Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 135.819,69 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Rückforderung der Honorare für die Quartale 2/2013 und 3/2013.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), das im streitigen Zeitraum in Köln zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen war. Die Zulassung besteht gegenwärtig nicht mehr. Die GmbH ist weiterhin im Handelsregister eingetragen (AG Köln HRB 72360). Seit dem 10. August 2011 ist Herr Andreas D. allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH.
Als ärztliche Leiter der Klägerin waren der Beklagten in folgenden Zeiträumen folgende Personen namentlich benannt:
- I. (bis 1. Februar 2012),
- E. (1. Februar 2012 bis 31. Dezember 2012),
- Z. (ab 1. Januar 2013, aber Ende der Anstellung zum 31. Dezember 2012),
- V. (1. Januar 2013 bis 28. Februar 2013),
- U. (15. April 2013 bis 30. Juni 2013),
- Q. (18. Juli 2013 bis 31. Dezember 2013),
- W. (1. Januar 2014 bis 31. März 2014).
Mit Gesamtaufstellung für das 2. Quartal 2013 vom 10. Juli 2013 (Eingang bei der Beklagten am 17. Juli 2013) machte die Klägerin insgesamt 1.478 Behandlungsfälle geltend. Mit Gesamtaufstellung für das 3. Quartal 2013 vom 14. Oktober 2013 (Eingang bei der Beklagten am 18. Oktober 2013) zeigte die Klägerin 656 Behandlungsfälle an. Die Erklärungen wurden jeweils durch den Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnet.
Mit Abrechnungsbescheiden vom 22. Oktober 2013 und 21. Januar 2014 stellte die Beklagte einen Vergütungsanspruch in Höhe von 50.090,39 € (2/2013) und 93.271,95 € (I3/2013) fest (insgesamt: 143.362,34 €).
Mit Schreiben vom 25. November 2013 wandte sich Frau Q. an die Beklagte und wies darauf hin, dass sie durch den Geschäftsführer der Klägerin "eigenmächtig seit 18. Juli 2013 als ärztliche Leiterin benannt“ worden sei. Diese Angabe sei falsch und "rückwirkend zu löschen".
Mit Bescheid vom 12. Februar 2014 hob die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale 2 bis 4/2013 auf und forderte Honorare in Höhe von 153.611,64 € zurück, da die von der Klägerin bestellte und vom Zulassungsausschuss bestätigte ärztliche Leiterin gegenüber der Beklagten erklärt habe, zu keiner Zeit ärztliche Leiterin gewesen zu sein und die Gesamtaufstellungen in den genannten Quartalen nicht unterschrieben zu haben. Die Gesamtaufstellungen entsprächen daher nicht den Vorgaben des § 1 Abs. 4 Honorarverteilungsmaßstab (HVM), wonach bei einem MVZ die Unterschrift des ärztlichen Leiters erforderlich sei. Infolge nicht ordnungsgemäßer Gesamtaufstellung sei der Honoraranspruch nicht entstanden. Ein Ermessen sei nicht auszuüben gewesen, weil die Regelungen über sachlich-rechnerische Richtigstellungen der bundesmantelvertraglichen Regelungen eine Ermessensausübung nicht vorsähen.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2014 hob die Beklagte - ohne weitere Begründung - den Bescheid vom 12. Februar 2014 wieder auf.
Die für die Quartale 2/2013 und 3/2013 erteilten Honorarbescheide hob die Beklagte mit (weiterem) Bescheid vom 14. Februar 2014 auf und forderte Honorare in Höhe von insgesamt 135.819,69 € - mit wortgleicher Begründung aus dem Bescheid vom 12. Februar 2014 - zurück. Die Erstattungsforderung ist bis heute nicht beglichen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 27. Januar 2021).
Die gegen die (Aufhebungs- und Rückforderungs-)Bescheide vom 12./14. Februar 2014 eingelegten, nicht näher begründeten Widersprüche vom 10. März 2014 wies die Beklagte einerseits mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2014 zurück: Der Bescheid vom 12. Februar 2014 sei mit Schreiben vom 14. Februar 2014 von Amts wegen aufgehoben worden. Der Widerspruch sei daher mangels Beschwer als unzulässig zurückzuweisen.
Mit (weiterem) Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den (Aufhebungs- und Rückforderungs-)Bescheid vom 14. Februar 2014 unter Bezugnahme auf die Begründung des Ausgangsbescheides zurück.
Gegen letzteren Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 7. Juli 2014 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorgetragen hat: Es sei zutreffend, dass nicht der ärztliche Leiter des MVZ, sondern ihr Geschäftsführer die Sammelerklärungen unterschrieben habe. Das sei indes rechtlich geboten. Der Rückforderungsbescheid sei offenkundig rechtswidrig. Durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. März 2012 - B 6 KA 22/11 - sei unmissverständlich geklärt, dass nicht der ärztliche Leiter in einem MVZ, sondern allein und ausschließlich das MVZ selbst für die Abgabe einer wahrheitsgemäßen Abrechnungssammelerklärung verantwortlich sei. § 1 Abs. 4 HVM widerspreche damit der bestehenden Gesetzeslage und der Rechtsprechung des BSG. § 35 BMV-Ä regele abschließend, wer die Sammelerklärung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) abgeben müsse, nämlich der „abrechnende" Arzt. Nach § 1 Abs. 7 BMV-Ä gelte diese Regelung entsprechend für ein MVZ. Die Korrektheit der Leistungsabrechnung sowie die Abgabe einer wahrheitsgemäßen Abrechnungssammelerklärung lägen allein und ausschließlich im Verantwortungsbereich des MVZ und gerade nicht bei den dort tätigen Ärzten bzw. dem ärztlichen Leiter. Zu den Aufgaben der im MVZ tätigen Ärzte und damit auch des ärztlichen Leiters gehöre es nicht, die Abrechnung zu erstellen und zu kontrollieren oder eine wahrheitsgemäße Abrechnungserklärung gegenüber der KV abzugeben. Der ärztliche Leiter sei für die Organisation der ärztlichen Versorgung verantwortlich und besitze weder die Geschäftsführungs- noch Vertretungsbefugnis. Die sich aus einer unrichtigen Sammelerklärung ergebenden Konsequenzen träfen allein das MVZ. Die eine rechtsverbindliche Erklärung über die Korrektheit der Leistungsabrechnung enthaltende Abgabe einer Sammelerklärung setze eine Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis für das MVZ voraus. Als GmbH werde sie, die Klägerin, nach § 35 Abs. 1 GmbH-Gesetz (GmbHG) allein durch ihren Geschäftsführer vertreten. Dies beinhalte auch die Vertretung des MVZ gegenüber der Beklagten. Mit der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers gehe seine persönliche Haftung nach § 43 GmbHG einher. Es sei rechtlich nicht zu begründen, einen Geschäftsführer, dem allein die Vertretungsbefugnis für die Klägerin aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Bestimmungen obliege, bei Abrechnungsfehlern und Abgabe einer unrichtigen Sammelerklärung in Haftung zu nehmen, wenn er diese nicht unterzeichnen dürfe. Sie, die Klägerin, hafte dann für Erklärungen, die der ärztlichen Leiter als „Dritter“ abgebe, ohne dass dieser hierzu aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Vertretungsbefugnis berechtigt sei. Diese „Vertretungsbefugnis" werde dem ärztlichen Leiter allein und einseitig sowie ohne Rechtsgrundlage durch die Beklagte „eingeräumt" und damit der eigentliche und ausschließliche gesetzliche Vertreter von einer Kernpflicht ausgeschlossen. § 1 Abs. 4 des HVM sei daher mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Darüber hinaus bedeute ein Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung nicht, dass ihr, der Klägerin, überhaupt kein Anspruch auf Vergütung der in den Quartalen erbrachten Leistungen zustehe. Die Beklagte habe vielmehr das zustehende Honorar neu festzusetzen, wobei ihr ein weites Schätzungsermessen zukomme. Die Beklagte habe ihr Schätzungsermessen weder erkannt noch ausgeübt. Da bei Schätzungen kein der Gerichtskontrolle entzogener Beurteilungsspielraum bestehe, sondern es sich um Tatsachenfeststellungen handele, für welche die Tatsacheninstanzen zuständig seien, habe das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen. Die Beklagte gehe offensichtlich von einer gebundenen Entscheidung dahingehend aus, dass ihr, der Klägerin, überhaupt kein Vergütungsanspruch zustehe. Dies widerspreche jedoch auch der Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 29. Februar 2012 (Az. L 11 KA 72/08). Anzumerken sei, dass im Bereich der KVWL der Geschäftsführer des MVZ die Unterschrift zu tätigen habe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über die Festsetzung der vertragsärztlichen Honorare der Klägerin für die Quartale II/2013 und III/2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, § 1 Abs. 4 HVM zähle die ordnungsgemäße Abgabe der Sammelerklärung zu den Abrechnungsvoraussetzungen, wozu gehöre, dass sie durch den hierzu allein berechtigten ärztlichen Leiter unterzeichnet werde. Dies sei unstreitig nicht erfolgt. Sofern die Klägerin annehme, dass ausschließlich das durch seinen Geschäftsführer vertretene MVZ zur Unterzeichnung und Abgabe der Sammelerklärung berechtigt sei, missinterpretiere sie die Rechtsprechung. Dieser Verpflichtung könne der Geschäftsführer der Trägergesellschaft eines MVZ mangels medizinischer Fachkenntnis nicht nachkommen. Vielmehr sei ausschließlich der ärztliche Leiter aufgrund entsprechender Qualifikation bzw. Kenntnisse in der Lage, die erforderlichen Erklärungen zur Quartalsabrechnung abzugeben. Nur dieser könne beurteilen, ob die maßgeblichen Regelungen insbesondere des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), des Bundesmantelvertrags-Ärzte (BMV-Ä), des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) und des HVM in der jeweils geltenden Fassung beachtet worden seien. Auch soweit die Klägerin meine, dass die vollständige Rückforderung der Honorare für die streitbefangenen Quartale offensichtlich unverhältnismäßig sei, verkenne sie die Rechtsprechung. Infolge der Unterzeichnung der Sammelerklärungen durch einen Nichtberechtigten fehle es an jeglichem Erklärungsinhalt. Daher hätten die Sammelerklärungen für die streitbefangenen Quartale keinerlei Garantiefunktion.
In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat die Klägerin erfolglos beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 14. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2014 anzuordnen sowie deren Vollziehung aufzuheben (SG Duisburg, S 33 KA 158/15 ER, ablehnender Beschluss vom 20. Juli 2015; LSG NRW, L 11 KA 58/15 B ER, die Beschwerde zurückweisender Beschluss vom 24. Februar 2016). Die Verfahrensakten sind zum hiesigen Verfahren beigezogen.
Mit Urteil vom 21. Juni 2017 hat das SG die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 20. Juli 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. August 2017 Berufung eingelegt. Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren als auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Bezug. Vertiefend führt sie aus, dass das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 21. März 2012 (a.a.O.) geklärt habe, welche Aufgaben und Pflichten zum Kernbereich eines MVZ gehören. Diese seien abschließend definiert, sodass sie auf den ärztlichen Leiter grundsätzlich nicht delegiert werden dürften. Das BSG habe differenzierend dem „MVZ“ als solchem, ggfs. zum Teil dem Geschäftsführer, dem ärztlichen Leiter sowie einzelnen Ärzten und/oder Mitarbeitern des MVZ je nach Ebene und Verantwortungsbereich bestimmte Aufgaben zugeordnet; insbesondere sei das MVZ für die Korrektheit der Abrechnung selbst verantwortlich, während die Verantwortung für die ordnungsgemäße Behandlung der Patienten in medizinischer Hinsicht in erster Linie dem einzelnen behandelnden Arzt obliege; dieser müsse dafür berufs- und haftungsrechtlich einstehen; zusätzlich unterliege er der Disziplinargewalt der KV. Das MVZ verantworte die Korrektheit der Leistungsabrechnung, die Wirtschaftlichkeit der Behandlung und Verordnung sowie die Abgabe einer wahrheitsgemäßen Abrechnungs-Sammelerklärung. Diese Verantwortung sei unteilbar und nicht delegierbar, sodass das MVZ gegenüber den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung nicht rechtfertigend auf ein evtl. Fehlverhalten der dort tätigen Ärzte verweisen könne. Die Verantwortlichkeit des MVZ als Rechtsträger und Zulassungsinhaber schließe es aus, dass der ärztliche Leiter im Außenverhältnis gegenüber der KV die Verantwortung - Korrektheit der Leistungsabrechnung und Abgabe der Sammelerklärung - trage und tragen könne. Das Auseinanderfallen von Zulassungsinhaberschaft und Verantwortlichkeit im Außenverhältnis würde nicht nur im Vertragsarztrecht, sondern im gesamten Sozialrecht eine Besonderheit darstellen. Es bedürfe daher ggf. einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die nicht bestehe. Hinzukomme, dass den ärztlichen Leiter gerade keine fachliche Verantwortung treffe (Hinweis auf BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 33/10 R). Es könne daher nicht seine Aufgabe sein, die Abrechnungs-Sammelerklärung zu unterzeichnen und damit für deren Korrektheit einzustehen, zumal wenn es sich um fachfremde Leistungen handele. Dem Erfordernis einer Unterschrift durch den ärztlichen Leiter stehe ferner entgegen, dass im Falle seines Ausscheidens eine 6 Monatsfrist für eine Nachbenennung bestehe (Hinweis auf § 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Auch in der Zwischenzeit sei aber das MVZ verpflichtet, vertragsärztlich tätig zu sein und seine ärztlichen Leistungen abzurechnen. Dies sei in der zulässigen Nachbesetzungsfrist aber nicht möglich, wenn allein der (dann nicht vorhandene) ärztliche Leiter zur Unterzeichnung berufen sei. Die Beklagte hätte vorliegend auch auf die Sammelerklärung verzichten können, wenn sie sich anderweitig von der Ordnungsgemäßheit der Honorarforderung überzeugt hätte. Nach der Entscheidung des BSG vom 17. September 1997 - B 6 R KA 86/95 - verliere die Vierteljahreserklärung ihre Garantiefunktion, wenn sie sich als falsch erweise. Sie sei falsch, wenn feststehe, dass nicht oder nicht vollständig erbrachte Leistungen in Ansatz gebracht worden seien. Dabei bedürfe es lediglich einer zumindest grob fahrlässigen falschen Angabe über erbrachte Leistungen. Nur eine vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Sammelerklärung führe damit zu einer Aufhebung des gesamten Honorarbescheides. Die Beklagte könne aber dann das Honorar für die ordnungsgemäß erbrachten und abgerechneten Leistungen schätzen. Keinesfalls dürfe sie, die Klägerin, ihren gesamten Honoraranspruch verliere. Dies wäre weder verhältnismäßig noch rechtmäßig. Verkannt werde zudem, dass die Stelle des ärztlichen Leiters ohne Verschulden der Klägerin vakant gewesen sei. Kurzfristig habe diese „Stelle“ nicht neu besetzt werden können. Auch kein bislang im MVZ angestellter Arzt habe sich hierzu bereit erklärt, diese Aufgabe kurzfristig zu übernehmen. Von daher habe eine „Notsituation“ bestanden, so dass ihr Geschäftsführer die Sammelerklärung unterzeichnet habe. Wäre dies nicht erfolgt, wäre ihr, der Klägerin, die wirtschaftliche Existenz entzogen worden. Hierüber sei die Beklagte zu keinem Zeitpunkt getäuscht worden. Die vertragsärztlichen Leistungen seien in den streitbefangenen Quartalen tatsächlich und ordnungsgemäß erbracht und abgerechnet worden. Die Klägerin hat eine CD mit den gespeicherten Patientendokumentationen für die streitbefangenen Quartale II/2013 und III/2013 zur Akte gereicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 2017 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe für zutreffend und führt ergänzend aus, dass nichts Gegenteiliges der Entscheidung des BSG vom 21. März 2012 (a.a.O.) entnommen werden könne. Es gebe kein MVZ als Rechtsträger und Zulassungsinhaber. Vielmehr sei nach den Entscheidungen des BSG vom 4. Mai 2016 (B 6 KA 28/15 R und B 6 KA 21/15 R) zwischen dem „MVZ-Rechtsträger“ einerseits und der rechtlich unselbstständigen Einrichtung „MVZ“ andererseits zu unterscheiden. Der „MVZ-Rechtsträger“ sei in einem Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren beteiligtenfähig. Entsprechend werde die Klägerin als Rechtsträgerin im vorliegenden sozialgerichtlichen Verfahren durch ihren Geschäftsführer vertreten. Träger der Zulassung sei hingegen die ärztlich geleitete Einrichtung „MVZ“. Dieser seien im Vertragsarztrecht besondere Rechte zugewiesen. Das MVZ nehme an der vertragsärztlichen Versorgung teil, habe Anspruch auf Teilhabe, sei Adressat von Genehmigungen und Versorgungsaufträgen. In diesem vertragsärztlichen Kontext treffe das MVZ selbst als Rechtssubjekt gegenüber der KV auf; hier seien die besonderen Pflichten dem (obligaten) ärztlichen Leiter auferlegt: Er habe den ordnungsgemäßen Ablauf der vertragsärztlichen Versorgung im MVZ zu gewährleisten. Ihn treffe zwar keine fachliche Verantwortung für jede einzelne Behandlungsmaßnahme, wohl aber die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und eine Gesamtverantwortung gegenüber der KV (Hinweis auf BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 33/10 R - Rn. 18). Diese Verantwortlichkeit des ärztlichen Leiters lege - wie das LSG bereits in seinem Beschluss vom 24. Februar 2016 ausgeführt habe - nahe, die Wirksamkeit der MVZ-Honorarabrechnung davon abhängig zu machen, dass sie vom ärztlichen Leiter unterzeichnet werde. Nicht zutreffend sei, dass ein MVZ zeitweilig ohne ärztlichen Leiter sein dürfe. Ein MVZ habe nach § 95 Abs. 6 SGB V sechs Monate Zeit, ggf. fehlende „Gründungsvoraussetzungen des Abs.1 Satz 4 oder 5 (fachübergreifend) oder Abs. 1a Satz 1 (Träger, Rechtsform) wiederherzustellen“. Diese Bestimmungen beträfen nicht die ärztliche Leitung. Bei Vakanz, Tod oder Krankheit des ärztlichen Leiters sei eine „Vertretung“ der ärztlichen Leitung einzurichten. Die Sammelerklärung sei nicht nur ein Glaubhaftmachungsmittel, sondern eine eigenständige Abrechnungsvoraussetzung. Ohne eine wirksame Erklärung der Klägerin entstehe kein Honoraranspruch.
Auf Befragen durch den Senat hat der Bevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, dass der Arbeitsvertrag sowie die entsprechende Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag "Ärztliche Leitung" für Q. derzeit nicht „greifbar“ sei. Der Geschäftsführer Herr D. habe ausschließlich für die Quartale 1 bis 3/2013 die jeweiligen Sammelerklärungen unterschrieben. Für das Quartal 4/ 2013 sei die Sammelerklärung im Auftrag des Geschäftsführers von Frau R. unterzeichnet worden. Arbeitsverträge nebst Zusatzvereinbarungen weiterer im Zeitraum seit Januar 2012 angestellter ärztlicher Leiter sind zur Akte gereicht worden.
Der Senat hat vom ZA die Vorgänge beigezogen, die sich auf die Bestellung der ärztlichen Leitung der Klägerin beziehen.
Die Beklagte hat auf Anforderung durch den Senat die Gesamtaufstellungen für die Quartale 3 und 4/2012, 1 und 4/2013 nicht mehr vorlegen können.
Nach vorheriger Anhörung hat der Senat den Beteiligten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen (Beschluss vom 16. August 2021). Davon hat die Beklagte Gebrauch gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
A. Die Anträge im Berufungsverfahren sind wirksam im Rahmen der mündlichen Verhandlung gestellt. Soweit die Beklagte nicht persönlich im Gerichtssaal vertreten gewesen ist, sondern von ihrem Behördensitz aus per Video- und Tonübertragung an der Verhandlung teilgenommen hat, war dies gemäß § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 16. August 2021 zulässig.
B. Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2014, mit dem die Beklagte die Abrechnungsbescheide vom 22. Oktober 2013 und 21. Januar 2014 für die Quartale 2 und 3/2013 aufgehoben und einen Betrag von 135.819,69 € zurückgefordert hat. Nicht streitgegenständlich ist der Bescheid vom 12. Februar 2014 betreffend die Aufhebung der Abrechnungsbescheide und die Honorarrückforderung für die Quartale 2 bis 4/2013. Denn der Bescheid vom 12. Februar 2014 ist mit weiterem (bestandskräftigen) Bescheid vom 14. Februar 2014 aufgehoben worden.
C. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft (§ 143 SGG) und form- und fristgerecht eingegangen (§ 151 Abs. 1 SGG).
D. Die Berufung ist unbegründet. Die zulässige (I.) Klage ist unbegründet (II.).
I. Die Klage ist als reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft, denn streitgegenständlich ist die nachgehende sachlich-rechnerische Richtigstellung des jeweiligen Quartalshonorars. Mit der Aufhebung des "Richtigstellungsverwaltungsakts" (hier vom 14. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2014) kann die Klägerin im Erfolgsfall das mit dem jeweiligen Quartalshonorarbescheid ursprünglich festgesetzte Honorar wieder ungeschmälert erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2017 – B 6 KA 33/16 R –, SozR 4-2500 § 106a Nr. 17, Rn. 15; Clemens in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., Stand 15. Juni 2020, § 106d SGB V Rn. 78, 79 m.w.N.). Für eine Verurteilung zur Neubescheidung ist indessen kein Raum, da ein Neubescheidungsurteil nur im Rahmen von Vornahmeklagen nach § 113 Abs. 3 SGG vorgesehen ist (vgl. Clemens, a.a.O., Rn. 80ff).
II. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; der angefochtene Bescheid vom 14. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Er ist formell (1.) und materiell (2.) rechtmäßig.
1. Der Bescheid vom 14. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2014 ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere ist der Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2014 nicht schon deswegen aufhebbar, weil M. ihn als einer von drei Mitgliedern der bei der Beklagten eingerichteten Widerspruchsstelle verantwortet, obgleich er als Vorsitzender des Bezirksstellenrates der Bezirksstelle Ü. auch den Bescheid vom 14. Februar 2014 unterzeichnet hat. Ungeachtet dessen, dass er den Bescheid vom 14. Februar 2014 unterzeichnet hat, war er im Widerspruchsverfahren nicht nach § 16 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch oder § 60 Abs. 2 SGG analog ausgeschlossen (hierzu ausführlich Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Februar 2016 – L 11 KA 58/15 B ER). Auch liegen keine Anhaltspunkte vor, die geeignet sind, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung des Herrn M. zu rechtfertigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Solche werden von der Klägerin auch nicht behauptet.
2. Der Bescheid vom 14. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2014 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Honorarbescheide berichtigt und die gezahlten Honorare zurückgefordert.
a) Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der hier maßgebenden Fassung vom 20. Dezember 2012; im Folgenden: a.F.). Danach stellt die KV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots -, erbracht und abgerechnet worden sind (st.Rspr; z.B. BSG, Urteil vom 29. November 2017 - B 6 KA 33/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 17 Rn. 19 m.w.N.). Voraussetzung für das Berichtigungsrecht der KV ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift allein die Unrichtigkeit des Honorarbescheides (BSG, Urteil vom 24. Oktober 2018 - B 6 KA 34/17 R - BSGE 127, 33 – Rn. 25; BSG, Urteil vom 28. August 2013 - B 6 KA 50/12 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 12 - Rn. 18; BSG, Urteil vom 30. Juni 2004 - B 6 KA 34/03R - BSGE 93, 69; § 3 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 4 der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KÄVen und der Krankenkassen <AbrPr-RL>, DÄ 2004, A-2555 bzw. A-3135).
§ 106a SGB V a.F. ist nicht nur dann einschlägig, wenn der Arzt die Leistungslegenden des EBM falsch angewandt hat, sondern immer dann, wenn ein Honorarbescheid so nicht hätte ergehen dürfen, wie er ergangen ist. Für die generelle Anwendbarkeit des § 106a SGB V a.F. spielt es keine Rolle, ob der "Fehler" des Bescheides in den Verantwortungsbereich des Arztes oder der KV fällt. Denn das BSG versteht die entsprechende Vorschrift im umfassenden Sinne und billigt deren Anwendung etwa bei Nichtbeachtung der bereichsspezifischen Vorschriften zur Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung im Rahmen der vertragsärztlichen Abrechnung (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2008 - B 6 KA 37/07 R - BSGE 102, 134 - Rn. 15; vgl. auch § 106d Abs. 2 S 1 Halbsatz 2 SGB V in der Fassung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes vom 6. Mai 2019 <BGBl I 646 - TSVG>) sowie bei Fehlern im Rahmen der Honorarverteilung (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2012 - B 6 KA 35/12 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 10 - Rn.12; vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2019 – B 6 KA 65/17 R –, SozR 4-2500 § 106a Nr. 24 - Rn. 17).
Zu den Vorschriften des Vertragsarztrechts, die Gegenstand einer Prüfung nach § 106a SGB V sind, gehören hiernach auch die Vorschriften zur Sammelerklärung im HVM. Denn diese definieren ebenfalls Anforderungen an eine "formal richtige Abrechnung der erbrachten Leistungen" (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AbrPr-RL) bzw. an die "rechtliche Ordnungsmäßigkeit der Leistungsabrechnung" (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AbrPr-RL).
Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine (ggfs. teilweise) Rücknahme des Honorarbescheides. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (st.Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2019 – B 6 KA 65/17 R – SozR 4-2500 § 106a Nr. 24, Rn. 14 f.; BSG, Urteil vom 24. Januar 2018 – B 6 KA 48/16 R – SozR 4-2500 § 101 Nr. 20 - Rn. 15; BSG, Urteil vom 28. August 2013 - B 6 KA 43/12 R - BSGE 114, 170 - Rn. 13; BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 - Rn. 11; jeweils m.w.N.).
b) Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine sachlich-rechnerische Richtigstellung nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. sind im Hinblick auf die Abrechnungen der Leistungen in den Quartalen 2/2013 und 3/2013 erfüllt. Die Abrechnungen sind formal fehlerhaft, weil die Gesamtaufstellungen für die betreffenden Quartale - wie der Senat in dem diesem Hauptsacheverfahren zugrunde liegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren bereits ausgeführt hat (Beschluss vom 24. Februar 2016 – L 11 KA 58/15 B ER) - nicht durch den ärztlicher Leiter der Klägerin nach Maßgabe des HVM unterzeichnet worden sind.
aa) Die Regelung des § 1 Abs. 4 des HVM in der ab 1. Oktober 2012 und 1. Juli 2013 gültigen – wortgleichen – Fassung, der das MVZ der Klägerin bindet (§ 95 Abs. 1 Satz 2, 95 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB V), lautete:
„Voraussetzung der Abrechnung ist, dass alle Leistungserbringer die vom Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein für die Abrechnung festgesetzten Erklärung(en) auf Vordruck (Gesamtaufstellung) ordnungsgemäß und vollständig abgeben. Dabei sind von den Leistungserbringern die für das jeweilige Quartal von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein zur Verfügung gestellten Vordrucke zu benutzen. In der Gesamtaufstellung ist durch Unterschrift zu bestätigen, dass der Unterzeichner die Verantwortung für die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen trägt, weil er sie selbst erfüllt oder sich von deren Erfüllung persönlich überzeugt hat. Im letzten Fall genügt bei einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) die Unterschrift eines Partners. Bei einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) und bei Krankenhäusern ist die Unterschrift des ärztlichen Leiters erforderlich.“
bb) Die Regelung des § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM fordert die Unterschrift des ärztlichen Leiters des MVZ. Die Vorschrift definiert den Begriff des „ärztlichen Leiters“ nicht. Sie kann daher nur dahingehend verstanden werden, dass sie sich auf das allgemeine vertragsarztrechtliche Verständnis dieses Begriffs bezieht, wie er in § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V verwendet wird. Danach handelt es sich zwingend um einen im MVZ angestellten Arzt oder Vertragsarzt, der Leitungsfunktionen ausübt und insoweit in medizinischen Fragen (insbesondere im Verhältnis etwa zur Leitung der Trägergesellschaft) weisungsfrei ist. Eine Auslegung der Bestimmung dahingehend, dass als „ärztlicher Leiter“ im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM der Geschäftsführer der Trägergesellschaft des MVZ auch dann angesehen werden kann, wenn er selbst weder angestellter Arzt noch Vertragsarzt ist und insbesondere nicht die ärztliche Leitung des MVZ innehat, ist ausgeschlossen.
cc) Das MVZ der Klägerin hat die Bestimmung des § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM hinsichtlich der Gesamtaufstellungen für die Quartale 2/2013 und 3/2013 nicht eingehalten. Denn die Gesamtaufstellungen sind nicht vom ärztlichen Leiter bzw. der ärztlichen Leiterin des MVZ, sondern vom Geschäftsführer der Klägerin, der selbst weder angestellter Arzt des MVZ noch Vertragsarzt war, unterschrieben worden. Damit entfiel die in § 1 Abs. 4 Satz 3 HVM beschriebene Garantiefunktion und folglich eine konstitutive Voraussetzung für die Abrechnung (§ 1 Abs. 4 Satz 1 HVM). Die Unterschriftsleistung ist auch nicht innerhalb der in § 1 Abs. 5 HVM geregelten Fristen nachgeholt worden. Eine Nachholung ist inzwischen ausgeschlossen. Nach § 1 Abs. 5 HVM ist die Einreichung von Abrechnungsunterlagen nach Ablauf eines Jahres, vom Ende des Kalendervierteljahres an gerechnet, in dem die Leistungen erbracht worden sind, nämlich ausgeschlossen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Nachholung auch in tatsächlicher Hinsicht deshalb ausgeschlossen war, weil es weder in den Streitquartalen einen ärztlichen Leiter gab noch (wegen der Einstellung des Betriebs des MVZ) heute einen solchen gibt.
c) Das in § 1 Abs. 4 HVM geregelte Unterschriftserfordernis ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
aa) Die Beklagte war nach § 87b Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SGB V (in der hier maßgeblichen Fassung vom 22. Dezember 2011) ermächtigt, in ihrem HVM Regelungen über die Modalitäten der Abrechnung durch die Vertragsärzte zu treffen. Auch wenn der HVM in erster Linie der Verteilung der Gesamtvergütung dient, dürfen in ihm auch Sachverhalte geregelt werden, die mit der Honorarverteilung im Zusammenhang stehen und die für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der vertragsärztlichen Abrechnung von Bedeutung sind. Dazu rechnen insbesondere Bestimmungen über die Form und den Zeitpunkt der Vorlage der Abrechnung, sondern auch über die Fälligkeit der Honorarforderung und die Zahlung von Abschlägen (BSG, Urteil vom 25. August 1999 – B 6 KA 34/98 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 32 – Rn. 14 m.w.N.) sowie über die dabei einzuhaltenden Fristen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 19/04 R – SozR 4-2500 § 85 Nr. 19 – Rn. 21). Damit ist auch das Erfordernis einer Unterschrift unter der Gesamtaufstellung gedeckt. Denn erst diese bewirkt die Garantiefunktion der Sammelerklärung als eigenständiger Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs eines Vertragsarztes bzw. eines MVZ auf Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen (hierzu grundlegend: BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 RKa 86/95 - SozR 3-5550 § 35 Nr. 1 – Rn. 19).
bb) Dem entspricht es, dass nach § 35 Abs. 2 Satz 3 BMV-Ä die Unterschrift des abrechnenden Arztes auf dem einzelnen der Kassenärztlichen Vereinigung zu übermittelnden Abrechnungsschein entfallen kann, wenn er stattdessen eine Sammelerklärung abgibt, deren Wortlaut im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen von der Kassenärztlichen Vereinigung festgelegt wird. Ergänzend bestimmt zudem § 44 Abs. 1 BMV-Ä, dass der Vertragsarzt ergänzende Abrechnungsbestimmungen der Kassenärztlichen Vereinigung zu beachten hat.
cc) Soweit S. (FS. Ü. zum 70. Geburtstag, 2020, S. 375) unter Bezug auf die Entscheidung des BSG vom 3. Februar 2010 (Az. B 6 KA 30/08 R - Rn. 38) vertritt, dass für das Entstehen eines generellen Vergütungsanspruches (nur) die Leistungserbringung im Quartal und die Vorlage einer Abrechnung - unabhängig von der Abgabe einer Sammelerklärung - ausreichend sei, überzeugt dies nicht. In der zitierten Entscheidung führte das BSG aus: "... als auch er (Anm.: der erkennende Senat des BSG) davon ausgeht, dass mit dem Abschluss eines Quartals, in dem der Vertragsarzt vertragsärztliche Leistungen erbracht hat, und der Vorlage der entsprechenden Abrechnung bereits ein `genereller´ Anspruch des Arztes auf Teilhabe an der Honorarverteilung und insofern schon dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch des Arztes entsteht". Eine "Abrechnung" im vorgenannten Sinne ist allerdings erst vollständig, wenn neben der Rechnungslegung i.S.v. § 1 Abs. 2 HVM auch eine Gesamtaufstellung (d.h. Sammelerklärung) i.S.v. § 1 Abs. 4 HVM abgegeben worden ist (vgl. auch Überschrift "Abrechnung" zu § 1 HVM). Entgegen der Auffassung der Klägerin braucht bzw. kann die Beklagte daher nicht auf die Sammelerklärung verzichten, wenn sie sich anderweitig von der Ordnungsgemäßheit der Honorarforderung überzeugt kann.
d) Die in § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM getroffene Regelung, die Unterschriftsleistung des ärztlichen Leiters des MVZ unter der Gesamtaufstellung zuzulassen und nicht stattdessen oder alternativ die Unterschrift der gesetzlichen Vertretung der Trägergesellschaft, hier des Geschäftsführers der Klägerin, zu fordern bzw. zuzulassen, ist gleichfalls nicht aus Rechtsgründen zu beanstanden.
aa) Träger der vertragsärztlichen Zulassung und der damit verbundenen Rechte und Pflichten ist das MVZ und nicht etwa seine Trägergesellschaft (BSG, Urteil vom 30. September 2020 – B 6 KA 18/19 R – Rn. 35 m.w.N.). Der ärztliche Leiter trägt dabei die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und – wie das BSG ausdrücklich formuliert – „die Gesamtverantwortung“ gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (BSG, Urteil vom 12. Februar 2020 – B 6 KA 1/19 R – BSGE 130, 51 ff. – Rn. 35; BSG; Urteil vom 14. Dezember 2011 – B 6 KA 33/10 R - MedR 2012, 695 ff. – Rn. 18). Teil dieser Gesamtverantwortung ist die volle Verantwortung für die Erstellung und Kontrolle der Abrechnung (BSG, Urteil vom 21. März 2012 – B 6 KA 22/11 R - BSGE 110, 269 ff.). In diesem Rahmen verlangt § 1 Abs. 4 Satz 3 HVM – entsprechend der Garantiefunktion der Sammelerklärung – die Übernahme für die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen, von der sich der Unterzeichner persönlich überzeugt haben muss. Mit Rücksicht hierauf liegt es zumindest nahe, die Verantwortung für die Sammelerklärung dem ärztlichen Leiter des MVZ zu übertragen.
bb) Aus dem Umstand, dass es sich bei der Klägerin als Trägergesellschaft des MVZ um eine GmbH handelt, folgt nichts anderes. Zwar wird nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eine GmbH gerichtlich und außergerichtlich durch den Geschäftsführer vertreten. Hieraus kann jedoch nicht hergeleitet werden, dass die KV allein dem Geschäftsführer der Träger-GmbH die Unterschriftsleistung unter die Sammelerklärung zuweisen muss und die Regelung des § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM hiermit unvereinbar wäre. Denn § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM fällt bereits nicht in den Regelungsbereich des § 35 Abs. 1 GmbHG. Durch die Stellung des ärztlichen Leiters als des Gesamtverantwortlichen gegenüber der KV wird der Geschäftsführer der Träger-GmbH nicht aus seiner gesetzlichen Vertretung verdrängt. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 95 Abs. 1a Satz 3 SGB V ausdrücklich die Möglichkeit der Gründung eines MVZ durch eine GmbH anerkannt. Er hat gleichwohl am Erfordernis eines „ärztlichen Leiters“ festgehalten und hieran auch in Kenntnis der diesem durch die Rechtsprechung zugewiesenen Gesamtverantwortung nichts geändert. Im Bereich der ärztlichen Steuerung der Betriebsabläufe und der Gesamtverantwortung gegenüber der KV kommt dem ärztlichen Leiter mithin im Rahmen eines von einer GmbH getragenen MVZ eine bereichsspezifische Sonderfunktion zu.
cc) Aus der Entscheidung des BSG vom 21. März 2012 (B 6 KA 22/11 R, a.a.O.) folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nichts anderes. Das BSG hat in diesem Urteil die Verantwortung für die Abrechnung dem MVZ zugewiesen und klargestellt, dass für die Korrektheit der Abrechnung das MVZ selbst und nicht die dort tätigen Ärzte verantwortlich sind. Die solchermaßen nicht teilbare und nicht delegierbare Verantwortung bewirkt, dass das MVZ gegenüber den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung nicht auf ein eventuelles Fehlverhalten der dort tätigen Ärzte verweisen kann. Das bedeutet indes nicht, dass die Pflicht zur Abgabe einer ordnungsgemäßen Abrechnungssammelerklärung allein den Geschäftsführer des MVZ trifft. Im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Normgebers haben die KVen vielmehr aus den genannten Gründen auch die Befugnis, die Pflicht zur Unterzeichnung der Sammelerklärung dem ärztlichen Leiter des MVZ zuzuordnen.
dd) Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick darauf, dass nach § 1 Abs. 4 Satz 4 HVM bei Berufsausübungsgemeinschaften (BAGen) die Unterschrift eines Partners ausreicht, während bei MVZen diejenige des ärztlichen Leiters verlangt wird, ist nicht ersichtlich.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; 122, 210 <230>). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 138, 136 <180 Rn. 121>; 139, 285 <309 Rn. 70> m.w.N.). Bei der Überprüfung einer Norm auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz ist nicht zu untersuchen, ob der Normgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfGE 84, 348 <359 m.w.N.>; 110, 412 <436>).
Im vorliegenden Fall besteht die unterschiedliche Behandlung darin, dass bei einer BAG die Unterschrift eines (beliebigen) Partners reicht, während bei einem MVZ nur die Unterschrift des ärztlichen Leiters für die Sammelerklärung ausreicht. Diese Differenzierung ist jedoch durch die verschiedenen Organisationsformen und Verantwortlichkeiten gerechtfertigt. Bei einer BAG verbleibt es bei der grundsätzlichen Verantwortlichkeit des einzelnen Arztes für die Richtigkeit seiner Abrechnungen, die auch nicht dadurch entfällt, dass die Partner der BAG die Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen auf eines ihrer Mitglieder übertragen haben (vgl. BSG, Beschluss vom 28. September 2016 – B 6 KA 14/16 B – GesR 2016, 779 ff. – Rn. 9 m.w.N.). Insofern kann die KV davon ausgehen, dass das unterzeichnende Mitglied ihr gegenüber in jedem Fall Abrechnungsverantwortung trägt. Dagegen liegt beim MVZ die Verantwortung für die Abrechnung allein bei diesem. Sie kann nicht auf einzelne Ärzte „heruntergebrochen“, sondern in Person nur von dem ärztlichen Leiter wahrgenommen werden.
ee) Der Senat stellt in diesem Zusammenhang ausdrücklich klar, dass mit der Rechtmäßigkeit des § 1 Abs. 4 Satz 5 HVM nichts darüber gesagt ist, ob die abweichenden Regelungen in HVMen anderer KVen, in denen z.T. auch oder zusätzlich die Unterschrift des Geschäftsführers der Trägergesellschaft oder diejenige aller im MVZ tätiger Ärztinnen und Ärzte verlangt wird, mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Aus der ggf. bestehenden Befugnis zu anderweitigen Bestimmungen im Rahmen der normativen Gestaltungsfreiheit folgt jedenfalls nicht die Rechtswidrigkeit der hier allein zu beurteilenden Regelung im HVM der Beklagten.
e) Die in § 1 Abs. 4 Satz 1 HVM mittelbar angeordnete Rechtsfolge, wonach bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Gesamtaufstellung keine Abrechnung vorliegt, verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
aa) Die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, einen Beruf auszuüben, ist untrennbar verbunden mit der Freiheit, eine angemessene Vergütung zu fordern. Gesetzliche Vergütungsregelungen sind daher am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Das gilt nicht nur für Vorschriften, die die Anspruchsgrundlage selbst betreffen; auch Regelungen, die lediglich die Durchsetzung von Vergütungsansprüchen beschränken, fallen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 910/05 u.a. – BVerfGE 118, 1 ff. – Rn. 74 ff.; Beschluss vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 1904/95 u.a.– BVerfGE 101, 331 ff. – Rn. 69; G, Beschluss vom 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89 u.a. – BVerfGE 88, 145 ff. – Rn. 49; jeweils m.w.N.).
bb) Der bei nicht fristgemäßer Vorlage einer ordnungsgemäßen Abrechnung verbundene (vollständige) Honorarverlust bewirkt mithin einen Eingriff in die Berufsfreiheit, der in der Regel jedoch eine rechtmäßige Berufsausübungsregelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt. Er ist im Allgemeinen gerechtfertigt durch das Ziel der zügigen und zeitgerechten Honorierung aller in einem Quartal erbrachter Leistungen auf der Grundlage von die Garantiefunktion erfüllenden Sammelabrechnungen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 29. August 2007 – B 6 KA 29/06 R – SozR 4-2500 § 85 Nr. 37 - Rn. 11 m.w.N.; Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 19/04 R – SozR 4-2500 § 85 Nr. 19 – Rn. 25). Allerdings unterliegt er dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der einen vollständigen Honorarverlust nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässt. Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier indessen vor.
(1) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte in § 1 Abs. 5 HVM ein gestaffeltes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügendes (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – a.a.O.) System von Rechtsfolgen geregelt hat, das eingreift, wenn eine ordnungsgemäße Abrechnung nicht fristgerecht erstellt werden kann. Dieses System hätte es der Klägerin ermöglicht, auch bei vorübergehender Abwesenheit eines ärztlichen Leiters ihre Abrechnung – ggf. – verspätet einzureichen und hierfür lediglich Honorarabschläge in Kauf zu nehmen. Von dieser Möglichkeit hat sie indessen keinen Gebrauch gemacht.
(2) Anhaltspunkte, die einen vollständigen Honorarverlust im konkreten Fall als unverhältnismäßig erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Den Schwierigkeiten, die sich aus der Abwesenheit eines ärztlichen Leiters für einen vorübergehenden Zeitraum ergeben, hätte die Klägerin durch Bestellung eines stellvertretenden ärztlichen Leiters vorbeugen können. Angesichts der raschen Wechsel in der Person des ärztlichen Leiters hätte hierzu auch durchaus Veranlassung bestanden. Für die Beklagte jedenfalls bestand kein Anlass, von Amts wegen zu erkennen, dass keine ordnungsgemäße Abrechnung vorlag, gab die von der Klägerin eingereichte Sammelerklärung doch keinen Hinweis darauf, dass nicht etwa der ärztliche Leiter, sondern an seiner Stelle der Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnet hatte. Ob die Beklagte unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine Ausnahmeentscheidung hätte treffen müssen, wenn die Klägerin sie – rechtzeitig – auf ihre Personalprobleme hingewiesen hätte, bedarf keiner Entscheidung. Denn einen solchen Hinweis hat die Klägerin unstreitig nicht gegeben.
(3) Soweit das BSG mit Urteil vom 22. März 2006 (B 6 KA 76/04 R – BSGE 96, 99 ff.; ebenso BSG, Beschluss vom 11. Oktober 2017 – B 6 KA 29/17 B) unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit annimmt, dass die KV den gesamten Honorarbescheid für ein Quartal allein wegen der Unrichtigkeit von Angaben in der Abrechnungssammelerklärung (nur) aufheben darf, wenn auf Seiten des Vertragsarztes jedenfalls ein grob fahrlässiger Normverstoß erfolgt ist, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn ein solcher Verstoß liegt hier vor. Die Klägerin hat trotz des ausdrücklichen Hinweises im Vordruck ["Unterschrift des Vertragsarztes (...) für ein Medizinisches Versorgungszentrum der ärztliche Leiter (...)"] den Geschäftsführer unterzeichnen lassen. Dass dieser nicht der ärztliche Leiter und mithin unzuständig war, lag mithin für jedermann erkennbar auf der Hand.
(4) Der vollständige Honorarverlust ist auch nicht deshalb als unangemessen anzusehen, weil die Rechtsprechung in Fällen, bei denen die Sammelerklärung falsch ist, weil Leistungen zu Unrecht geltend gemacht wurden, zu einem im Wege der Schätzung zu ermittelnden - verminderten - Honorarbetrag kommt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Oktober 2018 – B 6 KA 42/17 R – BSGE 127, 43 ff. – Rn. 25 ff.), in Fällen - wie hier - bei denen gar keine Sammelerklärung abgegeben wird, einen solchen verminderten Honoraranspruch aber nicht anerkennt (insoweit kritisch S., a.a.O., S. 386). Dies ist hinzunehmen, weil erst mit erteilter Rechnungsstellung nebst formell ordnungsgemäßer Gesamtaufstellung eine vollständige - der Honorierung zugängliche - Abrechnung i.S.v. § 1 HVM vorliegt, während bei einer formell rechtswidrigen Gesamtaufstellung (noch) keine vollständige Abrechnung im o.g. Sinne gegeben ist, die eine Honorarberechnung und -auskehrung begründen kann.
f) Angesichts dessen war die Beklagte auch nicht gehalten, Ermessen auszuüben, das Honorar zu schätzen und eine anteilige Vergütung zu leisten (so aber S., a.a.O. S. 386). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG haben Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die vertragsärztliche Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Vertragsarzt für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden (vgl. zur Ausgestaltung von Fristen für die Vorlage der vertragsärztlichen Abrechnung eines Quartals als materielle Ausschlussfristen BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 6 KA 19/04 R – SozR 4-2500 § 85 Nr. 19). Daher steht dem Vertragsarzt für Leistungen, die nicht gemäß den Bestimmungen des Vertragsarztrechts erbracht worden sind, auch kein Vergütungsanspruch auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu. Denn die Normen des Leistungserbringungsrechts über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten ihre Steuerungsfunktion nicht erfüllen, wenn der Vertragsarzt die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Ergebnis dennoch vergütet bekäme. Diese Aussagen gelten auch für den vorliegenden Fall. Könnten Verstöße gegen die für die Leistungserbringung maßgeblichen Bestimmungen nur mit Wirkung für die Zukunft sanktioniert werden, ginge deren Steuerungsfunktion verloren, weil für Vertragsärzte jeglicher Anreiz fehlte, sich normgemäß zu verhalten. Im Gegenteil bestünde gerade ein Anreiz zu normwidrigen Verhalten, wenn die Früchte des Handelns dem Arzt verblieben (vgl. zu diesem Gedanken BSG, Urteil vom 23. Juni 2010 – B 6 KA 7/09 R – BSGE 106, 222 ff. – Rn. 68; Urteil vom 10. Dezember 2008 – B 6 KA 37/07 R –, BSGE 102, 134 ff. - Rn. 16).
g) Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der fehlerhaften Honorarbescheide war schließlich nicht durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeschränkt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann der Vertragsarzt auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides grundsätzlich nicht vertrauen (st.Rspr.: BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 43/12 R –, BSGE 114, 170 ff. - Rn. 23 ff. m.w.N.). Fallgruppen, in denen die Befugnis zu sachlich- rechnerischen Richtigstellungen aus Gründen des Vertrauensschutzes begrenzt ist (zusammenfassend BSG, Urteil vom 14. Dezember 2015 – B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 ff.) sind offensichtlich nicht einschlägig. Insbesondere war die Beklagte zur Rückforderung nicht wegen Überschreitens einer Ausschlussfrist gehindert. Es gilt die vierjährige Ausschlussfrist. Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (vgl. BSG, Urteil vom 23.Juni 2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 ff.). Diese Frist war nicht abgelaufen, was insoweit auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist.
h) Die Beklagte hat das gezahlte Honorar zu Recht von der Klägerin zurückgefordert. Das folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen - hier gezahlte Honorare - zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt - wie die Honorarbescheide für die Quartale II und III/2013 - aufgehoben worden ist. Ermessen ist nicht auszuüben (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26. April 2017 – L 5 KA 2448/15). Der Rückforderungsbetrag ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
E. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
F. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und bemisst sich nach dem streitigen Erstattungsbetrag (135.819,69 €).