Der Erwerb der beschleunigten Grundqualifikation gem § 4 Abs 2 BKrFQG aF (jetzt: § 2 Abs 2 BKrFQG) stellt keinen Abschluss in einem Ausbildungsberuf mit einer festgelegten Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren dar und kann deshalb nicht mit einer Prämie gem § 131a Abs 3 SGB III aF (jetzt: § 87a Abs 1 SGB III) gefördert werden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Juni 2023 aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Weiterbildungsprämie für den Erwerb der beschleunigten Grundqualifikation für den Güterverkehr.
Der 1986 geborene Kläger erlernte den Beruf des Konstruktionstechnikers und war als solcher tätig. Nach Eintritt der Arbeitslosigkeit schloss er am 30. April 2019 eine Eingliederungsvereinbarung mit der Beklagten, die als Zwischenziel die Absolvierung einer Weiterbildung zum Berufskraftfahrer vorsah. Am selben Tag stellte die Beklagte ihm einen Bildungsgutschein aus. Als Bildungsziel/Qualifizierungsinhalte waren dort angegeben: „52122-108 (Ziel-DKZ), Berufskraftfahrer/in / FS Klasse C/CE / beschleunigte Grundqualifizierung“. Die Weiterbildungsdauer sollte bis zu vier Monate betragen. Daraufhin absolvierte der Kläger ab dem 7. Mai 2019 eine modulare Weiterbildung im Verkehrswesen. Dafür bewilligte die Beklagte ihm Leistungen für die Lehrgangs- und Fahrkosten (Bescheid vom 14. Mai 2019, geändert durch Bescheid vom 20. August 2019). Am 24. September 2019 absolvierte der Kläger die Abschlussprüfung und erhielt eine Bescheinigung, dass er die Prüfung „beschleunigte Grundqualifikation gemäß § 2 Abs. 4 BKrFQV für den Güterverkehr“ bestanden habe.
Unter Verweis darauf beantragte der Kläger am 26. September 2019 bei der Beklagten eine „Weiterbildungsprämie bei erfolgreicher Abschlussprüfung bzw. Externenprüfung“. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Oktober 2019 ab, weil die besuchten Maßnahme nicht zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf geführt habe, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Dauer von mindestens zwei Jahren festgelegt sei.
Dagegen legte der Kläger am 18. Oktober 2019 Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, die Prämie stehe ihm zu, weil er eine Weiterbildung zum Berufskraftfahrer absolviert habe und die Ausbildungsdauer in diesem Beruf regelmäßig drei bis dreieinhalb Jahre betrage. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2019 als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass der Kläger nicht die Voraussetzungen des §131a Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) erfülle. Er habe keinen Abschluss im Ausbildungsberuf „Berufskraftfahrer“ erlangt, und die Erlangung eines Führerscheins stelle auch keine Zwischenprüfung dar.
Am 5. November 2019 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und zunächst Prämien i.H.v. insgesamt 2.500 € begehrt, zuletzt eine Prämie i.H.v. 1.500 €. Er hat geltend gemacht, dass die „eigentliche Ausbildungszeit“ für den Beruf des Berufskraftfahrers mindestens zwei Jahre betrage. Der Gewährung einer Weiterbildungsprämie stehe nicht entgegen, dass er den Berufsabschluss im Rahmen einer Umschulung bzw. Weiterbildung in kürzerer Zeit erlangt habe. Aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ergebe sich nicht, dass „Berufskraftfahrer“ ein geschützter Begriff sei oder dass nur der Absolvent einer dreijährigen Ausbildung so zu bezeichnen sei. Auch aus der abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung ergebe sich, dass es sich bei der besuchten Maßnahme um eine Weiterbildung gehandelt habe, welche zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf geführt habe.
Mit Urteil vom 30. Juni 2023 hat das SG den Bescheid vom 7. Oktober 2019 Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2019 aufgehoben und die Beklagten verurteilt, dem Kläger die begehrte Weiterbildungsprämie i.H.v. 1.500 € zu gewähren. Er habe erfolgreich eine von der Beklagten geförderte berufliche Weiterbildung absolviert, die zwar nicht zum Abschluss in dem Ausbildungsberuf „Berufskraftfahrer“ geführt habe, jedoch zum Erreichen der beschleunigten Grundqualifikation. Diese sei dem Abschluss im Ausbildungsberuf „Berufskraftfahrer“ letztlich gleichgestellt. Soweit § 131 Abs. 3 SGG an eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren anknüpfe, beziehe sich dies auf den Ausbildungsberuf. Für die Gewährung der Prämie sei deshalb nicht entscheidend, dass die beschleunigte Grundqualifikation lediglich einen Zeitraum von viereinhalb Monaten umfasse, sondern dass die Ausbildungsdauer im Ausbildungsberuf „Berufskraftfahrer“ gemäß § 2 Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung (BKV) drei Jahre betrage. Die Kammer verkenne dabei nicht, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung, mit dem § 131a SGB III zum 1. August 2016 eingeführt worden sei, beabsichtigt habe, die Motivation von erwachsenen Teilnehmern für die Aufnahme, das Durchhalten und den erfolgreichen Abschluss einer mehrjährigen, abschlussbezogenen Weiterbildung zu fördern. Dennoch sei auf die Gleichwertigkeit des Abschlusses abzustellen. Das Urteil ist der Beklagten am 14. Juli 2023 zugestellt worden.
Gegen diese Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer am 7. August 2023 eingelegten Berufung. Die beschleunigte Grundqualifikation sei nach den Ausbildungsinhalten nicht mit der Ausbildung zum Berufskraftfahrer vergleichbar. Es handele sich um eine modulare Weiterbildung, für die nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften keine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten vom 7. August 2023 nebst gestelltem Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf das seines Erachtens zutreffende erstinstanzliche Urteil. Bezüglich der geforderten Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren sei auf den Ausbildungsberuf „Berufskraftfahrer“ abzustellen. Die von ihm erlangte Grundqualifikation sei damit gleichzustellen. Er dürfe nicht dafür bestraft werden, dass er diesen Abschluss in kürzerer Zeit erlangt habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat entscheidet gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben und kein Grund vorliegt, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen.
2. Die Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).
3. Sie ist auch begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist zwar als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Weiterbildungsprämie.
a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der Eingliederungsvereinbarung vom 30. April 2019. Eine Eingliederungsvereinbarung nach § 37 Abs. 2 SGB III stellt zwar einen öffentlich-rechtlichen Vertrag in der Form eines subordinationsrechtlichen Austauschvertrages dar (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 4. April 2017 – B 11 AL 5/16 R – juris Rn. 18; Brand in: ders., SGB III, 9. Auflage 2021, § 37 Rn. 4; a.A. Jüttner in: Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, SGB III, 7. Auflage 2021, § 37 Rn. 9) und kann deshalb subjektive Rechte des Arbeitsuchenden begründen. Die vorliegende Eingliederungsvereinbarung enthält aber keine Regelung zur Gewährung einer Prämie.
b) Ein Anspruch ergibt sich auch nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 131a Abs. 3 SGB III in der hier maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (a.F.). Nach dieser Vorschrift erhalten Arbeitnehmer, die an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist, folgende Prämien, wenn die Maßnahme vor Ablauf des 31. Dezember 2020 beginnt: nach Bestehen einer in diesen Vorschriften geregelten Zwischenprüfung eine Prämie von 1.000 € (Nr. 1) und nach Bestehen der Abschlussprüfung eine Prämie von 1.500 € (Nr. 2).
aa) Der Kläger hat nicht an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilgenommen, die zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf führt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist. Insbesondere hat er – jedenfalls im Rahmen seiner Förderung nach § 81 SGB III – keine Ausbildung im staatlich anerkannten Ausbildungsberuf „Berufskraftfahrer/Berufskraftfahrerin“ absolviert, sondern lediglich die beschleunigte Grundqualifikation für den Güterkraftverkehr erworben. Diese stellt keine Ausbildung in einem Ausbildungsberuf dar.
Das Erfordernis einer solchen Grundqualifikation geht zurück auf die Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juni 2003 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates und der Richtlinie 91/439/EWG des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 76/914/EWG des Rates (ABl. EU Nr. L 226 S. 4). Es soll – zusammen mit regelmäßigen Weiterbildungen – gewährleisten, dass Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge im Güterkraft- und Personenverkehr über tätigkeitsbezogene Fertigkeiten und Kenntnisse verfügen, die über die Voraussetzungen der Fahrerlaubnis hinausgehen (vgl. BT-Drs. 16/1365, S. 9). Der Besitz der maßgeblichen Grundqualifikation ist Voraussetzung dafür, bestimmte Kraftfahrzeuge im Güter- oder Personenkraftverkehr zu führen.
Im hier maßgeblichen Zeitraum richtete sich der Erwerb der Grundqualifikation nach § 4 Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG) in der bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.; abgelöst durch das Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz; Art. 1, Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes über Änderungen im Berufskraftfahrerqualifikationsrecht vom 26. November 2020 [BGBl. I S. 2575]; vgl. nunmehr § 2 BKrFQG). Nach § 4 Abs. 1 BKrFQG a.F. wird die Grundqualifikation erworben durch das Bestehen einer theoretischen und einer praktischen Prüfung bei einer Industrie- und Handelskammer (Nr. 1) oder den Abschluss einer Berufsausbildung in den Ausbildungsberufen „Berufskraftfahrer/Berufskraftfahrerin“ oder „Fachkraft im Fahrbetrieb“ oder einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, in dem vergleichbare Fertigkeiten und Kenntnisse zur Durchführung von Fahrten mit Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen vermittelt werden (Nr. 2). Daneben sieht § 4 Abs. 2 BKrFQG a.F. die Möglichkeit einer beschleunigten Grundqualifikation vor. Diese wird erworben durch die Teilnahme am Unterricht bei einer anerkannten Ausbildungsstätte und die erfolgreiche Ablegung einer theoretischen Prüfung bei einer Industrie- und Handelskammer.
Während die Grundqualifikation nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKrFQG a.F. keinerlei theoretischen oder praktischen Unterricht voraussetzt (dafür aber an strengere Prüfungsanforderungen geknüpft ist), erfordert die beschleunigte Grundqualifikation nach § 4 Abs. 2 BKrFQG a.F. die Teilnahme an einem Unterricht in einem Umfang von 140 Unterrichtseinheiten zu je 60 Minuten (vgl. §§ 1 ff. Berufskraftfahrer-Qualifikations-Verordnung [BKrFQV] in der bis zum 16. Dezember 2020 geltenden Fassung). Dieser stellt aber schon nach seinem Umfang keine Ausbildung in einem Ausbildungsberuf dar (vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. Januar 2020 – L 2 R 377/19 – juris Rn. 30). Demgegenüber handelt es sich beim Beruf „Berufskraftfahrer/Berufskraftfahrerin“ um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, für den bundesrechtlich eine Ausbildungsdauer von drei Jahre vorgesehen ist (§§ 1 f. Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung [BKV]). Die Ausbildungsinhalte gehen deutlich über diejenigen der beschleunigten Grundqualifikation hinaus (vgl. einerseits § 3 BKV, andererseits Anlage 1 zur BKrFQV a.F.).
Bereits die Gesetzesmaterialien zum Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz a.F. heben deshalb zu Recht deutlich hervor, dass der Erwerb der (beschleunigten) Grundqualifikation nicht mit einem Berufsabschluss gleichzusetzen ist. Bezogen auf eine Berufsausbildung wird ausgeführt: „Die dort erworbenen Kenntnisse übersteigen die insoweit nach der Richtlinie 2003/59/EG zu stellenden Anforderungen deutlich, so dass der Abschluss der Berufsausbildung, wie vorgesehen, der Grundqualifikation ohne weiteres entspricht (BT-Drs. 16/1365, S. 12). An anderer Stelle heißt es: „Die Berufsausbildungen (Berufskraftfahrer/Berufskraftfahrerin und Fachkraft im Fahrbetrieb) bieten die beste Grundlage zur Ausübung des Berufs. Sie sollen deshalb erhalten bleiben und weiter gefördert werden“ (ebd., S. 9).
bb) § 131a Abs. 3 SGB III a.F. ist auch nicht über seinen Wortlaut hinaus so auszulegen, dass die Erlangung der (beschleunigten) Grundqualifikation durch eine Prämie gefördert werden kann, obwohl es sich nicht um einen Abschluss in einem Ausbildungsberuf handelt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist. Dem stehen schon Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Bereits das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber die Regelung ausweislich der Gesetzesmaterialien geschaffen hat, weil die „Teilnahme an einer mehrjährigen, abschlussbezogenen Weiterbildung […] für erwachsene Teilnehmerinnen und Teilnehmer hohe Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen“ stellt. Mit der Einführung von Erfolgsprämien sollte deshalb die Motivation erhöht werden, eine geförderte abschlussbezogene berufliche Weiterbildung aufzunehmen, durchzuhalten und erfolgreich abzuschließen (vgl. BT-Drs. 18/8042, S. 27). Bei der Grundqualifikation nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKrFQG a.F. kann dieser Gesetzeszweck offensichtlich nicht erfüllt werden, weil sie keinerlei Unterricht oder sonstige Ausbildung voraussetzt. Aber auch bei der hier in Rede stehenden beschleunigten Grundqualifikation nach § 4 Abs. 2 BKrFQG a.F. mit einem Ausbildungsumfang von 140 Unterrichtseinheiten zu je 60 Minuten sind die Anforderungen an Motivation und Durchhaltevermögen der Teilnehmer nicht annähernd mit denen einer auf mindestens zwei Jahre angelegten Berufsausbildung vergleichbar.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
5. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.