L 27 AS 1192/22

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 213 AS 3083/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 AS 1192/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2022 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. Januar 2023 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor, soweit er den abschließenden Bewilligungsbescheid vom 21. August 2018 betrifft, wie folgt neu gefasst wird:

Der Beklagte wird unter Abänderung seines abschließenden Be­willigungsbescheides vom 21. August 2018 verpflichtet, den Klägern Leistungen nach dem SGB II wie folgt zu bewilligen:

- der Klägerin zu 1. für den Monat Dezember 2017 in Höhe von 780,24 EUR und für die Monate Januar bis Mai 2018 in Höhe von jeweils 789,76 EUR,

- dem Kläger zu 2. für die Monate April und Mai 2018 in Höhe von jeweils 26,50 EUR,

- dem Kläger zu 3. für die Monate April und Mai 2018 in Höhe von jeweils 43,56 EUR und

- dem Kläger zu 4. für den Monat Dezember 2017 in Höhe von 51,00 EUR und für die Monate Januar bis Mai 2018 in Höhe von jeweils 54,00 EUR.

Der Beklagte wird demgemäß verurteilt, der Klägerin zu 1. weitere Leistungen nach dem SGB II für die Monate Dezember 2017 bis Mai 2018 in Höhe von insgesamt 107,43 EUR und dem Kläger zu 4. in Höhe von insgesamt 95,79 EUR zu zahlen.

 

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger für das gesamte Verfahren.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

 

Tatbestand

 

 

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Leistungen der Grundsicherung für Arbeit­suchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Dezem­ber 2017 bis Mai 2018 bzw. den Umfang von deren Erstattung.

 

Die 1985 geborene Klägerin zu 1. ist Mutter der 2005, 2013 und 2017 geborenen Kläger zu 2. bis 4. Sie bewohnten gemeinsam eine 80,71 m² große Wohnung in der G in B. Für diese waren ausweislich des Mietvertrags vom 14./16. September 2016 zunächst 968,52 EUR Nettokaltmiete zuzüglich 120,00 EUR Betriebs- und 93,00 EUR Heizkostenvorauszahlungen zu zahlen. Zum 1. Januar 2018 stieg die Grundmiete auf 985,57 EUR. Mit Schreiben vom 20. März 2017 wies der Be­klagte die Klägerin darauf hin, dass ihre derzeitige Bruttokaltmiete von 1.088,52 EUR den für einen 4-Personen-Haushalt als angemessen anerkannten Wert von 646,09 EUR um 442,43 EUR übersteige und daher nicht als angemessen im Sinne des SGB II anzusehen sei. Die Heizkosten in Höhe von 93,00 EUR seien angemes­sen. Sie werde daher aufgefordert, ihre Bruttokaltmiete spätestens bis zum 30. Sep­tember 2017 auf das genannte, angemessene Maß zu senken.

 

Am 10. November 2017 stellte die Klägerin zu 1. für sich und die mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder einen Weiterbewilligungsantrag. Daraufhin be­willigte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 23. November 2017 vorläufig Leistungen nach dem SGB II für den Monat Dezember 2017 in Höhe von insgesamt 1.128,32 EUR und für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Mai 2018 in Höhe von ins­gesamt 1.122,32 EUR monatlich. Hierbei berücksichtigte er 409,00 EUR, 291,00 EUR und 2*237,00 EUR Regelbedarf, 147,24 EUR Mehrbedarf für Alleinerziehende sowie Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) in Höhe von 739,08 EUR (526,08 EUR Grundmiete, 93,00 EUR Heizkosten, 120,00 EUR Nebenkosten). Hierauf rechnete er 150,00 EUR Unterhaltsvorschuss, 175,00 EUR Unterhalt sowie 2*192,00 bzw. 194,00 EUR und 223,00 bzw. 225,00 EUR Kindergeld an. Die Bewilligung sei vorläufig bis zur abschließenden Klärung ihrer Einkommensverhältnisse (Einkommen aus El­terngeld und Unterhaltsvorschuss für J).

 

Hiergegen legten die Kläger am 12. Dezember 2017 Widerspruch ein. Der Beklagte habe die KdUH auf den aus seiner Sicht angemessenen Betrag in Höhe von 646,08 EUR für Bruttokaltmiete gekürzt. Tatsächlich sei aber mindestens eine Brutto­kaltmiete in Höhe von 803,00 EUR zu übernehmen. Die AV-Wohnen entspreche nicht den Vorgaben des Bundessozialgerichts (BSG) zu einem schlüssigen Konzept. Es mangele ihr an einem schlüssigen Konzept bei der Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises für den örtlichen Wohnungsmarkt sowie für die Betriebskosten. Die Werte aus der AV-Wohnen würden dadurch ermittelt, dass der mittlere Wert der einfachen Wohnlagen aus dem Mietspiegel herangezogen werde. Problematisch dürf­te hier z. B. sein, dass nicht sichergestellt sei, dass ausreichend Wohnraum in diesen Lagen überhaupt zur Verfügung stehe, denn immerhin seien etwa ein Drittel aller Ein­wohner Berlins Leistungsberechtigte nach dem SGB II, SGB XII oder Wohngeldgesetz (WoGG). Bei den Betriebskosten könne nicht einfach der Mittelwert aus dem Miet­spiegel genommen werden. Es sei z. B. so, dass Wohnungen mit besonders günstigen Kaltmieten, die meist der einfachen Wohnlage zuzuordnen seien, oft überdurchschnitt­liche Betriebskosten hätten. Fehle ein schlüssiges Konzept, so sei nach Recht­sprechung des BSG die Wohngeldtabelle zzgl. 10 % heranzuziehen. Vorliegend sei somit ein Wert von 803,00 EUR als angemessen für Bruttokaltmiete anzusehen (Wohngeldtabelle Stufe 4 für vier Personen zzgl. 10 %).

 

Mit Änderungsbescheid vom 31. Januar 2018 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Mai 2018 vorläufig Leistungen in Höhe von insge­samt 1.245,20 EUR monatlich. Hierbei berücksichtigte er ausweislich des beigefügten Berechnungsbogens neben 93,00 EUR Heizkosten nunmehr eine Grundmiete in Höhe von 748,44 EUR. Am 1. Januar 2018 sei für Berlin eine neue Verordnung zur Bestim­mung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AV-Wohnen) in Kraft getreten. Als Bruttokaltmiete (Grundmiete und Betriebskosten) enthalte sie den angemessenen Be­trag in Höhe von 748,44 EUR.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2018 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Bruttokaltmiete überschreite die Angemessenheitskri­terien des Landes Berlin. Gemäß der AV-Wohnen in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung betrage die angemessene Bruttokaltmiete für einen 4-Personen-Haushalt 646,08 EUR. Nach Inkrafttreten der ab 1. Januar 2018 geltenden AV-Wohnen betrage die angemessene Bruttokaltmiete für einen 4-Personen-Haushalt 748,44 EUR. Hierin sei jeweils ein Zuschlag von 10 % wegen Vorliegens eines Härte­falls (Alleinerziehende) berücksichtigt gewesen. Für den Zeitraum vom 1. Dezem­ber 2017 bis 31. Mai 2018 sei daher nur die sich aus der AV-Wohnen ergebende an­gemessene Bruttokaltmiete zuzüglich der tatsächlichen Heizkosten zu berücksichtigen gewesen. Die Klägerin zu 1. habe bislang keine Kostensenkungsbemühungen nach­gewiesen. Auch stelle die AV-Wohnen ein schlüssiges Konzept dar und sei nicht vom BSG als unwirksam erklärt worden.

 

Bereits am 19. Dezember 2017 floss der Klägerin zu 1. ein Guthaben in Höhe von 181,93 EUR aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2016 vom 12. Dezem­ber 2017 zu. Am 20. März 2018 und 29. März 2018 flossen ihr Unterhaltsnachzah­lungen für Mai 2017 bis März 2018 in Höhe von 728,00 EUR und 2.358,00 EUR zu.

 

Mit ihrer am 13. März 2018 bei dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage haben die Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2018 aufzuheben, insofern zu geringe Leistungen bewilligt werden und den Beklagten zu verpflichten, zu wenig gezahlte Leistungen nachzuzahlen. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ihr Wider­spruchsvorbringen wiederholt. Sie begehren, dass der Beklagte statt der bisher von ihm berücksichtigten Bruttokaltmiete eine angemessene Bruttokaltmiete in Höhe von 803,00 EUR berücksichtigt.

 

Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Auf ein Hinweisschreiben des SG vom 28. Februar 2022 hat er die von dem kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Verfügung gestellten Werte für verfügbaren Wohnraum im Jahr 2017 und 2018 übersandt. Diese seien anhand des B Mietspiegels und des BBU-Marktmonitors ermittelt worden. Demnach sei von einer Verfügbarkeit von ange­messenem Wohnraum im Streitzeitraum auszugehen.

 

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 4. April 2018 hat der Beklagte den Klägern für den Monat Mai 2018 vorläufig Leistungen in Höhe von insgesamt 917,84 EUR be­willigt. Hierbei hat er nun neben 416,00 EUR, 296,00 EUR und 2*240,00 EUR Regel­bedarf, 149,76 EUR Mehrbedarf für Alleinerziehende, 748,44 EUR Grundmiete und 93,00 EUR Heizkosten berücksichtigt und darauf 273,00 EUR, 154,00 EUR und 236,00 EUR Kindesunterhalt sowie 2*194,00 EUR und 225,00 EUR Kindergeld angerechnet.

 

Mit Bewilligungsbescheid vom 21. August 2018 hat der Beklagte die Leistungen für die Kläger für die Zeit vom 1. Dezember 2017 bis 31. Mai 2018 abschließend festgesetzt und für Dezember 2017 1.128,32 EUR, für Januar 2018 1.063,28 EUR, für Februar 2018 1.245,20 EUR, für März 2018 968,20 EUR, für April 2018 546,49 EUR und für Mai 2018 581,51 EUR bewilligt. Hierbei hat er neben 409,00 EUR bzw. 416,00 EUR, 291,00 EUR bzw. 296,00 EUR und 2*237,00 EUR bzw. 2*240,00 EUR Regelbedarf, 147,24 EUR bzw. 149,76 EUR Mehrbedarf für Alleinerziehende sowie im Dezember 2017 646,08 EUR und ab Januar 2018 748,44 EUR Grundmiete (im Januar abzüglich des Betriebskostenguthabens) und 93,00 EUR Heizkosten berücksichtigt. Hierauf rechnete er 150,00 EUR bzw. 154,00 EUR Unterhaltsvorschuss, 175,00 EUR, 273,00 EUR bzw. 370,00 EUR und 251,00 EUR bzw. 154,00 EUR laufenden Kindes­unterhalt sowie 2*192,00 EUR bzw. 2*194,00 EUR und 223,00 EUR bzw. 225,00 EUR Kindergeld an. Außerdem teilte er die Unterhaltsnachzahlungen auf sechs Monate auf und rechnete sie ab April 2018 anteilig mit 393,00 EUR und 121,35 EUR bzw. 121,33 EUR als weiteres Einkommen der Kläger zu 2. und 3. an. Wegen der personen­bezogenen Zuordnung wird auf die dem Bescheid beigefügten Berechnungsbögen verwiesen.

 

Bereits am 20. August 2018 hat der Beklagte einen an die Klägerin zu 1. adressierten Erstattungsbescheid bei endgültiger Festsetzung erlassen, mit dem er die von den Klägern im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 31. Mai 2018 vorläufig zu viel bewilligten Leistungen in Höhe von insgesamt 1.493,96 EUR erstattet verlangt. Von der Klägerin zu 1. hat er 503,02 EUR zurückgefordert, von dem Kläger zu 2. 670,20 EUR, von dem Kläger zu 3. 258,20 EUR und von dem Kläger zu 4. 62,54 EUR. Da nun über ihren Leistungsanspruch endgültig entschieden werden konnte, sei festgestellt worden, dass sie einen geringeren Anspruch auf Leistungen hätten.

 

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 24. November 2022 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. Januar 2023 unter Abänderung des Bewilligungs­bescheides vom 23. November 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31. Januar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 4. April 2018 in der Fassung des end­gültigen Festsetzungsbescheides vom 21. August 2018 verurteilt, den Klägern zu 1. und zu 4. für den Zeitraum vom 1. Dezember 2017 bis 31. Mai 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu bewilligen und, soweit noch nicht geschehen, auszuzahlen und zwar der Klägerin zu 1. in Höhe von insgesamt 780,24 EUR im Dezember 2017 und in Höhe von insgesamt 789,76 EUR monatlich in der Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Mai 2018 und dem Kläger zu 4. in Höhe von insgesamt 51,00 EUR im Dezember 2017 und in Höhe von insgesamt 54,00 EUR monatlich in der Zeit vom 1. Januar 2018 bis 31. Mai 2018. Außerdem hat es den Erstattungs­bescheid bei endgültiger Festsetzung vom 20. August 2018 für die Kläger zu 1. und zu 4. aufgehoben, für den Kläger zu 2. aufgehoben, soweit der Beklagte für den Monat April 2018 Leistungen über einen Betrag von 285,86 EUR und für Mai 2018 Leistungen über einen Betrag von 12,86 EUR hinaus zurückfordert, und für den Kläger zu 3. auf­gehoben, soweit der Beklagte für den Monat April 2018 Leistungen über einen Betrag in Höhe von 62,80 EUR und für Mai 2018 Leistungen über einen Betrag in Höhe von 58,80 EUR zurückfordert. Die Kläger hätten für den genannten Zeitraum einen teil­weisen Anspruch auf Bewilligung höherer Leistungen. Sie erfüllten die Voraus­setzungen der §§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 SGB II. Anders als vom Beklagten angenom­men, sei ein Bedarf der Kläger für KdUH in Höhe von insgesamt 896,00 EUR monatlich zu berücksichtigen. Das Gericht sei zu der Überzeugung gelangt, dass der vom Be­klagten zur Bestimmung der Angemessenheitswerte angewandten AV-Wohnen in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung kein schlüssiges Konzept hin­sichtlich der Ermittlung der Nettokaltmiete zugrunde gelegen habe. Das vom Beklagten vorgelegte „Schlüssigkeitskonzept“ sei nicht geeignet, die tatsächliche Verfügbarkeit von Wohnraum in den streitigen Zeiträumen zu belegen und die weiter angewandten Richtwerttabellen der AV-Wohnen „nachzubessern“. Das Gericht sehe sich nicht in der Lage, einen Grenzwert für die grundsicherungsrechtliche Angemessenheit für Woh­nungen von Vierpersonenhaushalten im streitigen Zeitraum zu bestimmen. Es fehle dafür an überzeugungskräftigen Daten. Es lasse sich nicht mehr feststellen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum in Berlin Wohnraum zu einem bestimmten Betrag eines abstrakten Angemessenheitswertes in hinreichender Anzahl tatsächlich verfüg­bar gewesen sei, und die Erarbeitung eines schlüssigen Konzepts für den festgelegten Vergleichsraum sei nicht mehr möglich. Deshalb bleibe zur Bestimmung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten nur der Rückgriff auf die Beträge aus § 12 WoGG. Daher seien grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, wobei diese durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG gedeckelt würden. Die Tabelle des § 12 Abs. 1 WoGG in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung in Ver­bindung mit (i. V. m.) § 38 Nr. 2 WoGG i. V. m. der Anlage zu § 1 Abs. 3 Wohngeld­verordnung (WoGV) in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung weise für Berlin, das der Mietstufe IV zugeordnet werde, für vier Personen einen Be­trag in Höhe von 730,00 EUR aus. Das ergebe unter Berücksichtigung des 10 %igen Sicherheitszuschlags für die Bruttokaltmiete einen Betrag von 803,00 EUR monatlich. Die Bruttokaltmiete der Kläger übersteige diesen Angemessenheitswert, so dass ent­sprechend dem Begehren der Kläger, die ihr Klagebegehren auf die Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete von 803,00 EUR beschränkt hätten, eine Bruttokaltmiete nach dem WoGG in Höhe von 803,00 EUR zu berücksichtigen sei. Hinzu kämen die von den Klägern tatsächlich zu zahlenden Heizkosten in Höhe von monatlich 93,00 EUR. Das der Klägerin zu 1. am 19. Dezember 2017 aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2016 zugeflossene Guthaben in Höhe von 181,93 EUR sei angesichts der von ihr tatsächlich gezahlten KdUH nicht von den angemessenen Unterkunftskosten im Januar 2018 in Abzug zu bringen. Die der Klägerin zu 1. am 20. März 2018 und 29. März 2018 für die Kläger zu 2. und 3. zugeflossenen Unterhaltsnachzahlungen in Höhe von 728,00 EUR und 2.358,00 EUR seien gemäß § 11 Abs. 3 S. 1 und 3 SGB II als einmalige Einnahmen zu berücksichtigen und auf sechs Monate zu verteilen ge­wesen. Im Ergebnis hätten die Kläger zu 1. und 4. im streitgegenständlichen Zeitraum über die bereits bewilligten Leistungen hinaus Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im tenorierten Umfang. Der Erstattungsbescheid bei endgültiger Festsetzung vom 20. August 2018 sei für beide vollständig sowie für die Kläger zu 2. und 3. im tenorierten Umfang aufzuheben.

 

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 22. Dezember 2022 Berufung eingelegt. Streitig sei im Zeitraum vom 1. Dezember 2017 bis 31. Mai 2018 die Höhe der den Klägern zustehenden KdUH einerseits sowie die Berücksichtigung des einmaligen Ein­kommens aus den Unterhaltsnachzahlungen für die Kläger zu 2. und 3. andererseits. Zu Unrecht greife das Urteil für die anzuerkennende Bruttokaltmiete auf die Werte nach dem WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlags in Höhe von 10 % zurück. Für den hier vorliegenden Streitzeitraum ergäben die Berechnungen des zuständigen kommu­nalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende, dass von den 94.533 Neube­zügen im Jahr 2017 31.266 Wohnungen unter seinen Richtwerten gelegen hätten und von den weiteren 51.615 Neubezügen vom Januar bis September 2018 sogar 22.191 Wohnungen den Richtwerten entsprochen hätten. Hierbei handele es sich um 33 bzw. 43 % aller Neuanmietungen, weswegen für den Streitzeitraum von einer hinreichen­den Anzahl von verfügbaren Wohnungen zu den kommunalen Richtwerten auszu­gehen sei. Die Klage könne in puncto KdUH also nur wegen des zu Unrecht berück­sichtigten Betriebskostenguthabens im Kalendermonat Januar 2018 einen Teilerfolg haben, wobei sich dieser wegen der für die Kläger ungünstigeren Einkommensver­teilung gegenüber der abschließenden Leistungsfestsetzung aus dem Bescheid vom 21. August 2018 rechnerisch nicht auswirken dürfte. Unverständlich sei die im Urteil vorgenommene Einkommensverteilung und die Annahme, dass einmalige Einkommen der minderjährigen Kläger (und allein dieser) aus Unterhalt die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft insgesamt beseitigen könnten und die einmalige Einnahme des­wegen nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II ab dem Folgemonat des Zuflusses auf nur zwei bzw. drei Monatsteile aufzuteilen sei und diese Anteile danach zu verdurchschnitt­lichen seien. Das im Umkehrschluss zu § 11 Abs. 1 S. 5 SGB II auf die Klägerin zu 1. überschwappende und dann nach § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II verteilbare Kindergeld lasse aus Sicht des Beklagten die Hilfebedürftigkeit aller Kläger nicht entfallen, was jedoch die in § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II aufgestellte Bedingung für eine Verteilung ab dem Folge­monat darstelle. Da mangels Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen in § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II also eine Verteilung ab Folgemonat des Zuflusses zu unterbleiben habe, sei das einmalige Einkommen aus den Nachzahlungen als „eigene Einkommensart“ nach § 41a Abs. 4 S. 3 SGB II a. F. in Gänze nach demselben Schema auf den Streit­zeitraum zu verdurchschnittlichen wie die Einkommensarten laufender Unterhalt und Kindergeld, woraus sich ein erheblich geringerer Anspruch insbesondere der Klägerin zu 1. ergäbe, als im abschließenden Bescheid vom 21. August 2018 zuerkannt.

 

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit in weiteren Monaten als im Januar 2018 höhere Wohn­aufwendungen anerkannt worden und im Januar 2018 höhere Aufwendungen als 748,44 EUR für die Bruttokaltmiete zuerkannt worden sind.

 

Die Kläger und Berufungsbeklagten beantragen sinngemäß,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie seien per Mietvertrag für zwei Jahre, bis August 2018, an die Wohnung in der Gin B gebunden gewesen. Die Kinder hätten Kindergarten und Schule besucht. Es sei nicht möglich gewesen, die Wohnung zu wechseln. Der Be­klagte habe um diese Umstände gewusst.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Be­teiligten im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungs­vorgangs des Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegen­stand der Entscheidung des Senats gewesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Das Gericht hat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Ver­handlung entscheiden können. Die Beteiligten haben hierzu am 15. August 2023 bzw. 25. August 2023 ihr Einverständnis erklärt.

 

Die Berufung ist im Sinne der §§ 143, 144 SGG statthaft und nach § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben.

 

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem Urteil des SG vom 24. Novem­ber 2022 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. Januar 2023 nur der abschließende Bewilligungsbescheid vom 21. August 2018 und der Erstattungs­bescheid bei endgültiger Festsetzung vom 20. August 2018, mit dem der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Dezember 2017 bis 31. Mai 2018 abschließend bewilligt sowie die Erstattung zu viel gezahlter Leistungen für die Monate Januar, März, April und Mai 2018 gefordert hat. Diese Bescheide sind teilweise rechtswidrig und verletzten die Kläger insoweit in ihren Rechten. Die ur­sprünglich angefochtenen, lediglich vorläufigen Bescheide vom 23. November 2017, 31. Januar 2018, 12. Februar 2018 und 4. April 2018 haben sich bereits durch die end­gültige Festsetzung erledigt, vgl. § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch.

 

Rechtsgrundlage für die abschließende Leistungsbewilligung bildet § 41a SGB II in der bis zum 31. März 2021 gültigen Fassung (a. F.). Nach dessen Absatz 3 Satz 1 ent­scheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern – wie hier – die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II er­halten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

 

Für die danach vorzunehmende Gegenüberstellung von Bedarf und Einkommen ist bei den Klägern von den von dem SG jeweils zugrunde gelegten Bedarfen auszu­gehen. Hierbei hat es hinsichtlich der KdUH zu Recht einen Bedarf in Höhe von ins­gesamt 896,00 EUR zugrunde gelegt. Anspruchsgrundlage für die von den Klägern begehrte Berücksichtigung höherer als von dem Beklagten zugrunde gelegter KdUH ist § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Will das Jobcenter nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hoch hält, muss es grundsätzlich - wie hier erfolgt - ein Kosten­senkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Beson­derheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (st. Rspr., BSG, Urt. v. 17.09.2020 - B 4 AS 22/20 R, Rn. 20 - hier und im Folgenden zitiert nach juris; BSG, Urt. v. 03.09.2020 - B 14 AS 34/19 R, Rn. 12; BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 44/18 R, Rn. 15).

 

Bei der Beurteilung, ob der Aufwand für die Unterkunft eine angemessene Höhe hat, ist die so genannte Produkttheorie anzuwenden. Danach kann dahinstehen, ob ein­zelne Faktoren wie Ausstattung, Lage etc. isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht insgesamt mit unangemessen hohen Kosten belastet wird. Es kommt letztlich allein auf das Produkt aus abstrakt angemessener Wohnungsgröße und angemessenem Wohnungsstandard, d. h. dem nach den ört­lichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter, an (st. Rspr. vgl. BSG, Urt. v. 17.09.2020 - B 4 AS 22/20 R, Rn. 23; BSG, Urt. v. 03.09.2020 - B 14 AS 34/19 R, Rn. 14; BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R, Rn. 20; BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 12/18 R, Rn. 22; BSG, Urt. v. 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R, Rn. 13; BSG, Urt. v. 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R, Rn. 12; BSG, Urt. v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R, Rn. 14; BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 7/13).

 

Die Prüfung der Angemessenheit der Wohnungskosten erfolgt in mehreren Schritten. Es bedarf zunächst der Feststellung, welche Größe die gemietete Wohnung hat bzw. maximal haben darf, um abstrakt angemessen zu sein. Hierbei ist die für Wohnberech­tigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße, welche die Länder aufgrund von § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraum­förderungsgesetz - WoFG) festgesetzt haben, zugrunde zu legen (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 12/18 R, Rn. 22; BSG, Urt. v. 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R, Rn. 15; BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 20; BSG, Urt. v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R, Rn. 17; BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 12). Zwar hat das Land Berlin zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadt­entwicklung vom 15. Dezember 2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungs­größe an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen. Danach darf ent­sprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20. Oktober 1995 (ABl. für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 m² und an Zwei-Personen-Haushalte bis zu 60 m² überlassen werden. Auf diese Regelungen ist für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 SGB II zurückzugreifen (vgl. BSG, Urt. v. 13.04.2011 - B 14 AS 32/09 R, Rn. 18; BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, Rn. 22). In diesem Zusammenhang ist die Wohnung der vier Kläger mit einer Wohnfläche von 80,71 m² nicht zu groß gewesen. Denn für eine nur von drei Personen gebildete Bedarfsgemeinschaft im Land Bist in Mietwohnungen bereits eine Wohnfläche von bis zu 80 m angemessen (vgl. BSG, Urt. v. 03.09.2020 - B 14 AS 37/19 R, Rn. 19).

 

Nach der Feststellung der Wohnraumgröße ist festzulegen, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Bei dessen Fest­legung geht es um die Ermittlung einer angemessenen Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld der Leistungsberechtigten (BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 19/22). Die Wohnung muss im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Ver­gleichsmaßstab bildet. Denn angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grund­legenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (st. Rspr., vgl. vgl. BSG, Urt. v. 17.09.2020 - B 4 AS 22/20 R, Rn. 25; BSG, Urt. v. 03.09.2020 - B 14 AS 34/19 R, Rn. 16; BSG, Urt. v. 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R, Rn. 13; BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 21; BSG, Urt. v. 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R, Rn. 12; BSG, Urt. v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R, Rn. 14/20). Als räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der Wohnort der Hilfebedürftigen maß­gebend. Abzustellen ist auf ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadt­teile) der Wohnbebauung, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infra­struktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 12/18 R, Rn. 24; BSG, Urt. v. 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R, Rn. 16; BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R Rn. 22; BSG, Urt. v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R, Rn. 18; BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R, Rn. 18). Danach ist bei der Be­stimmung der angemessenen KdUH vorliegend als maßgeblicher Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von B heranzuziehen. Denn es sind trotz seiner Größe und Einwohnerzahl keine Gesichtspunkte erkennbar, die dagegen sprechen, dass es sich bei der Stadt B insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt (vgl. dazu im Einzelnen bereits BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, Rn. 24; BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R, Rn. 18).

 

Stehen die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichs­raum fest, ist nach der Rechtsprechung des BSG in einem dritten Schritt zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist. Ziel der Ermittlungen des Grundsicherungsträgers ist es, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der Produkt­theorie mit der den Leistungsberechtigten zugestandenen Quadratmeterzahl zu multi­plizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können (vgl. BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 15/09 R, Rn. 18; BSG, Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, Rn. 17). Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, der den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsan­forderungen genügt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2017 - 1 BvR 617/14, Rn. 15 ff.), ist der abstrakt als angemessen anzuerkennende Mietpreis unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten konkret zu ermitteln (vgl. BSG, Urt. v. 17.02.2016 - B 4 AS 12/15 R, Rn. 18; BSG, Urt. v. 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R, Rn. 24; BSG, Urt. v. 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R, Rn. 26).

 

Zur Gewährleistung eines gleichmäßigen Verwaltungshandelns innerhalb des maß­geblichen Vergleichsraums hat die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines so genannten schlüssigen Konzepts zu erfolgen. Überprüf­bare Erhebungen und Auswertungen sollen die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass sie die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergeben. Den Feststellungen des Grundsicherungsträgers muss ein Konzept zugrunde liegen, das im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begren­zung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein angemessenes Maß hinreichend nachvollziehbar sein muss (st. Rspr., vgl. BSG, Urt. v. 17.09.2020 - B 4 AS 22/20 R, Rn. 28; BSG, Urt. v. 03.09.2020 - B 14 AS 34/19 R, Rn. 19; BSG, Urt. v. 17.02.2016 - B 4 AS 12/15 R, Rn. 18; BSG, Urt. v. 29.04.2015 - B 14 AS 6/14 R, Rn. 24; BSG, Urt. v. 04.06.2014 - B 14 AS 53/13 R, Rn. 26; BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 24; BSG, Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, Rn. 18; BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16). Ein solches Konzept stellt ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungs­fälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall dar (vgl. BSG, Urt. v. 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R, Rn. 20; BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 28; BSG, Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, Rn. 19). Es ist schlüssig, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

- Angaben über den Beobachtungszeitraum,

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Miet­spiegel),

- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

- Validität der Datenerhebung,

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenaus­wertung und

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwert oder Kappungs-grenze) (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R, Rn. 24; BSG, Urt. v. 16.06.2015 - B 4 AS 44/14 R, Rn. 20; BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 28; BSG, Urt. v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R, Rn. 20; BSG, Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R, Rn. 19).

 

Die in der AV-Wohnen enthaltenen und von dem Beklagten zugrunde gelegten Ange­messenheitswerte für die Grundmiete einer von vier Personen, darunter eine Allein­erziehende, genutzten Unterkunft in Bin Höhe von 646,08 EUR bzw. 748,44 EUR (vgl. Nr. 3.2 und 3.5.1 der AV-Wohnen in der Fassung vom 6. Dezember 2016 bzw. Nr. 3.3 und 3.5.1 der AV-Wohnen in der Fassung vom 13. Dezember 2017) werden diesen Anforderungen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, nicht gerecht. Der Beklagte hat Gelegenheit gehabt, diese Beanstandungen auszuräumen, und dennoch für den streitgegenständlichen Zeitraum kein schlüssiges Konzept für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheitswerte für die Kaltmiete vorgelegt. Der Senat verweist hierzu zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

 

Weil die Gerichte nicht befugt sind, ihrerseits ein schlüssiges Konzept zu erstellen (vgl. BSG, Urt. v. 03.09.2020 - B 14 AS 37/19 R, Rn. 23; BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R, Rn. 29; BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 12/18 R, Rn. 31), und nicht zur Überzeugung des Senats gewährleistet ist, dass in dem streitgegenständlichen Zeit­raum für einen abstrakt festzulegenden Angemessenheitswert in BWohnraum in hinreichender Anzahl tatsächlich verfügbar im Sinne von anmietbar war (vgl. BSG, Urt. v. 03.09.2020 - B 14 AS 37/19 R, Rn. 24/27 ff. m. w. N.; zu Einzelheiten siehe Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.03.2023 - L 32 AS 1888/17, Rn. 73 ff.), hat das SG mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmten bzw. bestimmbaren Angemessenheitswerts zu Recht die um einen Sicherheitszuschlag von 10 % erhöhten Tabellenwerte zu § 12 WoGG herangezogen (vgl. BSG, Urt. v. 03.09.2020 - B 14 AS 34/19 R, Rn. 38; BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R, Rn. 30 m. w. N.). Diese bilden eine Angemessenheitsgrenze, durch die verhindert wer­den soll, dass allein wegen des Fehlens eines sachgerechten schlüssigen Konzepts extrem hohe und damit per se unangemessene Mieten durch den Steuerzahler finan­ziert werden müssen (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2019 - B 14 AS 24/18 R, Rn. 30; BSG, Urt. v. 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R, Rn. 27). Da der Beklagte die Bruttokaltmiete der Kläger in Höhe von danach angemessenen 803,00 EUR (730,00 EUR für vier Per­sonen bei Mietstufe IV + 73,00 EUR Zuschlag) im streitgegenständlichen Zeitraum auf 646,08 EUR bzw. 748,44 EUR gekürzt hat, hat er nunmehr weitere KdU in Höhe von insgesamt 156,92 EUR im Dezember 2017 bzw. 54,56 EUR monatlich ab Januar 2018 bedarfserhöhend zu berücksichtigen, d. h. 39,23 EUR bzw. 13,64 EUR pro Kopf.

 

Die getrennt zu prüfenden Bedarfe für die Heizung sind – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – mit monatlich 93,00 EUR angemessen gewesen und von dem Be­klagten zu Recht kopfteilig mit 23,25 EUR pro Monat berücksichtigt worden.

 

Hinsichtlich der von dem Beklagten mit seiner Berufung angegriffenen Einkommens­berechnung durch das SG bestehen ebenfalls keine Bedenken. Gemäß § 41a Abs. 4 S. 1 SGB II a. F. ist bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruches nach Absatz 3 als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen. Nach § 41a Abs. 4 S. 3 SGB II a. F. ist als monatliches Durchschnittsein­kommen für jeden Kalendermonat im Bewilligungszeitraum der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungs­zeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüg­lich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen. Einmalige Einnahmen sind nach § 11 Abs. 3 S. 1 SGB II in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. Gemäß § 11 Abs. 3 S. 2 SGB II gehören zu den einmaligen Einnahmen auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden. Sofern – wie hier – für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme er­bracht worden sind, werden sie nach § 11 Abs. 3 S. 3 SGB II im Folgemonat berück­sichtigt. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme gemäß § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Der Senat verweist hinsichtlich der Einzelheiten der Be­rechnung zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die auch insoweit zutreffen­den Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

 

Das diesbezügliche Berufungsvorbringen des Beklagten rechtfertigt keine andere Ent­scheidung. Es entspricht auch im Fall des Einkommenszuflusses bei Minderjährigen dem von ihm zitierten Grundsatz zur Ermittlung der Individualansprüche bei der Grund­sicherung für Arbeitsuchende, dass die Vorschriften zur Berücksichtigung einmaliger Einnahmen nach § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II a. F. und die daraus für den vorliegenden Fall folgende Aufteilung der der Klägerin zu 1. für die minderjährigen Kläger zu 2. und 3. zugeflossenen Unterhaltsnachzahlungen auf sechs Monate für jedes minderjährige Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gesondert erfolgt. Es ist mit Blick auf die Individual­ansprüche nicht auf das etwaige Entfallen der Hilfebedürftigkeit aller Kläger als Be­darfsgemeinschaft abzustellen. Denn Leistungsansprüche der Bedarfsgemeinschaft in ihrer Gesamtheit existieren nicht. Aufgrund der Höhe der Einmalzahlungen wäre indes ohne die von dem SG vorgenommene Aufteilung auf sechs Monate sowohl der Leistungsanspruch des Klägers zu 2. als auch der des Klägers zu 3. in dem auf den Zufluss folgenden Monat entfallen.

 

Auch die von dem SG gemäß § 41a Abs. 4 S. 1 und 3 SGB II a. F. vorgenommene Berechnung eines Durchschnittseinkommens für alle Einkommensarten gesondert ist nicht zu beanstanden. Insbesondere entfällt infolge des nach § 41a Abs. 4 S. 1 SGB II a. F. nach den allgemeinen Regelungen der §§ 11 ff. SGB II gebildeten Durchschnitts­einkommens in keinem Monat der individuelle Leistungsanspruch, so dass die Rück­ausnahme des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II a. F. und damit eine monatsgenaue Berechnung nach dem Zuflussprinzip nicht zur Anwendung kommt (vgl. BSG, Urt. v. 18.05.2022 - B 7/14 AS 9/21 R, Rn. 22; BT-Drs. 18/8041, S. 54). Bei der Klägerin zu 1. als Einkommen anzurechnendes (übertragbares) Kindergeld verbleibt danach nicht. Das von dem SG zu Recht zugrunde gelegte Durchschnittseinkommen betrug damit bei der Klägerin zu 1. 0,00 EUR, bei dem Kläger zu 2. 493,50 EUR, bei dem Kläger zu 3. 420,00 EUR und bei dem Kläger zu 4. 410,00 EUR pro Monat und damit zum Teil weniger als von dem Beklagten angerechnet.

 

Unter Berücksichtigung der im Dezember 2017 um 39,23 EUR und ab Januar 2018 monatlich um 13,64 EUR pro Person höheren KdUH sowie des niedrigeren (Durch­schnitts-)Einkommens haben den Klägern die von dem SG errechneten höheren Leistungen zugestanden (zu den Einzelheiten der Berechnung siehe Seite 18 ff. des Urteils).

 

Haben die Kläger danach in dem tenorierten Umfang Anspruch auf die Gewährung höherer Leistungen, als sie von dem Beklagten abschließend festgesetzt worden sind, hat das SG die von dem Beklagten gegenüber den Klägern aufgrund der insoweit feh­lerhaften Festsetzung erstattet verlangten Beträge zu Recht entsprechend (vollständig bzw. teilweise) reduziert. Im Übrigen bleiben die Kläger zu 2. und 3. gemäß § 41a Abs. 6 SGB II verpflichtet, die fortbestehenden Überzahlungen zu erstatten.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersicht­lich.

Rechtskraft
Aus
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