1. Die Regelungen zum vereinfachten Verfahren für den Zugang zu sozialer Sicherung aus Anlass der COVID-19-Pandemie erfassen nicht nur erstmalige Bewilligungen, sondern auch Weiterbewilligungszeiträum, die während der in § 67 Abs 1 SGB II geregelten Geltungsdauer beginnen. 2. Ein rechtsmissbräuchliches Handeln setzt voraus, dass der Betreffende die nach § 67 Abs 3 Satz 1 SGB II bestehende Rechtsposition ausschließlich in der Absicht nutzt, die eigenen Wohnverhältnisse zu Lasten der Allgemeinheit zu verbessern. Liegen nachvollziehbare Gründe für einen Umzug während der Pandemie vor, so liegt kein Rechtsmissbrauch vor und eine Verbesserung der Lebensverhältnisse ist hinzunehmen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 14. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung höherer Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) für den Zeitraum von September 2020 bis Januar 2021.
Der am ... 1958 geborene Kläger war verheiratet und lebte seit 2014 getrennt von seiner Ehefrau ... G. Die Scheidung erfolgte im November 2020.
Der Kläger erlitt am 29. Juni 2020 einen Schlaganfall und befand sich deshalb bis zum 14. Juli 2020 in stationärer Behandlung im SRH Klinikum N.. Diagnostiziert wurde u.a. eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (Stadium II b). Der Kläger wurde mit residuellen neurologischen Defiziten (leichte faziale Parese links, leichte ataktische Hemiparese links mit inkompletten Absinken in den Haltversuchen links, Laufen mittels Vierfußgehstütze) entlassen. Nach seinen Angaben befand er sich ab dem 21. Juli 2020 für eine Woche in der Anschlussheilbehandlung in K..
Am 5. August 2020 beantragte der Kläger bei dem Beklagten (erstmals) Leistungen nach dem SGB II. Er gab an, aktuell bei einem Bekannten zu leben.
Am 19. August 2020 beantragte der Kläger die Zusicherung zur Übernahme der neuen Bedarfe für Unterkunft und Heizung (Umzug). Er gab an, bei seiner bisherigen Meldeadresse ... in N. (P.) handle es sich um ein sehr renovierungsbedürftiges altes Bauernhaus. Es seien bis auf eine Steckdose keine Elektroanschlüsse, keine Sanitäranlagen mit Ausnahme eines Plumpsklos auf dem Hof und bis auf den Hauptwasseranschluss auch weder Wasseranschlüsse noch Heizungsmöglichkeiten vorhanden. Durch den erlittenen Schlaganfall sei ihm ein weiteres Verbleiben in dieser Wohnung nicht mehr möglich. Er benötige eine „richtige“ Wohnung. Er legte dem Beklagten ein Wohnungsangebot der Firma V. G. Immobilien über eine Zweizimmerwohnung in der ... in N. mit einer Grundmiete von 390 € zuzüglich Nebenkosten von 80 € vor. Der Vertrag über die Versorgung für die mit Gas betriebene Heizanlage war gesondert abzuschließen.
Mit Bescheid vom 20. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2020 lehnte der Beklagte die Zusicherung zur Übernahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Wohnung in der ... ab: Der Umzug sei zwar erforderlich, die Aufwendungen für die neue Unterkunft jedoch nicht angemessen. Der Kläger zog am 1. September 2020 in diese Wohnung ein. Von September 2020 bis Januar 2021 leistete er keine Heizkostenabschläge.
Mit Bescheid vom 21. August 2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 28. September 2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2020 bis zum 31. Januar 2021 vorläufig Leistungen nach dem SGB II für August in Höhe der Regelleistung von 432 € und ab September in Höhe von monatlich 773,50 €. Dabei berücksichtigte er nur die seiner Ansicht nach angemessenen monatlichen KdUH in Höhe von insgesamt 341,50 € (ohne Heizkosten). Die Anpassung der Änderung des Regelbedarfs zum 1. Januar 2021 erfolgte mit Änderungsbescheid vom 15. Dezember 2020.
Dagegen erhob der Kläger am 6. Oktober 2020 Widerspruch und verwies auf § 67 Abs. 3 SGB II, aus dem sich ohne jeden Ermessensspielraum ergebe, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gälten. Die Kürzung von monatlich 128,50 € sei daher fehlerhaft.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2020 zurück: Der Einzug des Klägers in die von ihm gewählte Wohnung stelle sich als nicht notwendig und zur Abwendung von nicht mehr weiter hinzunehmenden Nachteilen der bisherigen Wohnung geeignet dar. Bei einer derartigen Überschreitung der tatsächlichen im Vergleich zu den angemessenen Kosten erscheine die Notwendigkeit eines Umzugs in gerade diese Wohnung wenig plausibel. Die Überschreitung der bisherigen Bedarfe für Unterkunft und Heizung müsse in einem angemessenen Verhältnis zur Ursache des Umzugs in die neue Wohnung stehen.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Klage vom 11. Januar 2021 an das Sozialgericht (SG) Halle gewandt und vorgetragen, die Versagung der Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten sei contra legem und widerspreche dem eindeutigen und keiner Interpretation zugänglichen Wortlaut des § 67 SGB II. Zudem widerspreche dies dem Sinn und Zweck des § 67 SGB II als Hilfsvorschrift während der Corona-Zeit.
Das SG hat den Beklagten mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2021 unter Abänderung seines Änderungsbescheids vom 28. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Dezember 2020 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. September 2020 bis zum 31. Januar 2021 Leistungen nach dem SGB II für die Kosten der Unterkunft in Höhe der tatsächlich angefallenen Aufwendungen für Grundmiete und Nebenkosten in Höhe von monatlich weiteren 128,50 € zu gewähren und den Betrag in Höhe von 642,50 € auszuzahlen. Nach den §§ 67 Abs. 3 Satz 1, 22 Abs. 1 SGB II habe der Kläger einen Anspruch auf Leistungen für seine Unterkunft in Höhe der angefallenen Grundmiete und Nebenkosten von monatlich 470 €. Durch das Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2 (Sozialschutz-Paket) vom 27. März 2020 in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Verlängerung des Zeitraums für das vereinfachte Verfahren für den Zugang zu den Grundsicherungssystemen und für Bedarfe für Mittagsverpflegung aus Anlass der COVID-19-Pandemie (VZVV) vom 25. Juni 2020 sowie der 1. Verordnung zur Änderung der VZVV vom 16. September 2020 und dem Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie weiterer Gesetze vom 9. Dezember 2020 gelte nach § 67 Abs. 3 Satz 1 SGB II für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020 begonnen hätten, § 22 Abs. 1 SGB II mit der Maßgabe, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gälten. Die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Grundmiete und Nebenkosten betrügen monatlich 470 € und gälten für den streitgegenständlichen Zeitraum als angemessen und seien vom Beklagten zu übernehmen. Bei § 67 Abs. 3 Satz 1 SGB II handle es sich um eine unwiderlegbare Fiktion (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. September 2020, L 11 AS 508/20 B ER, juris). Entgegen der Auffassung des Beklagten sei dem Gesetzeswortlaut des § 67 Abs. 3 SGB II oder den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen, dass diese Sonderregelung nur für bereits bewohnte Wohnungen gelte. Ein erforderlicher Umzug solle ermöglicht werden, auch wenn es ein Umzug in eine - nach den bisherigen Voraussetzungen - unangemessene Wohnung sei. In der Anmietung der Wohnung habe das SG auch kein sozialwidriges Verhalten des Klägers im Sinne des § 34 SGB II erkennen können. Die aufgrund des Schlaganfalls erforderlich gewordenen Anmietung einer „bewohnbaren“ Wohnung in der Nähe des Arztes und des Krankenhauses lasse keinen Raum für ein sozialwidriges Verhalten im Sinne einer zu missbilligenden Verhaltensweise.
Am 20. August 2021 hat der Beklagte wegen der Nichtzulassung der Berufung in dem ihm am 21. Juli 2021 zugestellten Urteil Beschwerde (L 4 AS 492/21 NZB) beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfrage der Auslegung des § 67 Abs. 3 SGB II bei Umzug eines Leistungsberechtigten in eine (unangemessen) teurere Wohnung sei bislang nicht vom Bundessozialgericht (BSG) entschieden, betreffe eine Vielzahl vergleichbarer Fälle und deren Klärung sei zur Erhaltung der Rechtseinheit und Weiterentwicklung des Rechts erforderlich.
Mit Beschluss vom 21. April 2022 hat der Senat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Halle vom 14. Juli 2021 zugelassen und das Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen L 4 AS 216/22 fortgeführt.
Zur Begründung der Berufung hat der Beklagte vorgetragen, § 67 Abs. 3 SGB II erfasse sowohl nach seiner Systematik als auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift keine Neuanmietungen, sondern nur bereits bewohnten Wohnraum. Für Neuanmietungen im Leistungsbezug während der pandemischen Situation sei eine präventive Kostenkontrolle nach § 22 Abs. 4 SGB II vorgesehen. Er hat auf die Entscheidungsgründe des LSG Schleswig-Holstein in dem Beschluss vom 23. März 2022 (L 6 AS 28/22 B ER, juris) verwiesen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Halle vom 14. Juli 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend und verweist zudem auf den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 11. März 2021 (L 9 AS 233/21 ER-B, juris).
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 23. Juni 2023 haben sich die Beteiligten mit einem Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des BSG zur Auslegung des § 67 SGB II in dem Verfahren B 4 AS 4/23 R einverstanden erklärt.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2023 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Nachdem das BSG am 14. Dezember 2023 in dem Verfahren B 4 AS 4/23 R entschieden und der Terminsbericht vom 26. April 2024 vorgelegen hat, hat der Senat das Verfahren am 29. April 2024 von Amts wegen wiederaufgenommen und unter dem Aktenzeichen L 4 AS 138/24 fortgeführt.
Der Beklagte hat in seinem Schriftsatz vom 5. Juni 2024 Kritik an der Entscheidung des BSG vom 14. Dezember 2023 geäußert und die Auffassung vertreten, der Umzug des Klägers in eine teurere Wohnung sei unter missbräuchlicher Ausnutzung der seinerzeit geltenden Rechtslage erfolgt. Der Kläger habe Kenntnis von der Unangemessenheit der Wohnung gehabt, da ihm die begehrte Zusicherung mit dem Bescheid vom 20. August 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2020 vom Beklagten nicht erteilt worden sei. Er habe auch Kenntnis von der Vorschrift des § 67 Abs. 3 SGB II gehabt und diese von ihm so verstandene Rechtsposition ausgenutzt. Statt den Schutz der Vorschrift des § 67 Abs. 3 SGB II für sich zu reklamieren, hätte er in Kenntnis der Angemessenheitsgrenze in eine angemessene Unterkunft umziehen können. Stattdessen habe er die Gelegenheit des Sozialschutz-Pakets, welches nach Auffassung des Beklagten für derartige Umzüge während der Pandemie gar nicht vom Gesetzgeber geschaffen worden sei, sehendes Auges und rechtsmissbräuchlich ausgenutzt und sei in eine teurere Wohnung in der Innenstadt von N. gezogen.
Der Kläger weist den Vorwurf des Beklagten der Rechtsmissbräuchlichkeit zurück und erinnert an die Umstände seines Umzugs. Er habe die für ihn notwendige Wohnung angemietet, weil sie für ihn angemessen gewesen sei.
In der mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2024 hat der Beklagte aufgrund der Nachberechnung der geltenden Angemessenheitswerte für die KdUH ein Teilanerkenntnis abgegeben, dass er im Hinblick auf die streitige Bruttokaltmiete für den Zeitraum von September 2020 bis Januar 2021 monatlich weitere Leistungen in Höhe von 3,50 € anerkenne. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist durch den Senat mit Beschluss vom 21. April 2022 zugelassen worden.
Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die KdUH in tatsächlicher Höhe zu gewähren. Der vom Kläger angegriffene Bescheid ist insoweit rechtwidrig und beschwert ihn im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist der Änderungsbescheid des Beklagten vom 28. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Dezember 2020 in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung angenommenen Teilanerkenntnisses. Der Streitgegenstand währt in zeitlicher Hinsicht vom 1. September 2020 bis zum 31. Januar 2021 und ist in sachlicher Hinsicht auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt.
Der Kläger hat die Gewährung weiterer KdUH in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG geltend gemacht. Die Klage ist auch begründet, denn er hat einen Anspruch auf die Gewährung von KdUH in tatsächlicher Höhe und Zahlung weiterer Leistungen in Höhe von (noch) monatlich 125 €.
Der Kläger ist im streitigen Zeitraum Berechtigter im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a SGB II noch nicht erreicht, hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, ist erwerbsfähig und hilfebedürftig.
Der Anspruch des Klägers ist hinsichtlich der KdUH aufgrund des § 22 Abs. 4 SGB II auf die angemessenen Kosten beschränkt, wobei jedoch § 67 Abs. 3 SGB II die tatsächlichen Kosten als angemessen fingiert.
Nach § 67 Abs. 1 SGB II in der vom 29. Mai bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung (vom 20. Mai 2020) werden Leistungen für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 2020 beginnen, nach Maßgabe der Abs. 2 bis 4 erbracht. Nach § 67 Abs. 1 SGB II in der vom 1. Januar bis zum 31. März 2021 geltenden Fassung (vom 9. Dezember 2020) gilt dies auch für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März 2020 bis zum 31. März 2021 beginnen. Nach § 67 Abs. 3 SGB II in der seit dem 28. März 2020 geltenden Fassung (vom 27. März 2020) ist § 22 Abs. 1 SGB II mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gelten. Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesbegründung damit die drohenden ökonomischen und sozialen Folgen aufgrund der Ausbreitung von Covid-19 abzumildern versucht (BT-Drucks. 19/18107, S. 25).
§ 67 Abs. 1 SGB II ist vor diesem Hintergrund in jedem Fall in zeitlicher Hinsicht insofern anwendbar, als der streitbefangene Bewilligungszeitraum am 1. August 2020 und damit innerhalb des von § 67 Abs. 1 SGB II alter und neuer Fassung ausdrücklich umschriebenen Zeitraums begonnen hat.
Der Anwendung des § 67 Abs. 1 und 3 SGB II steht nicht entgegen, dass der Kläger durch die gesundheitlichen Auswirkungen seines Schlaganfalls hilfebedürftig geworden ist. Zwar hatte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung Personen im Blick, die durch die Auswirkungen insbesondere der im Laufe des März 2020 in Kraft getretenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens durch die Corona-Pandemie hilfebedürftig geworden sind und deshalb einen Leistungsantrag stellten (BT-Drucks. 19/18107, S. 25). Ein Anknüpfungspunkt hierfür findet sich jedoch nicht im Gesetz, so dass dieser Umstand für die Normauslegung keine Bedeutung erlangt (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2023, B 4 AS 4/23 R, juris Rn. 24 m.w.N.).
Da die sich aus § 67 Abs. 3 Satz 1 SGB II ergebende Fiktionswirkung in jedem Bewilligungszeitraum, der innerhalb des in § 67 Abs. 1 SGB II genannten Zeitraums beginnt, erneut eintritt, ergibt sich keine einmalige Begrenzung auf einen Zeitraum von sechs Monaten (vgl. BSG, a.a.O. Rn. 25).
Zudem steht der Anwendung des § 67 Abs. 3 Satz 1 SGB II nicht entgegen, dass der Kläger die Wohnung in der ... neu angemietet hat. Selbst wenn der Gesetzgeber während der Corona-Pandemie nur die Bestandssicherung der bereits bewohnten Wohnung intendiert haben sollte, findet sich auch dafür kein Anknüpfungspunkt im Normwortlaut (vgl. BSG, a.a.O. Rn. 29).
Wie das BSG in seinem Urteil vom 14. Dezember 2023 weiter klargestellt hat, ist der Angemessenheitsbegriff des § 22 Abs. 1 SGB II, auf den sich die Fiktion des § 67 Abs. 3 Satz 1 SGB II ausdrücklich bezieht, identisch mit demjenigen in § 22 Abs. 4 SGB II. Demnach wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, dem Kläger die begehrte Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft zu erteilen (vgl. BSG, a.a.O. Rn. 28).
Der Fiktionswirkung steht nach Auffassung des Senats auch kein rechtsmissbräuchliches Handeln des Klägers entgegen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch), der auch im öffentlichen Recht gilt, liegt Rechtsmissbrauch u.a. dann vor, wenn jemand eine bloß formal bestehende Rechtsposition ohne schutzwürdiges Eigeninteresse ausnutzt (BSG, a.a.O. Rn. 31 m.w.N.). Dies kann etwa der Fall sein, wenn eine offensichtlich unangemessen teure Wohnung allein deswegen angemietet wurde, um die eigenen Wohnverhältnisse unter Ausnutzung der Corona-Sonderregelung des § 67 Abs. 3 SGB II zu Lasten der Allgemeinheit zu verbessern. Der Kläger hat angegeben, bei seiner vorherigen Unterkunft habe es sich um ein sehr renovierungsbedürftiges altes Haus unterster Standard (ohne innenliegende Sanitäranlagen, ausreichende Elektro- und Wasseranschlüsse sowie Heizmöglichkeiten) gehandelt. Aufgrund seines Gesundheitszustands und der durch den Schlaganfall verbliebenen Einschränkungen war dem Kläger ein Verbleib in der bisherigen Unterkunft nicht möglich. Er benötigte schnell einen neuen Wohnraum, der den gesundheitlichen Einschränkungen gerecht wurde (z.B. im Erdgeschoss). Zudem hat der Kläger eine Wohnung in der Nähe seines Arztes gesucht. Dies waren zur Überzeugung des Senats die vorrangigen Beweggründe für seinen Umzug in die von ihm angemietete Wohnung. Dass der Kläger dadurch seine Wohnverhältnisse deutlich verbessert hat, ist insoweit für die Geltungsdauer des § 67 Abs. 3 SGB II hinzunehmen. Ein rechtsmissbräuchliches Handeln vermag der Senat insoweit nicht zu erkennen. Auch der Beklagte hat die Erforderlichkeit des Umzugs anerkannt, ohne die genaueren Umstände der bisherigen Unterkunft des Klägers zu ermitteln. Insofern verhält er widersprüchlich, wenn er dem Kläger nunmehr vorwirft, seine Wohnverhältnisse erheblich verbessert zu haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.