Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger macht eine Untätigkeit des Beklagten im Hinblick auf ausstehende Antworten auf sein Schreiben vom 25.08.2022 geltend.
Der 1980 geborene, voll erwerbsgeminderte Kläger erhielt vom Beklagten über viele Jahre bis 30.09.2021 laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) (vgl. Bewilligungsbescheide vom 23.06.2021 und 20.08.2021 sowie Aufhebungsbescheid vom 23.09.2021). In der Folgezeit lehnte der Beklagte mehrere (Neu-)Anträge des Klägers ab. Zahlreiche hiergegen erhobene Widerspruchs-, Klage-, Berufungs- und Beschwerdeverfahren sowie Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes blieben erfolglos. Der Kläger bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg. Kranken- und Pflegeversicherungsschutz besteht über die bezogene Erwerbsminderungsrente.
Mit Schreiben vom 20.03.2023, eingegangen beim Sozialgericht (SG) Reutlingen am selben Tag, hat der Kläger unter Bezugnahme auf ein Schreiben von ihm an den Beklagten vom 25.08.2022 (vgl. Bl. 2 SG-Akte bzw. Bl. 2036 VA) Klage erhoben und erklärt, dass er Untätigkeitsklage erheben wolle. Sein an den Beklagten gerichtetes Schreiben vom 25.08.2022 sei trotz „Abmahnungen“ nicht beantwortet worden. In diesem Schreiben forderte er u.a. Bestätigungen des Beklagten, dass er - der Kläger - seit 01.10.2021 keine Grundsicherung mehr erhalte und dass er aktuell leistungsberechtigt sei. Zusätzlich wollte er wissen, welche Mietverträge vom SG und LSG dem Beklagten zugänglich gemacht wurden. Zudem hat der Kläger in seiner Klageschrift den Kammervorsitzenden wegen Befangenheit abgelehnt und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Das SG hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH mit Beschluss vom 07.06.2023 abgelehnt. Zunächst könne der Vorsitzende hierüber selbst entscheiden, da das Ablehnungsgesuch des Klägers unzulässig sei. Ein Ablehnungsgesuch sei nämlich unzulässig, wenn das Gericht wie hier bereits unanfechtbar über den vorgetragenen Ablehnungsgrund entschieden habe oder die Begründung des Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet sei. Der Kläger werde dem Vorsitzenden unter Bezugnahme auf ein im Jahr 2014 geführtes Eilverfahren erheblichste Verfahrensfehler vor und behaupte, das Gericht ignoriere seit Jahren seinen Wunsch auf ein Hauptverfahren und Wiederaufnahmeverfahren. Zum Vorwurf, der Vorsitzende habe in der Vergangenheit unzutreffende Rechtsansichten vertreten, habe das SG bereits mit den Beschlüssen vom 16.07.2021 (- S 12 SF 1401/21 AB - und - S 12 SF 1402/21 AB -) rechtskräftig entschieden, dass dies keine Besorgnis der Befangenheit rechtfertige. Ein Ignorieren eines Wunsches auf ein Wiederaufnahmeverfahren zu einem Eilverfahren sei darüber hinaus zur Begründung eines Befangenheitsgesuchs völlig ungeeignet, da eine Wiederaufnahme gemäß § 179 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nicht in Betracht komme (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 86b Rn. 44a).
Die ausdrücklich als Untätigkeitsklage erhobene Klage habe keine Erfolgsaussichten. Diese Untätigkeitsklage sei bereits unzulässig. Eine Untätigkeitsklage sei nach § 88 Abs. 1 SGG nach näherer Maßgabe zulässig, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts nicht beschieden worden sei, d.h. es müsse der Erlass eines Verwaltungsaktes und nicht einer sonstigen Amtshandlung begehrt werden. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da der Kläger lediglich die Ausstellung von Bestätigungen und eine Information über dem Beklagten zugeleitete Mietverträge begehre. Dafür komme eine Untätigkeitsklage nicht in Betracht. Sofern man die Klage nicht als Untätigkeitsklage, sondern als eine auf einfaches Verwaltungshandeln gerichtete Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) einstufen wolle, stehe dieser die Regelung des § 56a Satz 1 SGG als negativer Zulässigkeitsvoraussetzung entgegen. Denn gemäß § 56a Satz 1 SGG könnten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen - hier der Unterlassung der begehrten Bestätigungen und der Information auf eine Frage - nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Eine Ausnahme zu dieser Beschränkung (vgl. insbesondere § 56a Satz 2 SGG) komme vorliegend nicht in Betracht. Über die Nichtgewährung von Grundsicherung ab 01.10.2022 habe der Beklagte mit den Bescheiden vom 14.02.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2022 entschieden. Die deswegen vom Kläger erhobene Klage sei mit dem rechtskräftig gewordenen Gerichtsbescheid vom 09.01.2023 abgewiesen worden (- S 4 SO 518/22 -). Wegen der vom Kläger gewünschten Information zu Mietverträgen werde auf die Möglichkeit zur Akteneinsicht hingewiesen, die zuletzt Gegenstand des Klageverfahrens S 4 SO 2087/22 und dem dort ergangenen Gerichtsbescheid vom 08.05.2023 gewesen sei.
Die gegen den Beschluss des SG vom 07.06.2023 erhobene Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg ist erfolglos geblieben (vgl. Beschluss vom 09.01.2024, - L 2 SO 1687/23 B -).
Das SG hat die Klage daraufhin nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2024 abgewiesen. Das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden sowie die vom Kläger ausdrücklich als Untätigkeitsklage erhobene Klage seien bereits unzulässig. Zur weiteren Begründung hat das SG auf den Beschluss über die Ablehnung von PKH vom 07.06.2023 sowie auf die hierzu ergangene, ablehnende Beschwerdeentscheidung des LSG im Beschluss vom 09.01.2024 (- L 2 SO 1687/23 B -) Bezug genommen.
Gegen den ihm am 20.02.2024 gegen Postzustellungsurkunde (vgl. Bl. 48 SG-Akte) zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21.02.2024 Berufung zum LSG Baden-Württemberg erhoben. Er wolle das ihm zustehende Rechtsmittel nutzen. Es interessiere zudem offensichtlich niemanden, dass befangene Richter entscheiden würden. Sowohl das SG als auch das LSG verheimlichten ihm prozessrelevante Unterlagen. Das Hauptverfahren auf Sozialhilfe für das Jahr 2014 sei immer noch nicht eröffnet worden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. Februar 2024 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das Schreiben des Klägers vom 25. August 2022 zu beantworten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Verfügung vom 17.04.2024 (Bl. 13 LSG-Akte), dem Beklagten am 17.04.2024 (vgl. eEB, Bl. 14 LSG-Akte) und dem Kläger am 23.04.2024 (vgl. PZU, Bl. 20 LSG-Akte) zugestellt, ist Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.06.2024 bestimmt worden. Der Senat hat dem Beklagten auf Nachfrage mitgeteilt, dass auf dessen Erscheinen zum Termin verzichtet wird und der Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, keinen Vertreter zum Termin erscheinen zu lassen (vgl. Bl. 24 im Verfahren L 2 SO 294/24).
Mit Beschlüssen vom 05.06.2024 hat der Senat zwei Ablehnungsgesuche des Klägers als unzulässig verworfen (- S 2 SF 1699/24 AB-), sowie den vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung von PKH für das Berufungsverfahren abgelehnt. Auf die Ausführungen in den Beschlüssen wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 19.06.2024 in Abwesenheit der Beteiligten über den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger und der Beklagte ordnungsgemäß zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden sind, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten bzw. Bevollmächtigten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 SGG). Die Beklagte hat zudem bereits im Vorfeld mitgeteilt, keinen Vertreter zum Termin zu entsenden. Der Kläger hat keinen Verlegungsantrag gestellt.
Der Senat kann ungeachtet dessen, dass der Kläger den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht H1 und die Richterin am Landessozialgericht E1 mit Schreiben vom 16.06.2024 (Bl. 32 LSG-Akte) erneut wegen Befangenheit unter Bezugnahme auf ein im Verfahren L 2 SO 738/22 eingereichtes Schreiben vom 17.06.2022 abgelehnt hat, in seiner geschäftsverteilungsplanmäßigen Besetzung über die Berufung entscheiden, da das erneute Ablehnungsgesuch bereits schon deshalb offensichtlich unzulässig ist, weil der Senat über dieses Ablehnungsgesuch bereits, entgegen der Annahme des Klägers, in seinem Urteil vom 22.06.2022 (- L 2 SO 738/22 -) entschieden hat.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.
Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist allein die vom Kläger am erhobene Untätigkeitsklage, mit der er vom Beklagten die Beantwortung seiner mit Schreiben vom 25.08.2022 gestellten Fragen begehrt. Soweit der Kläger zuletzt ausgeführt hat, dass das „Hauptverfahren auf meine Sozialhilfe für das Jahr 2014“ bislang nicht eröffnet worden sei, ist dies nicht Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens. Denn dies ist nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen, das SG hat folgerichtig hierüber nicht entschieden und der geltend gemachte Anspruch ist damit auch im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen. Der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist grundsätzlich durch den Umfang der erstinstanzlichen Entscheidung begrenzt (Littmann in Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, § 143, Rn. 17, beck-online). Eine Berufung, die einen neuen, bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch zum Gegenstand hat, ist (mangels Beschwer) grundsätzlich unzulässig (Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., SGG [Stand: 15.06.2022] § 143 SGG, Rn. 15).
Die so verstandene Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die (Untätigkeits-)klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zutreffend unter Bezugnahme auf die Entscheidung über die Gewährung von PKH vom 07.06.2023 sowie auf die hierzu ergangene, ablehnende Beschwerdeentscheidung des LSG im Beschluss vom 09.01.2024 (- L 2 SO 1687/23 B -) die rechtlichen Grundlagen der Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage dargestellt (vgl. § 88 Abs. 1 SGG) und richtig ausgeführt, dass eine Untätigkeitsklage hier unzulässig ist, da der Kläger nicht die Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs, sondern allein die Ausstellung von Bestätigungen und eine Information über dem Beklagten zugeleitete Mietverträge begehrt. Die Untätigkeitsklage ist daher allein auf eine reine Amtshandlung gerichtet. Dafür kommt eine Untätigkeitsklage nicht in Betracht. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides zurück.
Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass sich auch aus dem Vortrag im Berufungsverfahren nichts Anderes ergibt. Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass das SG die Ablehnungsgesuche wegen offensichtlicher Unzulässigkeit verworfen hat und der abgelehnte Richter von dieser Entscheidung auch nicht ausgeschlossen war (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 20.7.2021 - 2 BvE 4/20 - juris, Rn. 35 m.w.N.).
Darüber hinaus hat der Beklagte mit Bescheid vom 22.09.2022 (vgl. Bl. 2004 VA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2022 (vgl. Bl. 2080 VA) einen Antrag des Klägers auf Grundsicherungsleistungen abgelehnt, so dass bereits eine Entscheidung über die Frage der Leistungsberechtigung des Klägers im streitigen Zeitraum getroffen worden ist. Eine Untätigkeitsklage kann ferner nur auf die erfolgte Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs gerichtet sein, nicht aber auf den Erlass eines Verwaltungsakts bestimmten Inhalts (Claus in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 88 SGG [Stand: 15.06.2022] Rn. 8). Der Kläger ist insoweit auf Möglichkeit der Widerspruchs- und Klageverfahren binnen der gesetzlichen Fristen zu verweisen, was er im Übrigen getan hat, denn diese ablehnende Entscheidung ist Gegenstand des beim Senat anhängigen Verfahrens - L 2 SO 551/24 - (- S 4 SO 2187/22 -).
Sollte man das Begehren als eine auf einfaches Verwaltungshandeln gerichtete Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) einstufen, stünde diesem bereits die Regelung des § 56a Satz 1 SGG als negativer Zulässigkeitsvoraussetzung entgegen. Denn gemäß § 56a Satz 1 SGG können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen - hier der Unterlassung der Bereitstellung der begehrten Informationen - nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Eine Ausnahme zu dieser Beschränkung (vgl. § 56a Satz 2 SGG) liegt hier vor.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 516/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 583/24
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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