L 2 SO 584/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 2393/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 584/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. Februar 2024 wird der Bescheid vom 31. August 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2021 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.



Tatbestand

Streitig sind verschiedene Anträge des Klägers, die alle in Zusammenhang mit einem vom Kläger (zeitweise) behaupteten Umzug nach W1 stehen.

Der 1980 geborene, voll erwerbsgeminderte Kläger erhielt vom Beklagten über viele Jahre bis 30.09.2021 laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), vgl. Bewilligungsbescheide vom 23.06.2021 und 20.08.2021 sowie Aufhebungsbescheid vom 23.09.2021. In der Folgezeit lehnte der Beklagte mehrere (Neu-)Anträge des Klägers ab. Zahlreiche hiergegen erhobene Widerspruchs-, Klage-, Berufungs- und Beschwerdeverfahren sowie Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes blieben erfolglos. Seit dem 01.01.2024 erhält er wieder Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII vom Beklagten.

Der Kläger bezieht seit vielen Jahren eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (ab 01.07.2020 in Höhe von monatlich 449,74 Euro [vgl. Bl. 576 VA], ab 01.03.2021 in Höhe von monatlich 449,23 Euro [vgl. Bescheid vom 12.05.2021] und ab 01.07.2022 in Höhe von monatlich 472,21 Euro netto [vgl. Bl. 1998 VA]). Kranken- und Pflegeversicherungsschutz besteht über die bezogene Erwerbsminderungsrente.

Der Kläger bewohnte, nachdem er bereits zuvor in seiner heutigen Wohnung in A1, B1, gewohnt hatte, nach seinen Angaben ab dem 31.07.2015 zunächst eine Wohnung in B2, W2, die vormals einem Dritten gehörte und später von seiner Mutter erworben wurde. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten waren bereits mehrere Verfahren beim Sozialgericht (SG) Reutlingen bezüglich der Kosten der Unterkunft für diese (beiden) Wohnungen anhängig. Zuletzt wurden vom Beklagten die für die Zeit vom 01.08.2015 bis 30.06.2018 gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 12.250,00 Euro (monatlich 350,00 Euro) zurückgefordert, da die Mutter des Klägers bereits seit dem 13.06.2015 Eigentümerin der Immobilie sei, daher nie ein Mietvertrag mit dem Voreigentümer abgeschlossen worden sei und auch kein wirksamer Mietvertrag mit der Mutter bestehe. Dies ist Gegenstand des noch beim SG anhängigen Verfahren S 4 SO 2392/23.

Zum 01.07.2020 war der Kläger dann zu „Ausweichzwecken“ in die, ebenfalls seiner Mutter gehörende, Wohnung in A1, B1, verzogen, da die Wohnung in B2 saniert werden müsse (vgl. Schreiben 28.05.2020 [Bl. 188 VA]). Als angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung waren vom Beklagten 330,00 Euro Kaltmiete zzgl. Nebenkosten in Höhe von 41,00 Euro zzgl. Heizkosten in Höhe von 40,85 Euro zugrunde gelegt worden (vgl. Bescheid vom 23.06.2020 [Bl. 206 VA] und Widerspruchsbescheid vom 01.10.2020 [Bl. 295 VA]).

Am 08.10.2020 (Bl. 307 VA) teilte der Kläger mit, dass er nach W1, W3, und dort in eine 45qm große Wohnung umziehen könne. Diese Wohnung gehört nicht der Mutter, sondern einer dritten Person. Der Kläger führte weiter aus, er habe nicht viel zum Umziehen, da in der alten Wohnung fast alles seiner Mutter gehöre. Er legte einen Mietvertrag vom 05.10.2020 für die neue Wohnung vor, aus dem sich eine Kaltmiete von 370,00 Euro zzgl. Mietnebenkosten von 82,00 Euro, Heizkosten von 72,00 Euro sowie Stromkosten in Höhe von 35,00 Euro (Bl. 305 VA) ergaben. Hierauf teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 12.10.2020 mit (Bl. 308 VA), dass die Kosten unangemessen hoch seien und dem Umzug daher nicht zugestimmt werden könne. Der Kläger erklärte hierauf mit Schreiben vom 19.10.2020 (Bl. 321 VA), dass er einen neuen Mietvertrag mit Mietkosten in Höhe von 371,80 Euro zzgl. Heizkosten in Höhe von 70 Euro unterschreiben werde. Er erklärte zudem, er benötige aber dringend ein Bett, eine Kühl-/Gefrierkombination und eine Waschmaschine. Außerdem werde er einen Freund mit einem Transporter für den Umzug bitten müssen. Am 21.10.2021 meldete sich der Kläger mit alleiniger Wohnung in W1, W3 an (Bl. 793 VA).

Mit Schreiben vom 01.08.2021 teilte der Kläger mit, dass der Umzug nach W1 nie stattgefunden habe (Bl. 704 VA). Es liege dort eine polizeiliche Anmeldung vor, weil diese vom Beklagten für die Leistungsgewährung verlangt werde. Er erhalte dort seine Post. Ein Umzug habe aber aufgrund der immer noch nicht gewährten Grundausstattung bislang nicht erfolgen können. Zum 11.10.2021 erfolgte die Anmeldung in A1, B1 (Bl. 921 VA).

Gegenstand des zunächst beim SG Reutlingen unter dem Aktenzeichen S 4 SO 2615/20 geführten Verfahrens ist der Bescheid vom 18.11.2020 (Bl. 404 VA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2020 (Bl. 408 VA), mit dem der Beklagte die Höhe der bewilligten Leistungen für die Zeit vom 01.11.2020 bis zum 30.06.2021 neu berechnete, weil der Kläger mitgeteilt hatte, umgezogen zu sein. Es werde nun die maximal angemessene Bruttokaltmiete von 371,80Euro zzgl. Heizkosten in Höhe von 70,00 Euro berücksichtigt. Den Nachzahlbetrag für November 2020 in Höhe von 29,95 Euro habe man am heutigen Tag zur Auszahlung angewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 01.12.2020 Klage beim SG Reutlingen erhoben. 

Bereits zuvor, nämlich am 09.11.2020, hat der Kläger Klage beim SG Reutlingen gegen den Bescheid vom 20.10.2020 (Bl. 322 VA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2020 (Bl. 355 VA), mit dem der Beklagte den Antrag des Klägers vom 19.10.2020 (Bl. 321 VA) auf Übernahme von Umzugskosten und einer Beihilfe für eine Erstausstattung abgelehnt hatte, erhoben. Der Antrag des Klägers war abgelehnt worden, weil der Kläger bereits in verschiedenen Wohnungen gewohnt habe und daher kein neuer Hausstand gegründet worden sei. Zudem habe er 2020 eine Nachzahlung von Grundsicherungsleistungen in Höhe von 8.083,94 Euro erhalten, mit denen Einrichtungsgegenstände und Elektrogeräte angeschafft werden könnten (Bl. 322 VA). Dieses SG-Verfahren hat das Aktenzeichen S 4 SO 2438/20 erhalten.
Diese beiden Verfahren sind vom SG Reutlingen mit Beschluss vom 15.02.2021 (Bl. 21 SG-Akte S 4 SO 2438/20) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Den für dieses Verfahren gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das SG Reutlingen mit Beschluss vom 02.12.2021 mangels Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt (vgl. Bl. 2 ff. PKH-Akte). Beschwerde hiergegen hat der Kläger nicht erhoben.

Mit einem weiteren Verbindungbeschluss vom 17.05.2022 (Bl. 120 SG-Akte) hat das SG Reutlingen das Verfahren S 4 SO 2438/20 mit den weiteren Verfahren des Klägers S 4 SO 1391/21, S 4 SO 2030/21, S 4 SO 2356/21 und S 4 SO 2390/21 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Alle Verfahren stünden in Bezug zu Leistungen im Zusammenhang mit dem streitigen Umzug oder Nicht-Umzug des Klägers nach W1.

Gegenstand des Verfahrens S 4 SO 1391/21 ist der Bescheid vom 12.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2021 (Bl. 590 VA). Hiergegen hat der Kläger am 21.06.2021 Klage zum SG Reutlingen erhoben. Mit dem Bescheid vom 12.05.2021 waren die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.03.2021 bis 30.06.2021 teilweise aufgehoben worden, da sich der Zahlbetrag der Rente des Klägers zum 01.03.2021 um 0,51 Euro verringert hatte. Diese Verringerung des anrechenbaren Einkommens nach § 82 SGB XII wirke sich leistungserhöhend aus, sodass der Kläger rückwirkend zum 01.03.2021 einen höheren Anspruch auf Grundsicherungsleistungen habe. Höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung in W1 könnten nicht berücksichtigt werden. Diese Frage sei bereits Gegenstand des Verfahrens S 4 SO 2615/20.

Gegenstand des Verfahrens S 4 SO 2030/21 ist der Bescheid vom 23.06.2021 (Bl. 629 VA) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2021 (Bl. 788 VA). Der Kläger hat hiergegen am 03.09.2021 Klage zum SG Reutlingen erhoben. Mit Bescheid vom 23.06.2021 waren dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.07.2021 bis 30.06.2022 gewährt worden. Bei der Berechnung waren die Kosten für die Wohnung in W1 u.d.R. in Höhe von monatlich 441,80 Euro berücksichtigt worden. Hiergegen erhob der Kläger am 27.06.2021 Widerspruch (Bl. 654 VA). Hierin führte er u.a. aus, dass er bislang nicht nach W1 gezogen sei, weile er keine Erstausstattung erhalten habe. Mit Schreiben vom 30.06.2021 (Bl. 658 VA) wies der Beklagte darauf hin, dass, nachdem der Kläger mitgeteilt habe, dass er nicht umgezogen sei, bei der Berechnung der Leistungen nicht die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung in W1 berücksichtigt werden könnten, sondern nur die für die tatsächlich bewohnte Wohnung in A1. Diese betrügen 411,85 Euro pro Monat. Man beabsichtige daher den angefochtenen Bescheid vom 23.06.2021 hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.07.2021 bis 30.06.2022 teilweise aufzuheben und zu viel gezahlte Leistungen zurückzufordern. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2021 als unbegründet zurück. Der Kläger habe nicht mitgeteilt, dass der Umzug nach W1 nicht stattgefunden habe. Er habe die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Es sei daher ermessengerecht, die Bewilligung der höheren Leistungen vom 01.07.2021 bis 31.08.2021 wieder aufzuheben und die zu viel gezahlten Leistungen in Höhe von 59,90 Euro zurückzufordern.

Gegenstand des Verfahren S 4 SO 2356/21 ist der Bescheid vom 29.09.2021 (Bl. 866 VA) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2021 (Bl. 986 VA). Hiermit waren (erneute) Anträge des Klägers auf Gewährung von Beihilfen für eine Wohnungsausstattung und auf Umzugskostenbeihilfe vom 26.07.2021, 09.09.2021 und 11.09.2021 abgelehnt worden. Mit Schreiben vom 26.07.2021 hatte der Kläger eine „Grundausstattung ungeachtet des Mietverhältnisses“ beantragt. Hiergegen hat der Kläger am 22.10.2021 Klage zum SG Reutlingen erhoben.

Gegenstand des Verfahrens S 4 SO 2390/21 ist der Bescheid vorn 31.08.2021 (Bl. 777 VA) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2021 (Bl. 988 VA). Hiergegen hat der Kläger am 23.10.2021 Klage zum SG Reutlingen erhoben. Mit dem Bescheid vom 31.08.2021 hob der Beklagte die Bewilligungsbescheide vom 18.11.2020 (in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2020 bzw. des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2021; Anmerkung: gemeint wohl Bescheid vom 12.05.2021 und Widerspruchsbescheid 02.06.2021, siehe Gründe) für die Zeit vom 01.11.2020 bis 28.02.2021 bzw. vom 01.03.2021 bis 30.06.2021 teilweise auf und forderte zu viel gezahlte Leistungen in Höhe von 239,60 Euro nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGBX) zurück. Für diese Zeiträume seien dem Kläger Leistungen unter Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung für die Wohnung in W1 gewährt worden, allerdings habe der Umzug nie stattgefunden und der Kläger habe weiterhin in der Wohnung in A1 gewohnt. Da hierfür niedrigere Kosten der Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen seien, sei monatlich ein Betrag von 29,95 Euro zu viel geleistet worden. 

Nachdem die Staatsanwaltschaft H1 auf Nachfrage des SG am 16.12.2021 (Bl. 79 SG-Akte im Verfahren S 4 SO 2438/20) und 09.05.2022 (Bl. 106 SG-Akte) mitgeteilt hat, dass gegen den Kläger wegen des Verdachts des Sozialleistungsbetruges ermittelt werde, da der Verdacht, bestehe, dass der Kläger mit seiner Mutter gefälschte Mietverträge oder Scheinmietverträge mit Betrugsabsicht erstellt habe, um hierdurch (höhere) Leistungen nach dem SGB XII vom Beklagten zu erhalten, hat das SG Reutlingen diese verbundenen Verfahren nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 13.06.2022 (vgl. Bl. 137 SG-Akte) ausgesetzt. Die hiergegen zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhobene Beschwerde (- L 2 SO 1719/22 B -) ist erfolglos geblieben (Beschluss vom 30.11.2022, Bl. 149 ff. SG-Akte).

Nachdem die Staatsanwaltschaft H1 auf Nachfrage des SG Reutlingen mit Schreiben vom 23.11.2023 (Bl. 165 SG-Akte) mitgeteilt hat, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger nun nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden sei (vgl. Einstellungsverfügung vom 21.09.2023, Bl. 169 SG-Akte), hat das SG Reutlingen das Verfahren mit Verfügung vom 05.12.2023 wieder aufgenommen. Das Verfahren wird seit der Wiederaufnahme unter dem Aktenzeichen S 4 SO 2393/23 geführt.

Das SG hat sodann nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.02.2024 (Bl. 22 SG-Akte im Verfahren S 4 SO 2393/23) abgewiesen. Im Tatbestand hat das SG allein das ursprüngliche Verfahren S 4 SO 2438/20 und S 4 SO 2615/20 sowie die diesen Verfahren zugrunde liegenden Bescheide erwähnt, nur den Verbindungsbeschluss vom 15.02.2021, nicht aber den vom 17.05.2022 genannt und als Antrag des Klägers auch nur folgendes aufgeführt: „den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2020 zur Übernahme von Umzugskosten und Kosten für eine Wohnungseinrichtung sowie unter Abänderung des Bescheids vom 18.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2020 zur Gewährung höhere Kosten der Unterkunft zu verurteilen“. Das SG hat entschieden, dass die Klagen bereits unzulässig seien. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft H1 entnommen werden könne, dass nach den eigenen Angaben des Klägers ein Umzug in eine Wohnung in W1 nie stattgefunden habe. Damit liege für die Klagen auf Übernahme von Umzugskosten und Wohnungserstausstattungskosten sowie auf eine noch höhere Erhöhung der Übernahme von Unterkunftskosten für eine nie bezogene Wohnung schon kein Rechtsschutzbedürfnis vor.

Gegen den ihm am 21.02.2024 gegen Postzustellungsurkunde (vgl. Bl. 31 SG-Akte) zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.02.2024 Berufung zum LSG Baden-Württemberg erhoben. Er wolle das ihm zustehende Rechtsmittel nutzen. Das SG verlasse sich zu Unrecht auf die Angaben der Staatsanwaltschaft H1. Ihm würden Aktenteile unterschlagen. Das Hauptverfahren auf Sozialhilfe für das Jahr 2014 sei immer noch nicht eröffnet worden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2020 Umzugskosten und Kosten für eine Wohnungseinrichtung zu gewähren sowie unter Abänderung der Bescheide vom 18. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2020 und des Bescheides vom 12. Mai 2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2021 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung in W1 u.d.R. zu gewähren und den Bescheid vom 31. August 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2021 aufzuheben. 

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschlüssen vom 05.06.2024 hat der Senat zwei Ablehnungsgesuche des Klägers als unzulässig (- L 2 SF 1699/24 AB-) verworfen, sowie den vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung von PKH für das Berufungsverfahren abgelehnt. Auf die Ausführungen in den Beschlüssen wird Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 24.06.2024 (Bl. 50 LSG-Akte), dem Beklagten am 16.06.2024 (vgl. eEB, Bl. 51 LSG-Akte) und dem Kläger am 27.06.2024 (vgl. PZU, Bl. 54 LSG-Akte) zugestellt, ist Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.08.2024 bestimmt worden.

Mit Schreiben vom 12.07.2024 (Bl. 58 LSG-Akte) hat der Kläger die Berichterstatterin und den Vorsitzenden erneut wegen Befangenheit abgelehnt. Er sei um die Fahrtkosten zum Termin am 22.06.2022 (- L 2 SO 294/24 -) beschissen worden.

Mit Schreiben vom 30.07.2024 hat der Beklagte mitgeteilt, dass man trotz Hinweis des Senats vom 08.07.2024 weiter davon ausgehe, dass der Bescheid vom 31.08.2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2021 nicht zu beanstanden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.


Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 07.08.2024 in Abwesenheit des Klägers über den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle des Ausbleibens von Beteiligten bzw. Bevollmächtigten Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann (vgl. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Verlegungsantrag gestellt.

Der Senat kann ungeachtet dessen, dass der Kläger den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht H2 und die Richterin am Landessozialgericht E1 mit Schreiben vom 12.07.2024 (Bl. 58 LSG-Akte) erneut wegen Befangenheit unter Bezugnahme auf nicht gewährte Fahrtkosten in einem vorherigen Verfahren (der Kläger meint hier offensichtlich das Verfahren L 2 SO 738/22) abgelehnt hat, in seiner geschäftsverteilungsplanmäßigen Besetzung über die Berufung entscheiden, da das erneute Ablehnungsgesuch bereits schon deshalb offensichtlich unzulässig ist, weil der Senat über dieses Ablehnungsgesuch, entgegen den Ausführungen des Klägers, bereits in seinem Urteil vom 22.06.2022 (- L 2 SO 738/22 -) und erneut im mit Beschluss vom 11.06.2024 (- L 2 SO 1775/24 AB -) entschieden hat.

Soweit der Kläger mit Schreiben vom 27.06.2024 und 12.07.2024 wie bereits zuvor mit Schreiben vom 23.04.2024 bezüglich des ursprünglich anberaumten Termins am 19.06.2024 die Übernahme der Fahrtkosten mit einem Pkw erneut für den Termin am 07.08.2024 beantragte, war im Hinblick auf das Hinweisschreiben vom 25.04.2024 nichts mehr zu veranlassen.
Dem Kläger war bereits darin unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 23.04.2024 unter anderem mitgeteilt worden, dass die Übernahme der Kosten für eine Anreise mit dem Pkw nicht in Betracht komme. Vielmehr könnten grundsätzlich nur die Kosten für eine Anreise mit dem ÖPNV übernommen werden.
Im Hinblick darauf, dass ihm im Zusammenhang mit dem letzten Sitzungstermin am 28.02.2024 ein Ticket für eine Anreise mit dem ÖPNV übersandt worden war, dieses allerdings von ihm nicht genutzt worden sei und die vom Land Baden-Württemberg insoweit verauslagten Kosten von der Bahn nicht mehr rückerstattet worden seien, würde ohnehin eine Übernahme der Kosten für eine Anreise mit dem ÖPNV bei einer Teilnahme an der Sitzung nur im Anschluss daran gegen Vorlage entsprechender Nachweise in Betracht kommen.
Soweit der Kläger einwandte, bei einer Anreise am Sitzungstag wäre zunächst ein längerer Fußmarsch von seinem Wohnort im Ortsteil P1 zum Bahnhof im Ortsteil L1 notwendig, war er noch darauf hingewiesen worden, dass - im Hinblick darauf, dass ihm offensichtlich ein Pkw zur Verfügung stehe - es durchaus auch möglich wäre, mit dem Pkw von seinem Wohnort zum Bahnhof in L1 anzureisen und ab dort den ÖPNV zu nutzen. Die Kosten für die Fahrt von P1 nach L1 mit dem Pkw könnten gegebenenfalls, sofern Mittellosigkeit belegt sei, auch übernommen werden.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens sind zunächst die unter den ursprünglichen Aktenzeichen S 4 SO 2615/20 und S 4 SO 2438/20 geführten Verfahren, mithin zunächst also die Bescheide vom 20.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2020 zur Übernahme von Umzugskosten und Kosten für eine Wohnungseinrichtung sowie der Bescheid vom 18.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2020, mit dem aufgrund des angegebenen Umzuges höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.11.2020 bis 30.06.2021 bewilligt worden sind.

Soweit das SG mit Verbindungbeschluss vom 17.05.2022 die Verfahren S 4 SO 1391/21, S 4 SO 2030/21, S 4 SO 2356/21 und S 4 SO 2390/21 zum Verfahren hinzuverbunden hat, ist wie folgt zu differenzieren:

Der Bescheid vom 12.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2021 (ursprüngliches Verfahren S 4 SO 1391/21) und der Bescheid vom 31.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2021 (ursprüngliches Verfahren S 4 SO 2390/21) sind, auch wenn das SG sie in seiner Entscheidung nicht erwähnt (s.u.), Gegenstand des SG-Verfahrens und damit auch Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, da diese Bescheide den Bescheid vom 18.11.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2020 (teilweise) abändern und damit nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind - unabhängig davon, ob das SG sie in seiner Entscheidung berücksichtigt hat.

Nicht Gegenstand der Berufung sind die ursprünglich unter den Aktenzeichen S 4 SO 2030/21 und S 4 SO 2356/21 geführten Verfahren, die ebenfalls zur Verhandlung und Entscheidung mit dem Beschluss vom 17.05.2022 vom SG zum Verfahren hinzuverbunden worden sind.

Dies ergibt sich nach Überzeugung des Senats daraus, dass das SG in der angefochtenen Entscheidung vom 19.02.2024 nicht über diese Klagen entschieden hat. Das SG hat mit diesem Gerichtsbescheid allein über die Klagen vom 01.12.2020 und 09.11.2020 (ursprünglich geführt unter den Aktenzeichen S 4 SO 2615/20 und S 4 SO 2438/20) und somit über den Bescheid vom 20.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2020 sowie den Bescheid vom 18.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2020 sowie über die nach § 96 SGG Gegenstand des ursprünglichen Verfahrens S 4 SO 2615/20 gewordenen Bescheide (s.o.) entschieden.

Die weiteren zwei, mit Verbindungbeschluss vom 17.05.2022 hinzuverbundenen Verfahren S 4 SO 2030/21 und S 4 SO 2356/21 werden vom SG weder im Tatbestand, noch in den Anträgen noch in den Entscheidungsgründen erwähnt. Auch die in diesen Verfahren streitgegenständlichen Bescheide greift das SG nirgendwo in der Entscheidung auf und nennt auch den Verbindungsbeschluss vom 17.05.2022 an keiner Stelle des Gerichtsbescheides. Der Senat stellt daher fest, dass das SG über die Streitgegenstände dieser Verfahren nicht entschieden hat, d.h. die darin geltend gemachten Ansprüche schlicht versehentlich übergangen hat.

Nicht abschließend geklärt ist, ob und in welchem Umfang das LSG im Rahmen des Berufungsverfahrens in einem solchen Fall auch über den noch bei dem SG anhängigen („unentschiedenen“) Prozessstoff mitentscheiden kann (sog. Heraufholen von Prozessresten; vgl. Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, SGG § 143 Rn. 19, beck-online).

Nach der Rechtsprechung des BSG und verbreiteter Auffassung in der Literatur kann ein versehentlich übergangener Anspruch bei einem Urteil, das als Vollendurteil gedacht war, aber nicht den gesamten Streitgegenstand erfasst, aus Gründen der Prozessökonomie im Wege des „Heraufholens von Prozessresten“ mit Einwilligung der Beteiligten zwar Gegenstand des Berufungsverfahrens werden (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -, BSGE 97, 217, 226; Urteil vom 18.09.2019 - B 14 AS 317/18 B- juris, Rn. 6; und Urteil vom 29.8.2020 - B 8 SO 18/20 B - juris, Rn. 9; Hauck in Hennig Rn. 36).
Nach Überzeugung des Senats kann dies aber nur für Prozessreste gelten; nicht aber wenn es sich bei diesen Prozessresten um eigenständige und „vollwertige“ Ansprüche handelt (so auch LSG Thüringen, Urteil vom 29.01.2014 - L 4 AS 1680/12 - juris, Rn. 18). So liegt aber der Fall hier.
Gegenstand der beiden hinzuverbundenen Verfahren ist zum einen der Bescheid vom 29.09.2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2021 (- S 4 SO 2356/21 -). Hiermit waren (erneute) Anträge des Klägers auf Gewährung von Beihilfen für eine Wohnungsausstattung und auf Umzugskostenbeihilfe vom 26.07.2021, 09.09.2021 und 11.09.2021 abgelehnt worden. Mit Schreiben vom 26.07.2021 hatte der Kläger eine „Grundausstattung ungeachtet des Mietverhältnisses“ beantragt. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Anspruch, weil hiermit über einen erneuten Antrag auf eine Wohnungsausstattung entschieden worden ist, der zudem vom Kläger weiter gefasst wurde, denn er beantragte nicht „nur“ eine Erstausstattung für eine konkrete (neue) Wohnung, sondern der Antrag geht darüber hinaus, da er eine Grundausstattung unabhängig von einem Mietverhältnis möchte und somit sein Begehren erweitert hat.

Zum anderes ist Gegenstand des hinzuverbundenen Verfahrens S 4 SO 2310/21 der Bescheid vom 23.06.2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2021, mit dem über die Gewährung von Grundsicherungsleistungen für den Leistungszeitraum 01.07.2021 bis 30.06.2022 entschieden worden ist. Dieser Bescheid ist nicht Gegenstand des Verfahrens gemäß § 96 SGG geworden, denn er regelt einen anderen Zeitraum (im Verfahren S 4 SO 2615/20 ist der Zeitraum bis zum 30.06.2020 streitig). Folgezeiträume werden nach der Rechtsprechung nämlich nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens. Durch die Stellung eines neuen Antrags bzw. spätestens mit der Entscheidung des Leistungsträgers über Folgezeiträume liegt eine zeitliche Zäsur vor. Die neuen Bewilligungen bewirken nämlich die Erledigung des angefochtenen Bescheides für den Zeitraum, der von dem neuen Bescheid erfasst ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.2010 - B 8 SO 21/08 R -, juris, Rn. 9, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.06.2018 - L 15 AS 258/16 -, juris, Rn. 27 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R - juris, Rn. 17). Aus diesen Gründen ist es auch nicht möglich, diesen Zeitraum als „Prozessrest“ zum bereits laufenden Verfahren heraufzuholen.

Der Senat kann demnach über diese beiden Ansprüche nicht entscheiden, die Berufung ist insoweit bereits unzulässig, so dass der Senat offenlassen kann, ob der jeweilige Streitgegenstand noch erstinstanzlich anhängig ist oder ob als Rechtsmittel eine Urteilsergänzung nach § 140 SGG, welche allerdings an Fristen gebunden wäre, anzustrengen ist.

Die so verstandene Berufung ist teilweise begründet. Das SG hat im Ergebnis zunächst die Klagen gegen den Bescheid vom 20.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.2020 sowie den Bescheid vom 18.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.05.2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2021 zu Recht abgewiesen, da der Beklagte rechtmäßig die Übernahme von Umzugskosten sowie Kosten für eine Wohnungseinrichtung und die Übernahme von höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung in W1 abgelehnt hat. Denn auch der Senat ist - wie auch das SG - davon überzeugt, dass der Umzug des Klägers dorthin nie stattgefunden und der Kläger damit zu keinem Zeitpunkt in dieser Wohnung zu Wohnzwecken gelebt hat.

Anders als das SG ist der Senat jedoch der Auffassung, dass diese so verstandenen Klagen nicht bereits unzulässig aufgrund fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses wegen des nicht stattgefundenen Umzuges sind, sie sind aber unbegründet.

Der Kläger hat nämlich weder einen Anspruch auf Übernahme von Kosten für eine Erstausstattung sowie Umzugskosten noch einen Anspruch auf die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung in W1 nachgewiesen.

Unabhängig davon, dass der Senat bereits erhebliche Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 19.06.2024 im Verfahren L 2 SO 551/24) hat und unabhängig davon, ob die übrigen Voraussetzungen der Normen für die Übernahme von Umzugskosten (§ 35 Abs. 2 SGB XII), die Übernahme von Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten (§ 31 Nr. 1 SGB XII) sowie die Übernahme (höherer) Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 42 S. 1 Nr. 4 SGB XII in Verbindung mit § 35 Abs. 1 SGB XII) im streitigen Zeitraum vorliegen, scheitert eine Übernahme dieser geltend gemachten Kosten schon bereits daran, dass der Kläger - was er inzwischen selbst eingeräumt hat - nie nach W1 verzogen ist, sondern durchgehend ab Juli 2020 in der immer noch bewohnten Wohnung in A1, B1, die seiner Mutter gehört, gewohnt hat. Kosten für einen nicht stattgefundenen Umzug können nicht übernommen werden, zumal auch nicht vorgetragen bzw. ersichtlich ist, dass dem Kläger hierfür bereits im Vorfeld Kosten entstanden sind. Gleiches gilt für die geltend gemachte Erstausstattung für die Wohnung in W1, zumal der Kläger bereits zuvor seit vielen Jahren die Wohnung in A1 bewohnt hat und nicht nachvollziehbar belegt worden ist, dass hier erforderliche Möbelstücke bzw. Haushaltsgegenstände fehlen.

Soweit der Kläger höhere Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 01.11.2020 bis 30.06.2020 für die Wohnung in W1 begehrt, scheitert diese Übernahme ebenfalls an dem nicht stattgefundenen Umzug. Kosten für eine (tatsächlich) nicht bewohnte Wohnung können nicht übernommen werden. Höhere Kosten der Unterkunft und Heizung kommen aber auch für die tatschlich bewohnte Wohnung in A1 B1 nicht in Betracht. Ob überhaupt eine wirksame Mietzinsforderung bestanden hat, ist mehr als fraglich. Auch in welcher Höhe dieses tatsächlich bestanden hat, ist für den streitigen Zeitraum vom Kläger bis heute nicht nachgewiesen worden. Daher können auch keine höheren als die im Bescheid vom 18.11.2020 bzw. 12.05.2021 übernommen Kosten gewährt werden.

Rechtwidrig ist allerdings der Bescheid vom 31.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2021 (ursprünglich - S 4 SO 2390/21 -), der nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens S 4 SO 2615/20 geworden ist und mit dem der Beklagte die Bewilligung der Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.11.2020 bis 30.06.2021 (teilweise) nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 SGB X aufgehoben hat.

Der Senat hat bereits Bedenken, ob die erfolgte Aufhebung formal rechtmäßig ist. Denn mit dem streitgegenständlichen Bescheid hob die Beklagte den Bescheid vom 18.11.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2020 für die Zeit vom 01.11.2020 bis 28.02.2021 auf. Dieser Teil der Aufhebung dürfte zwar formal rechtmäßig sein. Soweit der Beklagte mit demselben Bescheid aber auch den Bescheid „vom 18.11.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2021“ für die Zeit vom 01.03.2021 bis 30.06.2021 aufgehoben hat, bestehen erhebliche formale Bedenken. Für diesen Zeitraum existiert bereits ein Änderungsbescheid vom 12.05.2021, der im Bescheid vom 31.08.2021 nicht genannt wird. Darüber hinaus ist über den Widerspruch gegen diesen Bescheid mit einem Widerspruchsbescheid vom 02.06.2021 und nicht vom 22.05.2021 entschieden worden. Ein Widerspruchsbescheid mit diesem Datum ist nicht in der Akte zu finden. Es bestehen daher schon erhebliche Zweifel an der Bestimmtheit des streitgegenständlichen Bescheides vom 31.08.2021.
Der Bescheid vom 31.08.2021 ist aber zumindest materiell rechtswidrig. Denn die Aufhebung erfolgte hier nach § 48 SGB X. Die Leistungsgewährung war hier aber von Anfang an rechtwidrig, da ein Umzug nach W1, anders als der Kläger in seinem Schreiben vom 06.08.2024 behauptet, wovon aber auch der Beklagte ausgeht, nie stattgefunden hat und für diese Wohnung von Anfang an und damit nie Kosten der Unterkunft übernahmefähig gewesen wären. Eine Aufhebung durch den Beklagten konnte daher nicht nach § 48 SGB X erfolgen, sondern die Bescheide hätten nach § 45 SGB X zurückgenommen werden müssen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Beklagten, wonach bei einem Dauerverwaltungsakt immer eine Aufhebung nach § 48 SGB X zu erfolgen habe. Unabhängig davon, dass dies so nicht richtig ist, handelt es sich bei den Bescheiden vom 18.11.2020 und vom 12.05.2021 nicht um unbefristete Dauerverwaltungsakte, denn die Leistungsgewährung war hier ausdrücklich für die Zeit bis zum 30.06.2021 beschränkt.
Da § 48 SGB X bereits im Verfügungssatz des Bescheides vom 31.08.2021 genannt worden ist, scheidet die bloße Auswechslung der Rechtsgrundlage bzw. ein Nachschieben von (Rechts-)Gründen aus, denn die Heranziehung von § 45 Abs. 1 SGB X als Rechtsgrundlage würde einen Eingriff in den Entscheidungssatz und folglich dessen Änderung erfordern (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 07.04.2016 - B 5 R 26/15 R -, SozR 4-2600 § 89 Nr. 3, SozR 4-1300 § 45 Nr. 18, Rn. 33). Aber auch eine Umdeutung nach § 43 Abs. 1 SGB X scheidet hier schon deshalb aus, weil es insofern für Fälle der vorliegenden Art der Ausübung von Ermessen bedurft hätte. Die pauschalen Ausführungen des Beklagten im Bescheid vom 31.08.2021 genügen dieser Anforderung nicht. Auch wenn in diesem Bescheid immerhin erwähnt wird, dass Ermessen auszuüben ist (im Widerspruchsbescheid vom 21.10.2021 werden keinerlei Ausführungen zum Ermessen gemacht), wird dann aber kein Ermessen ausgeübt, sondern es werden lediglich Ausführungen zur „Rechtswidrigkeit“ der ursprünglichen Bescheide gemacht.

Nach alledem ist der Bescheid vom 31.08.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2021 aufzuheben und der Berufung im tenorierten Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Berufung war vorliegend teilweise erfolgreich, denn der Bescheid vom 31.08.2021 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2021 (Gegenstand des ursprünglichen Verfahrens - S 4 SO 2390/21 -) war aufzuheben (s.o.). Darüber hinaus war das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 12.05.2021 überflüssig, weil der Bescheid mit seinem Erlass kraft Gesetzes gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen bereits anhängigen Klageverfahrens S 4 SO 2615/20 geworden ist (s.o.); insoweit ist der Rechtsbehelf des Widerspruchs gerade nicht Klagevoraussetzung nach § 78 SGG (s. dazu BSG, Urteil vom 20.10.2010, - B 13 R 15/10 R -, a.a.O. Rn. 27) und die entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid unzutreffend (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.06.2024 - L 10 U 1718/23 -, juris, Rn. 45 - 46, mit Verweis auf BSG, Urteil vom 25.05.2011, - B 4 AS 29/11 B -, juris, Rn. 7 und Urteil vom 20.10.2010, - B 13 R 15/10 R -, juris Rn. 23) gewesen. Zumindest aufgrund der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung hat die Beklagte Anlass zur Klage gegen den Bescheid vom 12.05.2021/Widerspruchsbescheid vom 02.06.2021 S 4 SO 1391/21 gegeben. Unter Berücksichtigung all dessen erscheint es billig, dass der Beklagte dem Kläger ein Fünftel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.   


 

Rechtskraft
Aus
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