Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf endgültig auf 21.140,62 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht einen Zahlungsanspruch in Höhe von 21.140,62 Euro gegen den Beklagten geltend.
Die im Jahr 1952 geborene Beigeladene Maria Hoppe, die bei der Klägerin gesetzlich rentenversichert ist, bezog u.a. in der Zeit vom 1. April 2010 bis 30. September 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB Il) vom Beklagten.
Die Klägerin bewilligte der Beigeladenen mit Bescheid vom 4. April 2011 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. April 2010 (Zahlbetrag: monatlich 341,17 Euro). Die Nachzahlung für die Zeit vom 1. April 2010 bis zum 31. Mai 2011 i.H.v. 4.786,55 Euro zahlte die Klägerin vorläufig nicht aus, da zunächst Ansprüche anderer Stellen zu klären seien.
Mit Schreiben vom 28. April 2011 meldete der Beklagte bei der Klägerin einen Erstattungsanspruch in Höhe von 4.786,55 Euro an und legte zur Begründung dar, er habe der Beigeladenen vom 1. April 2010 bis zum 31. Mai 2011 Leistungen nach dem SGB Il erbracht. Die Klägerin zahlte daraufhin am 12. Mai 2011 einen (Erstattungs-) Betrag von 5.693,62 Euro an den Beklagten aus (4.786,55 Euro zuzüglich Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 907,07 Euro).
Mit Rentenbescheid vom 14. August 2012 bewilligte die Klägerin der Beigeladenen anstelle ihrer bisherigen Rente nunmehr Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. April 2010 (Zahlbetrag: monatlich 704,14 Euro). Die Nachzahlung für die Zeit vom 1. April 2010 bis zum 30. September 2012 belief sich auf 19.972,77 Euro. Auch diese Nachzahlung kehrte die Klägerin vorläufig nicht aus, da zunächst Ansprüche anderer Stellen zu klären seien. Ferner hob die Klägerin den Bescheid vom 4. April 2010 über die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit ab 1. Oktober 2012 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf. Für die Zeit vom 1. April 2010 bis 30. September 2012 ergebe sich eine Überzahlung von 10.318,53 Euro. Der überzahlte Betrag sei von der Beigeladenen zu erstatten.
Mit Schreiben vom 29. August 2012 meldete der Beklagte bei der Klägerin einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 25.665,59 Euro (9.593,46 Euro + 9.809,30 Euro +5.914,67 Euro) an. Er habe der Beigeladenen vom 1. April 2010 bis zum 30. September 2012 Leistungen nach dem SGB Il erbracht. Aus der Versicherung der Beigeladenen bei der Klägerin sei nunmehr ein Rentenanspruch anerkannt worden. Die Klägerin zahlte daraufhin an den Beklagten am 5. Oktober 2012 einen weiteren (Erstattungs-) Betrag von 15.447,- Euro aus.
Mit Schreiben vom 30. August 2013 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sich ihre Rechtsauffassung aufgrund der Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. Oktober 2012, Aktenzeichen B 13 R 11/11 R und B 13 R 9/12 R geändert habe. Nunmehr würden - nach Auffassung der zuständigen Gremien der gesetzlichen Rentenversicherung - die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB Il in den Fällen des rückwirkenden Zusammentreffens einer Rente wegen voller Erwerbsminderung allein aus medizinischen Gründen oder einer Altersvollrente mit Leistungen nach dem SGB Il keinen Erstattungsanspruch nach den Regelungen der §§ 102 ff. SGB X haben. Die mit Schreiben vom 28. April 2011 und 29. August 2012 vom Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderungen seien damit nicht zu erfüllen gewesen. Der Beklagte habe - die nach ihrer Ansicht rückwirkend ohne Rechtsgrund - am 8. Oktober 2012 geleistete Zahlung i.H.v. 15.447,- Euro im Rahmen des § 112 SGB X zu erstatten.
Die Klägerin zahlte am 8. Oktober 2013 an die Beigeladene die mit Bescheid vom 14. August 2012 verfügte Rentennachzahlung in Höhe von 9.494,50 Euro aus (19.972,77 Euro abzüglich der bereits geleisteten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 10.318,53 Euro und eines offenen Erstattungsanspruchs der Agentur für Arbeit Hamburg in Höhe von 159,74 Euro).
Mit Schreiben vom 28. April 2015 wies die Klägerin den Beklagten darauf hin, dass die §§ 40a, 79 in das SGB Il aufgenommen worden seien. In analoger Anwendung des
§ 79 Abs. 1 SGB Il sei der Erstattungsanspruch des Beklagten rückwirkend entfallen und die geleisteten Zahlungen an sie, die Klägerin, seien zu erstatten. Mit Schreiben vom 18. April 2016 erhöhte die Klägerin den vom Beklagten geforderten Erstattungsbetrag auf die hier streitige Höhe von insgesamt 21.140,62 Euro (15.447,- Euro zuzüglich 5.693,62 Euro). Der Beklagte lehnte am 17. Mai 2016 die Rückzahlung der Erstattungsforderung ab.
Mit der am 15. Juni 2016 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihren Zahlungsanspruch in Höhe von 21.140,62 Euro weiterverfolgt. Zum Zeitpunkt der Erfüllung der hier in Rede stehenden Erstattungsforderung hätten die Rentenversicherungsträger die Rechtsauffassung vertreten, so die Klägerin, dass sich der Erstattungsanspruch des für die Zahlung von ALG Il zuständigen Leistungsträgers gegenüber dem Rentenversicherungsträger bei rückwirkender Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung allein aus medizinischen Gründen nach der Regelung des § 103 SGB X richte. Der Anspruch des Beklagten sei daher unter die Regelung des § 103 SGB X einzuordnen und zu erfüllen gewesen. Diese Rechtsauffassung sei jedoch im Nachgang zu den Urteilen des BSG vom 31. Oktober 2012, Aktenzeichen B 13 R 11/11 R und B 13 R 9/12 R, von den Rentenversicherungsträgern aufgegeben worden. Das zuständige Gremium der gesetzlichen Rentenversicherung habe in Anlehnung an die genannten Urteile des BSG entschieden, dass in den Fällen, in denen rückwirkend zu einer Leistung nach dem SGB Il eine Rente wegen voller Erwerbsminderung allein aus medizinischen Gründen hinzutrete, dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB Il ein Erstattungsanspruch nach den Regelungen der 102 ff. SGB Il nicht erwachse. Bereits abgewickelte Erstattungsfälle seien wieder aufzugreifen, wenn die Berechtigten gegen die Abrechnung der Rentenzahlung intervenierten und die Verjährungsfrist des § 45 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nicht verstrichen sei. Stelle sich nach Abwicklung eines Erstattungsanspruchs heraus, dass die Erstattung dem Grunde oder der Höhe nach zu Unrecht erfolgt sei, seien die zu viel gezahlten Beträge nach § 112 SGB X von dem vermeintlich erstattungsberechtigten Leistungsträger zurückzuerstatten. In Reaktion auf die genannten Entscheidungen des BSG habe der Gesetzgeber die Regelung des § 40a SGB II rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft gesetzt. Darüber hinaus sei § 79 in das SGB Il eingefügt worden. Absatz 1 dieser Vorschrift bestimme, dass eine Rückabwicklung von Fällen, in denen in der Zeit vom 31. Oktober 2012 bis zum 5. Juni 2014 bereits eine Auszahlung an die Leistungsberechtigten erfolgt sei, ausgeschlossen und der Erstattungsanspruch des SGB Il-Trägers damit entfallen sei. Mit Blick auf die Regelung des § 79 Abs. 1 SGB Il sei der Erstattungsanspruch des SGB Il-Trägers nach § 40a SGB Il auch in den Fällen entfallen, in denen bereits abgewickelte Erstattungsfälle aufgrund der Intervention der Rentenberechtigten wieder aufzugreifen gewesen seien und in der Zeit vom 31. Oktober 2012 bis zum 5. Juni 2014 eine nachträgliche Auszahlung der Rentennachzahlung an die Rentenberechtigten erfolgt sei. Somit bestehe gegenüber der Beklagten eine Rückerstattungsforderung der am 5. Oktober 2012 geleisteten Zahlungen in Höhe von 15.447,- Euro sowie der am 12. Mai 2011 geleisteten Zahlung in Höhe von 5.693,62 Euro, insgesamt 21.140,62 Euro. Der Beklagte habe sich trotz mehrmaliger Aufforderungen geweigert, die Rückerstattung zu veranlassen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 21.140,62 Euro zu zahlen.
Der Beklagte hat seinen Antrag auf Klageabweisung damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 79 Abs. 1 SGB Il nicht erfüllt seien. Es liege insbesondere keine Unkenntnis der Klägerin über das Bestehen der Erstattungspflicht vor, da sie nach eigenem Vortrag die Erstattungsbeträge an den Beklagten bereits am 12. Mai 2011 bzw. 5. Oktober 2012 geleistet habe und somit Kenntnis über das Bestehen der Erstattungspflicht gehabt habe. Zudem sei der Rückerstattungsanspruch hinsichtlich der am 12. Mai 2011 getätigten Erstattungszahlung von 5.693,92 Euro nach § 113 SGB X verjährt.
Mit Beschluss vom 14. Mai 2019 hat das Sozialgericht die Leistungsempfängerin gemäß § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen. Sie hat keinen Antrag gestellt.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 20. März 2020 hat das Sozialgericht seine vorläufige Einschätzung der Rechtslage dargetan und die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten keinen Zahlungsanspruch. Nach § 112 SGB X seien die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt sei. Die Erstattungszahlungen der Klägerin an den Beklagten vom 12. Mai 2011 und 5. Oktober 2012 seien nicht zu Unrecht erfolgt. § 40a Satz 1 und 2 SGB Il i. V. m. § 104 SGB X begründe den Erstattungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin, welcher auch nicht nach § 79 Abs. 1 SGB Il entfallen sei. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Klägerin sei in der Zeit vom 31. Oktober 2012 bis zum 5. Juni 2014 kein „nach § 40a SGB Il zur Erstattung verpflichteter Sozialleistungsträger“ im Sinne des § 79 Abs. 1 SGB Il. Der (rückwirkend entstandene) Erstattungsanspruch nach § 40a SGB Il i.V.m. § 104 SGB X sei durch die Zahlungen der Klägerin an den Beklagten vom 12. Mai 2011 und 5. Oktober 2012 vollständig erfüllt und damit erloschen gewesen. Unerheblich für die Erfüllungswirkung sei insoweit, dass die Klägerin die Erstattungszahlungen nach ihrer damaligen Rechtsauffassung auf Grundlage des § 103 SGB X geleistet habe. Der Eintritt der Erfüllungswirkung fordere lediglich, dass sich die Leistung einem bestimmten Schuldverhältnis zuordnen lasse. Die Anwendung des § 79 Abs. 1 SGB Il in der hiesigen Konstellation entspräche ferner nicht dem Sinn und Zweck der Regelung, die zusammen mit § 40a SGB Il eingeführt worden sei. Die Norm wolle verhindern, dass ein vorrangig verpflichteter Träger von Sozialleistungen, der im Vertrauen auf die beiden Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 eine nachträglich bewilligte Leistung an den Leistungsberechtigten ausgekehrt habe, nochmals im Wege der Erstattung an den Grundsicherungsträger zahlen müsse. Die Norm erfasse demnach Fälle, in denen die Träger der Rentenversicherung die Erstattung von Leistungen an den SGB Il-Träger aufgrund der Urteile des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 abgelehnt und Rentennachzahlungen vor Inkrafttreten des § 40a SGB II an den Leistungsberechtigten ausgekehrt hätten. Allein in diesen Konstellationen sollten Rückabwicklungen vermieden werden. Seien - wie vorliegend - vor den Entscheidungen des Bundessozialgerichts Erstattungszahlungen an den SGB Il-Träger geleistet worden, sei der Sachverhalt nicht unter § 79 SGB Il zu subsumieren. Diese gesetzgeberische Zielsetzung lasse sich auch dem Wortlaut des § 79 Abs. 1 SGB Il entnehmen, nach dem der Erstattungsanspruch entfalle, wenn der zur Erstattung verpflichtete Sozialleistungsträger „in Unkenntnis des Bestehens der Erstattungspflicht bereits an die leistungsberechtigte Person geleistet hat". Der Gesetzgeber sei erkennbar davon ausgegangen, dass der zur Erstattung verpflichtete Sozialleistungsträger aufgrund seiner Unkenntnis im Zeitpunkt der Leistung an den Versicherten noch keine Erstattungszahlungen an den anderen Leistungsträger erbracht haben dürfte.
Gegen den ihr am 18. Juni 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13. Juli 2020 Berufung eingelegt. Aus der rückwirkend seit dem 1. Januar 2009 geltenden aktuellen Rechtslage erwachse dem Beklagten aufgrund der rückwirkenden Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung allein aus medizinischen Gründen zwar dem Grunde nach ein Erstattungsanspruch nach § 40a SGB II i.V.m. § 104 SGB X, dieser sei jedoch nach § 79 Abs. 1 SGB II entfallen. Denn zum Zeitpunkt der - im Ergebnis der Überprüfung der Abrechnung der Rentennachzahlung - erfolgten Erfüllung des Zahlungsanspruches der Berechtigten/Leistungsempfängerin habe die Klägerin in fehlender Rechtskenntnis des nach § 40a Satz 2 Alt. 1 SGB II entstandenen Erstattungsanspruchs des Beklagten geleistet. § 79 Abs. 1 SGB II komme auch in der vorliegenden Konstellation zur Anwendung, da die Klägerin in Unkenntnis ihrer Erstattungspflicht nach § 40a SGB II im Sinne des §§ 79 Abs. 1 SGB II in der Zeit vom 31. Oktober 2012 bis zum 5. Juni 2014 an die Berechtigte geleistet habe. Ursächlich für die Leistungserfüllung gegenüber dieser sei auch die höchstrichterliche Rechtsprechung des 13. Senats des BSG vom 31. Oktober 2012 gewesen. Es mag zwar sein, dass die Klägerin zunächst von der Erstattungsberechtigung des Beklagten ausgegangen sei und die Erstattungsforderung auch erfüllt habe. Gleichwohl sei die Klägerin aufgrund der Einwände der Leistungsempfängerin gegen die Erfüllung der Erstattungsforderung und damit gegen den Eintritt/den Umfang der Erfüllungsfiktion des §§ 107 SGB X gehalten gewesen, den geltend gemachten Erstattungsanspruch des Beklagten zu überprüfen. Mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des 13. Senats des BSG habe die Klägerin dem von der Berechtigten geltend gemachten Zahlungsanspruch die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X nicht mehr entgegenhalten können. Insofern werde auch die hier in Rede stehende, wenn auch selten vorgekommene, Fallkonstellation nach Auffassung der Klägerin von der gesetzgeberischen Intention des Regelungsgehalts des § 79 Abs. 1 SGB II erfasst. Die Klägerin sei nämlich mit Blick auf die Entscheidung des BSG vom 31. Oktober 2012 davon ausgegangen, dass vorliegend ein Erstattungsanspruch des Beklagten nach dem SGB X nicht mehr bestehe und habe demzufolge, wenn auch aufgrund nachträglicher Korrektur, im maßgebenden Zeitraum an die Berechtigte geleistet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes sei die Klägerin auch ein nach § 40a SGB II zur Erstattung verpflichteter Sozialleistungsträger im Sinne des § 79 Abs. 1 SGB II. Denn ein Erstattungsanspruch nach der Regelung des § 40a SGB II i.V.m. § 104 SGB X könne nicht bereits vor Verkündung des Achten Gesetzes zur Änderung des SGB II bestanden haben. Hierbei sei es auch unerheblich, dass die Regelung des § 40a SGB II rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten sei. Maßgebend sei vielmehr, dass das Achte Gesetz zur Änderung des SGB II erst am 4. August 2014, zeitlich also weit nach den Zahlungen an den Beklagten, verkündet worden sei. Durch den für die hier streitbefangene Erstattungsangelegenheit einschlägigen § 40a Satz 2 Alt. 1 SGB II sei erstmalig im SGB II ein Anspruch eines Sozialleistungsträgers auf Erstattung unter den Voraussetzungen des § 104 SGB X von (ab Beginn) zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen geschaffen worden. Das bedeute, dass dem Beklagten bis zur Verkündung des Achten Gesetzes zur Änderung des SGB II ein Erstattungsanspruch nicht habe erwachsen sein können. Die Beiladung hätte im Übrigen nach § 75 Abs. 2 SGG als notwendige Beiladung erfolgen müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juni 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 21.140,62 € zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den angegriffenen Gerichtsbescheid, den sie für zutreffend hält. Im Übrigen überzeuge es nicht, soweit die Klägerin vortrage, sie habe nach den Urteilen des BSG vom 31. Oktober 2012 darauf vertraut, dass eine Erstattung an den Beklagten nicht stattfinde, die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X nicht eintrete und die Leistungen stattdessen an die Versicherte auszukehren seien. Zutreffend sei jedoch auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bei der hier vorliegenden Leistungsklage abzustellen, sodass die Klägerin nunmehr wisse, dass ihre damalige Rechtsansicht unzutreffend gewesen sei und sie diese in aktuellen Fällen auch gar nicht mehr vertrete. Selbst zum damaligen Zeitpunkt sei die Rechtslage auch unter den verschiedenen Rentenversicherungsträgern verworren und unklar gewesen, sodass die Klägerin mit einer gesetzlichen Regelung, gegebenenfalls auch rückwirkend, hätte rechnen müssen. Wenn sie stattdessen bei dieser Sachlage quasi in vorauseilendem Gehorsam Leistungen an die Beigeladene ausgezahlt habe, bevor sie die Rückerstattung gegen den Beklagten durchgesetzt hat, könne dieser Umstand jedenfalls nicht dem Beklagten zum Nachteil gereichen. Das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rückerstattungsanspruches der Klägerin gegen den Beklagten könne nicht von der Rechtsansicht der Klägerin abhängen, sondern müsse anhand objektiver Kriterien des Rechts beurteilt werden. Sonst hätte es die Klägerin in der Hand, ob der Rückerstattungsanspruch bestehe oder nicht. Zwar habe die Klägerin zur Zeit der Auszahlung der Leistungen an die Beigeladene den § 40a SGB II noch nicht kennen können, da die Norm erst im Jahr 2014 verkündet worden und rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten sei. Jedoch habe auch zum damaligen Zeitpunkt schon § 104 SGB X Anwendung gefunden. § 40a SGB II habe diese Rechtslage lediglich klarstellen wollen. Lediglich für die Zeit zwischen der Verkündung der Urteile des Bundessozialgerichts am 31. Oktober 2012 und der 3. Lesung (und Beschlussfassung) des Achten Änderungsgesetzes zum SGB II durch den Bundestag, in dessen Zuge der § 40a SGB II eingeführt worden sei, habe § 79 Abs. 1 SGB II eine Regelung für die (hier nicht vorliegenden) Übergangsfälle geschaffen, wonach eine Rückabwicklung ausgeschlossen werden sollte. Die Rentenversicherungsträger hätten in dieser unklaren und verworrenen Rechtslage nach insoweit unterschiedlichen Rechtsauffassungen gearbeitet. Dass die Klägerin, anders als andere Rentenversicherungsträger, diese Auffassung für sich nicht habe erkennen können, könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Zuzustimmen sei der Klägerin insoweit, dass hier ein Fall der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG vorliege, da die Beigeladene doppelte Leistungen erhalten habe.
Hierauf hat die Klägerin repliziert, die Beklagte verkenne, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 40a Satz 2 Alt. 1 SGB II für die besondere Fallkonstellation der rechtswidrigen Erbringung des Arbeitslosengeldes II allein aufgrund einer nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderung nicht die auch bereits zuvor bestandene Rechtslage klargestellt habe. Vielmehr habe es für einen Erstattungsanspruch für diese Fallkonstellation der zwingenden Erweiterung des in § 40a Satz 1 SGB II zur Klarstellung geregelten Erstattungsanspruches der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch den § 40a Satz 2 Alt. 1 bedurft. Denn die Erstattungen nach den §§ 102 ff. SGB X setzten grundsätzlich voraus, dass Leistungen zunächst rechtmäßig, bzw. vom unzuständigen Leistungsträger erbracht worden seien. Mit Blick auf die Entscheidungen des BSG vom 31. Oktober 2012 sei die Leistungserbringung der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei einer nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderungsrente aber von Anfang an zu Unrecht erfolgt. Insoweit sei die Rechtslage vor der Verkündung des Achten Änderungsgesetzes SGB II und damit zum Zeitpunkt der Überprüfung der Abrechnung der Rentennachzahlung in der hier in Rede stehenden Erstattungsangelegenheit derart, dass den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende infolge der Rechtsprechung des 13. Senates des BSG in dieser Fallkonstellation ein Erstattungsanspruch nicht habe erwachsen können. Die durch die Klägerin erfolgte Auszahlung an die Leistungsberechtigte aufgrund der nachträglichen Korrektur der Abrechnung der Rentennachzahlung sei daher in fehlender Rechtskenntnis des Bestehens eines Erstattungsanspruches des Beklagten im Sinne der Regelung des § 79 Abs. 1 SGB II erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten der Klägerin sowie des Beklagten verwiesen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 143, 151 i. V. m. § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Für den Erstattungsstreit zwischen Sozialleistungsträgern, die nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis stehen, ist eine allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG die statthafte Klageart. Die rechtliche Beurteilung hat im Falle einer Leistungsklage nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu erfolgen.
1. Einer notwendigen Beiladung der Versicherten und Leistungsempfängerin gemäß § 75 Abs. 2, 1. Alt. SGG bedurfte es nicht. Im Erstattungsstreitverfahren zwischen zwei Leistungsträgern ist der Leistungsempfänger nicht notwendig beizuladen, wenn er die Leistung bereits erhalten hat, er diese nicht nochmals beanspruchen kann und die Entscheidung über die Erstattungsforderung keine Auswirkungen auf seine Rechtsposition hat (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2010, B 1 KR 21/09 R – SozR 3-1300 § 104 Nr. 4). So verhält es sich hier. Die Versicherte und Leistungsempfängerin hat für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis zum 30. September 2012 bereits Sozialleistungen erhalten, die sie nicht nochmals beanspruchen kann. Obwohl sie für diese Zeit sogar doppelt Sozialleistungen - sowohl von der Klägerin als auch von dem Beklagten - erhalten hat, kommt eine Erstattung dieser Leistungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr in Betracht. Das folgt aus den in der Sache bindend gewordenen Bescheiden der Klägerin vom 4. April 2011 und 14. August 2012 (§ 77 SGG) und den SGB-II-Leistungsbescheiden des Beklagten, die weder über § 45 SGB X zurückgenommen noch über § 48 SGB X aufgehoben werden können, so dass eine Erstattung überzahlter Sozialleistungen (§ 50 SGB X) ausscheidet. Denn eine Rücknahme würde jedenfalls an der einjährigen Handlungsfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X scheitern, die über § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X ebenso für die Aufhebung gilt und auch bei einer Erstattung zu Unrecht ohne Verwaltungsakt erbrachter Leistungen gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X zu wahren ist. Daher hat der Ausgang des Erstattungsstreitverfahrens keine Auswirkungen auf die Rechtspositionen der Versicherten und Leistungsempfängerin. Es geht lediglich um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen zwei Sozialleistungsträgern.
2. Der Klägerin steht kein (Rück-)Zahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten im Umfang der an diesen gezahlten Erstattungsbeträge zu. Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 112 SGB X sind nicht erfüllt. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Eine Erstattung ist zu Unrecht erfolgt, wenn sie nicht (mehr) der objektiven Rechtslage entspricht, also aus heutiger Sicht rechtswidrig ist; d. h., dass der Erstattungsanspruch, zu dessen Befriedigung die Leistung erbracht worden ist, von Anfang an gar nicht oder nicht in voller Höhe bestanden hat oder dass der Erstattungsanspruch nachträglich ganz oder teilweise weggefallen ist (Becker in: Hauck/Noftz SGB X, 4. Ergänzungslieferung 2023, § 112 Rn. 20).
Danach erfolgten die Erstattungszahlungen der Klägerin an den Beklagten am 12. Mai 2011 und 5. Oktober 2012 jedoch zu Recht.
a) Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung des Beklagten ist § 40a Satz 1 SGB Il. Danach steht dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter den Voraussetzungen des § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch gegen den anderen Sozialleistungsträger zu, wenn einer leistungsberechtigten Person für denselben Zeitraum, für den er Leistungen nach dem SGB Il erbracht hat, eine andere Sozialleistung bewilligt wird. Nach Satz 2 der Vorschrift entsteht der Erstattungsanspruch dabei auch, soweit - u.a. - die Erbringung des Arbeitslosengeldes Il allein auf Grund einer nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderung rechtswidrig gewesen ist. § 40a SGB Il war durch das Achte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Ergänzung personalrechtlicher Bestimmungen vom 28. Juli 2014 (BGBI I, S. 2014, 1306) - in das SGB Il eingefügt worden. Anlass für die Einführung der Vorschrift waren zwei Urteile des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 (B 13 R 9/12 R und B 13 R 11/11 R), deren Gegenstand im Wesentlichen Erstattungsansprüche der SGB-II-Träger gegenüber dem Rentenversicherungsträger nach rückwirkender Rentenbewilligung war sowie die sich hieraus ergebende geänderte Rechtsauffassung einiger Rentenversicherungsträger, die in der Folgezeit gegen sie gerichtete Erstattungsansprüche der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende in allen Fällen der rückwirkenden Rentengewährung ablehnten. Der Gesetzgeber ist dem daraufhin laut gewordenen Ruf nach klarstellenden Regelungen durch den rückwirkend zum 1. Januar 2009 durch das Achte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 28. Juli 2014 in Kraft gesetzten § 40a SGB II nachgekommen, mit dem er einen Erstattungsanspruch der Träger der SGB-II-Leistungen in Verbindung mit § 104 SGB X im Sinne einer Rechtsgrundverweisung fixiert hat. Bei dem Erstattungsanspruch nach § 40a Satz 2 SGB II handelt es sich nicht nur um eine Präzisierung oder Klarstellung eines Erstattungsanspruches, sondern um die Neuregelung eines Erstattungsanspruches wegen - wie auch hier vorliegender - nachträglich festgestellter fehlender Erwerbsfähigkeit. Dass § 40a Satz 2 SGB II der Erstattungsforderung im Falle nachträglich festgestellter fehlender Erwerbsfähigkeit auch rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine Rechtsgrundlage verleiht, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die diesbezüglich vorliegende echte Rückwirkung ist gerechtfertigt, weil sie ein verhältnismäßiges Mittel zur Vermeidung nicht gerechtfertigter Doppelleistungen ist (Pattar in: jurisPK-SGB II, Stand 30. März 2022, § 79 Rn. 11).
Durch die rückwirkende Einführung von § 40a SGB II wären die Rentenversicherungsträger gezwungen gewesen, die Leistungen als Erstattungsanspruch erneut an die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auszuzahlen, obgleich Rückforderungen von den Leistungsberechtigten wohl erfolglos gewesen wären. Diese Interessenkollision löste der Gesetzgeber mit § 79 Abs. 1 SGB II, mit dem er die Rückabwicklung in diesen Fällen der rechtlichen Unklarheit im Zeitraum zwischen den BSG-Urteilen und der am 5. Juni 2014 erfolgten Verabschiedung des Achten SGB II-Änderungsgesetzes verhindern wollte. Damit hat der Gesetzgeber einen Schutzzeitraum zugunsten der gesetzlichen Rentenversicherungsträger geschaffen: Sie sollten nicht - nur weil sie wegen der aus der zitierten BSG-Rechtsprechung resultierenden Unsicherheit heraus im Zeitraum bis zur Verabschiedung des §40a SGB II am 5. Juni 2014 im Vertrauen auf das Nichtbestehen von Erstattungsansprüchen der SGB-II-Träger bereits an den Versicherten geleistet hatten - aufgrund des § 40a SGB II auch noch zusätzlich an den SGB-II-Träger erstatten müssen (vgl. Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 18/1311, S. 13/14: „Die Regelung betrifft nur Fälle, in denen Sozialleistungsträger ab der Entscheidung des BSG vom 31. Oktober 2012 davon ausgegangen sind, dass keine Erstattungsansprüche mehr nach dem SGB X bestehen.“; so auch Pattar in: jurisPK-SGB II, Stand 30. März 2022, § 79 Rn. 17 ff.).
Bis zu den Urteilen des Bundessozialgerichtes war ganz herrschende Meinung, dass in diesen Situationen ein Erstattungsanspruch der SGB-II-Träger besteht, wenn auch über die Rechtsgrundlage keine Einigkeit bestand (Pattar, a.a.O.). Diesem Rechtsverständnis vor den BSG-Entscheidungen vom 31. Oktober 2012 entspricht es, dass auch hier die Klägerin vom Bestehen eines Erstattungsanspruches des Beklagten ausgegangen war, als sie auf dessen Erstattungsforderungen am 12. Mai 2011 und am 5. Oktober 2012 zahlte.
Ungeachtet der Frage, welche Normen vor den Urteilen des BSG vom 31. Oktober 2012 die Rechtsgrundlage der Erstattungsforderungen gebildet haben könnten - zumindest hat die Klägerin die Erstattungsforderung in der Annahme eines Erstattungsanspruches nach § 103 SGB X geleistet - , besteht zumindest durch den rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen § 40a SGB II i.V.m. § 104 SGB X eine Rechtsgrundlage für den Fall einer nachträglich festgestellten fehlenden Erwerbsfähigkeit und die darauf basierende Erstattungsforderung des Beklagten, somit auch für die Erstattungszahlung der Klägerin.
b) Die Voraussetzungen der Erstattungsnormen § 40a Satz 2 SGB II i.V.m. § 104 SGB X waren erfüllt.
Gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Leistungsträger, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder gehabt hat, einem nachrangig verpflichteten Leistungsträger, der Sozialleistungen erbracht hat, erstattungspflichtig, soweit er nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangte. Nach Satz 2 der Vorschrift ist nachrangig verpflichtet dabei ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Vorliegend wäre der Beklagte zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB Il an die Beigeladene nicht in bewilligter Höhe verpflichtet gewesen, wenn die Klägerin der Beigeladenen bereits ab April 2010 Rentenleistungen erbracht hätte. Der Beklagte ist somit gegenüber der Klägerin ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne von
§ 104 Abs. 1 SGB X, so dass ihm gemäß § 40a Satz 1 und 2 SGB Il i.V.m. § 104 SGB X gegenüber der Klägerin ein Erstattungsanspruch im Hinblick auf die von ihm in der Zeit vom 1. April 2010 bis 30. September 2012 an die Beigeladene ausgezahlten Leistungen nach dem SGB Il zugestanden hat.
3. Der Erstattungsanspruch des Beklagten gegenüber der Klägerin ist nicht - wie die Klägerin meint - nach § 79 Abs. 1 SGB Il (rückwirkend) entfallen. Danach entfällt der Erstattungsanspruch, wenn ein nach § 40a SGB Il zur Erstattung verpflichteter Sozialleistungsträger (hier die Klägerin) in der Zeit vom 31. Oktober 2012 bis zum 5. Juni 2014 in Unkenntnis des Bestehens der Erstattungspflicht bereits an die leistungsberechtigte Person geleistet hat.
Mit dem Sozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass die Klägerin bereits kein „nach 40a SGB II zur Erstattung verpflichteter Sozialleistungsträger“ im Sinne des
§ 79 Abs. 1 SGB II war, da mit den Erstattungszahlungen der Klägerin an den Beklagten vom 12. Mai 2011 und 5. Oktober 2012 bereits vor dem Anwendungszeitraum des § 79 Abs. 1 SGB II eine Erfüllung dieser Erstattungsforderungen im Sinne des § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingetreten ist.
Unbeachtlich ist hierbei, ob die Klägerin nach ihrer damaligen Rechtsauffassung davon ausgehen durfte, diese beiden Erstattungszahlungen wegen der nachträglichen Feststellung voller Erwerbsminderung der Beigeladenen auf der Rechtsgrundlage des §§ 103, 104 SGB X zu leisten. Zumindest wurde für den hier vorliegenden Fall der nachträglichen Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung durch das rückwirkende Inkrafttreten des § 40a Satz 2 SGB II zum 1. Januar 2009 die Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung/ -zahlung nachträglich geschaffen, was auch ebenso vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Der Gesetzgeber wollte durch die Einführung des § 40a SGB Il zu Gunsten der Leistungsträger nach dem SGB Il klarstellen, dass diesen bei rückwirkender Bewilligung einer Rente unabhängig davon, ob es sich um eine Erwerbsminderungs- oder eine Altersrente handelt, ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X gegen den Rentenversicherungsträger zustehe (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/1311, S. 13/14). Die echte Rückwirkung des § 40a SGB Il verstößt dabei nicht gegen das Rechtsstaatsgebot (vgl. LSG Berlin- Brandenburg, Urteil vom 13. Dezember 2019, L 22 R 173/16, juris). Angesichts der im hiesigen Verfahren maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist - bei der auf die Zahlungszeitpunkte im Mai 2011 und im Oktober 2012 abstellenden ex-Post Betrachtung - daher davon auszugehen, dass die Erstattungszahlung der Klägerin auf ein tatsächlich bestehendes öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis und damit nicht rechtsgrundlos erfolgte.
4. Selbst wenn die Klägerin als nach § 40a SGB II zur Erstattung verpflichteter Sozialleistungsträger im Sinne von § 79 Abs. 1 SGB II, also auch noch nach dem 31. Oktober 2012, anzusehen wäre, könnte sie den Vertrauensschutz aus § 79 Abs. 1 SGB II auch dann nicht für sich in Anspruch nehmen. Zwar hat sie in dem von § 79 Abs. 1 SGB II in Bezug genommenen Zeitraum zwischen dem 31. Oktober 2012 und dem 5. Juni 2014 an die Versicherte / Beigeladene geleistet, indem sie die Rentennachzahlung am 8. Oktober 2013 auskehrte. Jedoch tat sie dies nicht „in Unkenntnis des Bestehens der Erstattungspflicht“ gegenüber dem Beklagten. Aus den bisherigen Ausführungen wird vielmehr das Gegenteil deutlich.
Freilich konnte die Klägerin - so auch ihre Argumentation im Rahmen der Berufungsbegründung - bei Auszahlung der Rentennachzahlung an die Beigeladene am 8. Oktober 2013 keine Kenntnis vom zukünftigen Inkrafttreten des § 40a Satz 2 SGB II haben, da § 40a Satz 2 SGB II erst durch das Achte SGB II Änderungsgesetz vom 28. Juli 2014 erlassen wurde. Soweit die Klägerin daraus abzuleiten meint, sie habe daher „in Unkenntnis des Bestehens der Erstattungspflicht“ an die Beigeladene geleistet, geht sie in ihrer Rechtsauffassung fehl. Das Tatbestandsmerkmal der „Unkenntnis“ ist ein subjektives Element. Die Klägerin kann sich hier nicht auf eine, sie im Rahmen des § 79 SGB II schützende Unkenntnis berufen, wenn sie bereits vor dem durch § 79 SGB II festgelegten „Schutzzeitraum“ vom 31. Oktober 2012 bis 5. Juni 2014 in der Annahme des Bestehens einer Erstattungspflicht (§§ 103, 104 SGG) auf die Erstattungsforderung geleistet hatte.
Die Anwendung des § 79 SGB II verlangt, dass der vorrangig verpflichtete Leistungsträger (hier die Klägerin) von dem gegen ihn gerichteten Erstattungsanspruch der Grundsicherungsträger (Beklagter) keine Kenntnis gehabt haben darf. Die Kommentarliteratur geht davon aus, dass diese Unkenntnis im Schutzzeitraum vom 31. Oktober 2012 bis 5. Juni 2014 regelmäßig gegeben ist (bei noch nicht erfolgter Erstattungszahlung) und es auch nicht schadet, dass der vorrangige Träger von der Leistung der Grundsicherungsträger Kenntnis hatte, sonst hätte es der Vorschrift des § 79 Abs. 1 SGB II nicht bedurft (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. März 2017- L 9 AS 331/15 - juris Rn. 28; Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 09/23, SGB II, § 79 Rn. 5).
Die Kommentierung (Pattar in: jurisPK-SGB II, Stand 30. März 2022, § 79 Rn. 18) geht unter diesen Grundannahmen davon aus, dass der vorrangig verpflichtete Leistungsträger in diesen Zeiten der Rechtsunsicherheit (Schutzzeitraum) nur dann eine positive Kenntnis von dem gegen ihn bestehenden Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers gehabt hat, wenn er rechtskräftig dazu verurteilt worden ist. Dem steht es - zur Überzeugung des Senates - gleich, wenn bereits vor dem Schutzzeitraum des § 79 Abs. 1 SGB II die Erstattungsforderung des Beklagten durch Zahlung der Klägerin beglichen wurde. Insoweit steht die Klägerin, die bereits vor diesem Schutzzeitraum zweimalig auf die Erstattungsforderung des Beklagten geleistet hat, nicht unter dem Schutz- und Anwendungsbereich des § 79 SGB II und kann sich nicht auf Unkenntnis von dem gegen sie gerichteten Erstattungsanspruch des Beklagten berufen.
Eine entsprechende Anwendung des § 79 Abs. 1 SGB II scheidet zudem bereits in Ermangelung einer Regelungslücke aus und entspräche auch nicht dem Sinn und Zweck der Norm. § 79 Abs. 1 SGB II, der zusammen mit § 40a SGB II durch das Achte Gesetz zur Änderung des SGB II eingeführt wurde, begrenzt die Auswirkungen, die mit der rückwirkenden Einführung von § 40a SGB II verbunden sind. Die Norm will verhindern, dass ein vorrangig verpflichteter Träger von Sozialleistungen, der im Vertrauen auf die beiden Entscheidungen des BSG vom 31. Oktober 2012 eine nachträglich bewilligte Leistung an den Leistungsberechtigten ausgekehrt hat, nochmals im Wege der Erstattung an den Grundsicherungsträger zahlen muss. Dementsprechend wird der vorrangig leistungsverpflichtete Träger in dem von § 79 Abs. 1 SGB II genannten, klar umgrenzten Zeitraum [der rechtlichen Unsicherheit] zwischen Verkündung der Urteile des BSG und der dritten Lesung des Achten Gesetzes zur Änderung des SGB II von seiner Erstattungspflicht frei, wenn die übrigen Voraussetzungen der Norm vorliegen. Der Gesetzgeber hat mit Einführung der Vorschrift damit die Interessenkollision zwischen den Trägern vorrangiger Leistungen, die ihre Leistungen bereits an den Leistungsberechtigten erbracht haben, und den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu Gunsten der vorrangigen Träger gelöst (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 27. März 2017, L 9 AS 331/15, Rn. 26, juris; Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 09/23, SGB II, § 79 Rn. 3 ff.; Pattar in: jurisPK-SGB II, Stand 30. März 2022, § 79 Rn. 7 ff.).
Nach Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 09/23, SGB II, § 79 Rn. 5a ff. handelt es sich bei der Vorschrift um eine „Regelung des Vertrauensschutzes“, die das Vertrauen des vorrangigen Trägers (hier der Klägerin) in die frühere, vor Inkrafttreten des § 79 Abs. 1 SGB II bestehende und durch die Rechtsprechung des BSG vom 31. Oktober 2012 geschaffene Rechtslage (also kein Erstattungsanspruch der Jobcenter mit der Folge für die vorrangigen Träger – Klägerin -, dass sie die Nachzahlung an die Leistungsberechtigten ausgekehrt haben) schützt. Die vorrangigen Träger sollen sich dann nicht auch noch der durch § 40a SGB II nachträglich begründeten Erstattungsforderung des nachrangigen Trägers ausgesetzt sehen.
Nach der Intention des Gesetzgebers erfasst die Norm Fälle, in denen die Träger der Rentenversicherung die Erstattung von Leistungen an den SGB Il-Träger aufgrund der und zwangsläufig zeitlich nach den Urteile/n des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 abgelehnt und Rentennachzahlungen vor Inkrafttreten des § 40a SGB II an den Leistungsberechtigten ausgekehrt haben. Allein in diesen Konstellationen sollten Rückabwicklungen vermieden werden (vgl. BT-Drs. 18/1311, S. 13/14 – „Die Regelung betrifft nur Fälle, in denen Sozialleistungsträger ab der Entscheidung des BSG vom 31. Oktober 2012 davon ausgegangen sind, dass keine Erstattungsansprüche mehr nach dem SGB X bestehen.“ = Pattar in: jurisPK-SGB II, Stand 30. März 2022, § 79 Rn. 8). § 79 Abs. 1 SGB II will verhindern, dass ein vorrangig verpflichteter Sozialleistungsträger (hier die Klägerin), der mit Rücksicht auf die Entscheidung des BSG vom 31. Oktober 2012 Leistungen ausgekehrt hatte, nochmals im Wege der Erstattung an den Grundsicherungsträger (hier der Beklagte) zahlen muss. Insofern werde die Interessenkollision jeweils zu Gunsten der vorrangigen Träger aufgelöst und eine Rückabwicklung in den Übergangsfällen ausgeschlossen (vgl. Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 09/23, SGB II, § 79 Rn. 5 ff.).
Ist § 79 Abs. 1 SGB II nur für diese Übergangskonstellation geschaffen, so kann er keine (analoge) Anwendung finden auf den hier vorliegenden Sachverhalt. Denn abgesehen vom Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke (vgl. zu den Voraussetzungen einer Analogie zuletzt BSG, Urteil vom 19. November 2019, B 1 KR 13/19, juris), unterscheidet sich der hier streitige Sachverhalt ganz wesentlich von den vom Gesetzgeber avisierten Konstellationen dadurch, dass die Klägerin schon vor den Urteilen des BSG vom 31. Oktober 2012 – konkret am 12. Mai 2011 und am 5. Oktober 2012 – in dem guten Glauben an das Bestehen einer Erstattungsforderung des Beklagten an diesen auch erstattet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Der Streitwert war gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz – GKG, da die Klage eine bezifferte Geldleistung betrifft, in Höhe der Geldleistung festzusetzen.