Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20.1.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung von Rechtsanwältin F., G., für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Auszahlung eines Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI in Höhe von 1.620,00 € für die Zeit vom 1.6.2020 bis 29.6.2021 an den Kläger als Sonderrechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter.
Der 1971 geborene Kläger ist der Sohn der am 29.12.1940 geborenen und am 29.6.2021 verstorbenen früheren Versicherten der Beklagten H. (Versicherte). Für die Versicherte bestand vom 1.1.2019 bis 31.5.2021 eine Pflegebedürftigkeit nach Pflegegrad 1 und vom 1.6.2021 bis zu ihrem Tode nach Pflegegrad 2.
Im Januar 2022 beantragte der Kläger unter Vorlage selbst ausgestellter Rechnungen für im Zeitraum von Juni 2020 bis Juni 2021 für die Versicherte erbrachte „Boten- und Einkaufsgänge, jeweils 1,5 h“ sowie „Mund-Nase-Schutz-Masken“ zwischen jeweils 124,00 € und 140,00 € (insgesamt: 1.676,00 €) deren Erstattung bei der Beklagten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.1.2022 ab, weil der Kläger nach seinen ihr gegenüber noch im September 2021 gemachten eigenen Angaben in häuslicher Gemeinschaft mit seiner Mutter gelebt habe. Eine Erstattung der eingereichten Rechnungen aus dem Entlastungsbetrag sei damit ausgeschlossen.
Den hiergegen vom Kläger unter Verweis auf ein von der Versicherten getrenntes Wirtschaften und die (damalige) Maskenpflicht bei den erbrachten Hilfstätigkeiten eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.7.2022 aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 18.8.2022 zwei getrennte Klagen vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben (Kostenerstattung für „Boten- und Einkaufsgänge“ = vorliegendes Verfahren; Kostenerstattung für Mund-Nase-Schutz-Masken = S 51 P 39/22) und zur Begründung auf sein Widerspruchsvorbringen verwiesen, welches von der Beklagten nur unzureichend gewürdigt worden sei. Im vorliegenden Verfahren hat er ergänzend geltend gemacht, die Beklagte sei ihrer Beratungspflicht nicht nachgekommen, da bei ordnungsgemäßer Beratung über den Ausschluss von Haushaltsangehörigen bei der Leistung des Entlastungsbetrages die Dienste eines Anderen für die fraglichen Hilfstätigkeiten in Anspruch genommen worden wären. Im Übrigen sei der Widerspruchsbescheid schon deshalb „insgesamt unrichtig“, weil die Beklagte ein „falsches Antragsdatum“ zugrunde gelegt habe.
Die Beklagte ist der Klage im vorliegenden Verfahren unter Bezug auf die von ihr im Widerspruchsbescheid genannten Gründe entgegengetreten.
Das SG hat die Klagen im Termin am 20.1.2023 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Die Klage zum Geschäftszeichen S 51 P 39/22 (Kostenerstattung für Mund-Nase-Schutz-Masken) hat es anschließend durch gesondertes Urteil abgewiesen; die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in diesem Urteil hat der Senat mit Beschluss vom 3.7.2023 (L 12 P 15/23 NZB) zurückgewiesen.
Mit Urteil vom 20.1.2023 hat das SG auch die Klage im vorliegenden Verfahren abgewiesen. Der Kläger sei als Sonderrechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter zwar aktivlegitimiert, jedoch sei die Auszahlung des Entlastungsbetrages an ihn bereits deshalb ausgeschlossen, weil er auch Pflegeperson seiner verstorbenen Mutter gewesen sei. Aus den Sonderregelungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie ergäbe sich insoweit nichts Anderes. Es sei zudem nicht ersichtlich, dass der Versicherten die geltend gemachten Kosten auch tatsächlich entstanden seien. Vielmehr habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst erklärt, seine Mutter habe stattdessen lediglich „dann und wann“ mal seine Stromkosten beglichen oder die Kosten für Einkäufe übernommen. Zudem stehe das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft dem Erstattungsanspruch entgegen: Zwar ergäbe sich diese Einschränkung nicht aus dem Gesetzeswortlaut, jedoch sei der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass die Entlastung durch Inanspruchnahme von professionellen Angeboten bis zur Inanspruchnahme nachbarschaftlicher Hilfe reichen könne. Mithin habe eine Kostenerstattung in Gemeinschaften, in denen regelmäßig „eine besondere Art des Zusammenhalts und der Hilfsbereitschaft“ zu erwarten sei, ausgeschlossen werden sollen. Auf die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs könne sich der Kläger schließlich ebenfalls nicht stützen. Die Versicherte habe die in Rede stehenden Hilfen vielmehr erhalten, ohne Vergütungsforderungen des Klägers ausgesetzt gewesen zu sein. Daher habe sie keinen berücksichtigungsfähigen Nachteil erlitten.
Gegen dieses ihm am 24.2.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.3.2023 Berufung eingelegt und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung von Rechtsanwältin F., G., für das Berufungsverfahren beantragt. Zur Begründung hat er auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen. Seinem Anspruch könne nicht entgegengehalten werden, dass seiner Mutter keine Kosten entstanden seien; zur Vorlage von Zahlungsbelegen sei er vielmehr nicht aufgefordert worden. Im Übrigen stehe weder eine häusliche Gemeinschaft noch eine „Personengleichheit von Pflegeperson und Leistungserbringer“ der Zahlung des Entlastungsbetrages entgegen, weil eine „nachbarschaftliche Hilfe“ auch die Hilfe eine „Mitbewohners“ einschließe und Pflegepersonen jedenfalls dann die notwendigen Entlastungstätigkeiten verrichten dürften, wenn anerkannte Dienstleister – wie hier – nicht verfügbar gewesen seien.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
- das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 20.1.2023 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.1.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.7.2022 aufzuheben,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm als Sonderrechtsnachfolger der verstorbenen H. 1.620,00 € zuzüglich Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend; die Berufungsbegründung enthalte demgegenüber keine neuen Gesichtspunkte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.
II.
Der Senat hat über die Berufung gem. § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden können, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind zuvor angehört worden; ihrer Zustimmung hat es nicht bedurft (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der als Sonderrechtsnachfolger (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I) seiner Mutter zur Geltendmachung des streitigen Anspruchs aktivlegitimierte Kläger kann mit seinem Begehren auch zur Überzeugung des Senats jedenfalls deshalb nicht durchdringen, weil schon ein Anspruch der Versicherten hierauf bei – wie hier - Inanspruchnahme eines pflegenden Angehörigen nicht entstehen konnte. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten und des SG sind deshalb im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Das SG hat in seinem Urteil zutreffend zunächst auf § 45b SGB XI in der für den Fall noch maßgeblichen, bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung (SGB XI a.F.) als vorrangig in Betracht kommende gesetzliche Grundlage für den streitigen Anspruch abgestellt. Danach haben Pflegebedürftige in häuslicher Pflege Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125,00 € monatlich. Der Betrag ist dabei zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags (§ 45b Abs. 1 Satz 2 SGB XI a.F.). Die Leistung kann innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres in Anspruch genommen werden; wird die Leistung in einem Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden (§ 45b Abs. 1 Satz 5 SGB XI a.F.). Die weiteren Voraussetzungen ergeben sich aus § 45b Abs. 2-4 SGB XI a.F. Hiernach haben die Beklagte und das SG den Anspruch des Klägers im Ergebnis zurecht verneint; das Vorbringen des Klägers und die erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum unwidersprochen „pflegender Angehöriger“ seiner Mutter, zu dessen Entlastung der Betrag nach § 45b SGB XI aber gerade eingesetzt werden soll – u.a. um den Pflegebedürftigen zu helfen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben (zur Zielsetzung der Angebote allgemein eingehend BT-Drs. 18/1798, S. 34 ff. sowie BT-Drs. 18/5926, S. 132). Damit ist es unvereinbar, die gerade von diesen „pflegenden Angehörigen und vergleichbar Nahestehenden in ihrer Eigenschaft als Pflegende“ erbrachten Leistungen hiernach abzurechnen (vgl. Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 2.6.2022 - L 12 P 35/21). Ob es sich bei den Leistungen des Klägers darüber hinaus um entsprechend „qualitätsgesicherte Leistungen“ handelte, ob und in welchem Umfang diese der Versicherten tatsächlich in Rechnung gestellt wurden und ob ihrer Erstattung dabei ggf. zusätzlich entgegensteht, dass der Kläger im streitigen Zeitraum mit seiner Mutter in häuslicher Gemeinschaft bzw. in „Wohngemeinschaft“ lebte, bedarf vor diesem Hintergrund keiner weiteren Erörterung. Hierauf kommt es vielmehr nicht (mehr) an.
Der Kläger kann seinen (Erstattungs-)Anspruch auch nicht auf eine sonstige gesetzliche Grundlage stützen. Insbesondere führen die Sonderregelungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie – wie die Beklagte und das SG ebenfalls bereits zurecht festgestellt haben – nicht zu einer anderen Beurteilung. Dies folgt bereits daraus, dass für die Versicherte, die sowohl vor als auch während der Corona-Pandemie ausschließlich von ihrem Sohn als nicht erwerbsmäßige Pflegeperson im Sinne von § 19 SGB XI gepflegt und betreut wurde und auch – soweit ersichtlich - allein von diesem Hilfen im Sinne der fraglichen Alltagsunterstützungsleistungen in Anspruch nahm, ein durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 im Einzelfall im häuslichen Bereich verursachter pflegerischer Versorgungsengpass weder glaubhaft gemacht wurde noch vorgelegen haben kann (vgl. LSG, Urteil vom 24.11.2022 - L 6 P 16/22, juris Rn. 55; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9.11.2020 - L 4 P 3250/20 ER-B). Im Übrigen aber sieht auch die insoweit einschlägige Bestimmung des § 150 Abs. 5b, 5c SGB XI keine Einbeziehung „pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende“ in den Kreis „anderer“ Hilfeleistungserbringer nach § 45b SGB XI vor.
Auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann sich der Kläger schließlich ebenfalls nicht mit Erfolg stützen. Abgesehen davon, dass für einen – von ihm allerdings auch nur pauschal behaupteten – Beratungsfehler der Beklagten zur Inanspruchnahme des Entlastungsbetrages nach § 45b SGB XI a.F. nichts ersichtlich ist, kann auch ein konkreter sozialrechtlicher Nachteil der Versicherten nicht erkannt werden. Das Berufungsvorbringen, es sei eine „haltlose Falschbehauptung“, dass er für seine Hilfs- und Unterstützungstätigkeiten keine Entlohnung verlangt habe, ersetzt den hierüber erforderlichen konkreten Nachweis (vgl. erneut LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O., juris Rn. 23) nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
III.
Aus den genannten Gründen war auch der Antrag des Klägers, ihm PKH für das Berufungsverfahren unter Beiordnung einer Rechtsanwältin zu bewilligen, abzulehnen.
PKH unter Beiordnung eines/einer Rechtsanwalts/Rechtsanwältin erhält gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 121 ZPO eine Partei nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hiervon konnte nach dem Gesagten ungeachtet der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers bereits zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrages nicht ausgegangen werden.
Die Entscheidung über die Ablehnung der PKH ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.