Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.04.2022 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2021 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2020 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2020. Umstritten ist, ob sie die An-wartschaftszeit erfüllt hat.
Die am 00.00.0000 geborene Klägerin arbeitete bis zum 30.06.2019 bei den H. in Ü.. Vom 20.06.2019 bis zum 28.06.2019 bezog sie Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 08.05.2019 zum 30.06.2019, da die Klägerin in den „Vorruhestand“ gehen wollte. Die Klägerin erhielt eine Abfindung iHv 45.587,15 €, die in Form eines „Überbrückungsgeldes“ ausgezahlt wurde. In der Zeit vom 01.07.2019 bis zum 30.06.2020 erhielt sie monatlich 792,82 €, vom 01.07.2020 bis zum 15.08.2021 keine Auszahlung und vom 16.08.2021 bis zum 31.05.2025 wieder 792,82 €.
Am 09.05.2019 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten folgende Erklärung ab:
„Erklärung zum Anspruchsbeginn
Ich bin über die leistungsrechtlichen Konsequenzen dieser Erklärung umfassend beraten und informiert worden. Mir ist bekannt, dass ich nicht über die Agentur für Arbeit kranken-, renten-, und pflegeversichert bin, solange ich kein Arbeitslosengeld erhalte.
Mein Anspruch auf Arbeitslosengeld soll am 1. Juli 2020 entstehen“
Nach dem 31.12.2019 stand die Klägerin nicht mehr in einem Versicherungspflichtverhältnis.
Die Klägerin meldete sich am 28.07.2020 (coronabedingt) telefonisch arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 25.11.2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie führte aus, die Klägerin sei in der Zeit vom 28.01.2018 und 27.07.2020 (Rahmenfrist) weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (§ 142 und § 143 SGB III). Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, sie sei in der von der Beklagten genannten Rahmenfrist sehr wohl zwölf Monate beschäftigt gewesen. Sie habe vom 01.07.2018 bis zum 30.06.2019 beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In Abänderung des Bescheides vom 25.11.2020 werde klargestellt, die Rahmenfrist umfasse die Zeit vom 28.07.2018 bis 27.07.2020, da unter Berücksichtigung von § 447 Abs. 1 SGB III die §§ 142, 143 und 147 SGB III in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung Anwendung finden und die Widerspruchsführerin die sonstigen Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld erstmalig am 27.07.2020 erfülle. Innerhalb der Rahmenfrist seien nur 329 Kalendertage zu berücksichtigen, in denen die Widerspruchsführerin versicherungspflichtig gewesen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 26.01.2022 Klage erhoben. Sie habe bis zum 31.12.2019 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Die Rahmenfrist müsse zudem gem. § 147 SGB III in der neuen Fassung 30 Monate betragen. Dass die neue Fassung des § 147 SGB III gem. § 447 Abs. 1 SGB III auf sie keine Anwendung finde, stelle eine unbillige Härte dar.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2020 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 19.01.2021 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen und hierüber einen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, in der Rahmenfrist vom 28.07.2018 bis zum 30.06.2019 habe die Klägerin (nur) an 334 Tagen in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden. Hiervon seien sogar noch einige Tage abzuziehen, an denen die Klägerin an einer berufsfördernden Maßnahme teilgenommen und Übergangsgeld bezogen habe.
Mit Urteil vom 27.04.2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin profitiere gem. § 447 Abs. 1 SGB III nicht von der verlängerten Rahmenfrist. Im danach maßgeblichen Zeitraum vom 28.07.2018 bis 27.07.2020 habe sie nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis von zwölf Monaten gestanden. Diese Rechtlage sei nicht verfassungswidrig, der Umstand, dass der Klägerin für zukünftige Fälle eingeräumte Vergünstigung vorenthalten werde, stelle keinen Eingriff in eine bereits bestehende grundrechtlich geschützte Rechtsposition dar.
Gegen das ihr am 05.05.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.05.2022 Berufung eingelegt. In ihrem Fall sei die Rahmenfrist von 30 Monaten einschlägig. § 447 Abs. 1 SGB III sei verfassungswidrig, da die Vorschrift zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung führe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.04.2022 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2021 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld ab dem 01.07.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat auf Nachfrage durch den Senat mitgeteilt, zum Zustandekommen der Erklärung vom 09.05.2019 keine Angaben machen zu können. Vermittlungsbemühungen sind in den von der Beklagten auf Aufforderung des Senats übersandten Vebis-Vermerken ab dem 28.07.2020 dokumentiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin hat ab dem 01.07.2020 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, den sie zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG), die auf den Erlass eines Grundurteils gereichtet ist (§ 130 Abs. 1 SGG), verfolgt.
Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld sind ab dem 01.07.2020 erfüllt. Die Klägerin war ab diesem Zeitpunkt (und auch schon zuvor, dazu unten) arbeitslos iSd §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, § 138 Abs. 1 SGB III. Sie war beschäftigungslos, denn sie stand nicht in einem Beschäftigungsverhältnis (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Sie war bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und stand den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung (Verfügbarkeit). Ungeachtet ihres fortgeschrittenen Alters sind in den Verbis-Vermerken ab dem 28.07.2020 Bemühungen dokumentiert, die Klägerin in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie wurde von Beginn an als „stellensuchend“ geführt und die Beklagte schloss mit ihre eine Eingliederungsvereinbarung ab. Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere die Verfügbarkeit erst am 28.07.2020, nicht aber bereits am 01.07.2020 eingetreten ist, sind nicht ersichtlich. Die Klägerin hat vielmehr am 09.05.2019 ausdrücklich erklärt, ab dem 01.07.2020 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen zu wollen. Dass evtl. die Beklagte erst später aktiv mit Vermittlungsbemühungen begonnen hat, ändert an der Verfügbarkeit der Klägerin nichts.
Die Klägerin hat sich entgegen der Annahme der Beklagten nicht erst am 28.07.2020, sondern bereits am 09.05.2019 iSd §§ 137 Abs. 1 Nr. 2, 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der 2019 gF persönlich arbeitslos gemeldet. Eine Arbeitslosmeldung liegt vor, wenn der Arbeitslose in der zuständigen Agentur für Arbeit erscheint und jedenfalls sinngemäß zum Ausdruck bringt, er sei arbeitslos; ob darüber hinaus weitere Erklärungen abgegeben werden - etwa ein Auskunftsersuchen - muss nicht entscheidend sein (BSG Urteil vom 19.01.2005 – B 11a/11 AL 41/04 R). Die Klägerin hat unstreitig am 09.05.2019 bei der Beklagten vorgesprochen, dies hat sie in der mündlichen Verhandlung nochmals bekräftigt. Zweifel an ihren Angaben hat der Senat nicht. Der Senat geht auch davon aus, dass die Klägerin am 09.05.2019 iSd § 141 Abs. 1 Satz 1 SGB III mitgeteilt hat, ab dem 01.07.2019 arbeitslos zu sein. Denn der Zeitpunkt lag genau einen Tag nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags mit den H.. Eine abweichende Erklärung, weshalb die Klägerin bei der Beklagten vorgesprochen haben sollte, ist nicht ersichtlich. Die Klägerin hat auf Befragung des Senats in der mündlichen Verhandlung keinen Geschehensablauf geschildert, der Anlass gibt, an der Arbeitslosmeldung am 09.05.2019 zu zweifeln. Verbleibende Zweifel würden im Übrigen zu Lasten der Beklagten gehen (dazu BSG Urteil vom 07.07.2005 – B 3 P 8/04R; SG Aachen Urteil vom 10.11.2015 – S 11 BK 12/15), da diese unstreitig ihre Dokumentationspflichten verletzt hat, indem der Akteninhalt und insbesondere die Verbis-Vermerke keinerlei Eintragungen über die erfolgte Vorsprache enthalten.
Die Wirkung dieser Meldung war auch am 01.07.2020 noch vorhanden. Gem. § 141 Abs. 2 SGB III in der 2019 gF erlischt die Wirkung der Meldung 1. bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit, 2. mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder als mithelfender Familienangehöriger, wenn die oder der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Eine Beschäftigung hatte die Klägerin nicht aufgenommen. Die Wirkung der Meldung war aber auch nicht etwa deshalb erloschen, weil die Klägerin für mehr als sechs Wochen nicht verfügbar war und deshalb die Arbeitslosigkeit für mehr als sechs Wochen unterbrochen war. Dies folgt aus der Ausübung des Bestimmungsrechts aus § 137 Abs. 2 SGB III durch die Klägerin. Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Person nach dieser Vorschrift bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll. Von diesem Bestimmungsrecht hat die Klägerin am 09.05.2019 Gebrauch gemacht, indem sie verfügt hat, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld erst am 01.07.2020 beginnen soll. Haben sich antragstellende Personen – wie die Klägerin – arbeitslos gemeldet und dabei ihr Bestimmungsrecht nach § 137 Abs. 2 SGB III in der Weise ausgeübt, dass der Anspruch (erst) zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt entstehen soll, so ist die Entstehung des Anspruchs grundsätzlich nicht von einer weiteren Arbeitslosmeldung abhängig. Weil mit der Arbeitslosmeldung auch grundsätzlich die Arbeitsbereitschaft zum Ausdruck gebracht wird, kann allein aus der Ausübung des Bestimmungsrechts nicht geschlossen werden, dass die subjektive Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 3 u. 4 SGB III fehle (abweichend insoweit Sächsisches LSG Urteil vom 11.06.2020 – L 3 AL 111/19). Auch im Zeitraum bis zum durch Erklärung bestimmten Zeitpunkt der Anspruchsentstehung können Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen. Das Fehlen der Arbeitsbereitschaft kann erst dann angenommen werden, wenn Arbeitslose durch eine ausdrückliche Erklärung oder ihr Verhalten konkrete Anhaltspunkte für eine Arbeitsunwilligkeit geben (Baldschun in BeckOGK SGB III § 137 Rn. 24). Das ist hier nicht der Fall.
Soweit in der Literatur vertreten wird, wegen § 141 Abs. 1 Satz 3 SGB III („Eine Meldung ist auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist“) der zeitliche Abstand zwischen der Arbeitslosmeldung und dem gewünschten Entstehenszeitpunkt des Stammrechts in der Regel nicht mehr als drei Monate betragen dürfe und nach drei Monaten eine erneute Arbeitslosmeldung erfolgen müsse (so Öndül in JurisPK SGB III § 137 Rn. 43), folgt der Senat dem nicht. Für eine derartige Einschränkung gibt es keine gesetzliche Grundlage. Die in Bezug genommene Regelung des § 141 Abs. 1 Satz 3 SGB III (in der ab dem 01.01.2022 gF, zuvor § 141 Abs. 1 Satz 2 SGB III) regelt einen anderen Sachverhalt und soll (lediglich) verhindern, dass aufgrund einer allzu frühen Arbeitslosmeldung unnötiger Vermittlungsaufwand entsteht (BSG Urteil vom 18.05.2010 – 7 AL 49/08 R; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, § 141 Rn. 44 mwN). Für die Auslegung des Bestimmungsrechts nach § 137 Abs. 2 SGB III gibt dieser Gesetzeszweck nichts her.
Schließlich hatte die Klägerin die Anwartschaftszeit gem. §§ 142 Abs. 1 Satz 1, 143 Abs. 1 SGB III in der 2019 gF erfüllt. Die zweijährige Rahmenfrist beginnt gem. § 143 Abs. 1 SGB III aF mit der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Wird über den Anspruch auf Arbeitslosengeld gem. § 137 Abs. 2 SGB III disponiert, ist der so bestimmte Tag für den Beginn der Rahmenfrist maßgeblich (Öndül in JurisPK SGB III § 143 Rn. 30; dazu auch Valgolio in Hauck/Noftz SGB III § 137 Rn. 66). Die Rahmenfrist reicht daher vorliegend vom bis 01.07.2018 zum 30.06.2020. In diesem Zeitraum stand die Klägerin bei den H. zwölf Monate (01.07.2018 bis 30.09.2019) in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis iSd § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III.
Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Annahmen der Beklagten und des Sozialgerichts bezüglich einer erstmaligen Arbeitslosmeldung am 28.07.2020 wäre der Anspruch allerdings nicht gegeben, da die Klägerin dann die Anwartschaftszeit als Voraussetzung für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) nicht erfüllt hätte. Die Anwartschaftszeit hat gem. § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143 SGB III) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gem. § 143 Abs. 1 SGB III in der ab 01.01.2020 gF 30 Monate und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 137 Abs. 1 SGB III. Die Rahmenfrist würde hiernach also – wie zunächst in dem Ablehnungsbescheid ausgeführt – vom 28.01.2018 bis zum 27.07.2020 reichen. In dieser Zeit hätte die Klägerin mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, denn sie war vom 28.01.2018 bis zum 30.06.2019 versicherungspflichtig (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) beschäftigt. Für die Klägerin gelten allerdings gem. § 447 Abs. 1 SGB III die §§ 142 und 143 SGB III in der bis zum 31.12.2019 gF. Denn sie stand nach dem 31.12.2019 nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis. § 143 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2019 gF bestimmte eine Rahmenfrist von zwei Jahren. Dies reichte vom 28.07.2018 bis zum 27.07.2020, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid dann richtig festgestellt hat. In dieser Zeit hatte die Klägerin keine zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden, da sie die Beschäftigung schon zum 30.06.2019 beendet hatte und anderweitige Versicherungszeiten nicht vorliegen.
Die Übergangsregelung des § 447 Abs. 1 SGB III ist nicht verfassungswidrig, sie verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Die Wahl des Zeitpunkts muss sich allerdings am gegebenen Sachverhalt orientieren (BVerfG Urteil vom 07.07.1992 – 1 BvL 51/86 u.a. zur Stichtagsregelung für Kindererziehungszeiten im HEZG mwN). § 143 SGB III ist ab 01.01.2020 neu geregelt worden durch Art. 2 Nr. 2 des QualifizierungschancenG vom 18.12.2018 (BGBl I, 2651). Gleichzeitig ist als Übergangsregelung § 447 Abs. 1 SGB III eingefügt worden (Art. 2 Nr. 4 QualifizierungschancenG). Der Gesetzgeber hat das neue Recht auf Fälle beschränkt, in denen nach Inkrafttreten des neuen Rechts ein neuer Bearbeitungsbedarf entsteht. Dies ist sachgerecht. Es ist dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verwehrt, künftige Begünstigungen nur auf künftige Bearbeitungsfälle zu erstrecken und abgeschlossene Sachverhalte unberührt zu lassen. Ansonsten müssten nicht nur laufende Fälle aufgegriffen werden (im Hinblick auf die Anspruchsdauer), sondern - wie vorliegend - auch alle Ablehnungsbescheide, die wegen der Nichterfüllung der Anwartschaftszeit ergangen sind. Dies wäre evident unpraktikabel und würde zu einer neuen Ungleichbehandlung führen, indem nämlich nur die Personen profitieren würden, die sich nach dem 31.12.2019 erneut arbeitslos melden oder einen anderweitigen Bearbeitungsvorgang auslösen. Eine flächendeckende Erfassung aller betroffenen Fälle ist nicht möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG)