Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Nichtberechtigung der Beklagten zur Klageeinreichung beim Amtsgericht S1 (AG).
Der D1 Krankenversicherungsverein auf Gegenseitigkeit (D1) meldete am 2. Dezember 2020, 2. Juni 2021 und 2. Dezember 2021 nach § 50 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) jeweils den Verzug der Klägerin von sechs Monatsprämien zur privaten Pflegeversicherung bei der Beklagten. In der Folge leitete die Beklagte Ordnungswidrigkeitenverfahren mit entsprechenden Bußgeldbescheiden vom 8. April 2021 (Aktenzeichen xxx), vom 26. Oktober 2021 (Aktenzeichen xxx) und vom 16. Mai 2022 (Aktenzeichen xxx) gegen die Klägerin ein. Gegen die Bußgeldbescheide erhob die Klägerin jeweils Einspruch. In den Zwischenverfahren nahm die Beklagte keinen der Bußgeldbescheide zurück, weshalb eine Abgabe des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 3 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht erfolgte.
Das AG verwarf den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 8. April 2021 im Verfahren unter dem Aktenzeichen xxx mit Urteil vom 16.Juni 2021. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil wurde durch Beschluss des AG vom 13. August 2021 verworfen. Gegen den Beschluss des AG vom 13. August 2021 stellte die Klägerin einen Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, welcher durch Beschluss des Oberlandesgerichts S1 (OLG) vom 30. September 2021 verworfen wurde.
Das AG verwarf den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 26. Oktober 2021 mit Urteil vom 11. Februar 2022 (Aktenzeichen xxx). Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen dieses Urteil verwarf das AG mit Beschluss vom 28. März 2022. Gegen den Beschluss des AG vom 28. März 2022 stellte die Klägerin den Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, welcher durch Beschluss des OLG vom 2. Juni 2022 (Aktenzeichen xxx) verworfen wurde.
Das AG verwarf den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 16. Mai 2022 mit Urteil vom 23. November 2022. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen dieses Urteil wurde durch Beschluss des AG vom 5. Februar 2023 verworfen.
Die Klägerin weigerte sich, die Forderungen zu begleichen, weshalb die Forderung durch Pfändung beigetrieben wurde.
Aufgrund eines weiteren Verstoßes nach § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI erließ die Beklagte im Bußgeldverfahren xxx am 17. November 2023 einen weiteren Bußgeldbescheid. Hiergegen erhob die Klägerin keinen Einspruch.
In Bezug auf den Bußgeldbescheid vom 17. November 2023 stellte die Klägerin am 30. November 2023 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht (SG) Stuttgart, welcher durch Beschluss vom 4. Dezember 2023 (Aktenzeichen S 20 SO 4013/23 ER) als unzulässig abgelehnt wurde.
Die Klägerin hat am 7. Dezember 2023 Klage beim SG erhoben.
Zur Begründung bringt sie vor, dass sie nach dem Eintritt in die Altersrente mit 65 Jahren entschieden habe, die zwei miteinander gekoppelten Versicherungen – private Kranken- und Pflegeversicherung – zu kündigen. Deshalb habe sie sich entschlossen, diese Versicherungen durch die Nichtbezahlung der monatlichen Beiträge nicht weiter aufrechtzuerhalten. Nach Auffassung der D1 bestehe eine private Pflegeversicherung weiterhin. Dies sei jedoch nicht gesetzeskonform. Es bestünde kein Kontrahierungszwang für die private Pflegeversicherung.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit Urteil vom 8. Februar 2024 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Soweit die Klägerin die Rückzahlung des gepfändeten Betrages von 896,96 € begehre, sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet. Es stehe der Klägerin frei, die Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des § 85 OWiG i.V.m. §§ 359 bis 373a Strafprozessordnung (StPO) bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart zu beantragen.
Sofern die Klägerin begehre, alle Entscheidungen des nicht zuständigen AG bzw. Landgerichts S1 für ihre Beschwerden aus der Vergangenheit als ungültig und nichtig zu erklären, bestehe keine entsprechende Ermächtigung der Sozialgerichte. Vielmehr obliege es der Klägerin, den jeweils zulässigen Rechtsbehelf in Anspruch zu nehmen.
Das Feststellungsbegehren der Klägerin, dass das Sozialamt der Stadt S1 nicht berechtigt sei, eine Klage gegen sie beim AG wegen einer angeblichen Ordnungswidrigkeit bei Nichtbezahlung der Beiträge zu der privaten Pflegeversicherung aus einem gekündigten Vertrag mit der privaten Krankenversicherung D1 einzureichen, sei ebenfalls unzulässig. Insoweit stünden der begehrten Feststellung bereits die der Pfändung zugrundeliegenden bestandskräftigen Verwaltungsakte in Form der Bußgeldbescheide entgegen. Im Übrigen bestehe betreffend die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit keine Zweifel an entsprechender Zuständigkeitenbefugnis der Beklagten.
Sofern die Klägerin begehre, die weiteren Schritte in der Sache Bußgeldbescheid der Beklagten vom 17. November 2023 in Höhe von 332,50 € zu stoppen, hätte sie entsprechende Rechtsmittel einlegen können. Hierauf habe die Klägerin jedoch verzichtet, sodass dieser Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden sei.
Gegen das der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 23. Februar 2024 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Februar 2024 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Sie trägt vor, es bestehe keine Pflegeversicherung zwischen ihr und der D1. Seit dem 1. Juli 2020 zahle sie keine Versicherungsbeiträge mehr an die D1. Deshalb bestehe die Versicherung nicht mehr. Deshalb seien die gegen sie ergangenen Bußgeldbescheide rechtswidrig. Sie habe keine Beiträge mehr zahlen müssen. Dies sei vom Amtsgericht S1 und vom Landgericht S1 (gemeint wohl das Oberlandesgericht S1) verkannt worden. Die Beklagte müsse damit aufhören, ständig weitere Bußgeldbescheide gegen sie zu erlassen. Der durch die erlassenen Bußgeldbescheide angerichtete Schaden in Höhe von 896,96 € müsse ihr ersetzt werden. Die gesamte Vorgehensweise der Beklagten in der Vergangenheit müsse für unrechtmäßig erklärt werden.
Die Klägerin beantragt zuletzt (Schreiben vom 6. Mai 2024) wörtlich,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Februar 2024 aufzuheben und festzustellen, dass die Stadt S1 nicht berechtigt sei, eine Klage gegen sie beim Amtsgericht S1 wegen einer angeblichen Ordnungswidrigkeit bei Nichtzahlung der Beiträge zu der privaten Pflegeversicherung aus einem gekündigten Vertrag der privaten Krankenversicherung D1 einzureichen,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 30. April 2024 die Sache erörtert. In diesem Termin hat der Berichterstatter den Beteiligten mitgeteilt, dass der Senat beabsichtige, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte; den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Es kann offenbleiben, ob der von der Klägerin für ihr Begehren beschrittene Rechtsweg zu dem SG überhaupt zulässig war, denn gemäß § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs.1 und Abs. 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen.
Zutreffend hat das SG das Feststellungsbegehren der Klägerin dahingehend, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, eine Klage gegen sie beim AG wegen einer angeblichen Ordnungswidrigkeit bei Nichtbezahlung der Beiträge aus einer privaten Pflegeversicherung aus einem gekündigten Vertrag einzureichen, als unzulässig abgewiesen. Denn der erstreckten Feststellung steht bereits die Bestandskraft der Bußgeldbescheide vom 8. April 2021, 26. Oktober 2021, 16. Mai 2022 und 17. November 2023 entgegen.
Im Übrigen ist die Beklagte zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeit aus § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI zuständig. Gemäß § 36 Abs.1 OWiG ist sachlich zuständig die Verwaltungsbehörde, die durch Gesetz bestimmt wird (Nr. 1), mangels einer solchen Bestimmung die fachlich zuständige oberste Landesbehörde (Ziff. 2a) oder das fachlich zuständige Bundesministerium, soweit das Gesetz von Bundesbehörden ausgeführt wird (Ziff. 2b). Gemäß § 36 Abs.2 Satz 1 OWiG kann die Landesregierung die Zuständigkeit nach Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a durch Rechtsverordnung auf eine andere Behörde oder sonstige Stelle übertragen. Gemäß § 2 Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung über Zuständigkeiten nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiZuVO) sind für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach Bundesrecht die unteren Verwaltungsbehörden zuständig, soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 Landesverwaltungsgesetz (LVG) Baden-Württemberg sind untere Verwaltungsbehörde in den Stadtkreisen die Gemeinden. Hieraus folgt, dass die Beklagte die für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI sachlich zuständige Verwaltungsbehörde ist. Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 35 Abs. 1 Nr. 2 OWiG. Danach ist örtlich zuständig die Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk der Betroffene zur Zeit der Einleitung des Bußgeldverfahrens seinen Wohnsitz hat. Dies ist bei der Klägerin die Stadt S1. Soweit deshalb die Klägerin begehrt, dass festgestellt werden soll, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen sie vorzugehen bzw. dieses Vorgehen der Beklagten gegen sie, auch was die Vergangenheit angeht, als unrechtmäßig zu erklären, besteht hierfür keine Rechtsgrundlage; die Beklagte ist die sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsbehörde für die Verfolgung und Ahndung der der Klägerin zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit.
Die im Klageverfahren noch weiter gestellten Anträge hält die Klägerin im Berufungsverfahren zuletzt ausdrücklich nicht mehr aufrecht.
Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SO 4112/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 649/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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