: 1. Ein Krankenhaus ist auch dann nach § 301 Abs 1 SGB V zur Übermittlung eines OPS verpflichtet, wenn es als besondere Einrichtung im Sinne von § 17b Abs 1 Satz 10 KHG anerkannt ist und Leistungen nach Tagespauschalen abrechnet.
2. Das Krankenhaus muss dann auch die qualitativen und quantitativen Leistungsmerkmale erbringen, die der jeweilige OPS vorsieht, und die Leistungserbringung dokumentieren.
3. Die neuropädiatrische Komplexbehandlung (OPS 9-403.5) verbindet Leistungen, die je für sich ambulant erbracht werden können, in einem Gesamtkonzept und setzt eine multidisziplinäre Betreuung in dem vorgesehenen zeitlichen Intervall voraus. Nur diese Kombination rechtfertigt die stationäre Aufnahme eines Versicherten, so dass kein Vergütungsanspruch besteht, wenn im Rahmen der stationären Behandlung nicht alle Leistungsmerkmale erfüllt werden.
4. Für eine stationäre Behandlung, die nicht als Krankenhausbehandlung iSv § 39 SGB V notwendig war, jedoch die Behandlungskriterien einer stationären Rehabilitationsbehandlung iSv § 40 SGB V erfüllt, ohne dass das Antragsverfahren nach § 40 Abs 3 SGB V (idF v 28.5.2008) bei der Krankenkasse durchlaufen wurde, kann keine Vergütung nach den Maßstäben fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens geltend gemacht werden.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 20. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.362 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung als Komplexbehandlung.
Die Klägerin betreibt in G________ ein nach § 108 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus als Fachklinik für Neurologie und Neurologisches Rehabilitationszentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Die zwischen der Klägerin und den Verbänden der Sozialleistungsträger (inkl der Beklagten) abgeschlossene „Entgeltvereinbarung für 2010 gemäß KHEntgG“ (EV 2010; genehmigt durch das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein mit Bescheid vom 3. März 2010) sah in § 4 vor, dass das von der Klägerin in G______ betriebene Krankenhaus als besondere Einrichtung im Sinne von § 17b Abs 1 Satz 15 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der Vereinbarung zur Bestimmung von Besonderen Einrichtungen für das Jahr 2010 (VBE 2010) anerkannt wurde. Der krankenhausindividuelle Tagessatz ohne Ausgleiche und Berichtigungen betrug 425,17 Euro (§ 3 EV 2010). Vereinbarungen zur Gewährleistung struktureller Voraussetzungen für benannte OPS seitens der Klägerin wurden nicht getroffen. Ferner bestand mWz 1. Oktober 2004 ein noch zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und den Krankenkassen bzw deren Verbänden geschlossener Versorgungsvertrag gemäß § 111 SGB V (Versorgungsvertrag Rehabilitation) für die Gewährung von medizinischen Rehabilitationsleistungen im Rahmen von § 40 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 0 bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (§ 1 Abs 1 Versorgungsvertrag Rehabilitation), der die Rehabilitationsbehandlung gemäß Phasen B (§ 39 SGB V) sowie der Phasen C und D (jeweils § 40 SGB V) vorsah. Auf die Einzelheiten der EV 2010 und des Versorgungsvertrages Rehabilitation wird Bezug genommen.
Die Klägerin nahm am 1. März 2010 den 2002 geborenen und bei der Beklagten versicherten D. K____ (Versicherter) auf, bei dem nach Frühgeburt in der 27. Schwangerschaftswoche mit frühkindlicher Hirnschädigung durch Hirnblutung eine spastisch dyskinetische bilaterale Zerebralparese (bein- und linksbetonte spastische Tetraparese), eine beginnende Hüftluxation links bei Pfannendysplasie sowie eine globale Entwicklungsretardierung bestand. Dem Versicherten wurden ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen B, G, H und aG zuerkannt und Leistungen nach der Pflegestufe 3 gewährt. Der Versicherte nahm zweimal pro Woche in der von ihm besuchten Schule zur individuellen Lebensbewältigung in D_________ eine Physiotherapie nach Bobath einschließlich Gangtraining mit dem Posterior Walker wahr, erhielt dort auch je einmal wöchentlich Ergotherapie und Logotherapie und er absolvierte tägliches Stehtraining für 2,5 Stunden. Die dortige Behandlung mittels Logopädie und Ergotherapie pausierte seit November 2009. Der Versicherte war versorgt mit Unterschenkelorthosen, Nachtlagerungsschienen, einem NF-Walker, einem Postwalker, einem Aktivrollstuhl und einer Rehakarre. Der Versicherte war der Klägerin bereits aus einem Aufenthalt vom 21. September 2009 bis 9. Oktober 2009 zur stationären rehabilitativen Behandlung mit dem Schwerpunkt Lauftraining und Koordinationsförderung mittels Lokomat-Gangroboter bekannt, der auch ergänzende Therapien durch Logotherapie, Schwimmen sowie Ergotherapie zur Kräftigung, Beweglichkeit und Sensibilisierung der orofazialen Muskulatur umfasste und mit Fortschritten bei der Gangkoordination beendet wurde (zu den Einzelheiten siehe Abschlussbericht vom 18. November 2009). Eine Verlängerung dieser dreiwöchigen Rehabilitationsmaßnahme zur Lokomattherapie wurde seitens der Krankenkasse abgelehnt.
Die Aufnahme am 1. März 2010 erfolgte zur neuropädiatrischen Komplexbehandlung mit dem Schwerpunkt Lokomattherapie. In der Zeit vom 1. März 2010 bis 16. April 2010 wurde der Versicherte mittels einer multimodalen Therapie (Stehtraining, intensives Gangtraining mit dem Schwerpunkt einer Lokomattherapie, Schwimmtherapie, funktionelle Ergotherapie, Logopädie, pädagogische Frühförderung und Musiktherapie) behandelt, die vor allem durch das intensive Lokomattraining zu einer deutlichen Verbesserung der motorischen Fähigkeiten (Stehen, Transferleistungen und Gehen) führte und in der Musiktherapie eine gute Lernfähigkeit für die Liedtexte sowie ein gutes Rhythmusgefühl des Versicherten aufzeigte (zu den Einzelzeiten siehe Abschlussbericht Dr. N_____ vom 19. April 2010).
Für die Behandlung berechnete die Klägerin der Beklagten 19.362,70 Euro (Rechnungen vom 31. März 2010 und 20. April 2010 mit krankenhausindividuellem Tagessatz iHv 425,17 Euro). Der Beklagten übermittelte sie den OPS 9-403.5, die DRG B46Z sowie die Hauptdiagnose (HD) ICD-10 R62.8 (sonstiges Ausbleiben der erwarteten physiologischen Entwicklung) und die Nebendiagnosen (ND) ICD-10 G80.0 (spastische tetraplegische Zerebralparese) und M24.45 (habituelle Luxation und Subluxation eines Gelenkes: Beckenregion und Oberschenkel [Becken, Femur, Gesäß, Hüfte, Hüftgelenk, Iliosakralgelenk]).
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, forderte die Klägerin jedoch später (erfolglos) zu einer Abrechnungskorrektur auf und machte am 17. September 2013 eine Erstattungsforderung iHv 19.362,70 Euro geltend, die sie am 17. März 2014 mit unstreitigen Forderungen der Klägerin für unstreitig abrechenbare stationäre Behandlungen anderer bei der Beklagten versicherter Patienten verrechnete. Die Beklagte stützte sich auf Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nord (MDK), den sie bis zum 12. Mai 2010 mit der Prüfung der Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung beauftragt hatte. Der MDK verneinte die Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung mittels einer neuropädiatrischen Komplexbehandlung mit dem Schwerpunkt einer Lokomattherapie, nachdem der Versicherte bereits vom 21. September 2009 bis 9. Oktober 2009 zur neurologischen Rehabilitationsbehandlung bei der Klägerin behandelt worden war. Ferner sei eine nachhaltige Wirksamkeit der Lokomattherapie bei Kindern mit Zerebralparese aufgrund einer geringen Fallzahl einer im Jahr 2007 durchgeführten Studie wissenschaftlich nicht eindeutig dokumentiert (Dr. K1______ vom 16. Oktober 2010 und 26. Februar 2011). Die Klägerin widersprach der Einschätzung des MDK, indem sie auf zwei wissenschaftliche Publikationen aus dem Jahr 2007 hinwies, nach der die Lokomattherapie gegenüber der herkömmlichen Physiotherapie deutlich bessere Ergebnisse erziele. Ferner sei der Versicherte auch begleitend mit weiteren Therapiemaßnahmen behandelt worden (Dr. N_____ vom 11. Januar 2011).
Mit der am 22. Mai 2018 bei dem Sozialgericht (SG) Lübeck eingegangenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 19.362,70 Euro nebst Zinsen iHv 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. März 2014 begehrt, da die stationäre Behandlung des Versicherten mit der in ihrer Klinik in Norddeutschland einzigartigen Behandlungsausrichtung (Behandlung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit angeborenen oder erworbenen Hirnschädigungen) durch die unter ärztlicher Kontrolle eingeleiteten zielgerichteten Interaktionsprozesse mit interdisziplinärer Abstimmung der Therapieziele notwendig gewesen sei.
Die Beklagte hat – gestützt auf ein weiteres Gutachten des MDK vom 28. Juni 2016 (Dr. W_____________) – ausgeführt, dass die Behandlung des Versicherten keine stationäre Krankenbehandlung iSv § 39 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), sondern eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme iSv § 40 SGB V zur Vorbeugung vor einer Verschlechterung der Gesamtsituation und zum Erreichen realistischer alltagsrelevanter Rehabilitationsziele gewesen sei. Die aufgewandten diagnostischen Mittel – EEG – hätten ambulantes Potential und die eingesetzten therapeutischen Mittel seien rehabilitativ in einem stationären Aufenthalt durchgeführt worden.
Das SG Lübeck hat die Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. V____ mit der Begutachtung beauftragt. Dr. V____ stellte fest, eine Förderung des Versicherten zur Verbesserung der psychomotorischen Defizite im Rahmen eines stationären Aufenthaltes sei aus sozialmedizinischer Sicht auch unabhängig von der Lokomattherapie indiziert gewesen. Zwar könnten die Maßnahmen auch im ambulanten Bereich realisiert werden, allerdings nicht in der angebotenen Therapiedichte und –kombination. Über 7 Tage seien deutlich mehr als 15 Therapieeinheiten durchgeführt worden, deren Länge nicht immer dokumentiert sei. Visiten hätten dienstags und donnerstags stattgefunden. Ob in 7 Tagen 5 Therapieeinheiten durch einen Arzt oder Psychologen durchgeführt wurden, sei mit den Unterlagen nicht erkennbar (Gutachten vom 14. Juli 2019). Die zu kodierende Hauptdiagnose G80.0 (spastische tetraplegische Zerebralparese), die Nebendiagnosen Z76.3 (gesunde Begleitperson einer erkrankten Person), M24.45 (siehe oben) und R26.8 (siehe oben) sowie der OPS-Code 9-403.5 würden zu der DRG B46Z führen. Im Anschluss hat sich die Klägerin mit einer Änderung der HD von ICD-10 R26.8 in ICD-10 G80.0 unter Streichung der ND R07.2 einverstanden erklärt. Die dadurch bedingte Änderung der DRG habe jedoch keine Auswirkung, da sie Tagessätze abrechnen könne.
Mit Urteil vom 20. Mai 2020 hat das SG Lübeck die Klage abgewiesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die OPS-Kriterien erfüllt worden seien und die Lokomattherapie wissenschaftlich anerkannt sei oder nicht. Jedenfalls sei eine akutstationäre Behandlung des Versicherten nach § 39 SGB V nicht notwendig gewesen. Weder die Sachverständige Dr. V_____ noch die Klägerin selbst habe eine akute Verschlechterung des Erkrankungsbildes des Versicherten festgestellt. Die interdisziplinäre Behandlung sei dem Bereich der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen. Die besondere Ausstattung eines Krankenhauses sei nicht zum Einsatz gekommen.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 21. Juli 2020 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. August 2020 eingegangene Berufung der Klägerin, zu dessen Begründung sie ihre Argumentation aufrechterhält und auf die Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen stationärer Krankenhausbehandlung und stationärer Rehabilitationsbehandlung sowie deren unterschiedlicher Zielrichtung verweist. Bei einem schwerwiegenden chronischen multifaktoriellen Erkrankungsbild wie dem des Versicherten könne eine Intensivierung bzw Modifizierung der Therapie nur unter ärztlicher Beobachtung und engmaschiger Kontrollen stattfinden, ohne dass dafür eine akute Verschlechterung des Erkrankungsbildes erforderlich sei. Eine Rehabilitationsleistung habe seinerzeit (bis 2016) nur alle vier Jahre und als Ermessensleistung des Rehabilitationsträgers zur Verfügung gestanden. Schließlich stehe ihr jedenfalls nach den Grundsätzen fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ein Anspruch auf die Abrechnung der Leistung mit den Tagessätzen der Phase C iHv insgesamt 14.227 Euro zu.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 20. Mai 2020 aufzuheben
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr 19.362,70 Euro nebst Zinsen iHv
zwei Prozentpunkten über dem Basissatz der Europäischen Zentralbank seit
dem 18. März 2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Einschätzung fest und die Entscheidung des SG Lübeck für zutreffend. Die Klägerin habe insbesondere nicht hinreichend dargelegt, warum zwei der vier stationären Aufenthalte des Versicherten innerhalb von drei Jahren als Krankenhausbehandlung und zwei als Rehabilitationsbehandlung abgerechnet worden seien, obwohl jeweils – so auch während des vorliegend streitigen Aufenthalts – der Einsatz von Heilmitteln im Vordergrund gestanden habe.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Beauftragung des Kinderarztes mit den Schwerpunkten Neuropädiatrie und Neonatologie PD Dr. B_____ . Dieser hat festgestellt, dass alle bei der Aufnahmeuntersuchung erhobenen Befunde aufgrund der bereits im September 2009 durchgeführten stationären Behandlung bekannt und nicht progredient gewesen seien, so dass im Anschluss daran keine konkreten kausaldetektierenden diagnostischen Maßnahmen durchzuführen gewesen seien. Die durchgeführten diagnostischen Maßnahmen (EEG und Labor-„Routine“) seien ambulant durchführbar gewesen. Gemäß des „Behandlungskonzepts bei Kindern mit infantiler Zerebralparese“ der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin vom 25. Juni 2004 sei vorwiegend die Verordnung funktioneller Therapien, zB Physiotherapie als Heilmittel, sinnvoll, so dass therapeutische Maßnahmen durch behandelnde Ärzte medizinisch nicht erforderlich seien. Benannt seien eine Reihe ambulant durchführbarer Therapiemaßnahmen, hingegen sei eine stationäre Krankenhausbehandlung überwiegend nicht erforderlich. Die „Komplexbehandlung“ unterscheide sich in den therapeutischen Inhalten mit dem Schwerpunkt nichtärztlicher Anwendung von Heilmitteln nicht wesentlich von einer Rehabilitationsbehandlung, wohl aber von einer stationären Krankenhausbehandlung mit im Vordergrund stehenden ärztlichen und pflegerischen Hilfeleistungen. Letztere seien bei dem Versicherten aus der ex-ante-Sicht bei Aufnahme nicht erforderlich gewesen, da das Behandlungsziel einer neurologischen Verbesserung durch vorwiegend nicht-ärztliche Anwendungen von Heilmitteln hoher Intensität während einer stationären medizinischen Rehabilitation habe erreicht werden können und auch erreicht worden sei. Dementsprechend habe der Therapieplan diverse Heilmittel im Umfang von 139 Therapieeinheiten umfasst, jedoch nur 6 ärztliche Einträge zur Verordnung von Arzneimitteln bei Husten und Beurlaubung. Pflegerische Leistungen seien nur im Früh- und Spätdienst erbracht worden. Die Dichte der
– rehabilitativen – Therapieanwendungen habe nur stationär oder mindestens tagesstationär durchgeführt werden können. Die Gegenüberstellung von Therapieplan und Dokumentation verdeutliche, dass die Mehrzahl der Therapieeinheiten nicht exakt dokumentiert sei und keine Therapieeinheiten eines Psychologen erfasst seien (Gutachten vom 22. November 2023).
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Patientenakte des Versicherten sowie die Gerichtsakten vorgelegen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingegangen, aber unbegründet. Das SG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die (vorliegend im Gleichordnungsverhältnis erhobene und damit nach stRspr) statthafte und auch im Übrigen zulässige Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) kann – wie das SG zutreffend erkannt hat – in der Sache keinen Erfolg haben. Der ursprünglich gegenüber der Beklagten entstandene Anspruch der Klägerin auf die Vergütung von Krankenhausbehandlung für andere Versicherte <dazu 2.> ist dadurch in Höhe der hier streitbefangenen Forderung erloschen, dass die Krankenkasse wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen der Zahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten aufgerechnet hat <dazu 3.>. Maßgeblich ist insoweit, dass der Klägerin wegen der zurückliegenden stationären Behandlung des Versicherten kein Vergütungsanspruch zusteht. Ein derartiger Anspruch ergibt sich auch nicht nach den Maßstäben fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens <dazu 4.>. Vertrauensschutzgründe stehen dem Erstattungsanspruch nicht entgegen <dazu 5.>.
2. Zunächst ist zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht streitig, dass die Klägerin wegen der stationären Behandlung anderer Versicherter der Beklagten Anspruch auf die dafür abgerechnete Vergütung im Umfang der hier geltend gemachten Klagforderung über 19.362,70 Euro hatte; eine nähere Prüfung dieser Vergütungsforderungen erübrigt sich daher (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens ua Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 19. November 2019 – B 1 KR 33/18 R – juris Rn 8 mwN).
3. Allerdings erfüllte die Beklagte diese Vergütungsforderung vorliegend dadurch, dass sie mit einem aus der streitbefangenen stationären Behandlung der Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm den §§ 387 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wirksam aufrechnete. So zahlte die Beklagte für die stationäre Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 1. März bis 16. April 2010 die von der Klägerin geforderte Vergütung iHv 19.362,70 Euro ohne Rechtsgrund, weil für die in der H_____ Klinik G________ erbrachten Leistungen mangels Erfüllung aller Voraussetzungen kein Vergütungsanspruch bestand <dazu a bis d)>. Damit stand der Beklagten hier auch eine aufrechenbare Gegenforderung zu.
a) Rechtsgrundlage für die von der Klägerin wegen der stationären Behandlung der Versicherten vom 1. März bis 16. April 2010 geltend gemachten Vergütungsforderung ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm §§ 6 Abs 1 Satz 1, 11 Krankenhausentgeltgesetz idF durch Gesetz vom 17. März 2009 (KHEntgG) und §§ 18, 17b Abs 1 Satz 15 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). In diesen Vorschriften hat der Gesetzgeber die Höhe der Vergütung der zugelassenen Krankenhäuser bei stationärer Behandlung gesetzlich Krankenversicherter geregelt und dabei das Bestehen des Vergütungsanspruchs als Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht des zugelassenen Krankenhauses, erforderliche Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V zu gewähren, dem Grunde nach als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Für besondere Einrichtungen nach § 17b Abs 1 Satz 15 KHG (idF des Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 (Krankenhausfinanzierungsreformgesetz – KHRG) vom 17. März 2009, BGBl I, Seite 534) vereinbaren die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG fall- oder tagesbezogene Entgelte (vgl allgemein zu den normativen Grundlagen eines Vergütungsanspruchs BSG, Urteil vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris, stRspr; BSG, Urteil vom 19. Juni 2018 – B 1 KR 30/17 R – juris Rn 12), wobei die Kriterien für die Anerkennung eines Krankenhauses als besondere Einrichtung in „Vereinbarungen zur Bestimmung von Besonderen Einrichtungen zwischen dem GKV-Spitzenverband, dem Verband der Privaten Krankenversicherung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (VBE)“ – hier anzuwenden für das Jahr 2010 – festgelegt werden. Ein Anspruch wird in diesem Fall konkretisiert durch die im Zeitpunkt der Behandlung der Versicherten maßgebliche EV 2010, nach deren § 4 die Klägerin als besondere Einrichtung iSv § 17b Abs 1 Satz 15 KHG gilt, deren Leistungen insbesondere aus medizinischen Gründen, wegen einer Häufung von schwerkranken Patienten oder aus Gründen der Versorgungsstruktur mit den Entgeltkatalogen noch nicht sachgerecht vergütet werden können, zeitlich befristet aus dem Vergütungssystem (DRG) ausgenommen wurde. Maßgebend für die Vergütung ist vorliegend die EV 2010 mit den dort vereinbarten Tagessätzen (vgl dazu die Regelung in § 11 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 BPflV).
b) Das SG ist in dem hier angefochtenen Urteil dem Grunde nach zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin durch die stationäre Behandlung der Versicherten vorliegend aber schon nicht die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung unter Einbeziehung des OPS 9-403.5 erfüllt hat und demzufolge den mit den Rechnungen vom 31. März 2010 und 20. April 2010 geltend gemachten Betrag nicht beanspruchen kann. Dabei entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iSv § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (hierzu auch BSG aaO; ebenfalls stRspr).
aa) Vorliegend war eine stationäre neuropädiatrische Komplexbehandlung des Versicherten nicht indiziert und daher nicht dem Grunde nach erforderlich.
Ob und ggf in welchem Umfang die stationäre Behandlung eines Versicherten iS des § 39 SGB V erforderlich ist, ist nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vor dem Hintergrund des Beschlusses des Großen Senats am BSG (Beschluss vom 25. September 2007 – GS 1/06 – GesR 2008, 83) von der Krankenkasse und im Streitfall von den Gerichten selbstständig zu prüfen und zu entscheiden, ohne dass den behandelnden Krankenhausärzten dabei eine Einschätzungs- oder Beurteilungsprärogative zukommt. Zu klären ist bei der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit, ob nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der stationären Behandlung und dem damals verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des Krankenhausarztes – ex ante – eine medizinische Behandlung mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses erforderlich gewesen ist, die stationäre Aufnahme des Versicherten also den medizinischen Richtlinien, Leitlinien und Standards entsprochen und nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung gestanden hat (vgl hierzu BSG, Urteil vom 22. April 2009 – BRa 3 KR 24/07 R – juris mwN).
Dabei erfolgt die Abgrenzung zwischen vollstationärer Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation im Wesentlichen nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel der Behandlung, die sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegeln. Nach Maßgabe des § 107 SGB V ist für eine Rehabilitationseinrichtung insbesondere kennzeichnend, dass die Behandlungsziele nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie zu verfolgen sind (§ 107 Abs 2 Nr 2 SGB V). Demgegenüber ist ein Krankenhaus mit jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet, die Behandlungsziele vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen zu erbringen (§ 107 Abs 1 Nr 3 SGB V). Die Zuordnung einer Versorgung entweder zum Sektor der Krankenhausbehandlung oder zu dem der stationären Rehabilitation hängt deshalb weitgehend von der Intensität der ärztlichen Tätigkeit und den verfolgten Behandlungszielen ab. Regelmäßig ist eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erforderlich, die jedoch nur nach objektiven Merkmalen und Kriterien erfolgen kann (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005 – B 3 KR 9/03 R – juris Rn 20; Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 14/07 R – juris Rn 19; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. Juli 2021 – L 16 KR 414/20 – juris Rn 26; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August 2022 – L11 KR 556/20 – juris Rn 60 ff).
Auch chronische Erkrankungen begründen Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. So hat das BSG anerkannt, es entspreche inzwischen dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V), dass bei chronisch verlaufenden psychischen oder psychiatrischen Erkrankungen ein komplexer Behandlungsansatz des Zusammenwirkens eines multiprofessionellen Teams von Ärzten, Diplom-Psychologen, Sozialpädagogen, Ergotherapeuten und Bewegungstherapeuten mit fachlich besonders geschultem und erfahrenem psychiatrischen Krankenhauspflegepersonal im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans in einem Krankenhaus gewählt werde (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005 – B 3 KR 9/03 R – juris Rn 23). Dabei dürfe stationäre Krankenhauspflegebedürftigkeit nicht allein deshalb verneint werden, weil schwerpunktmäßig Personal aus nichtmedizinischen Berufen zum Einsatz gekommen sei, die ihre Leistungen auch außerhalb von stationären Einrichtungen anbieten und erbringen (BSG, Urteil vom 16. Februar 2005, B 1 KR 18/03 R – juris Rn 31). Wenn die durchgeführten therapeutischen Maßnahmen sich letztlich nicht wesentlich von solchen unterscheiden, die auch in einer Rehabilitationseinrichtung erforderlich gewesen wären und der äußere Ablauf im Prinzip auch in einer Rehabilitationseinrichtung hätte stattfinden können, kann darauf abgestellt werden, ob die therapeutischen Maßnahmen der Bekämpfung der Krankheit dienten oder die Milderung ihrer Folgen im Vordergrund stand (BSG, Urteil vom 20. Januar 2005 – B 3 KR 9/03 R juris Rn 23). Anhaltspunkte für die Zuordnung entweder zum Sektor der Krankenhausbehandlung oder zu dem der stationären Rehabilitationsbehandlung können Behandlungsleitlinien der medizinischen Fachgesellschaften mit den dort formulierten Behandlungsstandards und Indikationen geben (BSG, Urteil vom 10. April 2008
– B 3 KR 14/07 R – juris Rn 20).
Diese Grundsätze und Maßstäbe sind zur Überzeugung des Senats zwanglos übertragbar auf chronische physische Erkrankungen oder solche mit dauerhaften körperlichen oder kognitiven Einschränkungen. Weder der Wortlaut der Regelungen in § 39 SGB V, § 27 SGB V oder § 2 SGB V noch sonstiger gesetzlicher Regelungen über die Vergütung von Krankenhausbehandlungen stehen dem entgegen. Die Überlegungen des BSG in den genannten Entscheidungen sind auch auf chronische Erkrankungen übertragbar.
bb) Der Versicherte war erkrankt iSv § 27 SGB V. Bei ihm bestehen nach Frühgeburt in der 27. Schwangerschaftswoche mit frühkindlicher Hirnschädigung durch Hirnblutung eine spastisch dyskinetische bilaterale Zerebralparese (bein- und linksbetonte spastische Tetraparese), eine beginnende Hüftluxation links bei Pfannendysplasie sowie eine globale Entwicklungsretardierung. Dem Versicherten waren freies Gehen und Stehen sowie ein selbständiges Aufrichten aus der Rückenlage zum Sitz nicht möglich. Diese chronischen Erkrankungen des Versicherten waren nach den Gutachten des MDK sowie der Sachverständigen Dr. V_____ und PD Dr. B________ dem Grunde nach und insoweit auch zwischen den Beteiligten unstreitig behandlungsbedürftig.
cc) Allerdings bedurfte das Erkrankungsbild des Versicherten in der Zeit vom 1. März 2010 bis 16. April 2010 nicht der stationären Krankenhausbehandlung iSv § 39 Abs 1 SGB V. Diese Überzeugung (§ 128 SGG) stützt der Senat auf das Gutachten des Sachverständigen PD Dr. B_______ und ergänzend auf die Gutachten des MDK vom 16. Oktober 2010, 26. Februar 2011 und 28. Juni 2016. Das Erkrankungsbild des Klägers stand am 1. März 2010 fest, so dass keine diagnostischen Maßnahmen erforderlich waren, für die die besonderen Mittel eines Krankenhauses einzusetzen waren.
dd) Solche waren aber auch nicht notwendig, um das multiple Erkrankungsbild des Klägers zu behandeln.
Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) fasst in ihrem „Behandlungskonzept bei Kindern mit infantiler Zerebralparese“ vom 25. Juni 2004 den medizinischen Umgang mit dieser Erkrankung zusammen. Danach ist eine kausale Heilung bei einer Zerebralparese nicht möglich, allerdings können zur Linderung und Vorbeugung sekundärer Komplikationen sehr unterschiedliche und in dem Behandlungskonzept beschriebene Heilmittel des Heilmittelkatalogs (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Manualtherapie) sowie psycho-emotionale und psychosoziale Betreuung zB in Therapiepraxen oder in kinderneurologisch-sozialpädiatrischen Rehabilitationskliniken eingesetzt werden. Vergleichbare Behandlungspfade (Heilmittel wie Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie; Botulinumtoxin-Injektionen, Versorgung mit Orthesen und Hilfsmitteln sowie ggfs funktionelle neuroorthopädische Operationen oder eine intrathekale Baclofentherapie) werden in dem Papier der Qualitätskommission der DGSPJ „1. Behandlung infantiler Cerebralparesen (CP) und ähnlicher Bewegungsstörungen unter besonderer Berücksichtigung der die Spastizität reduzierenden Therapien mit Botulinumtoxin und intrathekalem Baclofen“ (Publikation am 1. März 2007; www.dgspj.de/wp-content/uploads/qualitaetssicherung-papiere-cerebralparese-2007.pdf, recherchiert am 24. Juni 2024) genannt. Ferner wird auch in „Das Altöttinger Papier – Grundlagen und Zielvorgaben für die Arbeit in Sozialpädiatrischen Zentren – Mehrdimensionale Bereichsdiagnostik Sozialpädiatrie“ der DGSPJ (verfügbar Stand 2014) keine Empfehlung für eine stationäre Krankenhausbehandlung ausgesprochen, sondern es werden ua Heilmittel aufgeführt, die in einer Rehabilitationseinrichtung durchgeführt werden können. Auf eine wissenschaftlich nachweisbare positive Wirkung der Lokomattherapie bei Kindern kommt es angesichts dieser Konzepte nicht an.
Unter Berücksichtigung der Kriterien des BSG zur Abgrenzung zwischen stationärer Krankenhausbehandlung und stationärer Rehabilitationsbehandlung sowie der maßgeblichen Behandlungskonzepte teilt der Senat die Einschätzung von PD Dr. B_______, dass keine stationäre Krankenhausbehandlung, sondern eine Rehabilitationsbehandlung des Versicherten notwendig war und durchgeführt wurde. Die Maßnahmen dienten nicht dazu, die Erkrankung dem Grunde nach zu bekämpfen und (teilweise) zu heilen, sondern deren Folgen zu lindern. Dafür wurden schwerpunktmäßig Heilmittel eingesetzt, jedoch nahezu keine ärztlichen oder pflegerischen Leistungen. Insbesondere wurde – wie PD Dr. B______ zutreffend feststellte – eine gezielte ärztliche Behandlung der Folgen der Zerebralparese nicht dokumentiert. Der Kläger war vor der Aufnahme am 1. März 2010 in ein ambulantes Therapiekonzept aus Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Gangtraining eingebunden, das ausweislich der aktenkundigen Unterlagen individuell angepasst wurde (siehe Abschlussberichte vom 18. November 2009 und 19. April 2010) und wurde somit dem verfügbaren Behandlungskonzept entsprechend therapiert. Auch die Hüftdysplasie war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. B________ nicht stationär behandlungsbedürftig. Sie wies im Januar 2010 zu dem Zeitpunkt der Überweisung des Versicherten zur neuropädiatrischen Komplexbehandlung im Röntgenbefund keine Änderung gegenüber dem Vorbefund und daher keinen progredienten Verlauf auf (Bericht des Kinderzentrum M__________ zur Vorstellung am 28. Januar 2010 in der Patientenakte der Klägerin). Einzelfallumstände in der Person des Klägers oder dessen Erkrankungsbild, die ein Abweichen von den genannten allgemeinen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen rechtfertigen, werden von PD Dr. B______ nicht genannt und liegen nach Aktenlage auch nicht vor. Dem Gutachten der Sachverständigen Dr. V_____ kann der Senat nicht folgen. Sie argumentiert aus der ex-post-Sicht und zieht die Abgrenzungskriterien zwischen Krankenhaus- und Rehabilitationsbehandlung nicht heran.
c) Darüber hinaus kann die Klägerin für die tatsächlich durchgeführte Behandlung des Versicherten den geltend gemachten Betrag iHv 19.362,70 Euro auch aus weiteren Gründen nicht beanspruchen.
aa) Für einen Anspruch ist es nicht ausreichend, dass die Klägerin für die Behandlung des Versicherten die Anzahl der Tage des stationären Aufenthalts sowie einen in einer Entgeltvereinbarung festgelegten Tagessatz in einer Rechnung auflistet und ggfs eine Diagnose mitteilt. Die Klägerin muss auch eine abrechenbare Leistung erbracht haben. Es genügt insoweit nicht, dass ein Krankenhaus eine Leistung bloß abrechnet. Es muss sie tatsächlich bewirkt haben (vgl BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R – juris Rn 26). Ein Krankenhaus wird nicht dafür vergütet, eine Struktur aus medizinischem Fachpersonal vorzuhalten, einen erkrankten Versicherten bei sich aufzunehmen und eine in das Belieben des Krankenhauses gestellte Behandlung durchzuführen. Ein Anspruch auf stationäre Versorgung besteht nur dann, wenn der Versicherte gerade die Versorgungsstruktur eines stationären Krankenhauses benötigt, weil eine ambulante Behandlung nicht ausreicht oder die konkrete Behandlungsform und –dichte nicht in dem Ausmaß ambulant durchgeführt werden kann. Das ist – wie die Beklagte und das SG zutreffend betont haben – bei Leistungen zur neuropädiatrischen Komplexbehandlung der Fall, wenn gerade die durch das koordinierte Gesamtkonzept gewährleistete Therapiedichte eines fachübergreifenden Teams erforderlich ist.
bb) Der Grundsatz, dass Krankenkassen nur die Leistungen zu vergüten haben, die Krankenhäuser tatsächlich erbracht haben, gilt unabhängig davon, ob sie dem DRG-Vergütungssystem unterliegen oder nicht und somit auch für die Klägerin (so schon Urteil des Senats vom 31. Januar 2023 – L 10 KR 235/20 – juris).
aaa) Für die Abrechenbarkeit einer Leistung hat die Klägerin entgegen ihrer Ansicht als nach § 108 Nr 2 SGB V zugelassenes Krankenhaus den OPS für die durchgeführte stationäre Behandlung – hier die neuropädiatrische Komplexbehandlung – zu übermitteln (siehe bereits Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 2023 – L 10 KR 235/20 – juris; so im Ergebnis auch Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2022, L 5 KR 146/20). Die Verpflichtung zur Übermittlung von Leistungsdaten ergibt sich allgemein für alle Leistungserbringer aus § 294 SGB V und für Krankenhäuser konkret aus dem – ohne Differenzierung nach der Art der Zulassung und der für ein Krankenhaus maßgeblichen Vergütungsstruktur – für alle nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser geltenden § 301 Abs 1 Nr 6 SGB V. Dieser sieht die Übermittlung von Datum und Art der im oder vom jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren vor. Dabei sind die Operationen und sonstigen Prozeduren nach Absatz 1 Satz 1 Nr 6 nach dem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Schlüssel zu verschlüsseln; der Schlüssel hat die sonstigen Prozeduren zu umfassen, die nach § 17b und § 17d des KHG abgerechnet werden können, siehe § 301 Abs 2 Satz 2 SGB V (idF durch Art 1 Nr 79 Buchst b) des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl I, Seite 2626; BT-Drs 14/1977, Seite 94,180). Weder § 301 Satz 1 noch § 301 Satz 2 differenzieren für die Übermittlungspflicht eines OPS danach, welche der in § 17b KHG vorgesehenen bzw ermöglichten Formen der Vergütung für das jeweilige Krankenhaus einschlägig ist.
Der Operationen- und Prozedurenschlüssel ist – ebenso wie das DRG-System – ein Regelwerk, wobei der OPS rechtssystematisch eine besondere Art der Behandlung, differenziert nach Facharztgebiet sowie Behandlungsbedarf und –umfang beschreibt (vgl BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 21/14 R – juris Rn 16,17). Dass der OPS eine Vergütungsregelung ist, gilt sowohl für die Abrechnung stationärer Krankenhausbehandlung im DRG-basierten Vergütungssystem (vgl BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 – B 1 KR 31/20 R – juris Rn 21) als auch für andere normativ zulässige Abrechnungssysteme für die Behandlung gesetzlich krankenversicherter Personen (vgl „Vertrag nach § 115b Abs 1 SGB V – Ambulantes Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus“).
bbb) Auch aus dem Wortlaut des § 17b Abs 1 Satz 15 KHG ergeben sich keine Hinweise darauf, dass besondere Einrichtungen, deren Vergütung erbrachter Leistungen nicht dem DRG-System unterfallen, auch von Regelungen über die Nutzung der OPS befreit sind, um erbrachte Leistungen abzurechnen. Auch aus den Gesetzesbegründungen zur Einführung des § 17b Abs 1 Satz 15 KHG durch Artikel 1 Nr 7 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser (FPÄndG) vom 17. Juli 2003 zum 22. Juli 2003 (BGBl I, Seite 1461; BR-Drs 131/03 Seite 16) bzw der redaktionellen Änderung in § 17b Abs 1 Satz 10 KHG durch Artikel 1 Nr 7 des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (KHSG) vom 10. Dezember 2015 (BGBl I, Seite 2229; BT-Drs 18/5372, Seite 54 und BT-Drs 18/6586, Seite 90) sind keine Hinweise zu entnehmen, dass besondere Einrichtungen, deren Vergütung erbrachter Leistungen nicht dem DRG-System unterfallen, auch von Regelungen des § 301 SGB V befreit sind.
ccc) Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Kriterien gestützt, die in der VBE 2010 als Voraussetzung für den Nachweis einer besonderen Einrichtung aufgelistet werden (§ 1 Abs 2 bis 5 VBE 2010) und für das Verfahren nachzuweisen sind (§ 2 VBE 2010). Verfahrenseinleitend hat das Krankenhaus darzulegen, insbesondere durch welche Diagnosen und Prozeduren die besondere Gruppe von Patienten und Patientinnen gekennzeichnet ist und dass bei Vorliegen langer Verweildauern diese auf die besondere Gruppe und somit nicht auf Unwirtschaftlichkeit zurückzuführen sind (§ 2 Satz 3 VBE 2010). Mögliche Kriterien für die Ausnahme aus dem DRG-Abrechnungssystem werden definiert durch Fallpauschalen nach DRG, zB für selbständige Kinderkrankenhäuser (vgl § 1 Abs 3 Satz 8 VBE 2010) und den Anteil der Leistungsfälle der Einrichtung, zB mindestens 40 vom Hundert (vgl § 1 Abs 3 Satz 8 VBE 2010). Bestimmte DRG-Fallpauschalen werden jedoch wiederum unter anderem bei der Eingabe der nach ICD-10 kodierten Diagnosen und der Eingabe einer Prozedur nach OPS angesteuert (vgl BSG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn 33). Diese Grundlagen für die Anerkennung als besondere Einrichtung zeigen auf, dass ein Krankenhaus nicht für eine in sein Belieben gestellte Versorgung als besondere Einrichtung mit der Folge eines Vergütungsanspruchs nach Tagessätzen anerkannt wird, sondern für bestimmte mittels OPS definierte Behandlungsmaßnahmen, die mit einer längeren Verweildauer einhergehen und das Leistungsgeschehen des Krankenhauses prägen. In dem Behandlungsfall des Versicherten, dessen Vergütung die Klägerin in diesem Verfahren begehrt, war die DRG B 46Z einschlägig, die explizit in § 1 Abs 3 Satz 8 VBE 2010 als möglicher Grund für die Anerkennung als besondere Einrichtung aufgezählt wird.
ddd) Die OPS 9-403.0 bis 9-403.8 beschreiben nach den einleitenden Hinweisen besondere Therapien und setzen ua eine „operationalisierte individuelle Diagnostik und Therapie und Anleitung von Bezugspersonen durch ein multidisziplinäres Team unter Leitung eines Kinder- und Jugendarztes bei drohender oder manifester Behinderung, Entwicklungs- und Verhaltensstörung sowie seelischen Störungen“ voraus. Dabei sind „bei den Therapieformen 9-403.2, 9-403.4, 9-403.5, 9-403.6 und 9-403.7 die Mindestleistungen innerhalb des angegebenen Zeitraumes zu erbringen“. Ferner enthält der einleitende Hinweis bei ICD-10 2010 Kapitel 9-40 „Psychosoziale, psychosomatische und neuropsychologische Therapie“ die Maßgabe „Ein Kode aus diesem Bereich ist nur für Leistungen anzugeben, die in Einrichtungen im Geltungsbereich des § 17b KHG erbracht wurden“. Diese Formulierung enthält nicht nur eine Abgrenzung gegenüber ambulanten Behandlungszentren mit komprimierter Leistungserbringung diverser therapeutischer Disziplinen („nur“), sondern auch ein Gebot, dass Leistungen, die in Einrichtungen im Geltungsbereich des § 17b KHG erbracht wurden, die Voraussetzungen des OPS einhalten müssen. Zu den Einrichtungen im Geltungsbereich des § 17b KHG gehören auch besondere Einrichtungen iSv § 17b Abs 1 Satz 15 KHG (in der im Jahr 2010 geltenden Fassung, siehe oben). Folglich war die Klägerin als anerkannte besondere Einrichtung auch nach dieser Maßgabe verpflichtet, den OPS 9-403.5 im Rahmen des Datensatzes nach § 301 SGB V anzugeben. Jedenfalls aufgrund dieses Satzes in dem einleitenden Hinweis zu allen OPS 9-40 kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, die Daten des OPS 9-403.5 nicht übermitteln und deren Voraussetzungen nicht einhalten zu müssen.
dd) In der Übermittlung der nach den Abrechnungsbestimmungen verschlüsselten Information – etwa der Diagnose nach ICD-10 oder dem OPS-Code – an die Krankenkasse liegt schließlich zugleich die implizite Tatsachenbehauptung des Krankenhauses, es habe beim Versicherten die Befunde erhoben, die die angegebene Diagnose als rechtlich relevanter Abrechnungsbegriff rechtfertigen, und die medizinischen Behandlungen im weiteren Sinne durchgeführt, die die tatbestandlichen Voraussetzungen der nach dem OPS kodierten Operation oder Prozedur erfüllen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R – juris Rn 32). Mit den Angaben aus den Regelwerken ICD-10 und Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) erhalten die Krankenkassen regelmäßig keine Informationen, die den Behandlungsfall in seinen konkreten Einzelheiten unmittelbar abbilden und den medizinischen Sachverhalt vollständig wiedergeben mit der Folge, dass es einer nachträglichen Kontrolle bedarf und die Krankenhäuser ggfs Unterlagen vorzulegen haben (vgl BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R – juris Rn 19). Diese Grundsätze gelten zur Überzeugung des erkennenden Senats gleichermaßen – modifiziert und angepasst an die Abrechnungsbestimmungen – für Krankenhäuser als besondere Einrichtungen. Auch diese müssen die maßgeblichen Leistungen vollständig erbringen und sie unterliegen der Überprüfung durch die Krankenkasse – ggfs unter Einbeziehung des MDK – und der Gerichte.
ee) Diese Grundsätze haben zur Folge, dass ein OPS nicht abrechenbar ist, wenn nicht alle im OPS beschriebenen Behandlungs- und Leistungsbestandteile, inklusive der Therapiedichte und –dokumentation, erbracht wurden, selbst wenn die strukturellen Anforderungen erfüllt werden können (vgl BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 21/14 R – juris Rn 17ff; Urteil vom 19. Dezember 2017 – B 1 KR 19/17 R – juris Rn 33ff; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – B 1 KR 21/20 R – juris Rn 14 - 16). Ist eines der Mindestmerkmale einer Prozedur nicht erfüllt, ist diese Prozedur nicht vollständig erbracht worden.; Teilleistungen eines OPS bzw einer DRG können grundsätzlich nicht abgerechnet und vergütet werden (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2014 – L 9 KR 324/12 – juris; Urteil vom 11. August 2020 – L 9 KR 270/16 – juris Rn 24). Aus welchen Gründen die Prozedur nicht vollständig erbracht wurde, ist grundsätzlich unerheblich.
Aus Sicht des Senats gilt dieser Grundsatz insbesondere für einen OPS, der – wie der OPS 9-403.5 – als kodierbarer Behandlungskomplex nur existiert, um im Rahmen einer stationären Versorgung eine gezielte Kombination therapeutischer Leistungen zu bieten, die je für sich betrachtet ambulant erbracht werden können. Der OPS 9.403.5 kodiert eine stationär erbrachte Komplexleistung. Das Wesen einer Komplexbehandlung liegt – wie auch PD Dr. B_______ ausgeführt hat – gerade darin, dass verschiedene medizinische Fachbereiche ihre Ziele aufeinander abstimmen und – entsprechend der medizinischen Notwendigkeit – (gemeinsame) Prioritäten erarbeiten. Es handelt sich um eine aus verschiedenen, sich ergänzenden Teilen zusammengesetzte Therapie (vgl Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 5 KR 4875/14 – juris
Rn 39 - 40). Diese Struktur der Behandlung führt dazu, dass die therapeutischen Maßnahmen nicht einzeln unter Nennung der Position im Heilmittelverzeichnis und nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V, § 125 SGB V, den abgeschlossenen Verträgen sowie unter Berücksichtigung von § 302 SGB V von zugelassenen ambulanten Leistungserbringern abgerechnet werden, sondern unter Beachtung des § 301 SGB V und Angabe eines OPS 9-403 von zugelassenen stationären Einrichtungen. In der EV 2010 sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür zu finden, dass es für die Abrechenbarkeit ausreicht, Teilleistungen dieses OPS zu erbringen.
ff) Gemessen an diesen Grundsätzen konnte die Klägerin den OPS 9-403.5 nicht zur Abrechnung mittels Tagessätzen heranziehen.
Die Klägerin hat durch die Behandlung des Versicherten die Leistungsvoraussetzungen des OPS 9-403.5 (OPS Version 2010) nur teilweise erfüllt. Dieser OPS wird in der Version 2010 beschrieben als „Langzeit-Intensivtherapie: Über 7 Tage werden 15 Therapie-einheiten von 45 Minuten durchgeführt. Davon müssen mindestens 5 Therapieeinheiten durch einen Arzt, Psychologen und/oder Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten geleistet werden. Es müssen mindestens 3 Therapeutengruppen zum Einsatz kommen. Dieser Kode kann jeweils für eine Therapie über 7 Tage für die maximale Dauer von 8 Wochen pro Jahr angegeben werden.“ Nach den einleitenden Hinweisen zu allen OPS 9-403 ist die Therapiedurchführung an den jeweiligen Standards der neuropädiatrischen oder sozialpädiatrischen Gesellschaft oder der pädiatrischen Psychosomatik orientiert (https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/ops/kode-suche/opshtml2010/block-9-40...9-41.htm, recherchiert 24. Juni 2024).
aaa) Die Dokumentation der Klägerin war mangels vorhandener Leitlinien zur Therapie einer infantilen Zerebralparese nicht daraufhin zu überprüfen, ob selbige eingehalten wurden oder nicht.
bbb) Zu prüfen war jedoch, ob die Klägerin die qualitativen Vorgaben des OPS zur fachlichen Qualifikation der Behandler, zur Zusammensetzung des Teams und zur Therapiedichte einhielt. Der Versicherte wurde mittels Bewegungstherapie (Motomed, Lokomattraining und Stehtraining), Ergotherapie, Logopädie, pädagogischer Frühförderung, Schwimmtherapie, Musiktherapie behandelt. Die Vielzahl der nichtärztlichen Therapieformen erfüllte diese qualitativen Anforderungen des OPS, allerdings wurde in den Patientenunterlagen nicht dokumentiert, dass pro Woche fünf Therapieeinheiten mit einer Dauer von 45 Minuten von einem Arzt durchgeführt wurden.
ccc) Nicht zweifelsfrei nachvollziehbar ist der quantitative Umfang der erbrachten therapeutischen nichtärztlichen Leistungen. Der Versicherte befand sich vom 1. März bis 16. April 2010 im Haus der Klägerin. Für die 47 Tage müssten – ausgehend von jedenfalls 6 Wochen Aufenthalt – mindestens 90 Therapieeinheiten durchgeführt worden sein, die jeweils 45 Minuten dauerten; insgesamt müssten mindestens 4050 (45 x 90) Therapieminuten nachvollziehbar erbracht worden sein. PD Dr. B______ hat in seinem Gutachten Seite 5/6 die Behandlungspläne und die Dokumentation ausgewertet und zwar 139 Therapieeinheiten gezählt. Diese Anzahl würde ausreichen. Nach den aktenkundigen täglichen Behandlungsplänen dauerten einige Therapieeinheiten jedoch bereits geplant nur maximal 30 Minuten, einige könnten nach dem Behandlungs(stunden)plan 60 Minuten oder gar 90 Minuten gedauert haben. Insoweit ist nicht ersichtlich, ob die Zeit zwischen zwei Terminbeginnzeiten die geplante Dauer der jeweiligen Therapie abbildete oder nur die Terminbeginnzeiten auflistete, ohne Rückschlüsse auf die Dauer der Therapieeinheit zuzulassen. Weder aus dem Behandlungsstundenplan noch der Dokumentation zu den Therapiemaßnahmen ist nachvollziehbar, dass alle Therapieeinheiten wie geplant durchgeführt und tatsächlich jeweils 45 Minuten dauerten. Der Senat ist daher auch nicht davon überzeugt, dass dann, wenn der stationäre Krankenhausaufenthalt notwendig gewesen wäre, alle quantitativen Anforderungen für die Abrechenbarkeit des OPS 9-403.5 tatsächlich erfüllt wurden.
gg) Angesichts des Gesamtaufenthaltes von 47 Tagen, der mindestens den sechsmaligen Ansatz des OPS 9-403.5 ermöglichen würde, kann die Klägerin nicht beanspruchen, für eine tatsächliche Anzahl aufaddierter Zeiten den OPS-Code 9-403.5 in reduzierter Anzahl abzurechnen. Dem steht die Regelung in dem einleitenden Hinweis zu allen OPS 9-403 entgegen, dass die Mindestleistungen innerhalb des angegebenen Zeitraums – hier jeweils innerhalb von 7 Tagen – erbracht werden müssen. Es ist daher nicht möglich, die Therapieeinheiten – selbst wenn sie jeweils den quantitativen und qualitativen Anforderungen genügen würden – auf einen längeren Zeitraum zu strecken und gleichwohl
– wenn auch nach Tagen gekürzt – abzurechnen.
Die Klägerin kann den geltend gemachten Vergütungsanspruch auch nicht dadurch beanspruchen, dass sie auf andere OPS des Abschnitts 9-403 abstellt. Denn die tatsächliche Leistungserbringung für einen tatsächlichen Behandlungszeitraum von 47 Tagen lässt sich nicht – quasi im Baukastensystem aufaddiert – mit anderen OPS dieses Abschnitts abbilden. Die OPS 9-403.0 Begleitende Therapie, 9-403.1 Therapie als Blockbehandlung, 9-403.2 Therapie als erweiterte Blockbehandlung, 9-403.3 Intensivtherapie und 9-403.4 Erweiterte Intensivtherapie sehen ein jeweils in sich geschlossenes Therapiekonzept in einem konkret definierten Zeitraum vor, ohne dass sie mehrmals hintereinander pro Jahr kodiert werden können. Die OPS 9-403.6 bis 9-403.8 können bereits dem Grunde nach nicht herangezogen werden, da sie eine – hier weder dokumentierte noch erbrachte – psychotherapeutische Behandlung abbilden.
4. Die Klägerin kann auch nicht nach den Maßstäben fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens eine Vergütung beanspruchen.
a) Zunächst liegt keine der bisher in der Rechtsprechung des BSG anerkannten Fallkonstellationen vor (vgl dazu BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 5/21 R - juris). Insbesondere kommt eine Abrechnung der einzelnen Therapieeinheiten als ambulante Leistung in Ermangelung eines entsprechenden Versorgungsauftrages der Klägerin nicht in Betracht.
b) Die Klägerin kann sich aber auch nicht darauf berufen, nach der Rechtsprechung des BSG bei „Nichterfüllung der Voraussetzungen“ einen Anspruch auf eine Vergütung entsprechend der Tagessätze der Behandlung in der Phase C (§ 40 SGB V) gehabt zu haben. Behandelt ein Krankenhaus einen Versicherten bei erforderlicher Krankenhausbehandlung in unwirtschaftlichem Umfang, habe es nach dieser Entscheidung einen Vergütungsanspruch, obwohl die abgerechnete Behandlung nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen habe und daher wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs eigentlich gar keine Vergütung zu beanspruchen wäre. Die Höhe dieses Vergütungsanspruchs richte sich nach dem fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten. Das Krankenhaus könne die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre (BSG, Urteil vom 27. Oktober 2020 – B 1 KR 9/20 R – juris Rn 16).
Die Klägerin kann sich nicht auf diese Rechtsprechung berufen. Zwar können Leistungen der stationären Krankenhausbehandlung und Leistungen der stationären Rehabilitationsbehandlung auch in einer Einrichtung erbracht werden, sofern diese Bereiche in räumlicher, organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht eindeutig getrennt sind und insoweit getrennte Zulassungen (§ 109 SGB V) bzw statusbegründende Versorgungsverträge (§ 111 Abs 5 SGB V) für den Krankenhausbereich einerseits und den Vorsorge- und Rehabilitationsbereich andererseits vorliegen (vgl § 111 Abs 6 SGB V; zur Statusbegründung BSG Urteil vom 19. November 1997 – 3 RK 1/97 – juris Rn 16). Solche getrennten Statusentscheidungen lagen 2010 für die Klägerin vor. Die sich dann aufdrängende Rechtsfrage, ob die Regelung in § 111 Abs 6 SGB V für „eine Rehabilitationseinrichtung an einem zugelassenen Krankenhaus“ dazu führt, dass das Krankenhaus mit einer anstelle einer stationären Krankenhausbehandlung tatsächlich erbrachten Rehabilitationsleistung seinen Versorgungsauftrag erfüllt oder zwingende Vorgaben des Leistungserbringerrechts unterläuft (vgl zur Bedeutung dieser Fragestellung für die Abrechnung nach den Grundsätzen fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 5/21 R – juris Rn 24) lässt der Senat offen, auch wenn davon auszugehen ist, dass eine Rehabilitationsbehandlung ein aliud und kein weniger zu einer durchgeführten stationären Krankenhausbehandlung ist, die lediglich kostengünstiger hätte ausgestaltet werden können. Zwischen einer stationären Behandlung in einem Akutkrankenhaus und einer solchen in einer Rehabilitationseinrichtung besteht kein Stufenverhältnis (Anschluss des Senats an Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. August 2022 – L 11 KR 556/20 – juris Rn 59).
c) Der Senat bedenkt vielmehr, dass eine Rehabilitationsleistung nach § 40 SGB V im Jahr 2010 der vorherigen Antragstellung bei der Krankenkasse bedurfte, die nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt (§ 40 Abs 3 Satz 1 SGB V idF durch Gesetz vom 28. Mai 2008). Dementsprechend war eine vorherige Antragstellung im Jahr 2010 auch in § 4 Abs 3 des Versorgungsvertrag Rehabilitation vorgesehen. Während das „Ob“, dh die Erforderlichkeit der stationären Behandlung nicht im Ermessen der Krankenkasse steht und voll gerichtlich überprüfbar ist, stehen das „Wie“ und die Wahl der Einrichtung im Ermessen der Krankenkasse (BSG, Urteil vom 7. Mai 2013 – B 1 KR 53/12 R – juris Rn 10, 14). Diese Antragstellung und dieses Auswahlermessen der Krankenkasse kann das Gericht im gerichtlichen Verfahren eines Krankenhausträgers auf Verpflichtung der beklagten Krankenkasse zur Zahlung der Vergütung für die durchgeführte stationäre Rehabilitationsbehandlung nicht ersetzen und sie kann auch nicht fingiert werden, um eine fiktive wirtschaftliche Alternativabrechnung des Krankenhauses zu rechtfertigen. Diese spezifischen Zugangsvoraussetzungen zu einer Rehabilitationsleistung binden insoweit nicht nur den Versicherten und die Krankenkasse, sondern zur Überzeugung des Senats auch die Rehabilitationseinrichtung. Folgerichtig sah der mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin abgeschlossene Versorgungsvertrag Rehabilitation auch vor, dass die Versicherten nach durchgeführtem Genehmigungsverfahren (§ 4 Abs 2) mit einer Kostenübernahmeerklärung eingewiesen werden (§ 1 Abs 1 Satz 1). Insofern unterscheidet sich dieser Zugang zur Rehabilitationsleistung von den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer stationären Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs 1 SGB V. Diese bedarf keiner vorherigen Zustimmung der Krankenkasse und ein eine stationäre Behandlung ablehnender Bescheid bindet die Krankenkasse nicht gegenüber dem Krankenhaus (vgl BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 – B 1 KR 19/21 R – juris Rn 11).
Darüber hinaus konnten Rehabilitationsleistungen nach der Rechtslage im Jahr 2010 nur alle vier Jahre beansprucht werden (§ 40 Abs 3 Satz 4 SGB V idF durch Gesetz vom 28. Mai 2008). Der Versicherte befand sich bereits sechs Monate vor der streitigen Behandlung zur Rehabilitationsbehandlung im Haus der Klägerin, so dass die gesetzlich vorgesehene Wartezeit bei unterstellter vorheriger Antragstellung und Ermessensentscheidung der Krankenkasse nicht eingehalten worden wäre.
Es ist nicht ersichtlich, dass die genannten Zugangsvoraussetzungen durch die Grundsätze der Abrechnung des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ausgehebelt werden können. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung kommt es nicht mehr darauf an, ob die Klägerin die quantitativen und qualitativen Voraussetzungen für die Leistungen nach Phase C der Anlage 2 zum Versorgungsvertrag Rehabilitation durch die Behandlung des Versicherten vom 1. März 2010 bis 16. April 2010 erfüllt oder nicht. Der Senat lässt diese Feststellung offen.
5. Dem Erstattungsanspruch der Beklagten stand ferner nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen (§ 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm dem in § 242 BGB verankerten Grundsatz von Treu und Glauben). Für Vertrauensschutz durch bewusstes und planmäßiges Nichtstun der Beklagten im Einzelfall (dazu BSG, Urteil vom 20. Januar 2021
– B 1 KR 31/20 R – juris Rn 34) bietet der vorliegende Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Gleiches gilt für Vertrauensschutz aus einer langjährigen gemeinsamen Praxis von Krankenhäusern und Krankenkassen oder durch höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Schutz des Vertrauens von Krankenkassen und Krankenhäusern in von ihnen dabei eingeübte Verfahrensweisen ist dabei umso stärker, je länger und einvernehmlicher die Verfahrensweisen praktiziert werden, je bedeutsamer sie sind und wenn sie zugleich bereits über längere Zeit eine höchstrichterliche Billigung erfahren haben (vgl BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 – B 1 KR 31/20 R – juris Rn 36 - 39). Eine solche höchstrichterlich gebilligte Praxis für die Abrechnung von neuropädiatrischen Komplexbehandlungen durch besondere Einrichtungen iSv § 17b Abs 1 KHG ohne eine Pflicht zur Erfüllung der qualitativen und quantitativen Voraussetzungen des abgerechneten OPS im Einzelfall gab es im Jahr 2010 nicht.
Nach alledem steht fest, dass die Klägerin den geltend gemachten Betrag nicht beanspruchen konnte und die Klage daher abzuweisen war.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
7. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, § 47 Abs 1 GKG. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist nach § 52 Absatz 3 GKG deren Höhe maßgebend. Vorliegend war der Gegenstand des Verfahrens auf eine bestimmte Geldsumme – Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung iHv 19.362,70 Euro – gerichtet. Dieser Betrag war – gerundet – als Streitwert festzusetzen.
8. Die Revision war zuzulassen. Zwar weicht der Senat mit dieser Entscheidung nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts ab (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Allerdings ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu bejahen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung ist einer Rechtssache nur dann beizumessen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG, Beschluss vom 31. März 1998 – B 1 KR 56/96 B – juris Rn 5). Es gibt zu der Frage, ob besondere Einrichtungen im Sinne von § 17b Abs 1 Satz 15 KHG aufgrund der Abrechnung nach Tagessätzen von der Übermittlung und Einhaltung von OPS befreit sind oder nicht, derzeit noch keine Entscheidung des BSG. Jedoch steht eine Entscheidung in dem Revisionsverfahren B 1 KR 11/24 R noch aus. Ein weiterer Grund für die Zulassung der Revision ist die Klärung der Rechtsfrage, ob für eine durchgeführte stationäre Behandlung, die nicht als stationäre Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V notwendig und daher nicht als solche abrechenbar war, nach den Grundsätzen über die Abrechnung fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens eine Vergütung nach den Maßstäben einer stationären Rehabilitationsbehandlung iSv § 40 SGB V beansprucht werden konnte.