L 2 AS 169/24 NZB

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 27 AS 172/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 AS 169/24 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Die vom Grundsicherungsträger für das Jahr 2018 ermittelten angemessenen Unterkunftskosten in der Stadt Halle (Saale) werfen für einen Zweipersonenhaushalt keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Die Schlüssigkeit des zugrunde liegenden Konzepts ist im Urteil des Senats vom 9.11.2023, L 2 AS 547/19 juris, grundsätzlich geklärt. Besonderheiten, die eine abweichende Beurteilung der Grenzwerte für Zweipersonenhaushalte gebieten könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. April 2024 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag der Klägerinnen auf Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Klägerinnen begehren die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Halle. In der Sache geht es ihnen im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) um höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) für November und Dezember 2018.

Die 1990 geborene Klägerin zu 1. ist die Mutter der 2012 geborenen Klägerin zu 2. die Klägerinnen lebten zunächst in W. Bereits im Januar 2018 hatten sie beim Beklagten wegen eines beabsichtigten Umzugs nach H. eine Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für eine Wohnung in der S. Straße in H. eingeholt. Die Kosten dieser Wohnung sollten sich auf insgesamt 428,00 € monatlich belaufen (Bruttokaltmiete: 348,00 €, Heizkosten: 80,00 €). Zum Abschluss eines Mietvertrags kam es jedoch nicht. Im Februar 2018 beantragten die Klägerinnen eine Zusicherung für eine andere Wohnung unter der Anschrift M. Straße 2. Daraufhin teilte der Beklagte ihnen mit Schreiben vom 27. Februar 2018 mit, die KdUH dieser Wohnung seien nicht angemessen. Die tatsächliche Bruttokaltmiete betrage 415,00, angemessen seien aber nur 348,00 €; die tatsächlichen Heizkosten betrügen 50,00 €, angemessen seien 115,20 €; ein „Ausgleich der einzelnen Positionen“ sei nicht zulässig. Sofern die Klägerinnen die Wohnung dennoch anmieteten, erfolge eine Minderung der Leistungen auf den Angemessenheitsgrenzwert. In der Folgezeit mietete die Klägerin zu 1. diese Wohnung an.

Für die Zeit von Mai bis Oktober 2018 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen vorläufig Leistungen unter Berücksichtigung von KdUH i.H.v. 398,00 € pro Monat (348,00 € für die Kaltmiete und die kalten Nebenkosten, 50,00 € für die Heizkosten). Dazu führte er aus, er habe die Bedarfe „auf die Angemessenheit begrenzt“, da die Klägerinnen trotz Ablehnung einer Zusicherung unangemessenen Wohnraum angemietet hätten.

Auch für die Zeit ab November 2018 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung lediglich der für angemessen gehaltenen KdUH (Bescheid vom 19. Oktober 2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. November 2018 und 29. Januar 2019 sowie der Aufhebungsbescheide vom 4. April 2019 und 23. Mai 2019). Die Bewilligung erfolgte zunächst für die Zeit bis einschließlich Oktober 2019, wurde allerdings wegen des Wegzugs der Klägerinnen aus H. mit Wirkung zum 1. April 2019 aufgehoben. Ein Widerspruch der Klägerinnen gegen die nur teilweise Berücksichtigung ihrer KdUH im Änderungsbescheid vom 29. Januar 2019 für die Zeit ab Januar 2019 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. April 2019). Insoweit erhoben die Klägerinnen eine gesonderte Klage zum SG P. (S 31 AS 741/19).

Unter dem 19. Februar 2019 beantragten die Klägerinnen beim Beklagten, die Leistungsentscheidungen für die Zeit ab 1. November 2018 hinsichtlich der Wohnkosten zu überprüfen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2022 ab und verwies wegen der Angemessenheitswerte auf sein „schlüssiges Konzept“, wonach eine Bruttokaltmiete von 348,00 € angemessen sei.

Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machten die Klägerinnen geltend, dass eine Differenz von 67,00 € pro Monat zwischen ihren tatsächlichen und den vom Beklagten berücksichtigten KdUH liege. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2022 als unbegründet zurück. Die Prüfung der Leistungsbewilligungen für Oktober und November 2018 habe ergeben, dass diese nicht zu beanstanden seien. Die Klägerinnen hätten bis April 2018 in W. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen. Obwohl ihnen im Februar 2018 die beantragte Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die Wohnung in der M. Straße nicht erteilt worden sei, seien sie dorthin gezogen. Wenn ein Leistungsberechtigter ohne vorherige Zusicherung in eine unangemessene Wohnung ziehe, fehle es von vornherein an der vorübergehenden Unzumutbarkeit einer Kostensenkung. Im Jahr 2018 sei für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Bruttokaltmiete von 348,00 € angemessen gewesen. Die Klägerinnen hätten auch die Möglichkeit gehabt, in angemessenen Wohnraum zu ziehen, nämlich in die Wohnung in der S. Straße. Es seien keine Gründe ersichtlich, die eine Abweichung von der Obergrenze zulassen würden. Für die Zeit ab Januar 2019 sei der Überprüfungsantrag abzulehnen, weil die entsprechenden Bescheide Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG P. seien.

Am 19. Mai 2022 haben die Klägerinnen beim SG Halle Klage erhoben und für die Monate November und Dezember 2018 weitere Leistungen i.H.v. 67,00 € pro Monat für ihre KdUH begehrt. Sie haben die Auffassung vertreten, sie seien vor ihrem Zuzug aus W. nicht verpflichtet gewesen, eine Zusicherung bzgl. der KdUH einzuholen. Die vom Beklagten vorgenommene Kostenbeschränkung sei schon deshalb unzulässig, weil sie erst sechs Monate nach einer entsprechenden Kostensenkungsaufforderung möglich gewesen wäre. Im Übrigen sei der Beklagte von einer Gesamtangemessenheit (Bruttokaltmiete plus Heizkosten) i.H.v. 463,20 € ausgegangen. Diesen Wert hätten sie nur geringfügig überschritten. Für die Wohnung in der M. Straße erhielten sie nun sogar geringere Leistungen als sie für die Wohnung in der S. Straße erhalten hätten, für die eine Zusicherung erteilt worden sei und bei der die Heizkostenvorauszahlungen höher gewesen wären. Auch deshalb sei die Beschränkung nicht nachvollziehbar. Die Klägerin zu 1. sei wegen häuslicher Gewalt und der Trennung von ihrem damaligen Partner, der sie in kriminelle Handlungen habe einbeziehen wollen, dringend auf einen Umzug angewiesen gewesen. Sie habe sich in einer Notsituation befunden. Die Wohnung in der S. Straße sei nicht mehr verfügbar gewesen, und die Wohnung in der M. Straße sei auch wegen der Nähe zu den Eltern der Klägerin zu 1. und der damit einhergehenden Möglichkeit der Kinderbetreuung besonders geeignet gewesen. Insgesamt sei Wohnraum in dem vom Beklagten vorgegebenen Angemessenheitsrahmen seinerzeit nicht verfügbar gewesen. Außerdem sei das Konzept des Beklagten zur Ermittlung der Angemessenheitswerte nicht schlüssig. Es sei weder eine ordnungsgemäße Fortschreibung erfolgt noch sei eine „Vermietergewichtung“ berücksichtigt worden. Im Übrigen wäre ihres Erachtens eine Wirtschaftlichkeitsprüfung sinnvoll gewesen.

Mit Urteil vom 18. April 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Streitgegenstand sei zulässigerweise auf die Unterkunftskosten beschränkt worden, und die Klägerinnen hätten insoweit keinen Anspruch auf weitere Leistungen. Das KdUH-Konzept 2016 des Beklagten und seine Fortschreibung genügten den Anforderungen an ein sogenanntes schlüssiges Konzept. Insoweit hat sich das SG einem Urteil des erkennenden Senats vom 30. Mai 2018 (L 2 AS 543/15 – juris) angeschlossen. Zwar beziehe sich diese Entscheidung auf ein früheres Konzept des Beklagten. Das hier maßgebliche Konzept 2016 beruhe aber auf denselben Methoden und entsprechender Datenauswertung. Wenngleich das Urteil des Senats einen Ein-Personen-Haushalt betreffe, seien die Ausführungen auf das vorliegende Verfahren übertragbar. Die vom Senat im Jahr 2023 veranlasste Neuberechnung im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Mietverhältnissen mit sogenannten Kleinvermietern und solchen mit sog. Großvermietern ergebe für die vorliegende Konstellation keine Änderung der Werte zugunsten der Klägerinnen. Soweit die Klägerinnen meinten, geringere Heizkostenvorauszahlungen seien zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, stehe dem die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Trennung zwischen Bruttokaltmiete und tatsächlichen Heizkosten entgegen; es bestehe kein Anspruch auf eine Gesamtbetrachtung. Vor diesem Hintergrund sei auch kein Wirtschaftlichkeitsvergleich erforderlich. Die Klägerinnen seien trotz Ablehnung einer Zusicherung und in Kenntnis der Angemessenheitsgrenzen in die Wohnung gezogen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalls ein höherer Bedarf für die Bruttokaltmiete zu berücksichtigen wäre als der abstrakt angemessene. Auf den Inhalt einer Kostensenkungsaufforderung für eine frühere, nicht mehr bewohnte Unterkunft komme es nicht an, wenn der Leistungsberechtigte – wie hier die Klägerinnen – ohne vorherige Zusicherung des Grundsicherungsträgers in eine neue unangemessene Unterkunft ziehe, für die auch keine erneute Kostensenkungsaufforderung erfolgt sei. Aus den erstmalig im Klageverfahren vorgetragenen Argumenten, der Einzug in genau diese Wohnung sei zur Betreuung der Klägerin zu 2. durch die Eltern der Klägerin zu 1. bzw. wegen einer Notsituation der Klägerin zu 1. erforderlich gewesen, folge kein anderes Ergebnis. Diese Umstände seien zu keinem Zeitpunkt im ursprünglich Verwaltungsverfahren aktenkundig gemacht worden. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen am 26. April 2024 zugestellt worden.

Am 27. Mai 2024, einem Montag, haben die Klägerinnen beim Landessozialgericht (LSG) Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Es sei zu berücksichtigen, dass sie von außerhalb nach H. gezogen seien. Eine Beschränkung der Wohnkosten sei deshalb nicht zulässig. Dies gelte besonders, da ein wichtiger Grund für den Umzug vorgelegen habe. Anzumerken sei auch, dass die Klägerinnen zum 1. April 2019 nach P.-M. gezogen seien. Die Wohnkostengewährung und Kürzung seien also nur für elf Monate erfolgt. Für den zweiten Rechtszug haben die Klägerinnen Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

Der Beklagte hat Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Der Senat hat die Prozessakte des SG und die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Die Beschwerde ist gem. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Sie bedarf aber der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 750,00 € nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und sie auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Im Streit stehen weitere Leistungen für KdUH für zwei Monate i.H.v. insgesamt 134,00 €. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden (§ 145 Abs. 1 Satz 2, § 64 Abs. 2, Abs. 3 SGG).

2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das SG hat die Berufung zu Recht nicht zugelassen. Es liegt kein Zulassungsgrund i.S.v. § 144 Abs. 2 SGG vor.

a) Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG sind nicht erfüllt, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn die Sache eine bisher nicht geklärte, aber klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 144 Rn. 28). Klärungsbedürftigkeit ist nicht gegeben, wenn sich die Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz beantworten lässt oder nur eine Anwendung schon entwickelter höchstrichterlicher Rechtssätze auf den Einzelfall erfordert. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur, wenn sie konkret für die Lösung des Falles erheblich ist. Solche ungeklärten Rechtsfragen wirft der Rechtsstreit nicht auf.

aa) Dies gilt zunächst für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze für die Unterkunftskosten i.S.v. § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II; jetzt: Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende), insbesondere für die hier streitige Frage, ob die Bruttokaltmiete der Klägerinnen in voller Höhe bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen ist.

In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass die Prüfung der Angemessenheit der Bedarfe für die Unterkunft und für die Heizung grundsätzlich getrennt voneinander zu erfolgen hat, unbeschadet der nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II (in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung) eröffneten Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Kostensenkungsaufforderungen (BSG, Urteil vom 19. Mai 2021 – B 14 AS 57/19 R – juris Rn. 17). Insbesondere kann abgesehen von den Fällen des § 22 Abs. 10 SGB II keine aus einer Zusammenschau von Bruttokaltmiete und Heizkosten gebildete Gesamtangemessenheitsgrenze herangezogen werden (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 9. November 2023 – L 2 AS 547/19 – juris Rn. 118 ff.).

Bei der Prüfung der Angemessenheit sind in einem ersten von zwei größeren Schritten zunächst die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten, zu ermitteln; dann ist die konkrete (subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen einschließlich eines Umzugs (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 34/19 R – juris Rn. 13).

Ebenso sind die Maßstäbe für die hier im Streit stehende Prüfung der abstrakten Angemessenheit der Unterkunftskosten geklärt. Sie hat unter Anwendung der sog. Produkttheorie („Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis“) in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, das sich wie folgt zusammenfassen lässt: (1.) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigten Personen, (2.) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3.) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept, (4.) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2019 – B 14 AS 24/18 R – juris Rn. 20 m.w.N.).

Schließlich ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgebliche Richtlinie des Beklagten auf einem sog. schlüssigen Konzept beruht. Die nach der letzten Nachbesserung des Beklagten ergangene, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen und dem Beklagten bekannte Entscheidung (Urteil vom 9. November 2023, a.a.O.) betrifft zwar speziell den Grenzwert für einen Drei-Personen-Haushalt. Für einen Zwei-Personen-Haushalt, wie er hier vorliegt, stellen sich aber keine fundamental anderen Fragen, die einer weiteren grundsätzlichen Klärung durch den Senat bedürften.

Die Feststellungen des Senats zum maßgeblichen Vergleichsraum sowie zur Validität und Repräsentativität der erhobenen Daten gelten für Zwei-Personen-Haushalte in gleicher Weise wie für Drei-Personen-Haushalte. Bezogen auf die Auswertung dieser Daten sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, hinsichtlich derer sich die Situation von Zwei-Personen-Haushalten signifikant von derjenigen von Drei-Personen-Haushalten unterscheiden würde.

In seinem Urteil vom 9. November 2023 (a.a.O.) hat der Senat u.a. dargelegt, dass der in diesem Verfahren maßgebliche Anteil der SGB II-Leistungsbezieher und konkurrierender Nachfragegruppen an der Gesamtzahl der Drei-Personen-Haushalte in H. mit einem Anteil 30% ausreichend unter Beachtung mathematisch-statistischer Grundsätze abgebildet worden sei. Nach den vom Senat aufgestellten Maßstäben gilt dies ohne Weiteres in gleicher Weise für Zwei-Personen-Haushalte. Hier hat die Firma A. & K., die das Konzept erstellt hat, einen Anteil der relevanten Nachfragerhaushalte von 14% angenommen (6.240 von 45.440) und im Ergebnis eines iterativen Verfahrens bei der Bestimmung des Angemessenheitsgrenzwerts auf die 30. Perzentile abgestellt (siehe zu diesem Vorgehen bereits das Urteil des Senats vom 30. Mai 2018 – L 2 AS 542/15 – juris Rn. 94 ff.). So hat sie den Grenzwert von 4,47 €/qm für die Nettokaltmiete ermittelt. Ebenso wie bei Drei-Personen-Haushalten sind auch hier in erheblichem Umfang Neuvertragsmieten eingeflossen (2.190 von insgesamt 17.699 Bestandsmieten), so dass ausreichend aktuelle Werte berücksichtigt wurden. Auch hinsichtlich der abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten stellen sich für Zwei-Personen-Haushalte keine grundsätzlich neuen Fragen. Das Konzept geht hier von einem Wert von 1,27 €/qm aus, so dass sich eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete von 5,74 €/qm (4,47 €/qm + 1,27 €/qm) bzw. insgesamt 344,40 € (5,74 €/qm * 60 qm) ergibt. In den angegriffenen Bescheiden hatte der Beklagte auf Grundlage früherer Ermittlungen sogar einen etwas höheren Wert, nämlich 348,00 €, zugrunde gelegt.

bb) Unmittelbar aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II in der zum Streitzeitraum geltenden Fassung ergibt sich, dass unangemessene KdUH so lange anzuerkennen sind, wie es dem Leistungsberechtigten bzw. der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Insoweit ist der Rechtsprechung des BSG geklärt, dass das Jobcenter grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen muss, wenn es die tatsächlichen Aufwendungen nicht als Bedarf anerkennen will, weil es sie für unangemessen hoch hält (vgl. BSG, Urteil vom 17. September 2020 – B 4 AS 11/20 R – juris Rn. 15), es sei denn, dass der Betroffene die Unangemessenheit ohnehin kennt (BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R – juris Rn. 29; BSG, Urteil vom 19. Mai 2021 – B 14 AS 57/19 R – juris Rn. 22). Dies gilt jedoch nicht im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II. Nach dieser Regelung soll vor Abschluss eines Vertrags über die neue Unterkunft die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Die Zusicherung darf nur erteilt werden, wenn die Unterkunftskosten der neuen Unterkunft angemessen sind. Da der Leistungsberechtigte bei fehlender Zusicherung nicht bessergestellt werden kann als bei Vorliegen einer an diesem Maßstab ausgerichteten (rechtmäßigen) Zusicherung, besteht nach Rechtsprechung des BSG auch bei fehlender Zusicherung nur ein Anspruch auf Berücksichtigung der angemessenen Kosten (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2023 – B 4 AS 4/23 R – juris Rn. 20).

b) Es besteht auch keine Divergenz zu einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Divergenz in diesem Sinne meint einen Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn ein Urteil nicht den Kriterien entspricht, die die genannten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst, wenn das SG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 22. April 2021 – B 4 AS 16/21 B – juris Rn. 6). Das Urteil des SG muss auf dieser Abweichung beruhen, d.h. die angefochtene Entscheidung hätte bei Zugrundelegung des Rechtssatzes, von dem abgewichen worden ist, anders ausfallen müssen. Eine solche Abweichung ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

c) Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Einen solchen haben die Klägerinnen nicht gerügt. Dies ist aber Voraussetzung für eine entsprechende Prüfung (vgl. Keller, a.a.O., § 144 Rn. 36).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG.

4. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO]).

5. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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