I. Die Klage gegen den Bescheid vom 26. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. September 2021 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
T a t b e s t a n d :
Die im Jahre 1947 geborene Klägerin begehrt Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch -Zwölftes Buch- Sozialhilfe (SGB XII) ab dem 01.05.2014 im Überprüfungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch -Zehntes Buch- Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X).
Sie bezog in der Zeit vom 01.01.2013 bis 30.04.2014 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Laut dem Bayerischen Behördeninformationssystem (BayBis) ist sie seit März 2018 als von Amts wegen nach unbekannt verzogen abgemeldet (letzte Abfrage bei BayBis am 28.11.2022). Die Klägerin hat angegeben, sie sei wohnungslos, weitere Informationen über ihren Aufenthaltsort sind nicht bekannt.
Grundsicherungsleistungen über den 30.04.2014 hinaus wurden mit Bescheid vom 22.04.2014 versagt. Vorangegangen waren erfolglose Mitteilungen an die Klägerin, zuletzt am 03.04.2014, dass diese einen Vordruck für Angaben zur Prüfung der Weitergewährung von Grundsicherungsleistungen, Kontoauszüge der letzten drei Monate und Belege über Versicherungen und Höhe der Miete, sollte dies nicht aus den Kontoauszügen ersichtlich sein, vorlegen möge. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage der Unterlagen bis 15.04.2014 eine Leistungsversagung geprüft werde. In dem Bescheid hieß es, es werde von der Ermessensmöglichkeit der Versagung in vollem Umfang Gebrauch gemacht. Ohne die geforderten Unterlagen könne eine Berechnung des Bedarfes nicht erfolgen. Es seien seit Jahren nur die angemessenen Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden. Es sei offen, woraus die Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von 106,21 € bestritten habe. Deshalb stelle sich die Frage, ob die Klägerin über dem Beklagte nicht bekanntes Einkommen verfüge.
Der am 30.04.2014 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2014 zurückgewiesen. Klageerhebung durch die Klägerin erfolgte am 22.08.2014. Klageabweisung erfolgte mit Urteil vom 28.10.2014. Die eingelegte Berufung wurde am 21.02.2017 zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 01.02.2018 beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 22.04.2014 zu überprüfen.
Mit Bescheid vom 26.03.2018 wurde dieser Antrag abgelehnt. Der Bescheid wurde öffentlich bekanntgemacht, nachdem eine vorangegangene Zustellung des Bescheides an die Klägerin mit Postzustellungsurkunde erfolglos geblieben war, laut der Postzustellungsurkunde vom 27.03.2018 war die Klägerin unbekannt verzogen. Ermittlungen beim Einwohnermeldeamt des letzten Wohnorts der Klägerin ergaben, dass dort keine neue Anschrift bekannt war.
Mit Schreiben vom 19.05.2021 erkundigte sich die Klägerin nach der Entscheidung über ihren Überprüfungsantrag. Sie gab damals erstmals gegenüber dem Beklagten als ihre Adresse ausschließlich die Adresse der Postfiliale A-Stadt an, mit dem Zusatz "Postlagernd".
Der Beklagte verwies in seinem Antwortschreiben vom 01.06.2021 auf den Bescheid vom 26.03.2018.
Die Klägerin erhob am 17.06.2021 Untätigkeitsklage (S 19 SO 81/21) gerichtet auf die Entscheidung über ihren Überprüfungsantrag vom 01.02.2018. Der Bescheid vom 26.03.2018 wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 12.07.2021 an die Postfachadresse der Klägerin übersandt.
Die Untätigkeitsklage wurde mit Gerichtsbescheid vom 28.04.2022 als unzulässig verworfen, da aufgrund des mittels öffentlicher Bekanntmachung bestandkräftigem Bescheid vom 26.03.2018 keine Untätigkeit der Behörde vorlag.
Der durch die Klägerin am 30.07.2021 gegen den Bescheid vom 26.03.2018 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2021 aufgrund der Bestandskraft des Bescheides vom 26.03.2018 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde öffentlich bekanntgemacht.
Die streitgegenständliche Untätigkeitsklage hat die Klägerin am 11.05.2022 erhoben, gerichtet auf Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.03.2018.
Das Gericht hat den Widerspruchsbescheid mit Schreiben vom 08.09.2022 an die Postfachadresse der Klägerin übersandt. Dies ist mit dem Hinweis erfolgt, dass die Klage mangels ladungsfähiger Anschrift unzulässig sei, da zu einer Obdachlosigkeit bzw. tatsächlichen Aufenthalt nichts vorgetragen worden ist.
Darauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2022 die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und die Klage nunmehr auf Grundsicherungsleistungen ab dem 01.05.2014 gerichtet. Sie trägt vor, die Klage sei zulässig, da der Beklagte außer der Abfrage der Meldeanschrift keine Ermittlungen unternommen habe, mit der Klägerin Kontakt aufzunehmen. Die Klägerin sei nach ihrem Auszug weiterhin postalisch erreichbar gewesen. Der Beklagte hätte beim ehemaligen Vermieter, den Nachbarn, dem Hausmeister, der Bank der Klägerin bzw. diversen Versicherungen und sonstigen Einrichtungen weitere Ermittlungen zum Aufenthaltsort der Klägerin anstellen können. Dann hätte der Beklagte die Klägerin auch erreicht. Dies habe der Beklagte aber unterlassen. Außerdem habe der Beklagte es im Versagungsbescheid unterlassen, die Klägerin auf die fortbestehenden materiell-rechtlichen Ansprüche hinzuweisen, wenn diese ihre Mitwirkungspflichten nachhole. Es handele sich bei der Versagung um keinen Ablehnungsbescheid, es sei keine Entscheidung über die materiell-rechtlichen Voraussetzungen getroffen worden. Die Versagung sei bis zur Nachholung der Mitwirkung begrenzt, da der Leistungsträger bei nachgeholter Mitwirkung die Leistung nachträglich erbringen müsse. Die Versagung sei damit vorläufiger Natur. Im Verfügungssatz des Bescheides vom 22.04.2014 sei eine solche Einschränkung jedoch nicht enthalten gewesen, so dass er rechtswidrig sei. Dabei verweist sie auf ein Urteil des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 16.05.1990, Az.Z L 1 J 1789/89.
Die Klägerin ist per öffentlicher Bekanntmachung sowie per Einschreiben mit Rückschein zur mündlichen Verhandlung am 01.12.2022 um 9:15 Uhr geladen worden. Laut Rückschein hat sie die Ladung am 27.10.2022 erhalten. Mit Schreiben vom 28.11.2022, Eingang beim Gericht am 30.11.2022, beantragt die Klägerin Vertagung. Von der Klägerin wird vorgetragen, es sei ihr aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich, vor 12 Uhr anzureisen, da das Bayern Ticket erst ab 9:00 Uhr gelte. Ein Zugticket für eine frühere Anreise für 71,80 € könne aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf Kosten der Klägerin gekauft werden. Deshalb sei ihr persönliches Erscheinen anzuordnen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2021 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 22.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2014 sowie der Urteile vom 28.10.2014 und 21.02.2017 zu verurteilen, ihr Grundsicherungsleistungen ab dem 01.05.2014 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichts- und Verwaltungsakten, verwiesen. Diese waren Gegenstand der Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung entschieden werden, obwohl die Klägerin nicht zum Termin erschienen ist. Denn in der ordnungsgemäß zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde sie darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz, SGG).
Dem Antrag auf Vertagung war nicht zu entsprechen. Eine Vertagung kann nur aus erheblichen Gründen erfolgen, vgl. § 202 S. 1 i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO. Hier liegt jedoch kein erheblicher Grund vor. Im vorliegenden Fall erhielt die Klägerin die Ladung laut Einschreiberückschein am 27.10.2022. Es ist kein Grund dafür vorgetragen, warum die Klägerin die von ihr vorgebrachten Gründe für eine Terminsverlegung erst mit Schreiben vom 28.11.2022, Eingang zu Gericht am 30.11.2022, geltend macht. Die Problematik der Kosten der Zugreise bestand unverändert auch schon zum Zeitpunkt des Zuganges der Ladung am 27.10.2022. Wenn die Klägerin jedoch ohne jede Begründung einen Verlegungsantrag erst so kurzfristig vor der mündlichen Verhandlung stellt, dann muss von ihr ein Weg eröffnet werden, ihr auch rechtzeitig antworten zu können. Es besteht dann eine Obliegenheit der Beteiligten mitzuteilen, wie sie erreicht werden können (vgl. MKLS/Keller, 13. Aufl. 2020, SGG § 62 Rn. 11d m.w.N.). Die Klägerin hat dies aber nicht getan. Sie hat keine Telefonnummer oder Faxadresse für den rechtzeitigen Zugang der Entscheidung angegeben. Sie hat es somit vereitelt, dass sie über Entscheidung einer Vertagung oder die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung des persönlichen Erscheinens informiert wird. Es wäre der Klägerin zumutbar gewesen, sich in der Zeit seit Erhalt der Ladung am 27.10.2022 über diese Gegebenheiten zu informieren und die Anordnung des persönlichen Erscheinens so rechtzeitig zu beantragen, dass ihr diese auch noch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung zugeht. Ein erheblicher Grund für eine Vertagung ist nach alledem nicht ersichtlich.
Die Klage ist unzulässig.
Die Klägerin hat keine ladungsfähige Anschrift angegeben. Die Zulässigkeit der Klage setzt grundsätzlich die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift voraus. Diese Angabe kann ausnahmsweise entfallen, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen, etwa ein fehlender Wohnort wegen Obdachlosigkeit oder etwa ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse. In diesen Fällen müssen dem Gericht aber die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift verzichtet werden kann (vgl. zu diesem Absatz Rn. 13 im Beschluss des BGH vom 31.05.2017 B 5 R 29/16 BH).
Hier war die Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift nicht ausnahmsweise verzichtbar. Zwar ist die Klägerin nach eigenen Angaben wohnsitzlos. Dies hat die Klägerin aber nicht glaubhaft gemacht, obwohl ihr dies zumutbar gewesen wäre. Die Klägerin hat gegenüber dem Gericht gezeigt, dass sie in der Lage ist, ausführliche Schriftsätze an das Gericht zu erstellen, in denen sie ihr Begehren unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung vorbringt und sachgerechte Anträge stellt. Dennoch hat sie auch nach gerichtlichem Hinweis, dass für die Zulässigkeit der Klage die Angabe ihres tatsächlichen Aufenthaltsortes erforderlich ist, dazu keinerlei Angaben gemacht. Es hätte ihr oblegen, gegenüber dem Gericht glaubhaft zu machen, dass sie keinen Wohnsitz hat, und wo sie sich seit Beantragung der Auskunft aufgehalten hat. Dazu hat sie jedoch keinerlei Anstrengung unternommen.
Mangels Angabe eines Aufenthaltsortes ist es weder für den Beklagten noch für das Gericht überprüfbar, ob die örtliche Zuständigkeit gegeben ist.
Weiterer Grund für die Unzulässigkeit der Klage ist, dass der Bescheid vom 26.03.2018 bestandskräftig geworden ist, siehe Gerichtsbescheid vom 28.04.2022 (S 19 SO 81/21). Somit ist nicht von der ordnungsgemäßen Durchführung eines Vorverfahrens auszugehen.
Hinzu kommt, dass auch die von der Klägerin vorgenommene Klageänderung nach Erledigterklärung der Untätigkeitsklage unzulässig ist.
Die geänderte Klage ist gerichtet auf Leistungen der Grundsicherung ab dem 01.05.2014. Im insofern angegriffenen Versagungsbescheid vom 22.04.2014 wurde eine keine Entscheidung über einen materiellen Anspruch auf Grundsicherung getroffen, sondern die Leistung mangels Mitwirkung versagt.
Da es sich bei der Klage gegen einen Bescheid, der eine Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 SGB I versagt, um eine reine Anfechtungsklage handelt, ist die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Leistungsgewährung unzulässig, eine solche Klage ist vorliegend nicht statthaft. Mit einem Versagungsbescheid wird keine Beweislastentscheidung in der Sache getroffen, sondern nur ein Fehlverhalten eines Leistungsberechtigten sanktioniert. Erweist sich im gerichtlichen Verfahren die Einschätzung des Leistungsträgers in Bezug auf das Fehlverhalten als unzutreffend, erfolgt hierdurch noch keine Aussage zum Leistungsanspruch. Über das Bestehen eines Leistungsanspruches bzw. eine Versagung - unter Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens - hat der Leistungsträger nach Aufhebung der Versagungsentscheidung grundsätzlich erneut zu entscheiden (vgl. statt vieler Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 7. August 2018 - L 3 R 17/17 -, Rn. 14, juris).
Es gibt vorliegend auch keinen Anlass, an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung mit Bescheid vom 22.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2014 sowie den Urteilen vom 28.10.2014 und 21.02.2017 zu zweifeln.
Insbesondere ist der Bescheid vom 22.04.2014 nicht rechtswidrig, weil im Verfügungssatz nicht der Zusatz "bis zur Nachholung der Mitwirkung" enthalten ist.
In dem von der Klägerin angeführten Urteil des Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 16. Mai 1990, Az: L 1 J 1789/89, in juris (siehe auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 2010 - L 14 R 975/09 -, Rn. 32, juris) wird ein Versagungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil es im Verfügungssatz hieß, der Rentenantrag werde abgelehnt. Richtig wäre demnach gewesen, die Rentenleistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung zu versagen.
Im Gegensatz zu der von der Klägerin angeführten Entscheidung wurde im Bescheid des Beklagten vom 22.04.2014 im Verfügungssatz der Begriff versagt und nicht abgelehnt verwendet. Außerdem wurde in der Begründung der Wortlaut von § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I widergegeben, in dem es heißt, dass eine beantragte Sozialleistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagt werden kann. Somit ergibt die Auslegung aus der Sicht eines objektiven Empfängers, dass hier eine Versagungsentscheidung getroffen werden sollte, und nicht etwa eine materielle Entscheidung in der Sache.
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.