre, da die Vollstreckung noch nicht begonnen hatte. Die Zahlungserinnerungen stellten noch keine Vollstreckungsanordnung im Sinne von § 3 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) dar, mit der die Vollstreckung eingeleitet wird.

 

Falls der Kläger mit seiner Klage die Stundung oder den Erlass der Forderung durch die Beklagte oder den Beigeladenen begehren wollte, so wird darauf hingewiesen, dass insofern eine Klage mangels durchgeführten Vorverfahrens ebenfalls unzulässig wäre. Ein solcher Antrag wäre zunächst bei der zuständigen Behörde zu stellen und die Durchführung des Verwaltungsverfahrens abzuwarten.

 

Die im Übrigen vom Kläger gestellten Fragen und Anträge auf Beweismittelvorlage stellen keine zulässigen Verfahrensanträge dar.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

 

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

 

 

Rechtskraft
Aus
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