L 13 AS 171/22

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Bremen (NSB)
Aktenzeichen
S 44 AS 164/19
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 13 AS 171/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Löschung eines Betreuervermerks in den Akten des Be-klagten.
Die1974 geborene Klägerin, die in der Vergangenheit als Rechtsanwältin tätig war und bereits zahlreiche Verfahren gegen den Beklagten und das Jobcenter Region H. führte, in denen es u.a. um ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Unterkunftskosten sowie ihre Krankenversicherung ging, stand bereits in der Vergangenheit beim Beklagten im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie beantragte im März 2018 nach einer längeren Unterbrechung erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten. Sie sprach am 2. August 2018 beim Beklagten vor und teilte mit, dass sie eine Betreuerin habe. Diese war beim Beklagten im System eingetragen. Laut eines Vermerks in den Akten des Be-klagten gab die Klägerin dort an, dass es für die Betreuung keinen Grund gebe und sie gegen die Betreuung vorgegangen sei. Sie habe zu der Betreuerin keinen Kontakt. Diese kümmere sich nicht. Nachdem Bescheide an die Betreuerin, Rechtsanwältin I. J., übersandt wurden, mel-dete diese sich beim Beklagten und teilte zunächst telefonisch, später auch schriftlich, mit, dass sie seit über drei Jahren nicht mehr die Betreuerin der Klägerin sei. Die Betreuung sei aufgeho-ben worden. Bei der telefonischen Information der Klägerin durch den Beklagten war diese nicht damit einverstanden, dass Frau J. nicht mehr ihre Betreuerin sei. Mit Email vom 9. November 2018 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und führte u.a. aus, dass sie am 8. Oktober 2012 im Rahmen einer Zwangsräumung ihrer C-Stadter Wohnung/Kanzlei verhaftet und in die Psychiatrie zwangseingewiesen worden sei. Nachdem der Antrag ihrer Betreuerin, sie dauer-haft geschlossen unterzubringen, gescheitert sei, habe diese den Ärzten mitgeteilt, die Betreu-ung niederzulegen. Vorher habe sie offenbar die Betreuung der Agentur für Arbeit C-Stadt an-gezeigt. Die Betreuerin habe den Nachweis der Aufhebung der Betreuung zu erbringen oder die Betreuung an einen anderen Betreuer abzugeben. Aus dem Nachweis des Endes der Be-treuung müsse sich ein Wohnsitz ergeben, aus dem wiederum sich die zuständige Agentur für Arbeit ergebe. Ohne einen Nachweis könne die Betreuung nicht gelöscht werden. Sie fordere daher den Beklagten auf, die Betreuung in das System aufzunehmen.
Mit Schreiben vom 9. November 2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass nach Mitteilung von Frau Rechtsanwältin I. J. aus C-Stadt die Betreuung im Jahr 2013 endete. Die Berücksich-tigung einer Betreuung könne erst erfolgen, sobald ein entsprechender Nachweis vorliege. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Die Klägerin legte Widerspruch ein. Es existiere kein Nachweis über die Aufhebung der Betreuung. Die Betreuerin habe mehrere anhängige Rechtsstreitigkeiten nicht geführt. Die Betreuung habe mangels ladungsfähiger An-schrift nicht aufgehoben werden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2019 ver-warf der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unzulässig. Der Widerspruch sei nur gegen
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Verwaltungsakte zulässig. Bei dem angefochtenen Schreiben handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Rechte der Klägerin würden weder begründet noch geändert, entzogen oder festgestellt. Das Schreiben habe lediglich Informationen über die Berücksichtigung einer Be-treuung enthalten. Es könne somit – entgegen der enthaltenen Rechtsbehelfsbelehrung – zu-lässigerweise kein Widerspruch eingelegt werden.
Die Klägerin hat am 25. Januar 2019 Klage beim Sozialgericht (SG) A-Stadt erhoben.
Sie hat zudem ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geführt, welches sowohl beim SG A-Stadt (Beschluss vom 18. Juli 2019) als auch beim Landessozialgericht (LSG) Nieder-sachsen-Bremen – L 15 AS 203/19 B ER - erfolglos geblieben ist (Beschluss des LSG vom 23. September 2019). Das LSG hat zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass die Klägerin nicht glaubhaft gemacht habe, welchen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil die Rückgängig-machung der Löschung bzw. die Wiedereintragung des Vermerks über die Betreuung für sie habe. Der Vermerk stelle lediglich eine behördeninterne, informatorische Mitteilung dar, die nicht mehr dem aktuellen Sach- und Rechtsstand entspreche und überdies keine rechtlichen Wirkungen entfalte. Die Klägerin verkenne die rechtliche Tragweite des keinerlei Regelungsge-halt aufweisenden Aktenvermerks.
Zur Klagebegründung hat die Klägerin ausgeführt, sie wende sich gegen die Löschung eines Betreuervermerks. Sie könne ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen. Die Löschung habe ohne einen Nachweis der Aufhebung der Betreuung nicht erfolgen dürfen. Örtlich zustän-dig sei das SG C-Stadt, da dort die Betreuerin ihren Kanzleisitz habe. Durch die Löschung des Betreuervermerks entstünden umgehend Mitwirkungspflichten, es handele sich daher um einen
Verwaltungsakt. Es bestünden auch Zweifel an der Zuständigkeit des Beklagten für die Lö-schung. Sie sei auch nicht angehört worden. Die Beiladung anderer Leistungsträger sei erfor-derlich. Die vom LSG Niedersachsen-Bremen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – L 15 AS 203/19 B ER - getroffene Entscheidung sei rechtswidrig. Sie begehre nicht eine erneute Betreuerbestellung, sondern den Vermerk „I. J., K. C-Stadt, L., gesetzlicher Vertreter, gültig ab 30.07.2018“. Es dürfe keine Zeiträume geben, in denen Mitwirkungspflichten entstün-den. Es gehe um die Löschung eines konkreten Vertreters.
Der Beklagte hat zur Klageerwiderung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwie-sen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2022 abgewiesen. Bei dem angefoch-tenen Schreiben handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, gegen den der Rechtsbehelf des Widerspruchs eröffnet sei. Das Schreiben habe ausschließlich informatorischen Charakter
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und enthalte keine Regelungswirkung. Der Widerspruch sei daher unzulässig gewesen. Der Gerichtsbescheid sei nicht mit der Berufung angreifbar.
Die Klägerin hat gegen denn ihr am 1. Juli 2022 zugestellten Gerichtsbescheid zunächst am 4. Juli 2022 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und es liege ein Verfahrensmangel vor. Ihr sei eine Betreuerin bestellt worden. Gerichtliche Zustellungen hätten daher an diese zu erfolgen.
Nach Hinweis hat die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen. Sie hat am 11. Juli 2022 Berufung eingelegt. Soweit ein Betreuer bestellt sei, habe die Behörde den Be-treuer zu verständigen. Fristen begönnen erst zu laufen, wenn der Betreuer verständigt worden sei. Es handele sich bei der Löschung des Betreuervermerks daher um einen Verwaltungsakt. Sie führt dies umfangreich aus. Durch die Weiterleitung des Verfahrens an das Betreuungsge-richt in A-Stadt habe das SG Fakten hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit geschaffen. Tat-sächlich habe es in C-Stadt Angelegenheiten gegeben, die dort zu regeln seien. Ob die Betreu-ung tatsächlich bestanden habe, sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Es seien Ausführungen zu machen, ob die Sache spruchreif sei. Es bedürfe einer ausführlichen Begründung, warum eine Behörde ohne Anhörung vollziehen dürfe und ob überhaupt ein Nachweis vorliege. Eine im System der Agentur für Arbeit geführte vertretungspflichtige und -verpflichtete Person führe die Angelegenheiten solange weiter, bis ein Ersatz gefunden sei oder der Hilfebezieher sie selbst regeln könne. Sie verweist zudem auf ihre im Verfahren wegen überlanger Verfahrens-dauer gemachten Angaben. Dort führt sie u.a. aus, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers offensichtlich nicht vorlägen. Auf die umfangreichen Ausführungen der Klägerin wird verwiesen. Die Klägerin weist zudem darauf hin, dass sie bis heute keinen Tätigkeitsbericht der Betreuerin habe und diese nicht in ihrem Interesse gehandelt habe. Zudem verweist sie auf den Stand ihrer Rentenanwartschaften beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte in M. mit Stand 2013.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des SG A-Stadt vom 23. Juni 2022 sowie den Bescheid des Beklag-ten vom 9. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Vermerk „I. J., K. C-Stadt, L., ge-setzlicher Vertreter, gültig ab 30.07.2018“ wiedereinzutragen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Berufungserwiderung verweist er auf den angegriffenen Widerspruchsbescheid sowie den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid. Die Berufung sei nicht zugelassen und daher unzulässig.
Auf Nachfrage der Berichterstatterin hat das Amtsgericht A-Stadt - Betreuungsgericht – mitge-teilt, dass für die Klägerin kein Betreuer bestellt ist. Das C. – Betreuungsgericht – hat mitgeteilt, dass die gesamte Betreuungsakte an das Amtsgericht A-Stadt abgegeben wurde. Zudem hat es eine Kopie des Aufhebungsbeschlusses vom 13. Februar 2013 übersandt, mit welchem die Betreuung für die Klägerin aufgehoben worden ist.
Der Senat hat die Entscheidung über die Berufung mit Beschluss vom 16. Oktober 2023 auf die Berichterstatterin übertragen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Pro-zessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung, über die die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG), ist nicht begrün-det. Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, sie war mit der Terminsmittei-lung ordnungsgemäß benachrichtigt (Postzustellungsurkunden vom 20. Oktober 2023) und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Der Gerichtsbescheid des SG A-Stadt vom 23. Juni 2022 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 8. Januar 2019 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rech-ten.
Zutreffend haben der Beklagte und das SG ausgeführt, dass ein Verwaltungsakt nicht vorlag. Der Beklagte hat den Widerspruch zutreffend als unzulässig verworfen. Gemäß § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Aus-gehend von diesen Grundsätzen stellt das Schreiben des Beklagten keinen Verwaltungsakt dar.
Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des Be-schlusses des 15. Senats des Eufach0000000004s Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 18. Juli 2019 – L 15 AS 203/19 B ER - im diesem Hauptsacheverfahren vorausgegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Durch die (zutreffende) Löschung des Betreuer-vermerks sind keinerlei Rechte oder Pflichten der Klägerin begründet worden. Insbesondere
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sind hierdurch keinerlei Mitwirkungspflichten der Klägerin ausgelöst worden. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Eintragung einer Betreuung, was i.Ü. bereits daraus folgt, dass kein Betreuer/keine Betreuerin für sie bestellt wurde. Weder besteht die ursprüngliche Betreuung fort, noch wurde eine neue Betreuung eingerichtet. Eine Auseinandersetzung mit dem Um-stand, dass eine Betreuung nach Auskunft sowohl des aktuell zuständigen Betreuungsgerichts als auch des ursprünglich zuständigen Betreuungsgerichts nicht besteht, erfolgte durch die Klä-gerin nicht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, aus welcher Rechtsgrundlage die Eintra-gung einer tatsächlich nicht bestehenden Betreuung folgen soll oder welchen rechtlichen Vorteil die Klägerin hierdurch haben sollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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