Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 18.08.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses vom 03.08.2021 als Arbeitsunfall.
Der am 00.00.0000 in Spanien geborene Kläger war als Postzusteller bei einem Unternehmen in Ü. angestellt beschäftigt.
Am 16.08.2021 stellte sich der Kläger beim Durchgangsarzt S. vor und schilderte, er habe am 03.08.2021 beim Ausliefern von Briefen aufgrund eines anderen Verkehrsteilnehmers stark bremsen müssen und sich an der Halswirbelsäule (HWS) verletzt. Er klagte über Schmerzen an der HWS.
Der Durchgangsarzt diagnostizierte am 16.08.2021 eine HWS-Distorsion und gab ergänzend an, bei dem Kläger bestünden ausgedehnte degenerative Veränderungen der HWS mit ausgeprägter Spangenbildung der gesamten HWS.
Mit Schreiben vom 12.09.2021 teilte der Kläger der Beklagten zum Unfallhergang sinngemäß mit, nachdem er am 03.08.2021 mit seinem Lieferwagen Briefe beim Postamt im R. abgeholt habe, habe er scharf bremsen müssen, da ein anderes Fahrzeug ihm die Vorfahrt genommen habe. Beim Bremsen habe er einen so starken Schlag gespürt, dass sein Hals mit einem Krachen umgebrochen sei. Er habe starke Schmerzen und Schwindelgefühle verspürt und sei eine halbe Stunde betäubt gewesen, bis er habe weiterfahren können. Am nächsten Tag sei er zum Arzt gegangen, der sei jedoch bis zum 16.08.2021 im Urlaub gewesen. Aufgrund des Personalmangels habe er trotz Schmerzen weitergearbeitet. Vom 16.08.2021 bis 05.09.2021 habe er Urlaub gehabt und sei am 16.08.2021 zu seinem Arzt gegangen. Dieser habe ihn zum Orthopäden geschickt, der ihn geröntgt habe.
In einem späteren Schreiben teilte der Kläger der Beklagten sinngemäß mit, er habe stark abbremsen müssen, ohne mit dem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen zu sein. Er habe einen starken Schlag auf den Hals und gegen das linke Knie erhalten. Er sei an die Scheibe angeschlagen und habe seitdem Schmerzen, von denen er sich nicht erholt habe. Der Gurt sei dabei gerissen und der Fahrersitz habe nachgegeben. Er klagte über mangelnde Arbeitssicherheit. Sein Fahrzeug sei in einem sehr schlechten Zustand gewesen.
Am 10.11.2021 erlitt der Kläger nach eigenen Angaben einen weiteren Arbeitsunfall, als er bei seiner beruflichen Tätigkeit beim Aussteigen aus seinem Fahrzeug auf nassem Laub ausgerutscht und auf das linke Knie gefallen sei. Nach diesem Ereignis klagte er über Beschwerden am linken Knie und Anfang des Jahres 2022 zusätzlich über Beschwerden der rechten Schulter, wobei er insoweit vortrug, er sei bei dem Ereignis vom 10.11.2021 auch auf die rechte Schulter gefallen. Eine MRT-Untersuchung am 02.03.2022 ergab u.a. degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette sowie eine AC-Gelenkarthrose. Seit dem 15.11.2021 war der Kläger durchgängig arbeitsunfähig, zunächst unter der Diagnose einer Knieprellung und später aufgrund der Schulterbeschwerden.
Der Arbeitgeber des Klägers teilte der Beklagten telefonisch am 25.02.2022 mit, ein Arbeitsunfall vom 03.08.2021 sei ihm nicht bekannt. Es sei nur der Unfall vom 10.11.2021 angezeigt worden.
Die Beklagte beauftragte den den Kläger behandelnden Orthopäden S. mit einem Zusammenhangsgutachten. Der in der gleichen Praxis tätige Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie T. teilte der Beklagten daraufhin in einem Bericht vom 16.05.2022 mit, der Kläger habe sich am 16.08.2021 vorgestellt und über HWS-Schmerzen geklagt. Die Röntgenaufnahmen der HWS in zwei Ebenen hätten keine Frakturnachweise gezeigt, eine regelrechte Artikulation sowie ausgedehnte, degenerative Veränderungen an der HWS mit Osteophytenanbauten. Nach der Beschreibung des Unfallhergangs sei der Unfall nur für die HWS-Distorsion verantwortlich. Der Kläger sei von ihm wegen des Ereignisses vom 03.08.2021 nie arbeitsunfähig geschrieben worden. Durch die Distorsion könne es zu einer Muskelverspannung sowie Facettenreizung im Bereich der HWS gekommen sein. Es habe sich um eine vorübergehende Verschlimmerung für einen Zeitraum von ca. 3 bis 4 Wochen gehandelt. Bezüglich der Knieproblematik habe er ein MRT vom linken Knie angefertigt. Der Befund vom 25.11.2021 habe keine posttraumatische Läsion gezeigt. Aufgrund der Gonarthrose werde der Kläger weiterhin zu Lasten der Krankenkasse behandelt. Der Kläger versuche, alle gesundheitlichen Schäden, die er jetzt habe, auf diese zwei bg-lichen Unfälle im August und Oktober 2021 zurückzuführen. Er verstehe aber trotz der offiziellen Dolmetscherin nicht, dass die Gesundheitsschäden, die er vor dem Unfall gehabt habe, die Erklärung für die noch bestehenden Schmerzen seien. Auf die Erstellung eines Gutachtens verzichtete die Beklagte in der Folge.
Anschließend holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes U. ein, der in seiner Stellungnahme vom 01.08.2022 zu dem Ergebnis gelangte, am 23.11.2021 seien durch das MRT substanzielle unfallbedingte Schädigungen des rechten Kniegelenkes ausgeschlossen worden. Im MRT vom 02.03.2022 seien ausschließlich degenerative Veränderungen im Bereich der Schulter gesehen worden. Operativ seien ausschließlich degenerative Veränderungen behandelt worden und ein irgendwie gearteter Unfallzusammenhang sei ausgeschlossen. Da alle Veränderungen degenerativ gewesen seien, könne auch ein versichertes Ereignis aus August 2021 nicht ursächlich sein.
Mit Bescheid vom 06.09.2022 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 03.08.2021 als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, ein Arbeitsunfall sei nicht nachgewiesen. Der Arbeitgeber habe keinen Arbeitsunfall bestätigt, Zeugen seien nicht vorhanden. Selbst wenn das Vorliegen eines Arbeitsunfalls angenommen werde, hätten nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen keine Unfallfolgen festgestellt werden können.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und benannte einen Zeugen für den Unfall vom 03.08.2021. Der Kläger trug vor, der Zeuge habe am Unfalltag in der Nähe der Unfallstelle in einem Schnellimbisswagen gearbeitet und den Vorfall beobachtet. Der vom Kläger benannte Zeuge bestätigte in einer schriftlichen Stellungnahme, dass dem Fahrzeug des Klägers am 03.08.2021 von einem anderen Fahrzeug die Vorfahrt genommen worden sei und das Fahrzeug des Klägers zur Vermeidung einer Kollision „dringend“ habe abbremsen müssen. Zu etwaigen Unfallverletzungen könne er jedoch aufgrund der Entfernung keine Angaben machen.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2022 den Widerspruch als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 13.01.2023 Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben und die Anerkennung des Ereignisses vom 03.08.2021 als Arbeitsunfall begehrt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und nochmals darauf hingewiesen, dass er sich am 03.08.2021 am linken Knie, der HWS und der Schulter verletzt habe. Er habe seinen Chef unmittelbar informiert und nicht gewusst, dass er direkt zum Arzt gehen müsse. Da sein Chef gemeint habe, sie seien sehr wenige Leute zum Arbeiten, habe er unter Schmerzen mit Schmerzmitteln weitergearbeitet. Er habe gedacht, im Urlaub werde es besser. Er habe sich nicht krankschreiben lassen, da er seine Arbeitsstelle nicht habe verlieren wollen. Erst nach dem zweiten Arbeitsunfall und wegen der schlimmer werdenden Schulterschmerzen habe sich ein Arzt seiner Leiden angenommen. Seitdem könne er nicht arbeiten. Da seine Schulter nicht sofort behandelt worden sei, habe sich der ganze Schulter-/Rückenbereich versteift.
Der Kläger hat nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.09.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2022 zu verurteilen, das Ereignis vom 03.08.2021 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm ab dem 03.08.2021 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist bei ihrer Auffassung verblieben, die angefochtene Verwaltungsentscheidung sei nicht zu beanstanden.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens von dem Orthopäden X.. Dieser hat den Kläger unter Anwesenheit eines Dolmetschers für die spanische Sprache am 12.04.2023 untersucht. In dem fachorthopädischen Gutachten vom 12.06.2023 hat X. einen Rundrücken, ein chronifiziertes, vorrangig pseudoradikuläres myofasziales Schmerzsyndrom, degenerative Rückbildungen der HWS, eine Funktionsstörung des linken Schultergelenkes, eine medial betonte Gonarthrose Grad III und Retropatellararthrose sowie eine Innemeniskusdegeneration und Baker-Zyste diagnostiziert. Alle Gesundheitsbeeinträchtigungen seien unfallunabhängig. Im Hinblick auf die von S. diagnostizierte HWS-Distorsion hat er darauf hingewiesen, dass sowohl die radiologische als auch die MRT-Untersuchung nach dem Ereignis vom 03.08.2021 keine Hinweise auf eine stattgehabte substanzielle Verletzung ergeben hätten, sondern nur moderate bis schwere degenerative Rückbildungen der HWS, die schon zum Zeitpunkt des Unfallereignisses vom 03.08.2021 vorgelegen und sich über die zurückliegenden Jahre langsam progedient entwickelt hätten. Auch sei der vom Kläger geschilderte aktive Bremsvorgang bei einer Geschwindigkeit von unter 30 km/h nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht geeignet gewesen, irgendwelche substanzielle Verletzungen im Bereich der HWS ursächlich hervorzurufen. Das rechte Schultergelenk und das linke Kniegelenk blieben hinsichtlich der Frage der Unfallursächlichkeit aufgrund der deutlich zeitlichen Latenz der Beschwerden zum Ereignis vom 03.08.2021 außer Betracht. Unabhängig hiervon seien die Behandlungen sowohl des linken Kniegelenkes als auch der rechten Schulter auf dem Boden unfallunabhängiger degenerativer Rückbildungen erfolgt.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 18.08.2023 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf das Gutachten von X. gestützt und ausgeführt, beim Kläger lägen keine Gesundheitsschäden vor, die durch das Ereignis vom 03.08.2021 hervorgerufen oder verschlimmert worden wären.
Der Kläger hat gegen den ihm am 22.08.2023 zugestellten Gerichtsbescheid am 29.08.2023 Berufung eingelegt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass es durch das Ereignis vom 03.08.2021 zu einem Schleudertrauma der HWS sowie zu Verletzungen des linken Kniegelenkes und des rechten Armes gekommen sei, die durch den zweiten Arbeitsunfall vom 10.11.2021 verschlimmert worden seien, und verfolgt sein Begehren auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall weiter.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 18.08.2023 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.09.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2022 zu verurteilen, das Ereignis vom 03.08.2021 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die auf die Anerkennung des Ereignisses vom 03.08.2021 als Arbeitsunfall gerichtete zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage abgewiesen, da diese unbegründet ist.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid vom 06.09.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2022 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte das Ereignis vom 03.08.2021 als Arbeitsunfall anerkennt.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2020 - B 2 U 2/18 R -, juris Rn. 20 m.w.N.). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Möglichkeit (vgl. BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R -, juris Rn. 16 m.w.N.).
Für die erforderliche Beurteilung des Ursachenzusammenhangs (haftungsbegründende und/oder haftungsausfüllende Kausalität) zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten Gesundheitsstörungen gilt die Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. u.a. BSG, Urt. v. 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R -, juris Rn. 12 m.w.N.).
Diese Kausalitätsprüfung erfordert zunächst die Ermittlung der objektiven - naturwissen-schaftlichen - Verursachung, bei der es darauf ankommt, ob die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden eine Ursache war (BSG, Urt. v. 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R -, juris Rn. 33 ff.). Ursachen in diesem Sinne sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung eine Ursache in diesem Sinne war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen beantwortet werden (grundlegend BSG, Urt. v. 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, juris Rn. 55 ff.; BSG, Urt. v. 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R -, juris Rn. 33 ff.). Dies schließt die Prüfung mit ein, ob ein Ereignis nach medizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen und welche Vorerkrankungen/Schadensanlagen ggfls. bestanden haben, die nach den genannten wissenschaftlichen Kriterien ebenfalls geeignet sind, die geltend gemachte Gesundheitsstörung zu bewirken (BSG, Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris Rn. 17). Die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit eines naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs zwischen Gesundheitsschaden und einem Unfall ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (vgl. BSG, Urt. v. 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris Rn. 20).
Steht fest, dass neben der versicherten auch eine konkurrierende, nicht versicherte Ursache das Unfallereignis objektiv kausal (mit-)bewirkt hat, ist auf der 2. Stufe juristisch zu entscheiden, welche der Ursachen rechtserheblich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung gewesen sind. Selbst wenn eine versicherte Verrichtung als Ursache für einen Gesundheitsschaden feststeht, muss auf der 2. Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der 1. Stufe festgestellten weiteren mitwirkenden nicht versicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der „Wesentlichkeit“ der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch die Verrichtung ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 06.05.2021 - B 2 U 15/19 R -, juris Rn. 21 m.w.N.).
Nach diesen rechtlichen Vorgaben ist das Ereignis vom 03.08.2021 kein Arbeitsunfall. Dabei geht der Senat zwar entsprechend der Angaben des Klägers davon aus, dass dieser am 03.08.2021 während seiner versicherten Tätigkeit stark abbremsen musste und es dabei zu einer Einwirkung auf den Körper des Klägers gekommen ist. Dies hat jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Gesundheitsschaden beim Kläger verursacht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lassen sich mit der erforderlichen Sicherheit nur solche Gesundheitsstörungen an der HWS, dem linken Kniegelenk und der rechten Schulter des Klägers feststellen, die degenerativer Natur und nicht Folge des Unfallereignisses vom 03.08.2021 sind. Sofern der behandelnde Arzt des Klägers darüber hinaus eine HWS-Distorsion als Folge des Ereignisses vom 03.08.2021 angenommen und der Kläger Verletzungen in Form des Anschlagens verschiedener Körperteile bei dem Abbremsvorgang angegeben hat, lassen sich entsprechende Gesundheitsschäden bereits nicht vollbeweislich sichern.
Bei den in den bildgebenden Befunden zur Darstellung kommenden Schädigungen der HWS des Klägers handelt es sich nach der übereinstimmenden Beurteilung durch die behandelnden Ärzte des Klägers und den gerichtlichen Sachverständigen X. um degenerative Veränderungen aufgrund eines bereits vor dem Ereignis vom 03.08.2021 progredient verlaufenden Prozesses, so dass diese Schädigungen mit Sicherheit bereits zum Unfallzeitpunkt bestanden. Darüber hinaus ergeben sich aus den Röntgen- und MRT-Untersuchungen der HWS nach dem Ereignis vom 03.08.2021 keinerlei Hinweise auf eine durch den Abbremsvorgang eingetretene substanzielle Schädigung der HWS. Zwar wurde die Röntgenuntersuchung der HWS erst ca. 2 Wochen und das MRT der HWS erst ca. 6 Monate nach dem Ereignis vom 03.08.2021 durchgeführt, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass zuvor weitere Verletzungen bestanden, die wieder ausgeheilt waren, und daher nicht mehr zur Darstellung kamen. Jedoch reicht die Möglichkeit einer Verletzung nicht für den erforderlichen Vollbeweis eines Gesundheitsschadens aus. Darüber hinaus spricht der Unfallhergang gewichtig gegen die Annahme, dass es am 03.08.2021 zu einer Substanzschädigung im Bereich der HWS gekommen ist. Insoweit stützt der Senat sich auf die Ausführungen von X., die in Übereinstimmung mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. Demnach fand nach den Angaben des Klägers ein bewusster Bremsvorgang bei einer Geschwindigkeit unter 30 km/h statt, so dass mangels Kollision nicht davon auszugehen ist, dass es unter Überwindung der muskulären Sicherung zu überdimensionierten Bewegungsausschlägen der HWS gekommen ist (vgl. Schönberg/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 482 ff.). Darüber hinaus sind auch aufgrund der geringen negativen Beschleunigungsmomente keine Verletzungen zu erwarten gewesen.
Weiterhin ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die laut den MRT-Befunden bestehenden Gesundheitsstörungen des linken Kniegelenkes und der rechten Schulter auf das Ereignis vom 03.08.2021 zurückzuführen sind. Sowohl bei der diagnostizierten Gonarthrose, der Retropatellararthrose und Innenmeniskusdegeneration als auch den Veränderungen der Rotatorenmanschette sowie der AC-Gelenkarthrose handelt es sich nach den medizinischen Ermittlungen um rein degenerativ bedingte Schäden, ohne dass Hinweise auf einen Unfallzusammenhang bestehen. Im Übrigen finden sich keine Belege dafür, dass es bei dem Unfallereignis vom 03.08.2021 zu substanziellen Verletzungen von Körperteilen des Klägers gekommen ist. Der vom Kläger benannte Zeuge hat ausdrücklich mitgeteilt, zu etwaigen Verletzungen des Klägers keine Angaben machen zu können, weil er den vom Kläger geschilderten Vorfall nur aus der Ferne beobachtet hat. Soweit der Kläger vorgetragen hat, er habe sich bei dem Ereignis das Kniegelenk und den Arm bzw. die Schulter angeschlagen, lässt sich eine dadurch bedingte Verletzung, wie eine Prellung, nicht feststellen. Abgesehen davon, dass entsprechende Verletzungen zu keinem Zeitpunkt ärztlich diagnostiziert wurden, wurden Beschwerden des Klägers bezüglich seines linken Kniegelenkes und der rechten Schulter erstmals nach dem Unfallereignis vom 10.11.2021 und somit mit großem zeitlichen Abstand zum Ereignis vom 03.08.2021 dokumentiert. Der Kläger hat auch in seinen ersten Unfallschilderungen gegenüber der Beklagten kein Anschlagen mit dem linken Kniegelenk oder dem rechten Arm erwähnt, so dass der Senat bereits nicht davon überzeugt ist, dass es im Rahmen des Unfallereignisses überhaupt zu der vom Kläger geschilderten Einwirkung auf sein linkes Kniegelenk und den rechten Arm bzw. die rechte Schulter gekommen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§193, 183 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.