Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 5. Mai 2021 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung weiterer Unfallfolgen (Beschwerden und Bewegungseinschränkungen des rechten Handgelenks, des rechten Armes und des rechten Schultergelenks) und die Gewährung einer Verletztenrente.
Die 1940 geborene Klägerin erlitt auf dem Weg zur ihrer Arbeitsstätte bei der L. am 14. Juni 1984 einen Unfall als sie mit einem anderen Fahrradfahrer kollidierte und stürzte. Eine am 18. Juni 1984 durchgeführte Untersuchung beim Durchgangsarzt ergab eine typische Fehlstellung des Handgelenks mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und Schwellung sowie eine Platzwunde am Kinn. Eine ebenfalls angefertigte Röntgenaufnahme ergab eine distale Radiusfraktur mit Gelenkbeteiligung und dorsaler Achsenabweichung (vgl. Durchgangsarztbericht vom 18. Juni 1984).
Mit Bescheid vom 10. September 1984 gewährte die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin für den Zeitraum 23. Juni bis 31. Dezember 1984 zunächst eine Gesamtvergütung und anschließend mit Bescheid vom 26. August 1985 eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H.
Nachdem der Chirurg Dr. M. im Rahmen seines zweiten Rentengutachtens vom 20. Januar 1986 die MdE auf 10 v.H. einschätzte, entzog die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 24. Februar 1986 die zuvor gewährte Rente mit Ablauf des März 1986. Die ärztliche Begutachtung habe ergeben, dass noch folgende Unfallfolgen vorlägen: endgradige Bewegungseinschränkung im rechten Handgelenk, Herabsetzung der groben Kraft der rechten Hand sowie glaubhafte subjektive Beschwerden nach Speichenbruch rechts. Nicht als Folgen des Arbeitsunfalles wurden eine Osteochondrose der Halswirbelsäule mit Bewegungseinschränkung in den rechten Arm ausstrahlenden Schmerzen anerkannt. Die MdE betrage nur noch von 10 v.H.
Im Laufe der folgenden Jahre betrieb die Klägerin zahlreiche Überprüfungs- und Klageverfahren. Eine gegen einen ablehnenden Überprüfungsbescheid vom 24. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2008 erhobene Klage wies das SG Hannover mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2012 – S 22 U 12/09 ab. Im Rahmen des Verfahrens holte das SG ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. N. vom 9. August 2011 ein, wonach die MdE ab März 1986 auf 10 v.H. einzuschätzen ist. Die dagegen eingelegte Berufung – L 9 U 127/12 – hat das LSG Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 4. September 2012 als unzulässig zurückgewiesen.
Eine weitere Klage – S 58 U 44/13 – gegen einen ablehnenden Überprüfungsbescheid vom 22. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2013 wies das SG Hannover mit Urteil vom 21. September 2015 ab. Die dagegen eingelegte Berufung – L 14 U 315/15 – nahm die Klägerin im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhaltes am 9. März 2016 zurück.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2016 stellte die Klägerin einen Verschlimmerungsantrag, den sie sinngemäß damit begründete, dass sich ihr röntgenologischer Befund verschlechtert habe. Auf Anforderung der Beklagten erstatteten Dr. O. und Dr. P. am 9. August 2017 ein unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten. Danach ist bei der Klägerin an funktionellen Unfallfolgen allein eine leichte Bewegungseinschränkung anteilig rechtes Handgelenk bei unfallunabhängig schwersten Gelenkumbauten festzustellen. Unfallunabhängig liege eine aktiv nahezu aufgehobene Schulterbeweglichkeit rechts bei passiv freier Schulterbeweglichkeit vor. Unfallunabhängig sei eine anteilig eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit rechts bei radiologisch dokumentierter, massiver Zerstörung der rechten Handwurzel und des rechten Handgelenks festzustellen.
Mit Bescheid vom 5. September 2017 lehnte die Beklagte den Verschlimmerungsantrag ab. Unter Zugrundelegung des eingeholten Gutachtens bestehe wegen der Folgen des Arbeitsunfalles weiterhin kein Anspruch auf Rente. Den dagegen gerichteten Widerspruch, den die Klägerin damit begründete, dass unter Zugrundelegung der Erfahrungswerte aufgrund der erheblichen Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Arms, des rechten Ellenbogens und auch des Handgelenks die Gewährung einer Verletztenrente auf Grundlage einer MdE von 20 v.H. angemessen wäre, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2017 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 2. November 2017 Klage beim SG erhoben, mit der sie eine Anerkennung einer Schädigung des Ulnarisnerves im rechten Arm sowie einen Schulter-Arm-Schmerz rechts bei partieller Plexusläsion C4/C5 nach Hyperabduktionstrauma als Unfallfolge sowie die Gewährung einer Verletztenrente begehrte. Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag wiederholt. Sie leide vor allem unter Bewegungseinschränkungen und Schmerzen in der rechten Hand, im rechten Arm und rechten Schultergelenk, die unfallabhängig seien. Dr. Q. habe am 27. Januar 1986 als Unfallfolge eine distal betonte Ulnarisläsion mit Spreiz- und Beugeschwäche der Finger 4 und 5 festgestellt.
Nach Einholung von Befundberichten behandelnder Ärzte sowie der Beiziehung der Gerichtsakte zu den Verfahren L 9 U 127/12 sowie L 14 U 315/15 durch das SG hat auf dessen Anforderung der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R. am 4. November 2019 ein Gutachten erstattet. Danach liegt bei der Klägerin als Gesundheitsstörung, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das streitige Unfallereignis zurückzuführen ist, eine anteilige Minderbelastbarkeit des rechten Handgelenks nach knöchern achsengerecht konsolidierter, konservativ behandelter distaler Radiusfraktur mit Entwicklung eines anlaufenden degenerativen Handgelenksschadens vor. Neben dem Ereignis bestehe jedoch für die aktuell feststellbare Funktionseinschränkung und Minderbelastbarkeit des rechten Handgelenks eine weitere Bedingung: Es lasse sich eine radiologisch seit dem 9. Juni 2015 zu verfolgende vergleichsweise schwere destruierende Veränderung des rechten Handgelenks auf dem Boden einer rheumatoiden Arthritis herausarbeiten. Dabei sei zu beachten, dass sich eine entsprechende analoge destruierende Zerstörung auch am linken Handgelenk finde. Die im Juni 2015 diagnostizierte rheumatoide Arthritis sei unfallunabhängiger Genese. Eine Ursache für diese lasse sich nicht benennen. Sie liege jedoch mit Sicherheit nicht im Unfallereignis, da es nicht denkbar sei, dass ein Handgelenksbruch vom 14. Juni 1986 bis zum 9. Juni 2015 radiologisch nahezu unveränderte, nur diskrete degenerative Veränderungen aufweise, dann jedoch innerhalb von zwei Jahren bis zum 8. August 2017 zu einer völligen Destruierung der Handwurzel führe. Eine Verschlimmerung von Unfallfolgen seit dem Bescheid vom 24. Februar 1986 sei nicht eingetreten. Die unfallbedingte MdE werde mit 10 v.H. eingeschätzt.
Mit Urteil vom 5. Mai 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Verschlimmerung sei nicht eingetreten. Dies ergebe sich aus den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen von Dr. R.. Die von der Klägerin geltend gemachten weiteren Gesundheitsschäden seien bereits vor dem 24. Februar 1986 als etwaige Unfallfolge streitig gewesen bzw. werde von der Klägerin vorgetragen, dass insbesondere die Schädigung des Ulnarisnerves im zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall aus 1984 erfolgt sei. Daher könnten diese Gesundheitsschäden nicht Gegenstand einer etwaigen Verschlimmerung der Unfallfolgen in der Zeit zwischen dem 24. Februar 1986 und dem 14. Oktober 2016 sein. Nicht einmal die Klägerin mache geltend, dass diese Gesundheitsschäden nach dem 24. Februar 1986 aufgetreten seien.
Gegen das ihr am 4. Juni 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. Juni 2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass sie einen massiven Sehnendefekt durch den Unfall erlitten habe. Möglicherweise erkläre dies, warum sie den rechten Arm seit dem Unfall nicht mehr halten könne. Am Unfalltag sei das rechte Handgelenk zwei Mal zurückgedreht worden. Dabei habe sie starke Schmerzen in der Schulter gehabt.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 5. Mai 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2017 aufzuheben,
- die Beklagte zu verpflichten, als weitere Folgen des Unfalls vom 14. Juni 1984 weitere erhebliche Bewegungseinschränkungen des rechten Handgelenks, des rechten Arms und des rechten Schultergelenks sowie eine Schädigung des Ulnarisnerves im rechten Arm anzuerkennen und ihr eine Verletztenrente auf Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zunächst weitere Befundberichte behandelnder Ärzte eingeholt. Anschließend hat auf Anforderung des Senats der Facharzt für Orthopädie Dr. S. am 14. März 2023 ein Gutachten einschließlich Zusatzgutachtens des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie T. vom 29. November 2022 erstattet. Nach letzterem leidet die Klägerin zwar auf nervenärztlichem Fachgebiet an einer psychogenen Lähmung des rechten Arms i.S.e. dissoziativen Bewegungsstörung (ICD 10 F44.4) sowie einer leichten Engelflügelstellung / Scapula alata rechtsseitig unklarer Ursache und Signifikanz. Allerdings seien dafür unfallunabhängige Ursachen festzustellen. Unter Berücksichtigung der Leitlinien sei ein Kausalzusammenhang der psychogenen Funktionsstörung des rechten Arms mit dem Unfallereignis nicht gegeben. Hinzu trete die erstmalig im Jahr 1991 beschriebene Engelflügelstellung / Scapula alata, bei der allerdings auch kein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfallereignis festzustellen sei und dessen klinische Relevanz erheblich in Frage gestellt werden müsse. Aus nervenärztlicher Sicht bestehe keine MdE. Nach Dr. S. ist die Gesundheitsstörung einer knöchern in leichter Verkürzung konsolidierten Fraktur der distalen Speiche rechts mit anteiligem posttraumatischen Verschleiß des rechten Handgelenks unfallabhängig. Unfallunabhängig liege auf orthopädischem Fachgebiet eine rheumatoide Arthritis (Erstdiagnose Juni 2015) mit Destruktion beider Handgelenke und Handwurzeln sowie die von Herrn T. beschriebenen Unfallfolgen vor. Die MdE sei seit April 1986 bis heute auf 10 v.H. einzuschätzen. An ihren Einschätzungen hielten Dr. S. und Herr T. auch auf Einwendungen der Klägerin in ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 25. Mai 2023 und 7. Juni 2023 fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zum hiesigen Verfahren, der beigezogenen Gerichtsakten L 9 U 127/12 und L 14 U 315/15 und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand von mündlicher Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat mit der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
I. Zunächst hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Anerkennung weiterer Unfallfolgen durch die Beklagte.
Feststellbare Unfallfolgen sind solche Gesundheitsschäden, deren wesentliche (Teil-)Ursache der Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls war oder die einem (u.U. nur behaupteten) Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen (vgl. § 11 SGB VII) zuzurechnen sind (vgl. BSG, Urt. v. 5. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R - Rn. 14, 23, 26, juris). Dabei gilt die im Unfallversicherungsrecht maßgebende Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Ist allerdings eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur sie "wesentlich" und damit Ursache im Rechtssinn (vgl. BSG, Urt. v. 9. Mai 2006 – B 2 U 40/05 R - Rn. 10, juris). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen (vgl. BSG, Urt. v. 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – Rn. 21, juris). Basis der Beurteilung ist dabei der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und psychischen Gesundheitsstörungen wie er sich insbesondere auch aus den einschlägigen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) ergibt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 25 f., juris). Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 20, juris).
Unter Beachtung dieser Grundsätze sind über die seitens der Beklagten hinaus bereits anerkannten Unfallfolgen keine weiteren anzuerkennen. D.h., dass sich weder anerkannte Unfallfolgen im Bereich des Handgelenks verschlimmert haben noch dass weitere zusätzliche Unfallfolgen im Bereich des rechten Armes und des rechten Schultergelenks anzuerkennen sind. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Beurteilungen der Gutachter Dr. R., Dr. S. und T., deren Ausführungen sich der Senat als Feststellungen zu Eigen macht.
Dr. R. legt zunächst dar, dass folgende Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Handgelenks zur Darstellung kommen: Zum einen eine Vergröberung und Sklerosierungsverdichtung im Bereich des körperfernen Radius mit Sklerosierungsverdichtung der radiokarpalen Gelenkreihe nach konservativ behandeltem Handgelenkbruch und zum anderen eine schwere destruierende Veränderung der Handwurzel sowie der angrenzenden Mittelhand und des Handgelenks. Bei letzterer handelt es sich nach Dr. R. allerdings um eine Folge einer rheumatoiden Arthritis (vgl. S. 29 des Gutachtens). Dr. R. leitet dies daraus ab, dass sich die feststellbare schwergradige morphologische Veränderung des rechten Handgelenks innerhalb des kurzen Zeitraums zwischen dem 9. Juni 2015 und dem 8. August 2017 aufgebaut hat (S. 30 des Gutachtens). Denn die ihm vorliegende Röntgenaufnahme vom 9. Juni 2015 im Bereich des rechten Handgelenks zeige eine achsengerecht ausgeheilte ehemalige knöcherne Verletzung, eine noch anlaufende degenerative Schädigung des Handgelenks mit Sklerosierungsverdichtung der radiokarpalen Reihe sowie eine ebenfalls geringgradige Aufweitung des radioulnaren Gelenkspaltes; dabei handele es sich eindeutig um eine Arbeitsunfallfolge. In der Röntgenaufnahme vom 8. August 2017 zeige sich damals sodann eine schwere destruierende Zerstörung der rechten Handwurzel unter Involvierung auch der Mittelhandgelenke sowie des Handgelenks, insbesondere der Ulna (S. 30 des Gutachtens). Daraus schließt Dr. R., dass sich diese morphologische Destruktion ausschließlich im Zusammenhang mit der rheumatoiden Arthritis entwickelt hat (S. 31 des Gutachtens). Nachvollziehbar und schlüssig begründet er diese Einschätzung damit, dass es nicht denkbar ist, dass sich eine posttraumatische Arthrose des rechten Handgelenks nach Arbeitsunfall im Juni 1984 bis zum Juni 2015 nur geringgradig entwickelt hat, anschließend aber innerhalb von zwei Jahren in einem schweren morphologischen Schaden der gesamten Handwurzel mündete. Dies gelte umso mehr, als dass auch das linke Handgelenk auf Röntgenvergleichsaufnahmen vom 8. August 2017 eine schwere und nahezu seitengleiche Destruktion der Handwurzel und des Handgelenks aufweise (vgl. S. 31 des Gutachtens). Nach Auffassung des Senats ist diese Argumentation insbesondere deshalb schlüssig, weil das linke Handgelenk bei dem hier streitigen Unfall nicht verletzt worden ist. Weiter leitet Dr. R. den Zusammenhang der seinerseits beschriebenen morphologischen Veränderungen und der damit vergesellschafteten Beschwerdehaftigkeiten sowie Funktionseinschränkungen mit der im Juni 2015 gestellten Diagnose einer rheumatoiden Arthritis auch aus der Entwicklung der Beweglichkeit des rechten Handgelenks her: Die Handgelenksbeweglichkeit sei innerhalb der Messfehlerbreite nahezu analog zu derjenigen, die die Gutachter U. in ihrem Gutachten festgestellt haben, die wiederum gegenüber der von Dr. M. in seinem Gutachten vom 20. Januar 1986 festgestellten Handgelenksbeweglichkeit eine deutliche Verschlechterung zeigte (vgl. S. 32 des Gutachtens). Die von Dr. R. angeführte rheumatoide Arthritis mit Erstdiagnose in Juni 2015 wird auch von Dr. S. festgestellt und als unfallunabhängig qualifiziert (vgl. S. 25 des Gutachtens). Die Auffassung von Dr. R. und Dr. S. wird von den Gutachtern V., deren Gutachten der Senat als Urkundsbeweis verwertet geteilt. Auch sie ordneten die zum Zeitpunkt der Begutachtung feststellbaren Einschränkungen der Handgelenksbeweglichkeit im Wesentlichen der rheumatoiden Arthritis zu (vgl. S. 15 des Gutachtens).
Im Hinblick auf seitens der Klägerin geklagten Beschwerden des rechten Armes und der rechten Schulter ist für Dr. R. eine Diskussion darüber, ob diese als unfallabhängig sind, entbehrlich, da im Rahmen der wiederholt durchgeführten Verwaltungsverfahren sowie Rechtsstreitigkeiten ein Zusammenhang der Funktionseinschränkung der rechten Schulter mit dem Arbeitsunfall vom 14. Juni 1984 nicht festgestellt wurde (vgl. S. 34 des Gutachtens). Analog gelte dies auch für eine geltend gemachte Beschwerdesymptomatik im Bereich des Unterarms einschließlich des Ellenbogens, da sich anamnestisch keinerlei Hinweise auf entsprechende unfallnah eruierbare Funktionsstörungen des Ellenbogens finden ließen und auch im Rahmen der durchgeführten Untersuchung der Befund völlig inkonsistent sei (vgl. S. 34 f. des Gutachtens). Tatsächlich stellte Dr. R. selbst im Rahmen der Begutachtung im Rahmen der passiven Untersuchung eine seitengleich freie Unterarmbeweglichkeit fest (vgl. S. 18 des Gutachtens). Auch der Gutachter Dr. S. stellte eine solche fest (vgl. S. 10 des Gutachtens). Für den Gutachter T. gab es zudem keinen Hinweis auf eine relevante oder höhergradige Muskelminderung des rechten Arms, die im Zusammenhang mit der von der Klägerin geklagten hochgradigen Funktionsstörungen zu erwarten wäre (vgl. S. 40 des Gutachtens). Abschließend verweist der Senat ebenfalls auf die Ausführungen von W., deren Gutachten der Senat als Urkundsbeweis verwertet, die ebenfalls passiv eine völlig frei bewegliche rechte Schulter und eine lediglich passiv um 15 Grad verringerte Einwärtsdrehung des rechten Unterarms feststellten (vgl. S. 8 des Gutachtens).
Auch der Gutachter T. hat die geklagten Beschwerden im Bereich des rechten Arms/Schultergelenks aus neurologischer Sicht als unfallunabhängig beurteilt. Er ordnet die geklagten Beschwerden einer psychogenen Funktionsstörung des rechten Schultergelenks und des rechten Armes zu. Dabei stellt er auf die sich bei der körperlichen Untersuchung ergebenden Unstimmigkeiten ab: Die Klägerin habe eine Unfähigkeit des Anhebens der rechten Schulter – Kapuzenmuskelfunktion – sowie eine hochgradige Einschränkung in Bezug auf die Anhebung des Schultergelenks zur Seite (praktisch 0 Grad), darüber hinaus eine Funktionseinschränkung in Bezug auf das Vorheben der Schulter – bis unter 45 Grad – demonstriert. Auch habe sie eine hochgradige Schwäche in Bezug auf die Beugung und Streckung im Ellenbogengelenk sowie durchgehend eine leichte Kraftminderung für sämtliche Funktionen des rechten Arms, ohne dass Sensibilitätsstörungen angegeben worden seien, dargelegt (vgl. S. 38 des Gutachtens). In der Verhaltensbeobachtung (S. 14 des Gutachtens) habe sich sodann gezeigt, dass der rechte Arm völlig unbeeinträchtigt beim Ent- und Bekleiden eingesetzt werde. Beim Ausziehen der Bluse, Aus- und Anziehen des Jacketts sei es der Klägerin noch möglich gewesen, den rechten Arm fast bis zu 90 Grad im Schultergelenk seitlich anzuheben. Ebenso habe sich beim Ent- und Bekleiden eine deutlich bessere Funktion in Bezug auf die Schultervorhebung des Arms gezeigt.
Weiter führt der Sachverständige T. aus, dass bei den elektrophysiologischen Untersuchungen sich unauffällige Normalbefunde gezeigt haben, insbesondere die Medianus-SEP, welche mit das Armnervengeflecht abbildeten, hätten sich unauffällig gezeigt (vgl. S. 39 des Gutachtens). Nachvollziehbar leitet der Sachverständige T. daraus eine psychogene Lähmung des Armes i.S.e. dissoziativen Bewegungsstörung ab. Diese Erkrankung äußert sich in ihrer häufigsten Form eben in dem vollständigen oder teilweisen Verlust der Bewegungsfähigkeit eines oder mehrerer Körperglieder (vgl. ICD-10-GM-2024 F44.4). In der Einführung der ICD-10-GM-2024 heißt es unter „F44.- Dissoziative Störungen [Konversionsstörungen]“, dass deren Symptome häufig das Konzept der betroffenen Person verkörpern, wie sich eine körperliche Krankheit manifestieren müsste; körperliche Untersuchung und Befragungen geben keinen Hinweis auf eine bekannte somatische oder neurologische Krankheit. Letzteres war hier nach Herrn T., wie soeben dargelegt, nicht der Fall. Auch Dr. R. stellte bereits im Rahmen seiner Untersuchung fest, dass der rechte Arm passiv vollständig erhoben und bewegt werden kann. Auch stellt er fest, dass die Oberarme seitengleich konfiguriert seien (vgl. S. 18 des Gutachtens). Dr. S. beschreibt in seinem Gutachten, dass im Rahmen der Untersuchung beim Umlagern von der Rückenlage in die Bauchlage auf der Untersuchungsliege der rechte Arm zum Herumziehen und Fixieren am gegenseitigen Rand der Untersuchungsliege verwendet und dabei deutlich abgespreizt wird. Auch hätten in der Bauchlage beide Arme komplett über den Kopf angehoben und über die Abspreizung wieder an den Körper zurückgeführt werden können. Passiv hätten sich wiederum normale Bewegungsweiten in allen Ebenen gezeigt (vgl. S. 9 f. des Gutachtens).
Aufgrund der deutlich bestehenden Diskrepanz zwischen den Untersuchungsergebnissen der genannten Gutachter und der seitens der Klägerin behaupteten Einschränkungen ist die Diagnose einer psychogenen Erkrankung des rechten Armes i.S.e einer dissoziativen Bewegungsstörung schlüssig und nachvollziehbar.
Ebenso nachvollziehbar und unter Zugrundelegung der einschlägigen AWMF-Leitlinie (S2k-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen, AWMF-Register Nr. 051-029, Stand: 1.12.2019) hat der Gutachter T. dargelegt, dass diese Gesundheitsstörung nicht unfallbedingt ist, da es sowohl an einem geeigneten Körperschaden und – mangels Eingangskriteriums, d.h. eines erheblichen traumatischen Ereignisses (vgl. zu den Beispielen Teil III, S. 19 f. der AWMF-Leitlinie) – an einer die Störung auslösenden Posttraumatischen Belastungsstörung (vgl. S. 44 f. des Gutachtens) fehlt. Zudem hat Herr T. unter Bezugnahme auf die zuvor erhobenen medizinischen Befunde eingehend dargestellt, dass die geklagten Beschwerden mit der Zeit zunahmen. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Zusammenfassung auf den Seiten 41 ff. des Gutachtens. Auffällig ist, dass die zeitnah erhobenen Befunde, z.B. der Durchgangsarztbericht vom 18. Juni 1984 unmittelbar nach dem Unfall keine Schulterverletzungen (oder solche des Ellenbogens) festhalten. Auch weist Herr T. darauf hin (vgl. S. 41 des Gutachtens), dass das Gutachten von Dr. M. vom 1. März 1985 eine uneingeschränkte Beweglichkeit im Schultergelenk beschrieb. Jedenfalls lassen sich diesem und auch dem Gutachten von Dr. M. vom 20. Januar 1986 entnehmen, dass die Schulterbeweglichkeit seitengleich ausgeprägt war. Einschränkungen sind nicht festgehalten. Nach Auffassung des Senats spricht das Fehlen von zeitnah nach dem Unfallereignis vorhandenen Feststellungen zu Bewegungseinschränkungen im Schultergelenk gegen einen Unfallzusammenhang.
Im Hinblick auf die Scapula alata verneint der Gutachter T. eine unfallabhängige Entstehung ebenfalls schlüssig (S. 42 des Gutachtens): Aus den Gutachten von Dr. M. aus den Jahren 1984, 1985 und 1986 ergäben sich keinerlei Hinweise auf eine Schulterfunktionsstörung, welche bei einer Scapula alata zu erwarten gewesen wären. Der Senat verweist auch hier erneut auf den unmittelbar nach dem Unfall angefertigten Durchgangsarztbericht vom 18. Juni 1984, der Verletzungen oder Funktionsbeeinträchtigungen der Schultern nicht beschreibt. Die Diagnose ist nach dem Gutachter T. erstmalig im Jahr 1991 diagnostiziert worden. Schlüssig weist er insoweit auf den zeitlichen Abstand von sieben Jahren zwischen Unfall und Erstdiagnose hin (S. 43 des Gutachtens), die gegen einen Kausalzusammenhang spricht.
Die von der Klägerin unter Bezugnahme auf die Feststellungen von Dr. Q. explizit geltend gemachte Schädigung des Ulnarisnerves ist bereits keine Folge des streitigen Unfallereignisses, weil diese nicht im Vollbeweis gesichert ist. Der Senat verweist insoweit auf die von dem Gutachter T. durchgeführten elektrophysiologischen Untersuchungen des Armnervengeflechts, die unauffällige Normalbefunde zeigten (S. 39 des Gutachtens). Weiterhin verweist der Senat auf den neurologischen Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. X. vom 23. September 1985, der bei der neurologischen Untersuchung keine eindeutigen Sensibilitätsstörungen mehr feststellen konnte. Eine Teilschädigung des Ulnarisnerves rechts konnte nicht objektiviert werden. Daher kam auch er nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass es keinen eindeutigen Hinweis auf eine periphere oder radikuläre neurogene Schädigung gab und aus neurologischer Sicht keine messbare MdE feststellbar ist.
Soweit die Klägerin sich darauf stützt, dass Prof. Dr. Y. im Jahr 2000 eine Nervenschädigung diagnostiziert hat (vgl. Zusammenfassung auf S. 35 f. des Gutachtens Gerhardt), so führt dies vorliegend insbesondere vor dem Hintergrund der entgegenstehenden, oben aufgeführten Feststellungen von dem Sachverständigen T. zu keiner anderen Beurteilung. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass bei zwischen dem Zeitpunkt des streitigen Unfalls sowie der Behandlung durch Prof. Dr. Y. im Jahr 2000 knapp 16 Jahre liegen, was einen Zusammenhang etwaiger Nervenschädigungen mit dem Unfallereignis als unwahrscheinlich erscheinen lässt. Dies insbesondere auch deshalb, weil – wie oben ebenfalls bereits dargestellt –unfallnah keine Nervenschädigungen im rechten Arm und der rechten Schulter ärztlich dokumentiert worden sind. Auch diesbezüglich wird auf die Ausführungen von Dr. X. vom 23. November 1985 verwiesen.
2. Rechtsgrundlage für die Gewährung der begehrten Verletztenrente ist daher allein § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Die Bemessung der MdE hängt danach von zwei Faktoren ab: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. BSG, Urt. v. 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R – Rn. 12, juris).
Da – wie oben dargestellt – allein die bereits festgestellten Handgelenksbeschwerden als unfallabhängig zu beschreiben sind, sind auch nur diese bei der Einschätzung der MdE zu berücksichtigen. Übereinstimmend sind die Gutachter Dr. R. und Dr. S. unter Beachtung dieser Unfallfolge zu dem Ergebnis gelangt, dass die MdE lediglich 10 v.H. beträgt, womit sie wiederum mit der Einschätzung von Dr. N. in dessen im Verfahren S 22 U 12/09 erstatteten Gutachten übereinstimmen. Dr. R. weist in diesem Zusammenhang – wie bereits oben ausgeführt – in Übereinstimmung mit Z. (s.o.) zutreffend darauf hin, dass die Minderbelastbarkeit des rechten Handgelenks sich nur anteilig aus dem Arbeitsunfall ableiten lässt und eine wesentliche Komponente sich aus der unfallunabhängigen Schädigung der Handwurzel und des Handgelenks aufgrund der rheumatoiden Arthritis ergibt (vgl. S. 33 des Gutachtens). Da nach Dr. R. die Folgen des Arbeitsunfalles mit Involvierung des rechten Handgelenks im Zeitverlauf eine wesentliche Veränderung nicht erfahren haben (vgl. S. 35 des Gutachtens) ist auch keine Verschlimmerung eingetreten.
Bei der beim Arbeitsunfall erlittenen distalen Radiusfraktur richtet sich die MdE-Schätzung vorwiegend nach den Bewegungsausmaßen im Handgelenk (im Vergleich zur unverletzten Hand). Eine MdE von 10 v.H. wird dabei anerkannt bei einem Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit um insgesamt 40 Grad (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 580). Bei der Klägerin liegt ein achsengerecht verheilter Speichenbruch vor. Bei der durch Dr. M. in dessen zweiten Rentengutachten vom 20. Januar 1986 unmittelbar vor Erteilung des Bescheides vom 24. Februar 1986 durchgeführten Untersuchung betrug die Beweglichkeit der Handgelenke nach der Neutral-Null-Methode handrückenwerts/hohlhandwerts rechts 55-0-70 Grad im Vergleich zu links 60-0-70 Grad und ellenwärts/speichenwärts seitengleich 30-0-25 Grad. Damit lag lediglich eine Einschränkung von 5 Grad vor. Ausgehend davon ist die unfallabhängige MdE von der Beklagten jedenfalls nicht zulasten der Klägerin unzutreffend eingeschätzt worden. Spätere Entwicklungen sind, wie bereits oben dargelegt, aufgrund der unfallunabhängigen Verschlechterung der Situation in den Handgelenken nicht zu berücksichtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.