L 12/15 P 18/19

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
1. Instanz
SG Stade (NSB)
Aktenzeichen
12 P 26/15
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 12/15 P 18/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 20.2.2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig auf 2.500.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Schadenersatzanspruch des Klägers aus der Kündigung eines Versorgungsvertrages.

Der 1968 geborene Kläger ist gelernter Altenpfleger und ausgebildeter Pflegedienstleiter. Er betrieb seit 1989 als Mieter in einer im Eigentum seiner Ehefrau stehenden denkmalgeschützten Immobilie die Pflegeeinrichtung „Altersruhesitz J.“ mit bis zu 32 Pflegeplätzen in K. /Landkreis L.. Als bestandsgeschützte, bereits vor dem 1.1.1995 existierende Einrichtung galt mit ihr nach Inkrafttreten der sozialen Pflegeversicherung ein Versorgungsvertrag im Sinne der §§ 72 ff. SGB XI als abgeschlossen (§ 73 Abs. 3 SGB XI). Ergänzend schloss der Kläger mit den Arbeitsgemeinschaften verschiedener Pflegekassen sowie mit dem Landkreis L. (als zuständigem Sozialhilfeträger) am 8.7.2003 eine „Entgeltvereinbarung über Leistungen der stationären Pflege“ für die genannte Einrichtung.

Die Pflegeeinrichtung ist von den Beklagten in der Vergangenheit wiederholt (zunächst u.a. 28.11.2002, 11.3.2004, 5.7.2005) Qualitätsprüfungen nach §§ 112 ff. SGB XI durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung Niedersachsen und im Lande Bremen (MDK) unterzogen worden. Darüber hinaus fanden Ortsbesichtigungen der Heimaufsicht beim Landkreis L. sowie Erhebungen im Rahmen von Besuchen des zuständigen Betreuungsgerichts statt. In den (Prüf-)Berichten, auf die im Einzelnen verwiesen wird, wurden wiederholt bauliche (mangelnde Barrierefreiheit, Rutsch- und Stolpergefahren, Mauerwerksschäden in Versicherten-Zimmern u.a.), organisatorische (Führung von Mitarbeiterlisten, Qualifikationsnachweise, Durchführung und Dokumentation interner Qualitätssicherungsmaßnahmen, Besetzung der Pflegedienstleitung u.a.) sowie pflegerische Aspekte (Medikamentengabe und -dokumentation, Dekubitusprophylaxe und ‑dokumentation, Diabetesversorgung, Nagelpflege, Versorgung mit Mineralwasser u.a.) kritisiert und teils unmittelbare, teils langfristige Handlungsbedarfe benannt. Die Umstände der Erhebungen sowie die Umsetzung der angemahnten Maßnahmen waren nachfolgend fortdauernd Gegenstand von ausgiebigem, kontroversem Schriftverkehr zwischen dem Kläger und den Beklagten. Der Prüfbescheid der Beklagten vom 5.12.2005 (nach MDK-Prüfung am 5.7.2005) enthält dabei u.a. den Hinweis, dass, sollte bei einer Nachprüfung festgestellt werden, dass die angemahnten Maßnahmen nicht dauerhaft umgesetzt werden, obwohl eine Umsetzung von der Einrichtung dokumentiert bzw. erklärt wurde, eine Kündigung des Versorgungsvertrages erfolgen werde. Mit Schreiben der Beklagten vom 14.6.2006 (im Anschluss an eine MDK-Prüfung am 2.3.2006) und 1.11.2006 (im Anschluss an einer MDK-Nachprüfung vom 26.9.2008) wurde der Kläger „aufgrund von anhaltenden Defiziten bei der Beseitigung der Qualitätsmängel“ bzw. fehlender „persönlicher Zuverlässigkeit des Betreibers … [und der] Gewähr für die leistungsfähige, wirtschaftliche und pflegerische Versorgung“ dahingehend angehört, dass eine fristgerechte Kündigung des Versorgungsvertrages beabsichtigt sei. Die hierauf erfolgten Ausführungen des Klägers wurden in einer erneuten Stellungnahme des MDK vom 22.12.2006 als unzureichend für die Beseitigung der festgestellten Defizite angesehen. Die Prognose, „dass in der Einrichtung eine an den allgemein anerkannten Erkenntnissen qualitativ angemessene pflegerische Versorgung der Versicherten sichergestellt wird, [sei], auch im Hinblick auf die finanzielle Situation des Betreibers, weiterhin als ungünstig zu beurteilen“. Mit Schreiben vom 22.1.2007 kündigten die Beklagten sodann im zuvor hergestellten Einvernehmen mit dem Landkreis L. den Versorgungsvertrag gem. § 74 Abs. 1 SGB XI mit Wirkung zum 31.1.2008 und nahmen zur Begründung im Wesentlichen auf die gutachterliche Stellungnahme des MDK vom 22.12.2006 Bezug.

Auch der Landkreis L. hörte den Kläger mit Schreiben vom 2.4.2007 zu der von ihm gleichermaßen beabsichtigten Untersagung des Heimbetriebes an. Zur Begründung verwies der Landkreis u.a. auf bestehende Rückstände bei der Bedienung von Verbindlichkeiten (Sozialversicherungsbeiträge u.a.), „beharrliche Verweigerungen von Auskünften und Vorlage von Unterlagen zur Aufklärung eines Sachverhalts“ und eine Beurteilung der zuständigen Berufsgenossenschaft nach einer von dieser durchgeführten Betriebsbesichtigung am 20.12.2006. Eine abschließende Untersagung des Heimbetriebes durch die Heimaufsicht ist in den vorliegenden Unterlagen indes nicht dokumentiert.

Über das Vermögen des Klägers wurde auf Antrag des Finanzamts (FA) M. vom 14.8.2006 die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet (Beschluss des Amtsgerichts (AG) – Insolvenzgericht –N. (15 IN 261/06). Nach Begleichung seinerzeit aufgelaufener Steuerschulden durch den Kläger wurde der Insolvenzantrag zurückgenommen; das Verfahren wurde eingestellt (Beschluss des AG N. vom 30.10.2006). Auf Antrag der AOK – Die Gesundheitskasse für Niedersachsen vom 7.12.2007 wurde mit Beschluss des AG N. (15 IN 383/07) vom 29.1.2008 erneut die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Klägers durch einen Insolvenzverwalter und mit Beschluss vom 19.12.2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnet. Die tatsächliche Einstellung des Betriebes erfolgte nach eigenen Angaben des Klägers bereits zum 1.2.2008, nachdem er zunächst noch versucht hatte, die Einrichtung als „fremdbetreutes Seniorenwohnen“ über eine von ihm vertretene Firma („O.“, P.) fortzuführen. Ausweislich des Schlussberichtes des vom AG Syke eingesetzten Insolvenzverwalters vom 1.4.2014 führte das Verfahren zur Feststellung von Insolvenzforderungen gegen den Kläger in Höhe von 488.321,54 €; eine Quote kam nicht zustande, weil bereits die Massekosten nicht gedeckt waren. Mit Beschlüssen vom 14.1.2015 hob das AG Syke das Insolvenzverfahren schließlich auf und erteilte dem Kläger Restschuldbefreiung.

In einem gegen die Kündigung des Versorgungsvertrages vom Kläger zunächst angestrengten Eilverfahren hat es das Sozialgericht (SG) Hannover (S 29 P 18/07 ER) mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 13.4.2007 abgelehnt, die Beklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Pflegeleistungen des Klägers zunächst weiter entsprechend dem bisherigen Vertragsverhältnis zu vergüten. Das Hauptsacheverfahren vor dem SG Hannover (S 29 P 19/07) bzw. dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (L 15 P 12/08) führte mit Urteil des LSG vom 16.10.2014 schließlich dazu, dass die Kündigung aufgehoben wurde: Zwar – so das LSG – „[mögen] die Voraussetzungen einer fristgerechten Kündigung des Versorgungsvertrages vorgelegen haben“, gleichwohl führten (in der Entscheidung näher bezeichnete) Fehler der Beklagten bei der Ausübung des ihr für die Kündigung eingeräumten Ermessens zur Rechtswidrigkeit des Kündigungsbescheides. Auch diese Entscheidung wurde rechtskräftig.

Am 3.7.2015 hat der Kläger vor dem SG Bremen Klage gegen die Beklagten wegen des ihm durch die Kündigung des Versorgungsvertrages entstandenen Schadens sowie gegen fünf Pflegekassen wegen ausstehender Pflegevergütungen für einzelne Versicherte erhoben. Das SG Bremen hat die Klage zunächst mit Beschluss vom 11.8.2015 insgesamt an das örtlich zuständige SG Stade verwiesen. Dieses hat mit Beschluss vom 7.10.2015 die Verfahren wegen der geltend gemachten Pflegevergütungen abgetrennt und als eigenständige Verfahren fortgeführt.

Im Hinblick auf den erhobenen Schadenersatzanspruch hat der Kläger im Wesentlichen angeführt, die rechtswidrige Kündigung stelle eine zumindest fahrlässige Verletzung der sich aus dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsvertrag ergebenden Pflichten dar. Es sei für die Beklagte erkennbar gewesen, dass die Kündigung „bei Wahrung der gesetzlichen Regeln des SGB XI und der Verfahrensvorschriften des SGB X“ nicht habe durchgreifen können. Deshalb habe er Anspruch auf den Ersatz desjenigen Gewinns, der ihm durch die Schließung der Einrichtung „ab dem 1.3.2008 bis zum heutigen Tage“ entgangen sei. Eine realistische Möglichkeit zur Fortführung des Betriebes habe nach der Kündigung nicht mehr bestanden. Auch der zwischenzeitlich (Februar 2008) fehlgeschlagene Versuch, die Einrichtung in Form eines „fremdbetreuten Seniorenwohnens“ bzw. einer „Pflege-WG“ fortzuführen, wäre ohne Kündigung des Versorgungsvertrages und die anschließend „von den Beteiligten der Beklagten erzwungenen Auszüge der Heimbewohner“ nicht unternommen worden. Die Beklagten (und der Landkreis L.) hätten aber auch bereits seit 2003 durch vielfältige, teilweise später für rechtswidrig erklärte Maßnahmen versucht, den Pflegeheimbetrieb zu „eliminieren“. Seinen Antrag auf Abschluss eines auf ein Jahr befristeten Folgevertrages hätten die Beklagten ebenfalls nicht beschieden. Die Pflichtverletzungen der Beklagten bildeten daher die „conditio sine qua non“ (nicht hinwegzudenkende Bedingung) dafür, dass der vormalige Heimbetrieb zum Erliegen gelangt sei. Sie seien deshalb schadenersatzpflichtig.

Als entstandener Schaden seien mindestens die im vorangegangenen Verfahren um die Rechtmäßigkeit der Kündigung zur Streitwertfestsetzung herangezogenen monatlichen Einnahmen in Höhe von 33.666,40 € zugrunde zu legen. Im Übrigen habe er zum Zeitpunkt der Kündigung einen Veräußerungserlös von wenigstens 5.000.000,00 € „am Markt“ erzielen können; auch insoweit sei ihm durch die Kündigung Gewinn entgangen. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Insbesondere sei er nicht verpflichtet gewesen, zur Schadensminderung Beschwerde gegen den Eilbeschluss des SG Hannover einzulegen. Soweit sich die Beklagten hierauf beriefen, stelle dies eine unzulässige Rechtsausübung dar, da sie, wenn sie selbst von der Rechtswidrigkeit ihrer Kündigung überzeugt gewesen sei, diese eigenständig hätte aufheben müssen. Von seiner Forderung in Abzug zu bringen seien daher allenfalls die ihm zwischenzeitlich „für den Zeitraum von etwa 11 Monaten gewährte[n] Alg-II-Leistungen“.

Die Beklagten haben zur Klageerwiderung zunächst gerügt, dass es an einer schlüssigen Darlegung des geltend gemachten Schadens fehle: Der vormals zur Streitwertberechnung zugrunde gelegte Umsatz könne nicht als entgangener Gewinn gewertet werden; auch die Angaben zu einem Schaden in Höhe eines möglichen Veräußerungserlöses seien spekulativ. In der Sache selbst sei zu berücksichtigen, dass der Kläger den Betrieb der Pflegeeinrichtung nicht aufgrund der Kündigung beendet habe, sondern aufgrund einer den Bewohnern bereits mit Schreiben vom 21.1.2008 selbst angekündigten Umstrukturierung zum „fremdbetreuten Seniorenwohnen“. Erst zum 1.3.2008 habe er den Betrieb eingestellt. Er sei damit einer anderen Geschäftsidee nachgegangen, habe den Betrieb auch nicht veräußert, und könne für den hierbei erlittenen Misserfolg nun nicht Geldersatz von der öffentlichen Hand verlangen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers habe zudem bereits zuvor in Frage gestanden. Die Kündigung sei mithin insgesamt nicht ursächlich für den behaupteten Schaden geworden. Im Übrigen habe es der Kläger durch Verzicht auf Rechtsbehelfe im Eilverfahren versäumt, einen ihm (vermeintlich) drohenden Schaden abzuwenden oder zu mindern; der Erfolg in der Hauptsache (Urteil des LSG vom 16.10.2014) spräche dabei dafür, dass auch eine Beschwerde im Eilverfahren aussichtsreich gewesen wäre.

Mit Urteil vom 20.2.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des insoweit einzig in Betracht kommenden § 280 BGB lägen nicht vor. Zwar hätten die Beklagten ihre Nebenpflicht aus dem Versorgungsvertrag, eine Kündigung erst nach Ausübung von Ermessen auszusprechen, verletzt; allerdings sei ihr Fehlverhalten hierauf beschränkt gewesen und nicht ursächlich für die Entstehung des Schadens geworden. In der Rechtsprechung zur haftungsausfüllenden Kausalität bei der Amts- und der unionsrechtlichen Staatshaftung (Bezug auf Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 2.7.1992 – IX ZR 256/91 – und vom 14.6.2018 – III ZR 54/17 - bzw. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16.5.2013 – 8 C 16/12) sei geklärt, dass eine fehlerhafte Ermessensentscheidung nur dann als ursächlich für einen Schaden angesehen werden könne, wenn feststehe, dass der Schaden bei richtiger Handhabung des Ermessens nicht eingetreten wäre. Dieser Maßstab sei auch für die Bewertung der Schadenersatzpflicht aus der Verletzung von Versorgungsverträgen heranzuziehen. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass der vom Kläger geltend gemachte Schaden auch bei fehlerfreier Ermessensausübung der Beklagten entstanden wäre. So habe auch das LSG in seinem Urteil keine Anhaltspunkte dafür erkannt, dass eine Kündigung (wegen „Ermessensreduzierung auf Null“) in jedem Fall hätte unterbleiben müssen. Ob und in welcher Höhe dem Kläger tatsächlich ein Schaden entstanden sei, sei daher unerheblich. Allerdings seien die Angaben des Klägers hierzu auch nicht nachvollziehbar; insbesondere könne der von ihm im vorangegangenen Verfahren vor dem LSG für die Streitwertbemessung genannte Jahresumsatz nicht als Gewinn berücksichtigt werden. Einem Beweisantrag zur Ermittlung eines etwaigen Verkaufserlöses für die Einrichtung sei aufgrund der mangelnden Kausalität ebenfalls nicht nachzugehen. Zudem seien aber auch die Angaben des Klägers hierzu bereits widersprüchlich, wenn er selbst von einem möglichen Verkaufspreis in Höhe von „1,0 bis 1,5 Mio. €“ (lt. Sitzungsprotokoll des SG: „1,5 bis 1,8 Mio. €“) spreche, gleichwohl aber nachfolgend eine Beweiserhebung für einen möglichen Erlös in Höhe von 5 Mio. € beantragen lasse. Über mögliche Ansprüche aus Amtshaftung sei im sozialgerichtlichen Verfahren schließlich nicht zu entscheiden, da diese den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten seien. Auch eine Teilverweisung des Rechtsstreits scheide insoweit aus (Verweis auf Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 31.10.2012 – B 13 R 437/11 B).

Gegen dieses ihm am 16.3.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.4.2019 Berufung eingelegt. Das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Pflichtverletzung der Beklagten allein in der unterbliebenen Ermessensausübung gelegen habe. Das LSG habe in seinem Urteil auch darauf hingewiesen, dass die Kündigung vom 22.1.2007 keine ausreichende Begründung enthalte. Darüber hinaus habe das SG unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagten „in Gestalt deren einzelnen gesetzlichen Krankenversicherer wenigstens beginnend ab dem 18.12.2007 zielgerichtet … [die Heimbewohner] zum Verlassen des Pflegeheims [bewegt hätten]“. Er sei hieran von den Beklagten zu keinem Zeitpunkt beteiligt worden. Hierin lägen weitere, für den entstandenen Schaden ursächliche Pflichtverletzungen der Beklagten. Die vom SG unter Verweis auf Entscheidungen des BGH herangezogenen Grundsätze zur haftungsausfüllenden Kausalität seien zudem nur für deliktische Schadenersatzansprüche entwickelt worden und auf solche aus Vertragsverletzungen nicht übertragbar. Bei diesen bedürfe es eines besonderen Kausalitätsbeweises nicht; vielmehr gelte die Beweiserleichterung des erstens Anscheins (sog. prima-facie-Beweis), dass eine in der Verantwortungssphäre des Schädigers liegende Pflichtverletzung ursächlich für den aus dieser Pflichtverletzung entstandenen Schaden sei. Mithin hätten die Beklagten, zu deren „institutionellen Berufspflichten“ die pflichtgemäße Ermessensausübung zähle, zu beweisen, dass der Schaden bei „gehöriger Pflichtwahrung“ nicht entstanden wäre. Einen solchen Beweis hätten sie jedoch nicht erbracht. Das LSG habe in seinem Urteil vom 16.10.2014 offen gelassen, ob die von ihm angenommenen Tatsachen bei zutreffender Ermessensausübung die Kündigung gerechtfertigt hätten. Tatsächlich hätten die vom LSG angenommenen Tatsachen aber seinerzeit gar nicht vorgelegen. Mängel, die eine Kündigung gerechtfertigt hätten, habe er zu keinem Zeitpunkt eingeräumt; die allein zugestandenen Mängel hätten im Übrigen ohne Weiteres beseitigt werden können. Dies gelte insbesondere für die mit der Kündigung geltend gemachten Verdachtsfälle von initialem bzw. leichtem Dekubitus bei zwei Heimbewohnerinnen sowie etwaige Engpässe bei der Getränkeversorgung. Diese seien sämtlich nicht so gravierend gewesen, dass hierauf eine Kündigung habe gestützt werden können oder müssen. Mildere Mittel seien offenbar von den Beklagten nicht in Betracht gezogen worden. Darüber hinaus sei ein Einvernehmen mit dem Träger der Sozialhilfe nicht hergestellt worden.

 

Zur Schadenshöhe vertritt der Kläger die Auffassung, auch die Streitwertfestsetzung des LSG im Urteil vom 16.10.2014 sei prozessual bindend. Für den Zeitraum vom 1.2.2008 bis 31.7.2019 ergebe sich aus den insoweit zugrunde zu legenden Werten eine Schadenssumme in Höhe von 4.644.825,78 €. Ergänzend habe er Anspruch auf die Feststellung eines Schadens in Höhe des nach gleichen Maßstäben zu berechnenden Gewinns bis zu seinem Eintritt in das gesetzliche Regelaltersrentenalter. Hilfsweise sei ihm der durch eine mögliche Veräußerung des Pflegeheimbetriebes entgangene Gewinn zu ersetzen, den das SG zu ermitteln versäumt habe. Ergänzend hat der Kläger die steuerlichen Jahresabschlüsse über die Pflegeeinrichtung aus den Jahren 2000 bis 2005 sowie Einkommenssteuerbescheide aus den Jahren 2001 und 2004 bis 2006 vorgelegt.

Schließlich seien von den Beklagten auch vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Rechtsstreit zu erstatten; die Beklagten seien hierzu bislang erfolglos aufgefordert worden.

Der Kläger beantragt,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 20.2.2019 aufzuheben,
  2. die Beklagten zu verurteilen, ihm 4.644.825,78 € (entfallend auf den Zeitraum vom 1.2.2008 bis 31.7.2019) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
  3. festzustellen, dass die Beklagten vom Grunde her verpflichtet sind, ihm denjenigen Schaden in Gestalt entgangenen Gewinns zu ersetzen, der ihm infolge des rechtswidrigen Kündigungsbescheides vom 22.1.2007 des Versorgungsvertrages vom 8.7.2003 in der Zeit ab dem 1.8.2019 künftig über die Rechtskraft der Entscheidung hinaus bis zum 30.4.2035 entstehen wird,
  4. die Beklagte zu verurteilen, ihm außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 50.012,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertreten die Auffassung, der Kläger sei bereits nicht aktiv legitimiert, weil die von ihm geltend gemachten Forderungen vom seinerzeit bestellten Insolvenzverwalter hätte verfolgt werden müssen. Außerdem könne er sich nicht auf vertragliche Schadenersatzansprüche stützen, weil sowohl die Kündigung als auch die von ihm gerügten Schreiben an Versicherte und deren Vertreter als Verwaltungsakte ergangen seien, auf die das öffentlich-rechtliche Vertragsrecht einschließlich seines Verweises auf die ergänzend heranzuziehenden Regelungen des BGB keine Anwendung finde. Ohnehin sähen die gesetzlichen Vorschriften eine entsprechende Anwendung des zivilrechtlichen Vertragsrechts nur für „Sozialleistungsbereiche“ vor, zu denen das hier maßgebliche Leistungserbringerrecht nicht zähle. Damit fehle es für das Begehren des Klägers an einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage, welches vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit verfolgt werden könne. Die Rechtsnatur einer Kündigung nach § 74 SGB XI sei seinerzeit in der Rechtsprechung noch nicht geklärt gewesen; die Kündigung vom 22.1.2007 habe vor diesem Hintergrund ohne Weiteres den Anforderungen an eine einseitige (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung entsprochen. Das SG habe zudem in zutreffender Weise eine Ursächlichkeit der vom LSG gerügten Ermessensfehler für den entstandenen Schaden verneint. Hierbei habe es die zivilrechtlichen Rechtsgrundsätze zu Recht nicht auf Amtshaftungsansprüche beschränkt. Im seinem Urteil habe das LSG ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages eigentlich vorgelegen hätten und die Schäden und die Gefährdung der Versicherten ggf. auch zu einer fristlosen Kündigung berechtigt hätten. Darüber hinaus fehle es für einen Schadenersatzanspruch auch an einem Verschulden: Zum Zeitpunkt der Kündigung sei die Rechtslage „völlig verworren“ und daher als „offen“ zu bezeichnen gewesen. Das SG (Hannover) habe sie zunächst bestätigt. Die spätere Missbilligung der Kündigung durch das LSG könne daher nicht als ihr – der Beklagten - Verschulden gewertet werden. Ferner seien die Behauptungen des Klägers zur Schadenshöhe nicht nachvollziehbar: Die der (früheren) Streitwertfestsetzung zugrunde gelegten Einnahmen könnten nicht gleichermaßen als berücksichtigungsfähiger Gewinn angesehen werden. Auch ein hypothetischer Veräußerungsgewinn von 5 Mio. € sei nicht begründbar; die Pflegeeinrichtung seit bereits vor der Kündigung „völlig heruntergewirtschaftet“, überschuldet und vom Kläger lediglich gemietet gewesen. Tatsächliche Veräußerungsbemühungen habe er auch gar nicht erst unternommen. Zusätzlich sei ein erhebliches Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen, der sich über Jahre als „beratungsresistent“ und unzuverlässig gezeigt und hierdurch erst die Veranlassung zur Kündigung gegeben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf das Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 24.8.2023, den sonstigen Inhalt der Prozessakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte und der zum Verfahren beigezogenen Insolvenzverfahrensakte des AG Syke (15 N 383/07) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.

Entscheidungsgründe

Das SG ist zunächst zutreffend – konkludent – von der Eröffnung des Sozialrechtsweges ausgegangen. Gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten (u.a.) in Angelegenheiten der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Dies gilt auch für Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen auf dem Gebiet der sozialen Pflegeversicherung bzw. hiermit im Zusammenhang stehende Schadenersatzansprüche, etwa aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 51 Rn. 9; bzw. zur Eröffnung des Sozialrechtsweges bei Ansprüchen auf Abschluss und gegen die Kündigung eines Versorgungsvertrages nach § 73 SGB XI ausdrücklich § 73 Abs. 2 Satz 1 SGB XI bzw. § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB XI). Da der Kläger einen Anspruch auf Schadenersatz wegen Verletzung von (Neben‑)Pflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Versorgungsvertrag (vgl. dazu Schmidt, in: BeckOGK (Kasseler Kommentar), § 72 SGB XI, Rn. 8 m.w.N.) im Bereich der sozialen Pflegeversicherung geltend macht, ist der Sozialrechtsweg mithin eröffnet. Die Ausnahme des § 51 Abs. 1 Nr. 2, 2. Hs. SGG ist nicht einschlägig. Im Übrigen ist dem Senat aber auch nach § 17a Abs. 5 GVG eine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Entscheidung über den zulässigen Rechtsweg verwehrt.

Die Berufung ist nur zum Teil zulässig. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren auch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 50.012,11 € nebst Zinsen als weiteren Schadenersatz verlangt (Berufungsantrag zu 4.), war dieser Anspruch nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem SG (§ 123 SGG) und ist durch das SG deshalb auch nicht versagt worden. Der Kläger ist insoweit in der Berufungsinstanz nicht beschwert und deshalb nicht rechtsschutzbedürftig.

Hinsichtlich der auch bereits erstinstanzlich geltend gemachten Leistungs- und Feststellungsbegehren (Berufungsanträge zu 2. und 3.) ist die Berufung zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger kann auch zur Überzeugung des Senats hiermit nicht durchdringen. Das angefochtene Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden.

Der Kläger ist zur Verfolgung der von ihm zulässigerweise geltenden gemachten Ansprüche aktivlegitimiert. Der durch Beschluss des AG N. vom 29.1.2008 zu Ziff. 2 verfügte Insolvenzbeschlag ist nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (Beschluss vom 14.1.2015) weggefallen (§ 215 Abs. 2 InsO). Der Kläger war damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem SG am 3.7.2015 (und ist seither) aktivlegitimiert. Gleichermaßen sind die streitgegenständlichen Forderungen weder durch das Insolvenzverfahren noch als Rechtsfolge seines Abschlusses untergegangen.

Das SG ist bei seiner Beurteilung des streitigen Anspruchs zunächst zurecht von § 280 BGB als im Rahmen der sozialgerichtlichen Beurteilung einzig in Frage kommender Rechtsgrundlage ausgegangen. Die Vorschrift findet gem. § 61 Satz 2 SGB X ergänzend zu den Bestimmungen des sozialrechtlichen Vertragsrechts (§§ 53 ff. SGB X) auch für Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträge Anwendung. Der Umstand, dass die Ablehnung (§ 73 Abs. 2 SGB XI) sowie die Kündigung (§ 74 SGB XI) eines Versorgungsvertrages durch die Landesverbände der Pflegekassen nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BSG als Verwaltungsakte gelten (vgl. v.a. Urteil vom 12.6.2008 – B 3 P 2/07 R, juris Rn. 12, m.zahlr.w.N.), steht dem nicht entgegen. Eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsakten (auch) über Entschädigungsansprüche aus einer behaupteten Verletzung öffentlich-rechtlicher Vertragspflichten ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht auch § 37 Abs. 1 SGB I der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des BGB im vorliegenden Fall nicht entgegen. Die Ansicht, § 37 Abs. 1 SGB I erlaube die Anwendung der Vorschriften des SGB X gleichsam nur zu den leistungsrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Bücher des SGB (soweit sich aus ihnen nichts Abweichendes ergibt), nicht aber auch im Bereich des jeweiligen „Leistungserbringerrechts“, findet in Gesetz und Rechtsprechung keine Stütze; sie widerspricht zudem auch der eigenen (zutreffenden) Darstellung der Beklagten, etwa zum Charakter von Kündigungen nach § 74 SGB XI als Verwaltungsakt und den hierauf Anwendung findenden Bestimmungen des SGB X (u.a. §§ 31-52 SGB X).

Nach § 280 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, von diesem Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (Abs. 2). Statt der (Vertrags-)Leistung kann der Gläubiger Schadenersatz allerdings nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 281-283 BGB verlangen (§ 280 Abs. 3 BGB), u.a. wenn die Erbringung der geschuldeten Leistung bei (hypothetisch) fortgeltendem Vertrag – wie hier nach Einstellung des Geschäftsbetriebes durch den Kläger zum 1.2.2008 – unmöglich (geworden) ist (§ 283 Satz 1 i.V.m. § 275 Abs. 1 BGB). Die sich hieraus ergebenden Anforderungen für einen Schadenersatzanspruch des Klägers liegen indes nicht vor. Den Beklagten kann ungeachtet der Frage, ob in ihrer Kündigung des Versorgungsvertrages überhaupt eine Pflichtverletzung gesehen werden kann (dazu nachfolgend a.), bereits kein Verschulden (Vertretenmüssen) vorgeworfen werden (b.). Zudem fehlt es – wie bereits das SG zurecht ausgeführt hat - an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der (möglichen) Pflichtverletzung der Beklagten und dem vom Kläger – im Übrigen auch nur unsubstantiiert - geltend gemachten Schaden (c.).

  1. Der Senat lässt dahingestellt, ob in der Kündigung der Beklagten vom 22.1.2007 überhaupt eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB gesehen werden kann, wovon allerdings offenbar das SG ausgegangen ist. Zwar verletzt eine Vertragspartei, die ein Gestaltungsrecht (Kündigung) unter Missachtung des vertraglich Vereinbarten oder der ihr aus sonstigen zwingenden Vorgaben obliegenden Verpflichtungen ausübt, in der Regel ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB (vgl. etwa für die ungerechtfertigte Kündigung eines Heimversorgungsvertrages durch einen Apotheker unter Nichtbeachtung einer vereinbarten Kündigungsfrist BGH, Urteil vom 14.7.2016 – III ZR 446/15 – m.w.N.). Für Kündigungen, die „lediglich“ mangels gerichtlicher „Anerkennung“ im Übrigen ordnungsgemäß dargestellter Kündigungsgründe unwirksam sind, wird dies jedoch z.T. bezweifelt. „Nicht jedes Ingangsetzen und Betreiben eines gesetzlich normierten Verfahrens [bedingt] eine unzumutbare Belastung des Gegners … , es sei denn, das Vorgehen erweist sich als unredlich“ (Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 31.1.1984 – 4 REMiet 7/83, juris Rn. 49). Auch die Kündigung der Beklagten vom 22.1.2007 wurde vom LSG im Urteil vom 16.10.2014 nicht wegen Missachtung des vertraglich Vereinbarten oder eines im Übrigen „unredlichen“ Vorgehens für unwirksam befunden, sondern weil es die von den Beklagten dargelegten Ermessenserwägungen, anders als zuvor noch das SG Hannover im Urteil vom 29.1.2008, nicht als ausreichend angesehen hat. Dass hieraus im vorliegenden Fall bereits auf eine Pflichtverletzung geschlossen werden kann, erscheint dem Senat zumindest fraglich. Einer abschließenden Entscheidung hierzu bedarf es gleichwohl nicht, weil der streitige Anspruch schon aus den nachfolgenden Erwägungen scheitert.
  2. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Beklagten die (unterstellte) Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zu vertreten haben die Beklagten nach der auch im sozialrechtlichen Vertragsrecht geltenden allgemeinen Bestimmung des § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit, wenn – wie hier- eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da für ein vorsätzlich schädigendes Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der fraglichen Kündigung weder etwas ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen ist, kommt allein eine Fahrlässigkeitshaftung in Betracht. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Bei der Kündigung von Vertragsverhältnissen wird dies v.a. dann angenommen, wenn der das Vertragsverhältnis Kündigende bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam ist, also ein Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht besteht. Anders verhält es sich indes, wenn der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt beruht. Ist die Rechtslage nämlich nicht eindeutig, so handelt der Kündigende solange nicht fahrlässig, als er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte (vgl. für den Bereich der Arbeitgeberkündigung etwa Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 20.6.2002 – 8 AZR 488/01). Entscheidend ist, ob der Kündigende unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit vertretbaren Gründen zu der Annahme gelangen durfte, die Kündigung werde sich als rechtswirksam erweisen. Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (Rechtsirrtum), z.B. über die Wirksamkeit einer Kündigung, muss dies als möglicher Entschuldigungsgrund berücksichtigt werden. Der Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Im Fall einer Kündigung ist dabei nicht erforderlich, dass sich die Kündigung letztendlich als rechtsbeständig erweist, denn der Kündigende darf seine Interessen mit den gesetzlich gebotenen Mitteln verfolgen, sofern er nach vollständiger Würdigung des Sachverhalts die Kündigung für vertretbar halten durfte (Landesarbeitsgericht (LAG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.4.2011 – 9 Sa 1734/10; LAG Hamburg, Urteil vom 13.2.2008 – 5 Sa 69/07).

Der Senat hat keinen Anlass, für den vorliegenden Rechtsstreit von anderen Grundsätzen auszugehen. Zwar folgte eine Verpflichtung zur sorgfältigen Prüfung der Rechtslage vor Ausspruch der Kündigung für die Beklagten nicht nur aus ihrer aus § 241 Abs. 2 BGB resultierenden Rücksichtnahmeverpflichtung gegenüber dem Kläger, sondern auch aus ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur pflichtgemäßen (§ 39 Abs. 1 SGB I) Ausübung des ihr nach §§ 74 Abs. 1 SGB XI eingeräumten Ermessens; auch insoweit begründet jedoch nicht jeder objektive Rechtsirrtum zugleich auch einen Schuldvorwurf. Unter Zugrundelegung der aufgezeigten Maßstäbe haben die Beklagten die (unterstellte) Pflichtverletzung nicht in mindestens fahrlässiger Weise zu vertreten. Zutreffend haben sie vielmehr mit der Berufungserwiderung zum einen darauf hingewiesen, dass der Rechtscharakter der Kündigung eines Versorgungsvertrages nach § 73 SGB XI sowie die hieran im Einzelnen zu knüpfenden Begründungserfordernisse zum Zeitpunkt des Kündigungsschreibens vom 22.1.2007 noch nicht als abschließend geklärt angesehen werden konnte. Das BSG hat erst mit dem o. g. Urteil vom 12.6.2008 klarstellend entschieden, dass eine nach § 74 SGB XI ausgesprochene Kündigung einen belastenden Verwaltungsakt darstellt (BSG, a.a.O., juris Rn. 12 m.zahlr.w.N., auch für die Gegenposition, aktuell u.a. weiterhin Kingreen, in: Berchtold, Huster, Rehborn (Hrsg.), Gesundheitsrecht SGB V/SGB XI, 2. Aufl. 2018, § 74 SGB XI Rn. 3). Auch der 15. Senat des LSG hat den Maßstab für die von den Beklagten bei ihrer Kündigung nicht hinreichend eingehaltenen Ermessensgesichtspunkte in seinem o. g. Urteil vom 16.10.2014 sämtlich aus (eigenen) Entscheidungen abgeleitet, die nach dem 22.1.2007 ergangen waren (so u.a. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.8.2009 – L 14 P 13/09 ER). Schließlich hat auch das SG Hannover in seiner Entscheidung vom 29.1.2008 die im Kündigungsschreiben dargelegten Ermessenserwägungen für ausreichend und die Kündigung deshalb als rechtswirksam angesehen. Vor diesem Hintergrund kann ein auch nur fahrlässiges Vertretenmüssen der Beklagten für die (unterstellte) Pflichtverletzung nicht angenommen werden.

  1. Der Anspruch des Klägers scheitert zudem – wie bereits das SG mit überzeugender Begründung ausgeführt hat – daran, dass ein ihm durch die (unterstellte) Pflichtverletzung der Beklagten ursächlich entstandener, im Übrigen aber aus den vom SG (Urteil S. 5, oben) aufgezeigten Gründen auch nicht substantiiert dargelegter Schaden nicht mit der für die richterliche Überzeugungsbildung (§ 202 SGG i.V.m. § 287 ZPO) erforderlichen Wahrscheinlichkeit als belegt gelten kann. Die hierfür anzuwendenden Maßstäbe hat das SG ausführlich und zutreffend dargestellt; der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen daher zunächst nach eigener Überprüfung an und sieht insoweit von einer weiteren eigenen Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Die vom Kläger dagegen mit der Berufung vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Dabei braucht im Ergebnis nicht abschließend entschieden zu werden, ob die vom SG aufgezeigten Grundsätze zur Beurteilung der Kausalität bei fehlerhaften Ermessensentscheidungen für einen hieraus resultierenden Schaden auch außerhalb des deliktische Schadenersatzrecht, insbesondere auch außerhalb von § 839 BGB, Anwendung finden, ob und inwieweit für den Kläger die zum Anscheinsbeweis („prima-facie-Beweis“) entwickelten Grundsätze (vgl. dazu Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 286 Rn. 12ff.) streiten und ob hierbei sogar – etwa aufgrund „institutioneller Berufspflichten“ der Beklagten – von einer Beweislastumkehr zu seinen Gunsten ausgegangen werden könnte. Denn selbst unter diesen Voraussetzungen wären zunächst die Erkenntnisse aus der sowohl von der Beklagten als auch vom SG und dem erkennenden Senat unternommenen Amtsermittlung (§ 20 SGB X, § 103 SGG) zu berücksichtigen und zudem den Beklagten die Möglichkeit nicht genommen, den Beweis des Gegenteils zu erbringen (BGH, Urteil vom 13.9.2011 - VI ZR 144/10 – m.w.N.). Nichts Anderes besagen die vom SG herangezogenen Grundsätze: Auch bei fehlerhafter Ermessensentscheidung einer Behörde im Rahmen einer Vertragsabwicklung ist festzustellen, was geschehen wäre, wenn die Entscheidung ermessensfehlerfrei erfolgt wäre und wie sich die Vermögenslage des Geschädigten dann gestaltet hätte. Wäre der Schaden auch dann eingetreten, kann die fehlerhafte Ermessensentscheidung nicht als ursächlich hierfür angesehen werden. Die Würdigung der dem Senat vorliegenden Erkenntnisse führt jedoch zu dem Ergebnis, dass der vom Kläger geltend gemachte Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch bei rechtmäßiger Ermessensausübung durch die Beklagten eingetreten wäre:

Neben dem SG Hannover (Urteil vom 29.1.2008) hatte auch bereits das LSG in seiner Entscheidung vom 16.10.2014 ausdrücklich bekräftigt, dass

„nach dem Inhalt der Akten … Vieles dafür [spricht], dass die Beklagten bei Erlass ihres Kündigungsbescheides am 22.1.2007 in der Sache zutreffend davon ausgegangen sind, dass aufgrund anhaltender Defizite bei der Beseitigung festgestellter Qualitätsmängel von einer nicht angepassten pflegerischen Versorgung auszugehen war und es danach sowohl an der erforderlichen persönlichen Zuverlässigkeit des Klägers bei der Wahrnehmung der ständigen Verantwortung als ausgebildete Pflegeperson (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI i.V.m § 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI) als auch – jedenfalls – an der Gewähr für einer leistungsfähige, wirtschaftliche und pflegerische Versorgung fehlte (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI). Da der Anlass für diese Zweifel in der wiederholten Feststellung von Qualitätsmängeln bei den zwischen dem 28.11.2002 und dem 26.9.2006 durchgeführten fünf Qualitätsprüfungen bestand, lag es zudem nahe, in der Sache den Tatbestand der Kündigungsermächtigung nach § 115 Abs. 2 Satz2 SGB XI als erfüllt anzusehen. Substantiiert bestritten hatte der Kläger die festgestellten Qualitätsmängel bis zu dem für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Kündigungsbescheides vom 22.1.2007 nicht mehr.“

Dem Kläger sei es nach eigenen Darstellungen im Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 1.12.2006 auf die (wiederholte) Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung des Versorgungsvertrages

„eingestandenermaßen seit der erstmaligen Qualitätsprüfung am 28.12.2002 innerhalb eines Zeitraums von etwa vier Jahren nicht gelungen, strukturelle Defizite im Bereich der Dokumentation vielfältiger pflegerelevanter Fakten nachhaltig abzustellen.“

Auch danach

„[mögen] die Voraussetzungen einer fristgerechten Kündigung des Versorgungsvertrages vorgelegen haben.“

Einer abschließenden Festlegung im Urteil vom 16.10.2014 bedurfte es dabei nach dem vom LSG eingenommenen Rechtsstandpunkt nicht.

Der Senat ist aber auch bei eigener Würdigung der vorliegenden Erkenntnisse davon überzeugt, dass selbst bei einer den vom damaligen Senat des LSG erkannten Anforderungen genügenden Ermessensausübung der Beklagten die Kündigung vom 22.1.2007 voraussichtlich – im Rahmen des hierbei regelmäßig eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 54 Rn. 28f.) - rechtmäßig gewesen wäre. Dass die Pflegeeinrichtung des Klägers „nicht nur vorübergehend eine der Voraussetzungen des § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI [in der noch seinerzeit geltenden Fassung - a.F.] nicht oder nicht mehr erfüllt“ hat (§ 74 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F.), erschließt sich ohne Weiteres aus den dokumentierten Ergebnissen der vorliegenden Qualitätsprüfungen sowie den Erkenntnissen der Heimaufsicht des Landkreises L. und des Betreuungsgerichts. Selbst wenn danach – bei durchgängig zögerlicher bzw. unzureichender Mitarbeit des Klägers - anfangs noch von einer Umsetzung der zur Mängelbeseitigung jeweils aufgezeigten Maßnahmen ausgegangen wurde (u.a. Schreiben der Beklagten an das AG M. vom 30.6.2005 bzw. Schreiben an den Kläger vom 24.1.2006), lässt sich eine nachhaltige Verbesserung der Gesamtsituation im Verlauf nicht erkennen. Im Ergebnis der erneuten MDK-Nachprüfung vom 2.3.2006 wurden vielmehr erneut 14 (zzgl. Unterpunkten) teils vorbekannte Bereiche des unmittelbaren Handlungsbedarfs aufgezeigt, die sowohl die persönliche Zuverlässigkeit des Klägers als auch die Gewähr für die leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung in Zweifel zogen. In der hierauf erfolgten (ersten) Anhörung zur beabsichtigten Kündigung des Versorgungsvertrages hat der Kläger über seinen damaligen Bevollmächtigten selbst nach „eingehendem Studium der Unterlagen und der Prüfberichte … insgesamt ein Bild deutlicher Defizite im Bereich der Pflegeplanung und der Pflegedokumentation“ eingeräumt; allerdings sei es „zu keiner Zeit zu einer Schädigung der Bewohner“ gekommen. Die anschließend noch einmal veranlasste Nachprüfung des MDK am 29.6.2006 führte allerdings erneut zu teils vorbekannten, teils neuen Defiziten und Mängeln, zu denen der Kläger wiederum – bei Bestreiten der Vorwürfe im Übrigen – „in der Zwischenzeit nicht unerhebliche Probleme bei der Umsetzung der … vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung der Struktur- und Prozessqualität in der Einrichtung“ einräumte (Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 1.11.2006). Eine Bestätigung der pflegerischen Situation findet sich nicht zuletzt auch in den Aussagen der Zeugen Q. (Mitarbeiter des MDK) und R. (Bediensteter des Landkreis L.) im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Hannover am 29.1.2008, die es u.a. als „Ausnahme“ beschrieben, dass „solche Mängel … auch nach der achten Qualitätsprüfung immer noch auftreten“; es habe sich um Mängel gehandelt, die „zum Einmaleins der Pflege gehören und die selbst ohne größeren Schulungs- und Fortbildungsaufwand hätten beherrscht werden müssen“ (Zeugin Q.). Die „vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Heimaufsicht und Herrn S. [sei] nachhaltig gestört. Dies [liege] vor allem daran, dass Herr S. regelmäßig weder zu einem Entgegenkommen noch zu einer Mitarbeit bereit [sei], wie man das von einem seriösen Heimbetreiber wohl erwarten [könne]“ (Zeuge R.).

Die wirtschaftliche Situation der Pflegeeinrichtung (vgl. § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI a.F.) stellte sich zudem ebenfalls spätestens seit 2006 als unzureichend dar. Bereits im Rahmen des ersten Insolvenzverfahrens (2006) kam der vom AG N. eingesetzte Insolvenzverwalter Dr.  T. anlässlich einer Besprechung mit dem Kläger, dem MDK und Vertretern des Landkreises L. am 25.10.2016 ausweislich des hierüber gefertigten Vermerkes des Fachdienstes Soziales beim Landkreis L. vom 26.10.2006 zu der Beurteilung, dass „die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit [der Einrichtung] nicht mehr gegeben [sei] [und] der Betrieb nicht mehr weitergeführt werden kann, ohne eine Gefährdung der Bewohner in Kauf zu nehmen“. Zwar konnte der Kläger das Insolvenzverfahren seinerzeit nach dem Gutachten desselben, auch im nachfolgenden Verfahren (2008) eingesetzten Insolvenzverwalters vom 17.12.2008 „noch durch Teilzahlung [an das Finanzamt M.] erledigen“; rückblickend habe der Kläger jedoch bereits per 31.12.2015 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistung in Höhe von etwa 241.200,00 € „nicht annähernd“ bedienen können. Für die vom Kläger behauptete Forderung aus „ungerechtfertigter Kündigung des Betreuungsvertrages … in 6-stelliger Höhe“ setzte der Insolvenzverwalter darin einen „Erinnerungswert“ von „1,00 €“ an, da bereits aufgrund säumiger Sozialversicherungsbeiträge – allein zugunsten der AOK Niedersachsen i.H.v. 20.153,62 € zzgl. Säumniszuschläge - „ein Grund zur außerordentlichen Kündigung des vormaligen Vertragsverhältnisses bestanden haben [dürfte]“. Der Senat hat sowohl hiernach als auch aus dem Inhalt der übrigen vorliegenden Unterlagen keinen Anlass, insgesamt zu einer anderen Bewertung.

Das LSG hat die Rechtswidrigkeit der Kündigung vom 22.1.2007 in seinem o. g. Urteil auch entgegen dem Berufungsvorbringen des Klägers nicht zusätzlich – über den angenommenen Ermessensfehler hinaus - noch wegen eines eigenständigen, auf den Inhalt der Entscheidung „durchschlagenden“ Begründungsmangels (§ 35 SGB X) festgestellt. Vielmehr hat es (S. 10 des Urteils) ausdrücklich ausgeführt, der Kündigungsbescheid sei „aufzuheben, weil Fehler der Beklagten bei der Ausübung ihres Kündigungsermessen zu seiner Rechtswidrigkeit führen“; den hierzu von ihm „dargelegten Anforderungen“ genüge er nicht. Ob die Beklagten ggf. „weitergehende Erwägungen angestellt“, aber nicht in die Begründung des Bescheides aufgenommen habe, und der Kündigungsbescheid deshalb an einem Begründungsmangel leide, hat das LSG ausdrücklich (S. 13) nicht entschieden. Der erkennende Senat hat allerdings hierfür auch keine Anhaltspunkte.

Sonstige Gesichtspunkte, die ungeachtet der unzureichenden Ermessensausübung ohnehin zu einer Rechtswidrigkeit der Kündigung oder von dieser unabhängig zu dem behaupteten Schaden geführt hätten, vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen:

Entgegen dem Berufungsvorbringen des Klägers war die Kündigung nicht bereits rechtswidrig, weil zu ihr nicht vorab das Einvernehmen mit dem zuständigen Sozialhilfeträger nach § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB XI a.F. hergestellt worden wäre. Ausweislich der in den Akten dokumentierten E-Mail des Zeugen R. beim Landkreis L. an die Beklagten vom 17.1.2007 ist dies vielmehr ausdrücklich der Fall gewesen; eine bestimmte Form war für dieses Einvernehmen nicht verlangt.

 

Auch die Behauptung des Klägers, die Beklagten hätten der rechtswidrigen Kündigung vom 22.1.2007 „weitere, für den Schaden ursächlich kausale Pflichtverletzungen“ folgen lassen, in dem „die Beklagten in Gestalt deren einzelnen gesetzlichen Krankenversicherer wenigstens beginnend ab dem 18.12.2007 zielgerichtet an die einzelnen versicherten … Heimbewohner herantraten … [und sie] zum Verlassen des Pflegeheims bewegten“, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Abgesehen davon, dass es schon die Aufklärung- und Beratungspflicht (§§ 14, 15 SGB I) von Sozialversicherungsträgern gebietet, Versicherte bei absehbaren Veränderungen auf die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für ihre Leistungsansprüche hinzuweisen, ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein insoweit etwaig zu rügendes Verhalten anderer („deren einzelnen gesetzlichen Krankenversicherer“) den Beklagten zuzurechnen wäre.

Der Sachverhalt zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs war auch nicht von Amts wegen oder aufgrund wirksam gestellter Beweisanträge des Klägers weiter aufzuklären. Die zur Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen tatsächlichen Umstände ergeben sich erschöpfend aus den dem Senat vorliegenden Unterlagen. Sie bekräftigen – wie ausgeführt – das Bereits vom SG im Urteil vom 20.2.2019 gefundene Ergebnis. Anhaltspunkte für eine sinnvolle weitere Sachaufklärung vermag der Senat – zumal mehr als 15 Jahre nach Aufgabe des Geschäftsbetriebes der Einrichtung - nicht zu erkennen. Diese war auch aufgrund von berücksichtigungsfähigen Beweisanträgen des Klägers nicht (mehr) geboten (§ 103 Satz 2 SGG). Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt u.a. BSG, Beschluss vom 5.6.2023 – B 12 BA 12/22 B – m.w.N.) stellt das Übergehen eines Beweisantrages eines Beteiligten nur dann einen Verfahrensfehler dar, wenn der Beteiligte das Gericht vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen hat, dass er die Amtsermittlungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist ein sowohl das Beweismittel, das Beweisthema und die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, angebender Antrag in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll oder – bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung – schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, zu dem feststand, dass das Gericht von sich aus weitere Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, zu stellen und bis zuletzt aufrechtzuerhalten (BSG, a.a.O., juris Rn. 17). Auch einem so gestellten Beweisantrag ist zudem nicht nachzugehen, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet, untauglich oder unerreichbar ist (B.Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 103 Rn. 8 m.w.N.).

Dem hiernach einzig ordnungsgemäß vom Kläger gestellten und in der mündlichen Verhandlung am 24.8.2023 aufrechterhaltenen Beweisantrag, entsprechend seinem Antrag in der Verhandlung vom 20.2.2019 vor dem SG Ermittlungen zu einem hypothetischen Verkaufspreis für die Pflegeeinrichtung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durchzuführen, war nicht nachzugehen, weil es hierauf nach der Rechtsauffassung des Senats mangels Vertretenmüssens der Beklagten und mangels Kausalzusammenhangs der Kündigung mit einem insoweit eingetretenen Schaden nicht (mehr) ankommt.

Die übrigen, von ihm im Verlaufe des Verfahrens gestellten „Beweisanträge“ hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bereits nicht aufrechterhalten. Dem mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 28.4.2020 gestellten Antrag, die Gerichtsakte des SG Hannover/LSG (S 29 P 19/07/L 15 P 12/08) zum Beweis der Tatsache beizuziehen, dass „der Tatbestand des § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB XI weder zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 22.1.2007 vorlag noch zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens am 31.1.2008 erfüllt war“, war zudem schon deshalb nicht nachzugehen, weil er sich nicht auf eine Tatsache, sondern auf eine rechtliche Würdigung, bezieht, die Akten zum Beweis der behaupteten „Tatsache“ ungeeignet sind und sie überdies ohnehin von Amts wegen beigezogen wurden. Soweit der Kläger schließlich mit selbem Schriftsatz die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt hat, dass Kündigungsgründe in seiner Person bezogen auf das Datum der Kündigung bzw. ihres Wirksamwerdens nicht vorgelegen haben, gilt nichts Anderes. Der Kläger verfolgt auch damit augenscheinlich das Anliegen, die dem Senat vorbehaltene rechtliche Würdigung durch ein „externes Beweismittel“ zu ersetzen; dies kann nicht Gegenstand eines zulässigen Beweisantrages sein.

In Ermangelung eines durch eine der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung schuldhaft verursachten Schadens bedarf es deshalb auch eines Eingehens auf ein etwaig auf Seiten des Klägers zu berücksichtigendes Mitverschulden (§ 61 Satz 2 SGB X i.V.m § 254 BGB) nicht. Gleichermaßen scheidet aus den dargestellten Gründen die vom Kläger begehrte Feststellung einer Haftung der Beklagten für ihm zukünftig – bis zum 30.4.2035 – entstehende Schäden aus.

Etwaige Amtshaftungsansprüche (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) fallen – wie das SG ebenfalls bereits zurecht ausgeführt hat – nicht in die Entscheidungskompetenz der Sozialgerichtsbarkeit; sie sind im vorliegenden Verfahren vom Kläger aber auch weder geltend gemacht noch von ihm anderweitig rechtshängig gemacht worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 a.E. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG; ein höherer Streitwert als 2.500.00,00 € war dabei nicht festzusetzen (§ 52 Abs. 4 Nr. 2 GKG).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung vermag der Senat der Rechtssache nicht beizumessen; die wesentlichen Grund-sätze des anwendbaren Schadenersatzrechts sind etabliert und bedürfen aus Anlass des vorliegenden Falles keiner Überprüfung. Rechtswirkungen über den entschiedenen Einzelfall hinaus sind ebenfalls nicht ersichtlich. Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers behauptete Abweichung „des angegriffenen Urteils“ (?) von der Entscheidung des LSG vom 16.10.2014 besteht schon deshalb nicht, weil der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatz nicht Gegenstand des damaligen Rechtsstreits war. Ein Abweichen seiner Entscheidung von den vom Prozessbevollmächtigten behaupteten „anderen höchstrichterlichen Entscheidungen“, vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen.

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Rechtskraft
Aus
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