1. Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge eines anerkannten Arbeitsunfalles. 2. Zur Verwertung von der Beklagten eingeholten Gutachten und beratungsärztlichen Stellungnahmen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalles am 20. Juni 2014 (Beschwerden an Hals- und Lendenwirbelsäule, depressive Stimmungslage sowie posttraumatisches Belastungssyndrom) sowie die Zahlung von Verletztengeld bzw. Verletztenrente.
Die Klägerin ist 1966 geboren und war zum Unfallzeitpunkt als Betreuerin in einer Sozialeinrichtung beschäftigt. Nach der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 2. Juli 2014 fing ein Betreuter an, die Klägerin zu beschimpfen und ihre Familie zu bedrohen. Dann sei er aufgesprungen und habe sie so geschubst, dass sie hingefallen sei. Er habe nachgetreten. Der Klägerin sei die Flucht gelungen. Jedoch habe der Betreute sie verfolgt und sie erneut gestoßen, so dass sie wieder zu Boden gegangen sei. Er habe gedroht, sie die Treppe hinunterzuwerfen. Sie habe bei dem Vorfall Prellungen, Einblutungen und Verstauchungen erlitten. Dipl.-Med. T. diagnostizierte am 20. Juni 2014 eine Fußschwellung sowie Fußschmerzen.
Die Klägerin stellte sich am frühen Nachmittag des 24. Juni 2014 bei dem D-Arzt Dipl.-Med. S. vor und berichtete, dass sie vor vier Tagen von einem Heimbewohner tätlich angegriffen worden sei. Sie habe auf der Erde gelegen und sei mit Füßen getreten worden. Bei der Untersuchung durch Dipl.-Med. S. bestand an der Lendenwirbelsäule ein leichter Druckschmerz paravertebral. Die DMS (Durchblutung, Motorik, Sensorik) waren intakt. An der rechten Hüfte bestand ein Zustand nach Endoprothese mit einem Druckschmerz im Rollhügelbereich. Hautverletzungen waren nicht feststellbar. Es lag ein leichter Bewegungsschmerz ohne tastbare Krepitationen vor. Im rechten Fuß bestand eine Schwellung und Hämatomverfärbung im gesamten Fuß ohne tastbare Krepitationen und ohne Hautverletzungen. Röntgenaufnahmen von Fuß, Hüfte sowie Halswirbelsäule ergaben keinen Hinweis auf eine Fraktur. Die Diagnosen lauteten Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule, Prellung des oberen Sprunggelenkes sowie Prellung der Hüfte. Dipl.-Med. S. stellte Arbeitsunfähigkeit bis zum 14. Juli 2014 fest.
Am 8. Juli 2014 stellte sich die Klägerin nach einem weiteren Bericht von Dipl.-Med. S. erneut bei ihm vor und erklärte, dass sie nicht in der Lage sei, ihre Tätigkeit zum 14. Juli 2014 wieder aufzunehmen. Sie habe darauf bestanden, sofort dranzukommen. Sie habe dann schließlich sehr erbost die Praxis verlassen und sich bei ihrer Hausärztin vorgestellt. Diese habe die Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. Juli 2014 verlängert. Bei der Wiedervorstellung - so Dipl.-Med. S. - habe die Klägerin noch über linksseitige Hüftschmerzen geklagt. Klinisch habe sich weiterhin ein Klopf- und Druckschmerz im Übergang der Lendenwirbelsäule zum Kreuzband sowie über den Kreuzbandbogen beidseits gezeigt. Die Hüftgelenke seien klinisch unauffällig gewesen. Neurologische Defizite im Bereich der unteren Gliedmaßen bestanden nach Feststellungen des Arztes nicht. Im rechten Fuß lägen noch diskrete Weichteilschwellungen bei ansonsten unauffälligem klinischen Befund vor. Die Röntgenuntersuchung der Lendenwirbelsäule habe eine deutliche Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes L5/S1 gezeigt. Auch die Kreuzbeinfugen hätten beidseits schon deutliche degenerative Veränderungen aufgewiesen.
Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. R. stellte bei ihrer Untersuchung am 9. Juli 2014 Verstauchungen, Prellungen und Zerrungen der Halswirbelsäule, Hüfte sowie der Knöchelregion fest. Weiter berichtete sie am 4. Oktober 2014 über eine Vorstellung der Klägerin am 25. September 2014, bei der sie sehr depressiv gewirkt habe. Sie habe sofort angefangen zu weinen und geschildert, dass die Bilder des Unfalles sie ständig verfolgen würden. Sie kenne sich selbst so gar nicht. Aber auch durch die fortbestehenden starken Schmerzen lumbal und im Bereich der rechten Hüfte und des rechten Sprunggelenkes sei sehr viel Lebensfreude verloren gegangen. Zudem gebe es Schwierigkeiten auf der Arbeitsstelle, wo möglicherweise eine Versetzung oder eine Veränderung der Stundenzahl anstehe. Insgesamt wirke die Klägerin sehr verängstigt. Aus Sicht dieser Internistin waren die Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung und depressive Episode zu stellen, welche teilweise auf den Unfall und teilweise auf die allgemeinen Lebensumstände zurückgingen.
Am 2. Oktober 2014 stellte der Radiologe Dr. L. nach einer MRT-Untersuchung des oberen Sprunggelenkes rechts keinen Anhalt für eine etwaige versteckte Fraktur fest. Auch die Außenbänder seien durchgängig intakt. Klinisch bestehe im Seitenvergleich nur eine minimale Schwellung. Ein relevantes Knochenmarködem war ebenfalls nicht festzustellen. Die degenerativen Veränderungen seien altersgerecht.
Am 18. November 2014 berichtete der Unfallchirurg und Orthopäde Dr. G., erneut angefertigte Röntgenbilder des Hüftgelenkes hätten keinerlei Auffälligkeiten gezeigt. Seiner Auffassung nach seien die geklagten Beschwerden eher psychosomatischer Natur und sollten entsprechend behandelt werden.
Am 27. November 2014 berichtete der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. C. von fünf Therapiesitzungen mit der Diagnose einer Anpassungsstörung. Diese sei direkt auf den Vorfall zurückzuführen. Er empfehle eine stufenweise Wiedereingliederung ab Januar 2015.
Am 11. Februar 2015 erstattete der Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. T. nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin ein Gutachten für die Beklagte. Ihm gegenüber gab die Klägerin radiologische Untersuchungen der Wirbelsäule und Hüfte im Jahre 1999 sowie der Halswirbelsäule im Jahre 2008 an, da früher bereits Behandlungen aufgrund von Beschwerden der Lendenwirbelsäule stattgefunden hätten. Bezüglich des rechten Hüftgelenkes seien Einrenkungen erfolgt. Im rechten Fußgelenk hätten vor dem Vorfall keine Beschwerden bestanden. Die Klägerin betonte, dass in den Tagen nach dem Vorfall ausschließlich im rechten Fuß Beschwerden bestanden hätten. Deshalb habe sie Dipl.-Med. S. aufgesucht; dort seien auch weitere Röntgenaufnahmen der rechten Hüfte und der Halswirbelsäule durchgeführt worden, um knöcherne Verletzungen jeweils auszuschließen. In den ersten zwei Tagen nach dem Vorfall habe sie weitergearbeitet, habe aber deutliche Beschwerden im rechten Fußgelenk gehabt. Im Oktober 2014 sei sie „in ein tiefes schwarzes Loch gefallen“. Dieses sei im Zusammenhang mit einer vom Arbeitgeber geplanten Umsetzungsmaßnahme aufgetreten. Wegen psychischer Probleme sei eine hausärztliche Behandlung erfolgt und eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Belastungsstörung festgestellt worden.
Eine Röntgenuntersuchung der Hals- und Lendenwirbelsäule ergab keinen Hinweis auf eine stattgehabten knöcherne Verletzung oder eine segmentale Instabilität. Es zeigten sich ausgeprägte degenerative Veränderungen der Segmente C5/C6 sowie C6/C7. Hier bestanden eine ausgeprägte Osteochondrose sowie eine Spondylose mit einer hochgradigen Einengung der Neuroforamina in diesem Bereich. Bei L4/5 zeigte sich eine deutliche Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes bei weitgehend aufgebrauchtem Zwischenwirbelraum lumbosakral. Das rechte Hüftgelenk war durch eine Kurzschaftprothese ersetzt worden; die Prothesenlage war regelrecht ohne Lockerungszeichen. Im linken Hüftgelenk und rechten Sprunggelenk ließen sich keine Zeichen einer stattgehabten knöchernen Verletzung feststellen.
Nach Ansicht von Dr. T. bestanden nach der Befragung und Untersuchung keine Hinweise für eine posttraumatische Belastungsstörung. Es sei eine Unzufriedenheit mit der derzeitigen Situation zu erkennen. Weiterhin zeige sich eine deutlich fortgeschrittene degenerative Veränderung des Achsenorganes. Seine Diagnosen der Unfallfolgen lauteten Distorsion der Halswirbelsäule, Hüftprellung rechts sowie Prellung/Distorsion des rechten Sprunggelenkes und rechten Fußes. Ausdrücklich betonte Dr. T., dass er einen Kausalzusammenhang zwischen der Anpassungsstörung und dem versicherten Unfallereignis nicht erkennen könne.
Mit Bescheid vom 25. März 2015 lehnte die Beklagte gestützt auf die Ausführungen von Dr. T. die Feststellung verschiedener Erkrankungen als Unfallfolge ab (degenerative Veränderungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule, Torsionsskoliose bei Beinverkürzung rechts, Endoprothese im rechten Hüftgelenk, leichte degenerative Fußwurzelveränderungen und depressive Stimmungslage). Als Folge des Arbeitsunfalles anerkannt wurden eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine Prellung der rechten Hüfte sowie eine Prellung und Zerrung des rechten Sprunggelenkes. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit werde vom 24. Juni bis 27. Juli 2014 anerkannt. Anspruch auf Rente bestehe nicht. Auch insoweit stützte sich die Beklagte auf die Feststellungen von Dr. T..
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und wies darauf hin, dass Dr. R. sie bereits am 4. Oktober 2014 als sehr depressiv und verängstigt beschrieben habe. Sie habe auch eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Ergänzend werde auf den Befundbericht von Dr. C. verwiesen. Dr. T. habe lediglich ein Gutachten auf dem Fachgebiet der Chirurgie zu erstellen gehabt und könne psychische Folgen nicht beurteilen. Ohnehin scheine der Unfallverlauf stark bagatellisiert zu werden. Sie sei von dem angreifenden Heimbewohner nicht etwa an die Wand gedrückt worden, sondern regelrecht geworfen worden.
In einem weiteren Befundbericht vom 25. März 2015 führte Dr. C. aus, das Krankheitsbild stagniere. Immerhin habe eine Verschlechterung abgewendet werden können. Eine dringend indizierte erneute Wiedereingliederung der Klägerin in ihre alte Tätigkeit scheitere derzeit am Arbeitgeber. Für eine von diesem vorgesehene dauerhafte Verwendung in der Pflege sei die Klägerin körperlich und psychisch ungeeignet. Sie klage derzeit juristisch um ihren alten Arbeitsplatz.
In einem Befundbericht für die Rentenversicherung vom 1. Juni 2015 stellte Dr. R. unter anderem die Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung/depressive Episode, Prellung/Distorsion rechtes Sprunggelenk sowie Prellung rechte Hüfte.
Am 23. Juni 2015 berichtete Dipl.-Psych. R. über die Behandlung der Klägerin. Diese habe sich am 9. April 2015 in ihrer Praxis vorgestellt und über einen Arbeitsunfall im Juni 2014 berichtet, bei dem sie von einem Heimbewohner zweimal zusammengeschlagen worden sei. Die Klägerin weine und könne den Vorfall nicht schildern. Mit Dr. C. sei sie nicht mehr zurechtgekommen. Im Gesprächsverlauf habe eine posttraumatische Belastungsstörung ausgeschlossen werden können, da die Kriterien nicht erfüllt seien. Die körperlichen Schmerzen hätten jedoch seit dem Vorfall zugenommen. Die Klägerin habe auch das Tanzen aufgeben müssen, da sie noch Schmerzen bis in die Füße habe. Ihr Arbeitgeber habe sie in die Pflege gesteckt. Doch sie habe noch nie in der Pflege gearbeitet und könne das auch körperlich nicht leisten. Sie wolle an ihren alten Arbeitsplatz zurück. Der BDI (Beck-Depressions-Inventar) ergab Hinweise auf eine mittelgradig ausgeprägte depressive Episode. Die Klägerin entwickle - ausgelöst durch die traumatische Situation - eine starke Selbstwertproblematik verbunden mit Traurigkeit. Die Diagnose lautete ICD-10 F.43.2 [Anpassungsstörung] mit längerer depressiver Reaktion.
Am 3. Juli 2015 erstellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein Gutachten nach Aktenlage. Darin werden die Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung, mittelgradige depressive Episode, Anpassungsstörung sowie Somatisierungsstörung gestellt. Arbeitsunfähigkeit bestehe seit dem 25. September 2014 und weiterhin.
Vom 27. August bis 1. Oktober 2015 nahm die Klägerin an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der B.klinik in K. teil. Die dortigen Diagnosen lauteten nach dem im Berufungsverfahren beigezogenen Bericht Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Coxarthrose, Zustand nach Implantation einer Hüft-TEP rechts sowie arterielle Hypertonie. Im Reha-Entlassungsbericht heißt es weiter, „auslösende Situation“ für die aktuelle Symptomatik sei ein tätlicher Angriff eines behinderten Bewohners gewesen. Ebenso habe die Klägerin die Umsetzung von ihrer angestammten Arbeitsstelle im Außenwohnbereich in den Altenpflegebereich als erhebliche Verunsicherung empfunden, so dass es zu einer psychischen Dekompensation gekommen sei. Eine Behandlung mit Antidepressiva lehnte die Klägerin aus Angst vor Nebenwirkungen ab. Für ihre letzte Tätigkeit als Pflegekraft sei die Klägerin nur drei bis unter sechs Stunden einsatzfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe noch eine Leistungsfähigkeit für mehr als sechs Stunden.
Am 27. Oktober 2015 wiederholte der MDK in einer Stellungnahme nach Aktenlage seine Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung.
Im Auftrag der Beklagten erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B. am 9. November 2015 ein Gutachten. Dieser führte aus, dass die Klägerin auf Nachfrage typische Alpträume, Rückhallerinnerung (sogenannte Intrusionen) verneine. Auch die Frage nach einem Vermeidungs-Verhalten oder einem sogenannten Hyperarousal (Übererregbarkeit des autonomen Nervensystems) wurden verneint. Erst als der Klägerin später erläutert worden sei, dass die posttraumatische Belastungsstörung typischerweise entsprechende Symptome zeige, habe die Klägerin angegeben, dass sie in der Nacht manchmal Alpträume habe.
Prof. Dr. B. stellte die Diagnose leichtgradige Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2). Die von der Klägerin angegebenen Beeinträchtigungen wie emotionale Bedrängnis, Konzentrationsstörungen und leichte Ablenkbarkeit, erhöhte Tagesmüdigkeit und Erschöpfung seien unspezifisch. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor, da die diagnostischen Hauptelemente dieser nicht genannt würden. Selbst im Rahmen der nach Aufklärung genannten Alpträume gebe die Klägerin keine typischen Wiedererlebensereignisse an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aus der Anpassungsstörung liege unter 10 von Hundert (vH).
In einer beratungsärztlichen Stellungnahme stimmte Dr. U. dem Gutachten von Prof. Dr. B. insoweit zu als auch er das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung verneinte. Bereits die Belastungssituation erfülle nicht das Kriterium eines psychischen Traumas. Es sei allerdings geeignet, eine vorübergehende psychische Reaktion z.B. im Sinne einer Anpassungsstörung auszulösen. Seiner Ansicht nach bestand unfallbedingt eine kurz anhaltende (bis zu ca. einem Monat) leichtgradige depressive Reaktion. Problematisch und belastend sei für die Klägerin das Arbeitsverhältnis geworden, der von ihr eine medizinisch ungünstige Pflegearbeit verlangt habe. Dafür spreche auch die von der Klägerin angegebene Befundverschlimmerung. Insoweit könne auch weiterhin die Diagnose einer Anpassungsstörung im Sinne einer längeren depressiven Reaktion gestellt werden. Dies beruhe aber nicht mehr auf dem Arbeitsunfall, sondern auf dem Konflikt mit dem Arbeitgeber.
Mit Bescheid vom 30. Dezember 2015 änderte die Beklagte ihren Bescheid vom 25. März 2015 im Wege einer Abhilfe teilweise ab. Als Folge des Arbeitsunfalles wurde nunmehr eine kurze und bis zu 6 Wochen anhaltende depressive Reaktion in Form einer leichtgradigen Anpassungsstörung anerkannt. Mit Bescheid vom 19. Februar 2016 wurde anschließend jedoch ein Anspruch auf eine Rente verneint. Eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit werde weiterhin nur bis zum 27. Juli 2014 anerkannt. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2016 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück. Man stütze sich auf die Ausführungen von Prof. Dr. B. sowie Dr. U..
Hiergegen hat die Klägerin am 5. Juli 2016 Klage erhoben und u.a. darauf hingewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeit seit dem 24. Juni 2014 andauere. Sie sei wegen des Arbeitsunfalles weiterhin in orthopädischer und neurochirurgischer Behandlung.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetzt (SGG) durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P.. Dieser hat bei seinen Untersuchungen eine leichte kognitive Beeinträchtigung festgestellt, die im Zusammenhang mit der psychischen Belastung zu interpretieren sei. Auch die Klägerin gehe von einem multifaktoriellen Geschehen aus. Auslöser sei das Unfallgeschehen gewesen. Hätte es diesen nicht gegeben, hätten sich die Konflikte mit dem Arbeitsgeber, der Unfallkasse usw. nicht ergeben. Diese hätten sie dann auch nicht so „heruntergezogen“.
Nach Ansicht des Sachverständigen war eine rückwirkende Bewertung der Höhe der MdE bzw. der Erwerbsfähigkeit nicht möglich. Gegenwärtig habe die Klägerin über eine Remission hinsichtlich der Depressivität während einer Urlaubsreise berichtet. Eine anhaltende ausreichende antidepressive Dauermedikation sei nicht verordnet worden. Grundsätzlich weiche seine Auffassung nicht von den früheren Bewertungen ab. Auch die Diskussion zur diagnostischen Einordnung insbesondere der posttraumatischen Belastungsstörung sei bereits in früheren gutachterlichen Stellungnahmen geführt worden und sei als zutreffend zu bezeichnen. Zweifelsfrei habe eine Anpassungsstörung bestanden, jedoch keine posttraumatische Belastungsstörung. Die gegenwärtige Erwartungshaltung der Klägerin, dass ihr bestimmte Leistungen zustehen könnten, sei eher als zusätzlicher belastender Umstand in der Gesamtentwicklung zu betrachten.
Am 3. Juli 2018 hat die S. GmbH berichtet, die Klägerin sehe sich als ausreichend belastbar für diverse Tätigkeiten an. Als Ergebnis der Maßnahme wurde allerdings festgestellt, dass es nur teilweise gelungen sei, die Belastbarkeitsgrenzen der Klägerin zu erhöhen. Eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt sei nicht erreicht worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Gutachten von Dr. T., Dr. U. und Dr. P. verwiesen.
Gegen den ihr am 24. Oktober 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 18. November 2019 Berufung eingelegt und zur Begründung auf Gutachten des MDK (u.a. 3. Juli 2015) verwiesen. Weiter hat sie ausführlich ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen geschildert.
Die Klägerin beantragt:
den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2015 in Gestalt des Abhilfebescheides vom 30. Dezember 2015 und des Bescheides vom 19. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2016 abzuändern und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg aufzuheben und
eine latente Lendenwirbelsäuleninstabilität, eine Protrusion bei L5/S1, eine depressive Stimmungslage und ein posttraumatisches Belastungssyndrom als Folge des Arbeitsunfalles festzustellen sowie
die Beklagte zu verurteilen, Verletztengeld über den 27. Juli 2014 hinaus zu zahlen sowie
ihr eine Verletztenrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Am 21. Mai 2019 hat Dipl.-Med. T. in einem Befundbericht für die Beklagte ausdrücklich nochmals bestätigt, er habe nur eine Prellung am rechten Fuß festgestellt. Eine Fraktur habe nicht vorgelegen.
Am 27. Juli 2020 hat die Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie B. nach einer Röntgenuntersuchung der Schulter und der linken Hüfte am 11. Juli 2020 eine Tendinitis calcarea im Schulterbereich rechts, ein Impingementsyndrom der Schulter beidseits, eine chronische Sprunggelenks-Instabilität rechts, ein Vorhandensein einer Hüftgelenksprothese links, Myogelosen der Rückenstrecker sowie eine Blockierung der Brust- und Halswirbelsäule festgestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat durch den vom Vorsitzenden ernannten Berichterstatter anstelle des Senats (§ 155 Abs. 3, 4 SGG) entscheiden. Denn die Streitsache ist tatsächlich und rechtlich einfach. Strittige Rechtsfragen haben die Beteiligten nicht aufgeworfen. Soweit die Würdigung von Tatsachen strittig ist, handelt es sich um eine einfach gelagerte Sache, weil die Lösung anhand von weitgehend übereinstimmenden Gutachten und Befundberichten gefunden werden kann, deren inhaltliche Aussage als solche ebenfalls nicht umstritten ist.
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Bescheide der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG). In seiner Entscheidung hat das Sozialgericht nicht nur die maßgeblichen Rechtsgrundlagen genannt, sondern auch ausführlich zu den von der Klägerin vorgebrachten Einwänden Stellung genommen.
Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:
Körperliche Folgen des Unfalls sind nicht erkennbar; einhellig wird allen Ärzten nur über Prellungen und Zerrungen berichtet, die im Weiteren folgenlos verheilt sind (vgl. insbesondere das Gutachten von Dr. T.). So nennt der jüngste Bericht des MVZ B. von der Fachärztin für Orthopädie W. keine Unfallfolgen. Dies gilt sowohl für die Tendinitis calcarea, das Impingement-Syndrom, Vorhandensein einer Hüftgelenksprothese, Myogelosen der Rückenstrecker und Blockierung der Brust- und Halswirbelsäule. Die Sprunggelenke werden als bandstabil geschildert. Für eine unfallbedingte Ursache der chronischen Sprunggelenksinstabilität rechts ist nichts ersichtlich.
Auf psychiatrischem Fachgebiet liegt keine Unfallfolge vor. Zwar hat die Fachärztin für Innere Medizin Dr. R. eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt. Allerdings schränkt sie ihre fachfremde Diagnose selbst ein, indem sie am 4. Oktober 2014 ausdrücklich ausführt: „Aus meiner Sicht stellen sich die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung in einer depressiven Episode, welche teilweise auf den Unfall und teilweise auf die allgemeinen Lebensumstände zurückgeht.“ Soweit der MDK die Diagnose posttraumatische Belastungsstörung gestellt hat, stützt er sich ausdrücklich nur auf die Aktenlage und nicht auf eigene Erkenntnisse. Zudem ist die Ursachenforschung nicht Aufgabe des MDK, so dass diese Übernahme einer anderweitigen Diagnose (vermutlich von Dr. R.) keine weiteren Schlüsse erlaubt.
Maßgeblich ist, dass eine posttraumatische Belastungsstörung von einer Vielzahl begutachtender bzw. behandelnder Fachärzte bzw. Psychologen ausgeschlossen wurde (Dipl.-Psych. R., Prof. Dr. B., Dr. U., Dr. P.). Nicht genannt (und damit indirekt ausgeschlossen) wurde eine solche Diagnose von der B.klinik in K. und Dr. C.. Umgekehrt hat kein Facharzt für Psychiatrie bzw. Psychologe eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt. Auch der chirurgische Gutachter Dr. T. konnte keine psychische Erkrankung feststellen.
Diesen vorgenannten Gutachten und Befundberichten schließt sich der Senat an. Dabei berücksichtigt er insbesondere die Ausführungen von Prof. Dr. B. und Dr. U. im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff Zivilprozessordnung - ZPO). Zwar sind diese für die Beklagte erstellt worden, weshalb andere rechtliche Kriterien gelten. Sie entsprechen in Form und Inhalt aber den (Mindest-)Anforderungen, die an ein wissenschaftlich begründetes Sachverständigengutachten zu stellen sind (vgl. dazu BSG, 7.5.2019, B 2 U 25/17 R, SozR 4-2700 § 200 Nr. 5, Rn. 14). Sie stimmen insbesondere mit den neusten allgemein anerkannten Erkenntnissen der Wissenschaft überein (insbesondere die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften vgl. dazu grundlegend BSG, 9.5.2006, B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rn. 26).
Nach dem ICD-10 F 43.1 gilt für posttraumatische Belastungsstörung: „Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über.“
Zutreffend trägt die Klägerin insoweit selbst in ihrer Berufungsbegründung vom 10. Juli 2020 (Seite 2) vor, dass es in der Regel für eine posttraumatische Belastungsstörung eines schweren Traumas bedarf. Dies wird auch in der erneuten Schilderung des Vorfalles in der Berufungsbegründung nicht deutlich. Der Senat hält die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. U. für zutreffend, wonach das Ereignis aus psychotherapeutischer-psychotraumatologischer Sicht zwar als belastend, nicht aber als psychotraumatisch einzuschätzen ist. Dies folgt auch direkt aus der vorgenannten ICD-10 F 43.1.
Die Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen (https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-029l_S2k_Begutachtung-psychischer-psychosomatischer-Stoerungen_2019-12_01.pdf, Teil III, S. 34 - im weiteren Leitlinie; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 153 ff) nennen als hier konkretisierend Kriegserfahrungen als Soldat oder Zivilist, einen drohenden oder tatsächlichen körperlichen Übergriff (z.B. körperlichen Angriff, Raubüberfall, Überfall auf der Straße, körperliche Misshandlung in der Kindheit), drohende oder tatsächliche sexuelle Gewalt (z.B. erzwungener Geschlechtsverkehr, einen durch Alkohol-/Drogenkonsum geförderten Geschlechtsverkehr, missbräuchliche Sexualkontakte, sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt, Zwangsprostitution) Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen und schwere Verkehrsunfälle. Ausdrücklich wird unter Bezugnahme auf die DSM-5-Klassifikation auf einen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad von Schädigungsereignissen und dem Auftreten einer PTBS hingewiesen („je größer das Ausmaß des Traumas, desto wahrscheinlicher die Entwicklung einer PTBS“). Hier ist bei Zugrundelegung der ersten Beschreibung der Klägerin keine lebensgefährliche Situation erkennbar. Es wird nur von einem „Schubsen“ und „Stoßen“ sowie Drohungen berichtet. Auch die nachfolgenden Untersuchungen der Klägerin zeigten keine Folgen einer massiven körperlichen Gewalt.
Neben diesem geeigneten Stressor (sogenanntes A-Kriterium) erfordert die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung auch den Nachweis von Symptomen aus den weiteren Clustern (B-, C-, D- und E-Kriterien). Die Leitlinien konkretisieren dies in Anlehnung an den DSM-5 näher:
B-Kriterien (Wiedererleben):
„unwillkürlich auftretende eindringliche Erinnerungen (Intrusionen),
in Inhalt und/oder Affekt ereignisbezogene Alpträume,
unwillkürlich auftretendes dissoziatives, nicht steuerbares Wiedererleben der traumatischen Situation („Flashbacks“),
nach Triggerreizen auftretende psychische und/oder körperliche Reaktionen.“
C-Kriterien (Vermeidungsverhalten:
„Vermeidung bewusster Erinnerungen an die traumatische Situation,
Vermeiden traumabezogener Triggerreize (Personen, Orte, Gespräche, Aktivitäten, Gegenstände, Geräusche, Gerüche)“.
D-Kriterien:
„Erinnerungslücke für einen wichtigen Aspekt des oder der traumatischen Ereignisse,
Irreale (!) eigene Schuldgefühle hinsichtlich der Ursache und Folgen des oder der traumatischen Ereignisse,
Affektive Einengung als Symptom der Entfremdung und des Abgetrenntseins, ersichtlich z.B. anhand des Kontaktverhaltens während der vom Thema des Traumaerlebens losgelösten körperlichen Untersuchung“.
E-Kriterien:
„Übermäßige Wachsamkeit mit anhaltender Anspannung, Beobachtung des Umfelds im Untersuchungszimmer und niederschwelliger Reagibilität auf Geräusche (z.B. Schritte im Flur),
Übertriebene Schreckreaktionen während der Exploration und körperlichen Untersuchung (z.B. plötzliche Bewegungen des Untersuchers),
Konzentrationsschwierigkeiten mit ersichtlichem Nachlassen der Aufmerksamkeit und der Konzentration im Verlauf der gutachtlichen Exploration und Untersuchung.“
Prof. Dr. B. führt nachvollziehbar und überzeugend aus, dass die Klägerin keine Anzeichen des Wiedererlebens des Vorfalls zeigt. Ein Vermeidungsverhalten ist ebenso wenig erkennbar; vielmehr lehnt die Klägerin aufgrund körperlicher Beschwerden eine Pflegetätigkeit ab. Die Klägerin hat am Tag nach dem Vorfall wieder gearbeitet und nie über diesbezügliche psychische Probleme berichtet. Ängste werden höchstens in Bezug auf den Täter geschildert, was nachvollziehbar und nicht krankhaft ist. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass sie nunmehr regelmäßig ein Pfefferspray mit sich führe und nicht mehr gerne allein abends aus der Wohnung gehe, so handelt es sich noch um eine normale Situation und nicht um ein Zeichen einer krankhaften Ängstlichkeit. Zudem fehlt jeder Zusammenhang mit dem Unfall, der nicht in Dunkelheit oder auf offener Straße erfolgte. Insoweit gibt es entgegen der Annahme in der Berufungsschrift keine typischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Auch eine Erinnerungslücke, Schuldgefühle hinsichtlich der Ursache und Folgen des Ereignisses oder eine affektive Einengung als Symptom der Entfremdung und des Abgetrenntseins werden nie geschildert oder behauptet. Der Senat schließt sich auch insoweit Prof. Dr. B. an.
Allein aus dem Vorliegen einer psychischen Erkrankung ist keine Ursächlichkeit zu dem Vorfall abzuleiten, wie letztlich Dipl.-Psych. R., Prof. Dr. B., Dr. U. und Dr. P. feststellen. Die Krankheitssymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sind nicht spezifisch. Hier ist die Entwicklung bzw. das Bestehen komorbider Störungen differenzialdiagnostisch zu klären (so Leitlinien, S. 35).
Auch eine unfallbedingte Anpassungsstörung ist nicht festzustellen, wie Prof. Dr. B. und Dr. U. ausgeführt habe. Nach dem ICD-10 F43.2 wird diese wie folgt umschrieben: „Hierbei handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und Ruhestand). Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein.“
Es ist bereits nicht ersichtlich, zu welchem Anpassungsprozess der Unfall die Klägerin gezwungen haben könnte. Körperliche Folgen hat er nur für einen kurzen Zeitraum verursacht. Nachvollziehbar ist insoweit festzustellen, dass eine Anpassungsstörung bei der Klägerin oftmals nicht diagnostiziert wird, so dass deren Vorliegen nicht sicher ist. Dies wäre aber Grundvoraussetzung für eine Anerkennung als Unfallfolge.
Wenn man „zu Gunsten“ der Kläger das Vorliegen einer solchen Erkrankung unterstellt, ist zumindest eine unfallbedingte Verursachung fernliegend, wie Dr. U. überzeugend darlegt. Die abweichende Argumentation von Dr. C. ist nicht schlüssig.
Zunächst fehlen auch hier zeitnahe Symptome. Die Klägerin hat nach dem Vorfall zunächst sogar weitergearbeitet und nach einigen Tagen die Tätigkeit wegen körperlicher Beschwerden abgebrochen. Erstmals in ihrer E-Mail vom 18. September 2014 erwähnt die Klägerin ihre seelische Verfassung. Sie begegne dem Menschen, der sie angegriffen habe, leider öfter. Allerdings beschäftigt sich dieses Schreiben weitgehend mit Problemen der Füße sowie der Lendenwirbelsäule.
Zudem erklärt die Diagnose einer Anpassungsstörung keine dauerhaften Beschwerden. Die Leitlinien (S. 29) halten hierzu fest: „Wenn die Belastung oder deren Folgen beendet sind, dauern die Symptome (meist) nicht länger als weitere 6 Monate an – gemäß ICD-10 außer bei der längeren depressiven Reaktion.“ Ähnliches haben Prof. Dr. B. und Dr. U. ausgeführt.
Auf der anderen Seite ist eine andere Ursache der Beschwerden der Klägerin überdeutlich, die auch die Dauerhaftigkeit ihres Leidens erklärt. Schon bei der Vorstellung bei Dr. R. am 25. September 2014 berichtete die Klägerin über Schwierigkeiten auf der Arbeitsstelle, wo möglicherweise eine Versetzung oder eine Veränderung der Stundenzahl anstehe. Genau an diesem Tage werden erstmals psychische Auffälligkeiten geschildert. Auch gegenüber Dr. T. hat die Klägerin das „Fallen in ein tiefes Schwarzes Loch“ ausdrücklich in den Zusammenhang mit der vom Arbeitsgeber geplanten Umsetzungsmaßnahme gesehen. Es führt nicht zum Prozesserfolg, wenn sie diese Wiedergabe der eigenen Angaben bestreitet.
Auch in dem Befundbericht vom 25. März 2015 stellt Dr. C. keinen Bezug zu dem streitigen Vorfall her. Er legt dar, eine dringend indizierte erneute Wiedereingliederung der Klägerin in ihre alte Tätigkeit scheitere derzeit am Arbeitgeber. Für eine von diesem vorgesehene dauerhafte Verwendung in der Pflege sei die Klägerin körperlich und psychisch ungeeignet. Sie klage derzeit juristisch um ihren alten Arbeitsplatz.
Auch im Rahmen der Begutachtung bei Dr. P. hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie gerne wieder in der Betreuung arbeiten würde, diesbezüglich aber kein Abschluss vorhanden sei. Sie habe auch als Altenpflegerin gearbeitet, aber die Gerüche dort würden sie sehr stören und sie habe mittlerweile auch kein Verständnis mehr für die älteren Bewohner. Dies zeigt deutlich die unfallunabhängige, berufliche Problematik der Klägerin. Die Klägerin hat weiter ausgeführt, dass auch das Praktikum mit vier Stunden ihr schwer gefallen sei. Sie habe bemerkt, dass ihr alles zu viel geworden sei. Es seien dann auch Schmerzen im Rückenbereich aufgetreten. Schon zeitnah zum Unfall hat die Klägerin am 25. September 2014 über die fortbestehenden starken Schmerzen lumbal und im Bereich der rechten Hüfte und des rechten Sprunggelenkes geklagt, wodurch „viel Lebensfreude verloren“ gegangen sei. Da diese Beschwerden wie oben ausgeführt nicht unfallbedingt sind, benennt die Klägerin so eine weitere unfallunabhängige Ursache der psychischen Beschwerden, die allerdings zu beruflichen Problemen bei der Ausübung einer körperlich belastenden Pflegetätigkeit führen können.
Auch im Rahmen der stationären Rehabilitationsmaßnahme in der B.klinik in K. im Herbst 2015 wird der berufliche Konflikt deutlich: Der Klinik gegenüber gab die Klägerin als Tätigkeit Betreuerin für Behinderte an. Hierbei habe sie Führungsaufgaben übernommen und eine hohe Verantwortung für Personen gehabt und im Publikumsverkehr gearbeitet. Der Arbeitgeber führte dagegen in einer Arbeitsplatzbeschreibung aus, die Klägerin arbeite als Pflegekraft, was die Durchführung fachgerechter Grundpflege, das Anreichen von Mahlzeiten und Betreuungstätigkeiten umfasse. Sie sei in Wechselschichten an fünf Tagen/Woche eingesetzt. Ausdrücklich wird die Umsetzung von ihrer angestammten Arbeitsstelle im Außenwohnbereich in den Altenpflegebereich als erhebliche Verunsicherung bewertet, die zu einer psychischen Dekompensation geführt habe. Dies hält der Senat für überzeugend.
Mangels feststellbarer Unfallfolgen über den 27. Juli 2014 hinaus hat die Klägerin keinen Anspruch Verletztengeld (§ 46 SGB VII) oder Zahlung einer Verletztenrente (§ 56 SGB VII).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Es handelt sich um eine Einzelentscheidung eines besonders gelagerten Falles auf der Basis einer gefestigten Rechtsprechung, der sich der Senat ausdrücklich anschließt.