Der Schiedsspruch der Schiedsstelle vom 16. Dezember 2021 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Im Streit steht der Schiedsspruch der Schiedsstelle nach § 133 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) Baden-Württemberg vom 16. Dezember 2021.
Die Beklagte ist Leistungserbringer der Eingliederungshilfe nach § 123 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, der in der Stadt H1 (Klägerin) für Menschen mit Behinderung zahlreiche Angebote zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zur Verfügung stellt. Bei dem von der Beklagten versorgten bzw. mit ihren Assistenzangeboten unterstützten Personenkreis handelte es sich im Schwerpunkt um Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Im Einzelnen handelt es sich zum einen um das Haus am F1 inklusive L1 Werkstätten und Café S1, T1-Straße, H1, sowie das Z1, H2straße, H1.
Die Klägerin ist der für die Beklagte örtlich zuständige Träger der Eingliederungshilfe. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat die Beklagte die Aufgabe, mit der Klägerin diese in ihrem räumlichen Zuständigkeitsbereich gelegenen Angebote entsprechend notwendigen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nach § 125 SGB IX zu verhandeln und zu schließen. Für sämtliche zum 31. Dezember 2019 bestehenden Eingliederungshilfeangebote waren von Leistungserbringern neue Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen abzuschließen, nachdem die Eingliederungshilfe bis Ende 2019 aufgrund der Neuregelungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) aus dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -Sozialhilfe - (SGB XII) in das SGB IX überführt worden war.
In Baden-Württemberg fehlte zum Zeitpunkt der BTHG-bedingten Vertragsumstellungen allerdings noch der gesetzlich vorgesehene Rahmenvertrag nach § 131 SGB IX, der die Grundlagen für die neuen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen im Sinne des 2. Teils des SGB IX schaffen sollte. Da ab dem 1. Januar 2020 eine Trennung der (neuen) Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen gesetzlich geboten war, haben die Rahmenvertragsparteien auf Landesebene in einer „Übergangsvereinbarung zur Umsetzung des Teilhabegesetzes in Baden-Württemberg“ vom 18. April 2019 Rahmenbedingungen für die Vertragsumstellungen auf das SGB IX festgelegt. Darin war u.a. geregelt, dass die zuvor abgeschlossenen Vereinbarungen über sogenannte „Leistungstypen“-Angebote in neue Eingliederungshilfe-Fachleistungsangebote überführt werden sollten. Bei den ebenfalls umzustellenden Vergütungsvereinbarungen wurden die existenzsichernden Vergütungsanteile nach einem pauschalen System aus den zuvor vereinbarten Entgelten herausgerechnet. Eine prospektive Neuverhandlung sämtlicher Personal-, Sach- und investiven Kosten wurde nicht automatisch zum Stichtag 1. Januar 2020 durchgeführt, sondern erst mit Ablauf des jeweils zuletzt vereinbarten Vergütungszeitraumes. Dies war bei der Beklagten der 28. Februar 2020. Die umgestellten Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen sollten wegen ihres Übergangscharakters bis längstens 31. Dezember 2021 gültig sein. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollten die Vereinbarungen auf den neuen Landesrahmenvertrag SGB IX endgültig umgestellt werden.
Innerhalb der Übergangsfrist vom 1. März 2020 bis 31. Dezember 2021 wurden zum einen für den Zeitraum vom 1. März 2020 bis 28. Februar 2021 und zum anderen für den Zeitraum vom 1. März 2021 bis 31. Dezember 2021 Vereinbarungen nach den §§ 123 f. SGB IX geschlossen. Für beide Zeiträume machte die Beklagte neben den Vergütungen für „übliche“ Leistungen, die Einbeziehung von pandemiebedingten Mehrkosten bzw. Mindereinnahmen geltend. Für den Zeitraum 1. März 2020 bis 28. Februar 2021 waren in zwei weiteren Verfahren ebenfalls Festsetzungen wegen pandemiebedingten Mehrkosten bzw. Mindereinnahmen durch die Schiedsstelle beantragt worden, die durch den Vorsitzenden der Schiedsstelle allerdings als unzulässig zurückgewiesen worden waren, weil die erst am 6. Juli 2021 eingerichtete Schiedsstelle für diesen Zeitraum nach § 126 Abs. 2 SGB IX nicht zuständig gewesen sei.
In Bezug auf den Zeitraum 1. März 2021 bis 31. Dezember 2021 forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 30. November 2020 zu Vergütungsverhandlungen u.a. auch wegen pandemiebedingter Kosten auf; mit E-Mail vom 8. Februar 2021 wurde eine aktualisierte Fassung des Kalkulationsschemas übersandt.
Für den Zeitraum 1. März bis 31. Dezember 2021 schlossen die Klägerin und die Beklagte im Februar 2021 Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen ab, denen jeweils folgende Erklärung beigefügt war:
„In der Vergütungsverhandlung am 10. Februar 2021 für den Verhandlungszeitraum 1. März 2021 bis 31. Dezember 2021 haben die Vertragsparteien übereinstimmend erklärt, dass in den vereinbarten Vergütungen keine Personal- und Sachkosten berücksichtigt sind, die unmittelbar durch die Corona-Pandemie entstanden sind.
Über die von der Evangelischen Stiftung L1 in der am 8. Februar 2021 vorgelegten Übersicht „Prospektive Kostenentwicklung Evangelische Stiftung L1“ enthaltenen Zuschläge für Personal- und Sachkosten, die unmittelbar durch die Corona-Pandemie im Vereinbarungszeitraum 1. März 2021 bis 31. Dezember 2021 erwartet werden, wird separat verhandelt.“
Entsprechende Verhandlungen wurden in der Folgezeit nicht geführt bzw. führten zu keinem Ergebnis. Nach Angaben der Beklagten im Rahmen des Schiedsstellenverfahrens sei es letztlich zu keinem Ergebnis gekommen, weil sich die Klägerin kategorisch geweigert habe, über das Thema Mehrkosten zu verhandeln.
Die Beklagte rief mit Schriftsatz vom 26. Juli 2021 die am 6. Juli 2021 eingerichtete Schiedsstelle an. Zuvor hatte die Beklagte bereits am 27. April 2021 eine Klage beim Sozialgericht Heilbronn mit entsprechenden Anträgen anhängig gemacht.
In ihrem Antragsschreiben beantragte die Beklagte für die Zeit vom 27. April 2021 bis 31. Dezember 2021 einerseits für das Haus am F1 inklusive L1 Werkstätten, Café S1 für das Leistungsangebot laufende Nr. 1 einen Vergütungszuschlag für die coronabedingten Mehraufwendungen und Mindereinnahmen in Höhe von 9,11 €, für das Leistungsangebot laufende Nr. 2 einen Vergütungszuschlag in Höhe von 5,75 € und für das Leistungsangebot laufende Nr. 3 ebenfalls einen coronabedingten Vergütungszuschlag von 5,75 €. Für die vereinbarten Eingliederungshilfepauschalen in der Vergütungsvereinbarung für die Angebote für das Z1 machte die Beklagte für den streitigen Laufzeitabschnitt einen Vergütungszuschlag für coronabedingte Mehraufwendungen bzw. Mindereinnahmen in Höhe von 5,75 €, für das Leistungsangebot laufende Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 geltend.
Zur Begründung machte die Beklagte geltend, durch die Corona-Pandemie seien der Einrichtung erhebliche coronabedingte Mehrkosten entstanden und entstünden auch weiterhin. So habe die Beklagte erst ein paar Monate vor Antragstellung einen weiteren Großausbruch in einer ihrer Einrichtungen erlebt, der z.B. durch tägliche Messung von Fieber und Blutsauerstoff sowie Kohortierung der Bewohner, zu einem erhöhten Personal- und Sachaufwand geführt habe. Aufgrund der hoch ansteckenden Deltavariante habe trotz Impfungen und erhöhten Hygiene- und Schutzmaßnahmen jeden Tag die Gefahr bestanden, dass sich die Bewohner und/oder Mitarbeiter mit dieser Variante infizierten und das Virus in rasanter Geschwindigkeit um sich greife. So seien beim letzten „Großausbruch“ 22 Bewohner/innen und ca. 15 Mitarbeitende infiziert worden. Ein Bewohner sei verstorben. Die Landesregierung habe zahlreiche Verordnungen erlassen, die unmittelbar in die Betriebsabläufe der Angebote der Beklagten eingegriffen und seit Pandemiebeginn bis dahin ordnungsrechtliche Handlungspflichten ausgelöst hätten, die die Beklagte zum Schutz der in den Angeboten lebenden Menschen mit Behinderung zu befolgen habe. Gleichzeitig seien auf Bundesebene zum Schutz der in den Angeboten tätigen Mitarbeiter/innen auf die Eindämmung der Pandemie ausgerichtete Arbeitsschutzstandards eingeführt worden, die neben den Hygienemaßnahmen im Rahmen der Betreuung von Menschen mit Behinderung weiterhin bestünden. Hinzu kämen Empfehlungen des RKI zu Hygienemaßnahmen im Rahmen der Behandlung und Pflege von Patienten mit einer Infektion durch SARS-CoV-2 und die Empfehlung des RKI zu organisatorischen und personellen Maßnahmen für Einrichtungen des Gesundheitswesens sowie Alten- und Pflegeeinrichtungen während der Covid-19-Pandemie. Hierzu zählten auch räumliche Maßnahmen wie die Einrichtungen von Quarantänebereichen und zusätzlicher Personalaufwand etwa durch das Engagement eines Hygienebeauftragten, Mehrarbeit der Pflegedienstleistung und zusätzlichen Personalaufwand für Reinigungsarbeiten. Hinzu käme noch ein erheblicher zusätzlicher Personalaufwand für Testungen, die durch Landesverordnung angeordnet worden seien. Ein erhöhter Personalaufwand werde auch dadurch begründet, dass der in den Einrichtungen der Beklagten lebende Personenkreis in der Regel nicht selbstständig in der Lage sei, die sogenannten „AHAL“-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske tragen, lüften) einzuhalten. Die dort versorgten Menschen mit Behinderungen hätten oftmals einen eigenen Umgang mit Nähe zu Menschen, ohne sich dabei durch Regeln leiten zu lassen. Die kognitiven Beeinträchtigungen würden vielen Betroffenen auch die Möglichkeit nehmen, die Bedeutung der Maskentragungspflicht zu realisieren. Weitere Kosten seien dadurch entstanden, dass im Rahmen der dritten Verordnung des Sozialministeriums zur Änderung der Coronaverordnung vom 29. April 2020 und der Verordnung zur Einschränkung des Betriebs von Werkstätten für Menschen mit Behinderung und anderen Angeboten vom 18. März 2020 in der ab 29. August 2020 geltenden Fassung eine Teilöffnung der Werkstätten mit einer Beschäftigung in Kleingruppen unter Reduzierung der Platzkapazitäten erfolgt sei, was dazu führe, dass die Beklagte den Bewohnern, die in ihren Einrichtungen wohnen würden und in der Lebenswerkstatt H1 arbeiteten, im 14-tägigen Wechsel ganztägige Betreuungsleistungen erbringen müsse. Hierfür müsse entsprechendes Personal zur Verfügung gestellt werden. Erhöhte Sachkosten entstünden dadurch, dass z.B. das Mittagessen in der Einrichtung der Beklagten anstatt in der Werkstatt eingenommen werden müsse.
Die Klägerin trat dem entgegen und vertrat die Auffassung, dass der Antrag bereits unzulässig, jedenfalls unbegründet sei. So sei der Antrag wegen doppelter Verfahrensanhängigkeit bereits unzulässig, weil die Beklagte identische Anträge bereits beim Sozialgericht (SG) Heilbronn anhängig gemacht habe.
Der Antrag sei außerdem aus mehreren Gründen unbegründet. Zunächst seien die rechtlichen Voraussetzungen für eine Vergütungsanpassung nicht erfüllt. Die Vertragspartner hätten am 10. Februar 2021 für den streitigen Zeitraum gültige Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen abgeschlossen, die eine Neufestsetzung nur bei unvorhergesehenen wesentlichen Änderungen der Annahmen, die der Vergütungsvereinbarung zugrunde gelegen hätten, zuließen. Bei Vertragsschluss habe Übereinstimmung darüber bestanden, dass die Frage der coronabedingten Mehrkosten aus der Verhandlung ausgeschlossen und zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden sollten. Eine solche Vereinbarung knüpfe an die geschlossene Vereinbarung an und regele für die Angebote eine Zusatzvergütung. Darüber hinaus sei der Beklagten eine Fortsetzung der bestehenden Vergütungsvereinbarung zumutbar. Die Voraussetzungen von § 127 Abs. 3 Satz 1 SGB IX lägen nur vor, wenn es sich um grundlegende Veränderungen handele, die für die betroffene Partei nicht zumutbar seien. Die Beklagte sei aber bereit gewesen, eine Vereinbarung mit einer Laufzeit vom 1. März bis 31. Dezember 2021 zu unterzeichnen, sodass aus „formal-juristischer Sicht“ davon ausgegangen werden müsse, dass die vereinbarten Vergütungen wirtschaftlich angemessen, auskömmlich und zumutbar seien. Andernfalls hätte das Scheitern der Verhandlungen erklärt werden müssen.
Die Klägerin sei auch in der Krisenzeit der Corona-Pandemie ihren Verpflichtungen nachgekommen. So habe sie während der gesamten Pandemiezeit die vereinbarten Vergütungen zu 100% weiterbezahlt, obwohl aufgrund der gesetzlichen Restriktionen und der erforderlichen Hygienemaßnahmen keine vollumfängliche Leistungserbringung durch die Beklagte habe erfolgen können. Die Klägerin sei zudem nach wie vor bereit, pauschale Sachkostenzuschläge in Höhe von 0,97 € je Bewohner und Tag in der besonderen Wohnform und 0,32 € je Bewohner und Tag für tagesstrukturierende Angebote zu gewähren. Der von der Beklagten geltend gemachte zusätzliche Personalaufwand sei entweder nicht erforderlich gewesen oder werde zumindest überzogen dargestellt. Es sei zumutbar gewesen, das vorhandene Personal den durch die Pandemie hinzutretenden Anforderungen entsprechend umzuschichten. Bei den Sachmehraufwendungen werde eine bereits eingesetzte Preisnivellierung nicht berücksichtigt. Die Beklagte lege auch nicht dar, welche Kompensationsleistungen von ihr in Anspruch genommen worden seien. Hierzu zählten etwa Betriebsausfallversicherungen, Kurzarbeitergeld, Leistungen und Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz sowie Aufstockungen der Leistungen nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz u.a.
Mit Schiedsspruch vom 16. Dezember 2021 hat die Schiedsstelle dem Antrag der Beklagten in Höhe von 70% der jeweils geltend gemachten Erhöhungsbeträge stattgegeben.
Die Schiedsstelle war der Auffassung, dass der Antrag zulässig sei. Die Schiedsstelle sei nach § 133 SGB IX in Baden-Württemberg erst zum 6. Juli 2021 konstituiert worden, obwohl die maßgebliche Regelung im Dezember 2016 verabschiedet worden und bereits am 1. Januar 2018 in Kraft getreten sei. Spätestens zum 1. Januar 2020 sei die Existenz einer Schiedsstelle für das SGB IX unverzichtbar gewesen, weil zu diesem Zeitpunkt die aus dem SGB XII in das SGB IX überführten Vorschriften über die Eingliederungshilfe ihre Wirksamkeit entfalteten und damit ein Rechtsschutz über § 81 SGB XII nicht mehr möglich gewesen sei.
Da § 126 Abs. 2 SGB IX Rechtsschutz im Zusammenhang mit Leistungs-und Vergütungsvereinbarungen nur durch Anrufung der Schiedsstelle nach § 133 SGB IX vorsehe und § 126 Abs. 3 SGB IX zudem deutlich mache, dass der Zeitpunkt der Einschaltung der Schiedsstelle maßgeblichen Einfluss auf das Wirksamwerden einer Vergütungsvereinbarung habe, greife ein Zustand ohne funktionierende Schiedsstelle unmittelbar in die wirtschaftliche Stellung eines Leistungserbringers ein. Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) würden von daher als „Ersatzlösung“ für die langdauernde Untätigkeit der zuständigen staatlichen Stellen die Anrufung der Sozialgerichte nahelegen. Für die vorliegenden Antragsverfahren sei hieraus der Schluss zu ziehen, dass der Zeitpunkt der Klageerhebung beim Sozialgericht Heilbronn am 27. April 2021 im Rahmen des § 126 Abs. 3 SGB IX als Zeitpunkt der Antragstellung bei der Schiedsstelle zu werten sei.
Seit der Konstituierung der Schiedsstelle SGB IX in der Sitzung am 6. Juli 2021 sei nach § 126 Abs. 2 SGB IX ausschließlich die Schiedsstelle für Vergütungsstreitigkeiten zuständig, soweit diese die Voraussetzungen des § 126 Abs.3 SGB IX erfüllten. Letzteres habe die Schiedsstelle in Bezug auf Anträge verneint, bei denen der geltend gemachte Vereinbarungszeitraum in der Vergangenheit gelegen habe. Eine möglicherweise gebotene „Ersatzzuständigkeit“ des Sozialgerichts sei seither entfallen. Der Zulässigkeit der vorliegend gestellten Anträge stünden auch die Voraussetzungen nach § 126 SGB IX nicht entgegen. Die Beklagte habe die Dreimonatsfrist nach Abs. 2 der Vorschrift eingehalten. Denn diese habe am 20. November 2020 begonnen. Da sich die Anträge auf den Zeitraum vom 27. April 2021 bis 31. Dezember 2021 beziehen würden, seien auch die Voraussetzungen von § 126 Abs. 3 SGB IX erfüllt.
Die Anträge seien auch teilweise begründet.
Die Vertragspartner hätten übereinstimmend erklärt, dass über die von der Beklagten bei der Vergütungsverhandlung am 10. Februar 2021 geltend gemachte prospektive Kostenentwicklung keine Einigung habe erzielt werden können, soweit darin Zuschläge für Personal- und Sachkosten enthalten gewesen seien. Hierüber habe weiterverhandelt werden sollen. Zu diesem Zeitpunkt habe es jedoch an einer Schiedsstelle, die im Einigungsprozess unverzichtbar sei, gefehlt. Die Erörterung der Verhandlungssituation zu dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung habe deutlich gemacht, dass von den Leistungsträgern landesweit die Einbeziehung von pandemiebedingten Mehrkosten in Leistungsvereinbarungen abgelehnt worden sei. Im Verlauf des Jahres 2021 habe es dann allenfalls Angebote gegeben, pauschale Sachkostenzuschläge in Höhe von 0,97 € je Bewohner und Tag in der besonderen Wohnform und 0,32 € je Bewohner und Tag für tagesstrukturierende Angebote, die den Vorgaben des Vergütungsrechts in den §§ 123 f. SGB IX nicht entsprochen hätten, zu gewähren. Derartige „Vergütungsdiktate“ zu unterbinden, sei gerade das Ziel der Regelung in § 126 Abs. 2 SGB IX. Sie sei untrennbar mit dem Sicherstellungsauftrag nach § 95 SGB IX verbunden.
Unter diesen Umständen erscheine es abwegig, die Anträge als Änderungsanträge nach § 127 Abs.3 SGB IX anzusehen. Die Anträge hätten vielmehr allein dem Ziel gedient, für den am 1. März 2021 beginnenden Vereinbarungszeitraum durch Anrufung der Schiedsstelle, die erst ab Juli 2021 möglich gewesen sei, eine Einbeziehung der pandemiebedingten Mehrkosten in die bis zum 31. Dezember 2021 maßgebenden Vergütungssätze zu erreichen. Die Ausführungen der Klägerin zu den Voraussetzungen einer Änderung von Vergütungsvereinbarungen bei unvorhergesehenen wesentlichen Änderungen seien daher unerheblich.
Unerheblich sei aus demselben Grund auch der Einwand, die Beklagte habe schließlich die Vergütungsvereinbarung ohne Einbeziehung der pandemiebedingten Mehrkosten unterschrieben; sie habe bei einer Ablehnung das Scheitern der Verhandlung erklären müssen. Angesichts des Fehlens einer Schiedsstelle hätte eine solche Erklärung im Hinblick auf die Durchsetzung ihrer Ziele für die Beklagte keine Auswirkungen gehabt; in dieser Situation habe im Interesse der Existenzfähigkeit der von ihr betriebenen Einrichtungen keine andere Möglichkeit bestanden, als die Vereinbarung über die „normalen“ Leistungen zu akzeptieren und bezüglich der streitig gebliebenen Forderung nach Einbeziehung pandemiebedingter Mehrkosten auf die Einrichtung einer Schiedsstelle oder gerichtlichen Rechtsschutz zu setzen.
Die Beklagte habe auch plausibel dargelegt, dass in den hier betroffenen Einrichtungen durch die rasante Verbreitung der Corona-Pandemie erhebliche Mehrkosten für Personal- und Sachaufwand entstanden seien, die von der ab dem 1. März 2021 fortgeschriebenen üblichen Vergütung nicht abgedeckt worden seien. So hätten die Einrichtungen zusätzliches Personal für Schutzaufgaben wie das konsequente Einhalten strenger Hygieneerfordernisse, präventive Maßnahmen wie Fieber messen und zusätzlich, wenn medizinisch geboten, Messungen des Sauerstoffgehaltes im Blut sowie erheblich vermehrte Reinigungen der Innenräume der Einrichtungen benötigt. Zusätzliche Assistenzen seien erforderlich gewesen, um pandemiebedingte organisatorische Probleme zu lösen, wie sie etwa bei der Trennung von Wohngruppenbewohnern oder der Teilöffnung von Werkstätten entstanden seien, die parallel wegen verringerter Platzkapazitäten zusätzliche Betreuungsleistungen und erhöhte Sachkosten verursachten. Auch der von der Beklagten aufgezeigte zusätzliche Aufwand, der schon dadurch entstanden sei, dass die in den Einrichtungen versorgten Menschen mit Behinderungen, etwa auch wegen kognitiver Beeinträchtigungen nicht in der Lage seien, die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen zu erkennen und daher eine an sich notwendige Kooperation zwischen Bewohnern und Personal zumindest zeitaufwändig gewesen sei, werde von der Klägerin zu Unrecht außer Betracht gelassen.
Weiter hat die Schiedsstelle noch ausgeführt, die von der Klägerin vorgebrachten Einwände gegen das Maß der Erforderlichkeit der von der Klägerin eingesetzten Maßnahmen zur Abwehr der durch Covid-19-Infektionen drohenden Schäden für die Einrichtungen, ihrer Bewohner und ihr Personal könnten die Schiedsstelle nicht überzeugen. Teilweise beruhten sie auf einer Verkennung des für das Vertragsrecht im SGB IX maßgebenden Prospektivitätsgrundsatzes. So etwa beim Hinweis auf die hohe Impfquote in Einrichtungen der Eingliederungshilfe, die nach (offensichtlich zum Zeitpunkt der Antragserwiderung aktuellen) Erkenntnissen in der Regel bei deutlich über 80% liege und deshalb pandemisch bedingte Krankheitsausbrüche und damit verbundene Mehraufwendungen insbesondere hinsichtlich Testungen, Quarantäne in den Einrichtungen sehr früh und weitestgehend habe verhindern können. Die insoweit maßgebende Einschätzung hätte prospektiv in der Zeit vor dem 10. Februar 2021 erfolgen müssen. Zu dieser Zeit habe Impfstoff nur in völlig unzureichender Menge zur Verfügung gestanden und der Zeitpunkt einer Impfung auch für Menschen in der Prioritätsgruppe 2 sei noch nicht absehbar gewesen. Tatsächlich hätten die Impfungen in den Einrichtungen der Beklagten, wie diese glaubhaft vorgetragen habe, erst Anfang Mai 2021 begonnen und seien Ende Mai abgeschlossen worden. Wenn man schon die aktuelle Entwicklung einbeziehe, komme man zu dem Ergebnis, dass eine impfbedingte Entspannung für die Einrichtungen allenfalls in der Zeit von Juni bis September 2021 eingetreten sei. Seit Oktober seien die Schutzerfordernisse gegenüber der Pandemie auch wegen des Auftretens von sogenannten Impfdurchbrüchen wieder auf dem ursprünglichen Stand gewesen.
Dies habe aber nur in einem Erstattungssystem wie dem Schutzschirm für Pflegeeinrichtungen nach § 150 Abs. 2 SGB XI Beachtung finden können, nicht aber bei prospektiv festzusetzenden Vergütungen. Dasselbe gelte für den Einwand, die von der Beklagten veranschlagten zusätzlichen Sachkosten seien zu hoch angesetzt, weil nach der „aktuellen Beschaffungslage“ bei Hygieneprodukten wie Infektionsmittel und Schutzausrüstung wie Masken und Schutzkittel “eine Preisnivellierung auf fast Normalniveau“ eingetreten sei, die von der Beklagten anscheinend nicht berücksichtigt worden sei. Auch diese Entwicklung sei in dem Zeitpunkt, als Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Behindertenhilfe händeringend um die Lieferung mit derartigen Produkten (in sachgerechter Qualität) gerungen hätten, nicht ohne Weiteres zu erwarten gewesen.
Bei weiteren Einwänden, die die Notwendigkeit oder den Umfang von Schutzmaßnahmen betreffen würden, habe die Klägerin von entsprechenden Anordnungen der Gesundheitsbehörden oder sachverständigen Hinweisen offensichtlich keine Kenntnis.
Die Klägerin gehe in Bezug auf den von der Beklagten geltend gemachten Mehraufwand bei den Personalkosten davon aus, dass in den betroffenen Einrichtungen eine Umschichtung von vorhandenem Personal nach Priorisierungsaspekten möglich und eine Personalvermehrung in dem geltend gemachten Umfang daher nicht erforderlich gewesen wäre. Die Vorstandsvorsitzende der Beklagten habe demgegenüber in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargestellt, dass sie in erheblichem Umfang zusätzliche Arbeitskräfte habe verpflichten müssen, indem sie ehemalige Beschäftigte aus dem Ruhestand aktiviert und sich glücklich geschätzt habe, zahlreiche Teilzeitkräfte für eine Aufstockung ihrer Arbeitszeit gewinnen zu können. Diese Schilderung entspreche im Übrigen dem Eindruck, der sich einschlägigen Berichten in den Medien entnehmen lasse. Die Klägerin habe dagegen auch nicht im Ansatz aufgezeigt, auf welchem Weg die Versorgung der zu einem großen Teil vulnerablen Bewohner der Einrichtungen mit deutlich verringertem Personalbesatz hätte durchgeführt werden sollen.
Andere realisierbare Möglichkeiten der Einsparung von Personalkosten während der Pandemiezeit seien nicht erkennbar. So habe die Beklagte nicht über eine Betriebsausfallversicherung verfügt. Auch habe Kurzarbeitergeld schon deshalb nicht beantragt werden können, weil in den Einrichtungen der Beklagten keine Kurzarbeit bestanden habe bzw. zu erwarten gewesen wäre.
Nicht nachvollziehbar sei auch der Einwand, Mehrkosten seien dadurch kompensiert worden, dass trotz teilweise pandemiebedingt eingeschränkter Leistungserbringung die volle Vergütung weitergezahlt worden sei. Zum einen seien derartige Leistungseinschränkungen nicht durchgehend eingetreten; zum anderen seien derartige Auswirkungen prospektiv im Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen nicht abzuschätzen gewesen. Darüber hinaus habe die Beklagte versichert, dass dies bei der Kalkulation personalbedingter Mehrkosten berücksichtigt worden sei.
Soweit die Klägerin den Umfang der von der Beklagten geltend gemachten Kompensationsforderungen insgesamt als überzogen ansehe, müsse sie sich den verfassungsrechtlich fundierten Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) entgegenhalten lassen. Es sei kein sachlicher Grund zu erkennen, der es rechtfertige, Einrichtungen der Eingliederungshilfe in Bezug auf die Kompensation pandemiebedingter Mehrkosten oder Mindereinnahmen aufgrund hoheitlich angeordneter Maßnahmen grundlegend schlechter zu stellen als Pflegeeinrichtungen, denen nach § 150 Abs. 2 SGB XI eine vollständige Kompensation der wirtschaftlichen Pandemiefolgen gewährt werde. Für Pflegeeinrichtungen sei gemäß § 150 Abs. 2 SGB XI ein „Rettungsschirm“ installiert worden, der periodische Abrechnungen von Mehraufwand und Mindererlösen ermöglicht habe und begrenzt (§ 150 Abs.2 Satz4 SGB XI) Kontrollen und Rückforderungen durch den Leistungsträger zulasse. Einrichtungen der Eingliederungshilfe betreuten Personen, die größtenteils vergleichbar vulnerabel seien. Die Regelungen in den §§ 147 bis 153 (insbesondere § 150 Abs. 2) SGB XI ließen jedoch nicht erkennen, dass sie auf Einrichtungen der Eingliederungshilfe analog anwendbar seien. Hierfür hätte es eines gesetzlichen Hinweises bedurft, etwa in dem „Gesetz zum Ausgleich Covid-19-bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weitere Gesundheitseinrichtungen“ vom 27. März 2020.
Andererseits hätten Einrichtungen der Eingliederungshilfe einen Anspruch auf vergleichbare Kompensationsleistungen, der sich letztlich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebe. Denn die Einrichtungen seien verpflichtet, die vertraglich gegenüber dem Leistungsberechtigten geschuldeten Leistungen unter Beachtung der wegen der Corona-Pandemie hoheitlich angeordneten Maßnahmen zu erbringen.
Die Höhe der pandemiebedingten Mehrkosten und Mindereinnahmen sei nach dem Vertragsrecht des SGB IX prospektiv zu ermitteln, was mit Schwierigkeiten verbunden sei, weil es in der jüngeren Geschichte kein Ereignis gebe, das sich in vergleichbarer Weise plötzlich und in rasantem Tempo über weite Teile der Welt verbreitet habe. Vorausschauende und abwägende Kostenkalkulationen, wie sie für das Aushandeln prospektiver Vergütungen an sich geboten seien, seien nur eingeschränkt möglich, weil erforderliche Maßnahmen sowohl in organisatorischer wie in kaufmännischer Hinsicht in nie da gewesener Eile hätten umgesetzt werden müssen und Vergleichsgrößen nicht existiert hätten. Fehle es aber an einem Mindestmaß an Prognosesicherheit, so sei der Prospektivitätsgrundsatz für die Festsetzung von Vergütungen an sich ungeeignet. Die Vereinbarungspartner hätten allerdings zumindest die Möglichkeit gehabt, angesichts der nicht abschätzbaren Dauer und Intensität der Pandemie Vereinbarungen nur für kurze Zeiträume abzuschließen und hierbei die Vorlage geeigneter Nachweise, etwa auch aus der ersten Periode der Pandemie von März 2020 bis Februar 2021 zu verlangen (§ 126 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Auch dies sei wegen der gesetzeswidrigen Blockadehaltung der Klägerin nicht realisiert worden.
Prospektive Entgelte hätten nicht die Funktion, Kosten zu erstatten, sondern konkrete Leistungen angemessen zu vergüten. Der Bundesgesetzgeber habe die unzureichende Eignung prospektiver Entgelte zur Kompensation von Pandemiefolgen unmittelbar nach dem Einsetzen der Pandemie erkannt und mit dem zuvor genannten Gesetz vom 27. März 2020 für andere Sozialsysteme, in denen Leistungen und Vergütungen ebenfalls nach dem Prospektivitätsgrundsatz festgelegt würden, nachträgliche Ausgleichszahlungen (etwa für Krankenhäuser und Vertragsärzte) geschaffen. Der Einwand, der Gesetzgeber habe für den Bereich des SGB IX offensichtlich ganz bewusst kein System für nachträgliche Ausgleichszahlungen geschaffen, sondern andere Hilfe wie etwa solche nach dem SodEG vorgesehen, könne nicht überzeugen. Die Beklagte weise zu Recht darauf hin, dass das SodEG eine andere Zielrichtung als die Kompensation von pandemiebedingtem Mehraufwand gehabt habe. Es habe vielmehr den Bestand von Einrichtungen sichern sollen, die pandemiebedingt keine oder verminderte Leistungen erbringen konnten. Die von der Beklagten geltend gemachten Mehraufwendungen hätten auch nicht durch andere, vom Kläger genannte „Corona-Maßnahmen“ ausgeglichen werden können.
Im Rahmen des Vergütungsrechts der Eingliederungshilfe bleibe nach alledem trotz der unzureichenden Eignung nur der Weg über eine Einbeziehung der Mehrkosten und Mindererlöse in Pauschalvergütungen, der den Anträgen zugrunde liege. Das prospektive Vergütungssystem lasse einen nachträglichen Ausgleich von Über- und Unterdeckungen und damit auch eine Plausibilitätskontrolle der tatsächlich erbrachten Leistungen zumal gegen Ende des Vereinbarungszeitraumes nicht zu. Eine Kontrolle hätte prospektiv erfolgen müssen, was die Klägerin allerdings durch ihre Weigerung, über diese Kosten zu verhandeln, ungenutzt gelassen habe, obwohl § 126 Abs. 2 SGB IX Verhandlungen mit dem Ziel einer schriftlichen Vereinbarung zwingend vorschreibe. Die Erforderlichkeit der zahlreichen von der Beklagten durchgeführten Maßnahmen, die für Mehrkosten ursächlich gewesen seien, stünden jedenfalls, wie ausgeführt, außer Frage.
Die Beklagte habe den Rechenvorgang, der den für die einzelnen Angebote ausgewiesenen Zuschläge zugrunde gelegen habe, schriftlich und in der mündlichen Verhandlung zusammen mit dem fachlich zuständigen Controller plausibel dargelegt. Für die angebotene pauschale Erhöhung um 0,97 € je Bewohner und Tag in der besonderen Wohnform und 0,32 € je Bewohner und Tag für tagesstrukturierende Angebote habe der Kläger keinen Nachweis dafür erbracht, dass es sich hierbei um eine realitätsgerechte Bepreisung für die zahlreichen personalintensiven Mehraufwendungen und zusätzlichen Sachkosten handele. Das Angebot habe zudem nicht den Vorgaben des § 125 Abs.3 SGB IX entsprochen.
Eine punktgenaue Festlegung sei allerdings angesichts des sich aus der prospektiven Ermittlung bei pandemiebedingten Mehrkosten ergebenden Unzulänglichkeiten nicht zu erreichen. Aus diesem Grund halte die Schiedsstelle einen Abschlag in Höhe von 30 v.H. auf die von der Beklagten geltend gemachten pauschalen Vergütungszuschläge für gerechtfertigt, um den Bedenken der Klägerin gegenüber der Kalkulation der Beklagten Rechnung zu tragen.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 9. Februar 2022 zugestellten Schiedsspruch vom 16. Dezember 2021 am 7. März 2022 Klage zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben.
Zur Begründung macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe ihr gegenüber zwar schon in 2020 coronabedingte Mehraufwendungen geltend gemacht, die aber zu keinem Zeitpunkt konkretisiert und belegt. Die Beteiligten hätten sich vielmehr am 10. Februar 2021 für die Zeit vom 1. März 2021 bis längstens zum 31. Dezember 2021 über die Entgelte bzw. Vergütungen für die Angebote der Beklagten im Stadtgebiet der Klägerin geeinigt und entsprechende schriftliche Vereinbarungen in der Folgezeit auch abgeschlossen. Personal- und Sachkosten, die unmittelbar durch die Corona-Pandemie entstanden seien, seien in diesen für die Zeit ab dem 1. März 2021 bis längstens zum 31. Dezember 2021 abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen allerdings weiterhin keine berücksichtigt worden. Über diese Kosten habe nach dem übereinstimmenden Willen der Klägerin und der Beklagten vielmehr „separat“ verhandelt werden sollen.
Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2021 habe die Beklagte daraufhin ohne vorherige Anrufung der nach § 126 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vorgesehenen Schiedsstelle nach §133 SGBIX für Baden-Württemberg bzw. des Sozialministeriums als Rechtsaufsicht der Schiedsstelle eine erste Klage gegen die Klägerin zum SG Heilbronn mit dem Hauptantrag, die in den ersten beiden Vereinbarungen zwischen ihr und der Klägerin vereinbarten Vergütungen für den Teilzeitraum vom 1. März 2020 bis 31. März 2021 mit den von ihr begehrten höheren Vergütungen zu ersetzen.
Mit Schriftsatz vom 27. April 2021 habe die Beklagte abermals ohne vorherige Anrufung der nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorgesehenen und jedenfalls damals auch bereits zur Entgegennahme von Schiedsstellenanträgen erreichbaren Schiedsstelle eine weitere zweite Klage beim SG Heilbronn gegen die Klägerin erhoben.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2021 habe die Beklagte dann für den vorliegend streitgegenständlichen Laufzeitabschnitt vom 27. April 2021 bis 31. Dezember 2021 auch die Schiedsstelle nach § 133 SGB IX für Baden-Württemberg angerufen.
Bereits am 5. August 2021 hätten sich das Land Baden-Württemberg, die Stadt- und Landkreise, die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg e.V. und die Spitzenverbände der Leistungserbringer, zu denen auch das diakonische Werk der evangelische Kirche in Württemberg e.V. gehöre, deren Mitglied die Beklagte sei, auf eine „Vereinbarung zur Ausführung der freiwilligen Unterstützung durch das Land für die Stadt- und Landkreise als Träger der Eingliederungshilfe nach dem zweiten Teil des SGB IX und der Sozialhilfe nach den §§ 67 ff. SGB XII zu den corona-bedingten Mehraufwendungen bei der Leistungserbringung (Landeshilfe)“ geeinigt. Nach Informationen der Klägerin habe die Beklagte für ihre Leistungsangebote im Stadtkreis H1 u.a. hieraus 58.424,68 € erhalten. Nach § 3 der Vereinbarung über die Landeshilfe dürften die Vergütungen der corona-bedingten Mehraufwendungen im Zusammentreffen mit anderen Vergütungen und Hilfen (beispielsweise seitens des Bundes oder anderer Dritter) aber nicht dazu führen, dass der corona-bedingte Mehraufwand der Leistungserbringer überkompensiert werde.
Im November 2021 hätten sich die Beteiligten erneut außerhalb der genannten rechtshängigen Klageverfahren vor dem SG Heilbronn und Schiedsstellenverfahren über die corona-bedingte Mehrvergütung der Beklagten, das bedeute über einen corona-bedingten Zuschlag der Beklagten, ausgetauscht. Die Klägerin habe der Beklagten hierbei für den Zeitraum vom 1. Juni 2020 bis 31. Dezember 2021 (die Beklagte habe die Klägerin im Mai 2020 zu Neuverhandlungen aufgefordert) ein höheres Angebot unterbreitet (ein corona-bedingter Zuschlag von 1,00 € pro Bewohner und Tag für den Bereich der besonderen Wohnform und ein corona-bedingter Zuschlag von 0,35 Cent pro Bewohner und Tag für die Tagesstruktur), welches die Beklagte jedoch abermals ausgeschlagen habe, weil es ihr immer noch zu niedrig gewesen sei. (Anmerkung: Das ursprüngliche Angebot lautete auf 0,97 € bzw. 0,32 €).
Des Weiteren führt die Klägerin aus, dass sie sich mit einem anderen in ihrem örtlichen Zuständigkeitsgebiet tätigen Leistungserbringer der Eingliederungshilfe auf einen corona-bedingten Sachkostenzuschlag in der besonderen Wohnform in Höhe von 0,97 € je Bewohner und Tag und einen corona-bedingten Zuschlag für tagesstrukturierte Angebote in Höhe von 0,32 € je Bewohner und Tag geeinigt habe. Vor diesem Hintergrund sei die Ablehnung des genannten, erhöhten Angebots der Klägerin durch die Beklagte für die Klägerin nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern sehe sich die Klägerin auch aus Gleichbehandlungsgründen in der Verantwortung, die Beklagte im Vergleich zu anderen Leistungserbringern, insbesondere zu dem genannten anderen Leistungserbringer nicht zu bevorzugen.
In der Sache macht die Klägerin u.a. geltend, dass es dem Schiedsspruch schon an der erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit mangeln dürfte. So sei weder dem Tenor noch den Gründen des Schiedsspruchs zweifelsfrei hinreichend bestimmt zu entnehmen, welcher Erhöhungsbetrag Referenz für die im Tenor des Schiedsspruchs genannte Stattgabe in Höhe von 70% der jeweils geltend gemachten Erhöhungsbeiträge sein solle.
Des Weiteren sei der Bescheid auch noch formell rechtswidrig insoweit, als die Schiedsstelle gegen ihre in § 20 Abs.1 Satz 1 SGB X normierte Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen verstoßen haben dürfte. Ein erster Verstoß dürfte darin begründet sein, dass es die Schiedsstelle rechtsfehlerhaft unterlassen habe, die im Schreiben des die Klägerin im Schiedsstellenverfahren vertretenen KVJS vom 7. Dezember 2021 (Anmerkung des Senats wohl 2. Dezember 2021) näher genannten Unterlagen und Nachweise bei der Beklagten vor Erlass ihres Schiedsspruches anzufordern. Die Anforderung der im genannten Schreiben des KVJS näher genannten Unterlagen und Nachweise bei der Beklagten vor dem Schiedsspruch dürfte zur Prüfung der Plausibilität der einzelnen Kostenansätze der Beklagten aber zwingend erforderlich gewesen sein, da ohne diese die Plausibilität der geltend gemachten Mehrkosten nicht festgestellt werden könne. Bei der Plausibilitätsprüfung stehe der Schiedsstelle nach der Rechtsprechung des BSG auch kein Entscheidungsfreiraum im eigentlichen Sinne zu, sondern mit Rücksicht auf ihre beschränkte Leistungskapazität obliege ihr diesbezüglich nur eine Schlüssigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten, die als solche aber in vollem Umfang überprüfbar sei.
Zwar würden die gesetzlichen Vorschriften die Vorlage von geeigneten Nachweisen im Schiedsstellenverfahren nicht vorsehen. Nach § 126 Abs. 1 Satz 4 SGB IX seien auf Verlangen einer Partei aber geeignete Nachweise zu den Verhandlungsgegenständen vorzulegen. Hier habe die Klägerin die Beklagte bereits mit Schreiben vom 4. Februar 2021 um Vorlage von Nachweisen gebeten. Mit an die Schiedsstelle gerichtetem Schreiben vom Dezember 2021 seien vom die Klägerin im Schiedsstellenverfahren vertretenen KVJS zudem bestimmte, namentlich genannte, von der Beklagten vorzulegende Nachweise benannt und die Schiedsstelle aufgefordert worden, diese im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes bzw. ihrer Amtsermittlungspflicht bei der Beklagten anzufordern. Auch das BSG gehe in seiner Rechtsprechung zu Pflegesätzen nach § 89 Abs.1 Satz 2 und 3 SGB XI davon aus, dass wenn die Angaben des Pflegedienstes für eine abschließende Plausibilitätskontrolle der Kostenansätze nicht ausreichen würden, zusätzliche Unterlagen vorzulegen seien (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 P 3/08 R - juris Rn. 54). Dies müsse nach der hier vertretenen Auffassung auch im SGB IX gelten. Zwar gehe die Schiedsstelle in ihrem Schiedsspruch von der Plausibilität der von der Beklagten geltend gemachten Kostenansätze aus, sodass - nach der Auffassung der Schiedsstelle konsequent - die Anforderung von zusätzlichen Unterlagen/Nachweisen bei der Beklagten im Schiedsstellenverfahren nicht erforderlich gewesen sei. Die Auffassung der Schiedsstelle von der Plausibilität der Kostenansätze allein auf der Grundlage des Vortrags der Beteiligten bzw. hier der Beklagten, dürfte aber rechtsfehlerhaft sein.
Vorliegend dürfte die zu Pflegesätzen nach § 89 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB XI ergangene Rechtsprechung des BSG nach der hier vertretenen Auffassung schon deshalb anzuwenden sein, weil in beiden Fällen, das bedeute sowohl im SGB XI als auch im SGB IX, die voraussichtlichen Gestehungskosten eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit zulassen müssten. Bei den hier im Streit stehenden corona-bedingten Zuschlägen folge dies aus § 123 Abs. 2 Satz 2 SGB IX, wonach die Vergütungen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen müssten. Ausgehend von der Rechtsprechung zu den Pflegesätzen nach § 89 Abs. 1 Satz2 und 3 SGB XI würde die Durchführung einer Plausibilitätsprüfung auch hier voraussetzen, dass die einzelnen Kostenansätze für die voraussichtlichen Gestehungskosten (Personal- und Sachkosten) plausibel und nachvollziehbar sein müssten, also die Kostenstruktur der jeweiligen Einrichtung erkennen; eine Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zuließen und der jeweilige Einrichtungsträger, hier die Beklagte, deshalb zunächst geeignete Nachweise beizubringen habe. Die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere Angaben reiche dann aber nicht aus. Die Kostenkalkulation sei vielmehr hinreichend zu belegen und müsse tatsächlich nachvollziehbar sein (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 P 3/08 R - juris Rn. 51 f.). Folglich hätte die Schiedsstelle schon aus diesem Grund im Rahmen ihrer in§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X normierten Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen vor ihrem Schiedsspruch die Beklagte zur Vorlage der vom KVJS in seinem genannten Schreiben vom Dezember 2021 benannten Unterlagen und Nachweise auffordern müssen. Dies habe die Schiedsstelle jedoch nicht getan.
Ein weiterer Verstoß der Schiedsstelle gegen ihre in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X normierten Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen sei nach klägerischer Auffassung darin zu sehen, dass die Schiedsstelle es vor dem Schiedsspruch unterlassen habe, die Kosten von auf gleicher wirtschaftlicher Basis wie die Beklagte tätigen, anderen Leistungsbringern zu ermitteln. Dies wäre aber für die Entscheidung über den Schiedsstellenantrag der Beklagten vom 26. Juli 2022 erforderlich gewesen, da die Schiedsstelle nur dann in der Lage gewesen wäre, den vom BSG im Hinblick auf die in § 123 Abs. 2 Satz 2 SGB IX normierten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, der Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit geforderten Vergleich mit anderen Leistungserbringern vorzunehmen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 28. Januar 2021 - B 8 SO 6/19 R - juris Rn. 17).
Darüber hinaus sei der Schiedsspruch auch deshalb rechtswidrig, weil hier von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. Zum einen habe die Schiedsstelle falsche Zeiträume bezüglich der abgeschlossenen Vereinbarungen zugrunde gelegt und hätte richtigerweise dann die Schiedsstellenanträge der Beklagten vom 26. Juli 2021 als „Änderungsanträge“ nach § 127 Abs. 3 SGB IX behandeln müssen. In diesem Falle wäre für einen zugunsten der Beklagten (teilweise) erfolgreichen Schiedsspruch erforderlich gewesen, dass von der Schiedsstelle auch die Voraussetzungen des § 127 Abs. 3 Satz 1 SGB IX hätten geprüft und positiv hätten festgestellt werden müssen, was hier nicht erfolgt sei.
Weiter gehe die Schiedsstelle auf S. 12 in ihrem Schiedsspruch von einem unzutreffenden Sachverhalt insoweit aus, als die Beklagte in allen von ihr betriebenen Einrichtungen dieselben Schutzmaßnahmen vorzunehmen gehabt haben sollte. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, was schon daran deutlich werde, dass jedenfalls im Zuständigkeitsgebiet der Klägerin z.B. gar keine Blutsauerstoffmessungen erforderlich gewesen seien, da solche weder von der Klägerin gefordert, noch vom Städtischen Gesundheitsamt der Klägerin angeordnet worden seien und zudem nach der Wissenschaft auch nicht verlässlich zum Schutz vor bzw. dem Erkennen von Covid-19-Erkrankungen geeignet seien.
Ferner habe die Schiedsstelle in ihrem Schiedsspruch auch unzutreffend angeführt, dass es im Verlauf des Jahres 2021 allenfalls Angebote gegeben habe, pauschale Sachkostenzuschläge in Höhe von 0,97 € je Bewohner und Tag in besonderen Wohnformen 0,32 € je Bewohner und Tag für tagesstrukturierte Angebote zu gewähren. Richtig sei vielmehr, dass die Klägerin der Beklagten zuletzt im November 2021 ein erhöhtes Angebot mit einem corona-bedingten Zuschlag von 1,00 € pro Bewohner und Tag für den Bereich der besonderen Wohnform und einen corona-bedingten Zuschlag von 0,35 € pro Bewohner und Tag für die Tagesstruktur unterbreitet habe, die Beklagte aber auch dieses verbesserte Angebot der Klägerin abgelehnt habe.
Des Weiteren sei der Schiedsspruch auch deshalb rechtswidrig, weil die Schiedsstelle ihren Gestaltungsspielraum verkannt habe. Dies folge bereits daraus, dass die Schiedsstelle dem Schiedsstellenantrag der Beklagten vom 26. Juli 2021, welche in der Schiedsstelle unstreitig erst am 26. Juli 2021 eingegangen sei, für die Zeit ab dem 27. April 2021 stattgegeben habe, obwohl nach § 126 Abs. 3 Satz 5 SGB IX ein rückwirkendes Festsetzen von Vergütungen vor dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei der Schiedsstelle nicht zulässig sei. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beklagte bereits am 27. April 2021 Klage zum SG Heilbronn erhoben habe. Denn entgegen der Rechtsauffassung der Schiedsstelle sei der Zeitpunkt der Klageerhebung beim SG Heilbronn am 27. April 2021 nicht als Zeitpunkt der Antragstellung bei der Schiedsstelle zu werten. Der Gesetzgeber habe in der Gesetzesbegründung ausdrücklich klargestellt, dass in keinem Fall ein rückwirkendes Inkrafttreten einer Vereinbarung oder Festsetzung der Schiedsstelle zulässig sei, sodass auch die Herleitung und Begründung einer derartigen Wertung durch die Schiedsstelle nicht gefolgt werden könne. Da die Schiedsstellenverordnung SGB IX BW am 30. Dezember 2020 im Gesetzblatt verkündet worden sei, habe die erste Amtsperiode der Schiedsstelle am 31. Dezember 2020 begonnen. Folglich hätte die Schiedsstelle nach § 133 SGB IX für BW schon lange vor dem 27. April 2021 von der Beklagten angerufen werden können.
Gegen die „Wertung“ der Schiedsstelle spreche ferner, dass die Beklagte in ihrer am 27. April 2021 zum SG Heilbronn erhobenen Klage auch etwas ganz anderes beantragt habe, als sie mit ihrem hier streitgegenständlichen Schiedsstellenantrag vom 26. Juli 2021 begehrt habe. Denn in ihrer zum SG Heilbronn erhobenen Klage habe die Beklagte die Festsetzung eines ganz bestimmten, betragsmäßig bezifferten Zuschlags zu den bereits zwischen den den Beteiligten bestehenden Vergütungsvereinbarungen durch das Gericht beantragt. Dem Schiedsstellenverfahren habe die Beklagte dagegen die Ersetzung der zwischen den Beteiligten bisher geschlossenen Vergütungsvereinbarung mit komplett neuen Gesamtvergütungen durch die Schiedsstelle beantragt. Die von der Beklagten im genannten Klageverfahren begehrte Festsetzung ganz bestimmter Zuschläge durch das SG sei nach der hier vertretenen Auffassung aber nicht mit der von ihr im Schiedsstellenverfahren begehrten Ersetzung der zwischen ihr und der Klägerin bestehenden Vergütungsvereinbarungen durch die Schiedsstelle gleichzusetzen.
Im Weiteren sieht die Klägerin auch einen Verstoß gegen die materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts in der Begründung des Schiedsspruchs, die einer materiellen Überprüfung nicht standhalte. Zwar werde der Schiedsstelle eine Einschätzungsprärogative zugestanden, die sich am Vereinbarungsspielraum der Vertragsparteien messe. Die Gewährung einer Einschätzungsprärogative setze aber u.a. voraus, dass sich der Schiedsspruch an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts messe, das bedeute insbesondere unter Beachtung der Vorgaben des Leistungserbringerrechts vorgenommen worden sei und eine hinreichende Begründung für die Entscheidung vorliege. Letzteres sei hier aber nicht der Fall. Denn eine hinreichende Begründung in diesem Sinne stelle es nach der hier vertretenen Auffassung jedenfalls nicht dar, wenn die Schiedsstelle zur Begründung ihrer Entscheidung, warum ein Abschlag in Höhe von 30 v.H. auf die von der Beklagten geltend gemachten Pauschalen Vergütungszuschläge für gerechtfertigt gehalten werde, pauschal in einem Halbsatz anführe, „um den Bedenken der Antragsgegnerin gegenüber der Kalkulation der Antragstellerin Rechnung zu tragen.“ Eine derartige „Begründung“ genüge nach klägerischer Auffassung weder dem in § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X normierten Begründungserfordernis, noch halte sie einer materiellen Überprüfung stand, sondern erscheine vielmehr willkürlich.
Im Übrigen wird auf den ausführlichen klägerischen Schriftsatz vom 3. Juni 2022 (Bl. 31 bis Bl. 57 nebst 21 Anlagen sowie die ergänzende Stellungnahme der Klägerin vom 18. November 2022 (Bl. 404) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Schiedsspruch der Schiedsstelle vom 16. Dezember 2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Entscheidung der Schiedsstelle für rechtens. So sei die Schiedsstelle von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen und auch entgegen der Auffassung der Klägerin die verfahrensrechtlichen Vorschriften eingehalten worden. Soweit die Klägerin gestützt auf § 202 Satz 1 SGG und § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG eine „doppelte Verfahrensanhängigkeit“ angenommen habe, sei dies nicht zutreffend, da diese Vorschriften nur das gerichtliche Verfahren beträfen. Beim Schiedsverfahren handele es sich jedoch nicht um ein gerichtliches Verfahren, sodass kein Fall der doppelten Anhängigkeit nach § 202 Satz 1 SGG und § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG vorliege. Für die Beklagte sei die weitere Anhängigkeit vor dem SG Heilbronn auch dringend, da die Konstellation einer sich zu spät konstituierenden Schiedsstelle in der gegenwärtigen Rechtsprechung und Literatur noch nicht behandelt werde und auch im vorliegenden Fall ein Zeitraum vor Konstituierung der Schiedsstelle mitumfasst sei. Es sei also unklar, wie auf gescheiterte Verhandlungen zu reagieren sei, solange sich die Schiedsstelle noch nicht konstituiert habe. Im Übrigen werde hinsichtlich der doppelten Rechts- bzw. Verfahrensanhängigkeit auf die Rechtsausführungen im Schiedsspruch verwiesen.
Anders als die Beklagte meine, fehle dem Schiedsspruch auch nicht die Bestimmtheit. Beim Schiedsspruch handele es sich um einen Verwaltungsakt. Das Bestimmtheitsgebot diene für Verwaltungsakte zunächst der Titelfunktion. Die Behörde, die mit dem Vollzug des Verwaltungsaktes betraut sei, müsse seinen Inhalt etwaigen Vollstreckungshandlungen oder sonstigen Entscheidungen zugrunde legen können. Diese Funktion trete bei einem Schiedsspruch in den Hintergrund: Hier gehe es darum, dass die Beteiligten (also die Klägerin und die Beklagte) wissen sollten, was Inhalt des Schiedsspruches sei.
Zudem diene das Bestimmtheitsgebot dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Gebot der Rechtsklarheit, wonach ein Bürger - der im Subordinationsverhältnis zur Verwaltungsakt erlassenden Behörde stehe - den Inhalt des an ihn gerichteten Verwaltungsaktes erkennen können müsse. Hier aber gehe es um die Regelung einer Streitigkeit durch die Schiedsstelle zwischen Beteiligten im Gleichordnungsverhältnis. Diese beiden Funktionen - Titelfunktion und Rechtsklarheit - würden dafür sprechen, bei Schiedssprüchen das Maß der Bestimmtheit weniger streng zu handhaben. Es komme allein darauf an, ob die vom Schiedsspruch Betroffenen aus dem Schiedsspruch die entsprechende Vergütungshöhe durch Auslegung des Schiedsspruches erschließen könnten. Im Übrigen reiche es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, wenn sich die Regelung des Verwaltungsaktes aus dem gesamten Inhalt des Bescheides unzweifelhaft erkennen lasse. Hier könne ohne Weiteres aus der Begründung des Schiedsspruches errechnet werden, welcher Betrag den tenorierten „70% der jeweils geltend gemachten Erhöhungsbeträge“ entspreche. Der Schiedsspruch sei also hinreichend bestimmt.
Des Weiteren treffe die Schiedsstelle nur eine reduzierte Pflicht zur Amtsermittlung des Sachverhaltes (§ 20 SGBX). Der Schiedsstelle fehle es - anders als einer „klassischen Behörde“ - an einem Verwaltungsunterbau. Eine uneingeschränkte Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes würde die Schiedsstelle überfordern. Dies gelte gerade vor dem Hintergrund, dass die Schiedsstelle gemäß § 126 Abs. 2 Satz 2 SGB IX „unverzüglich“ zu entscheiden habe. Daher werde der Amtsermittlungsgrundsatz im Schiedsverfahren durch besondere Mitwirkungspflichten der Beteiligten in wesentlicher Hinsicht begrenzt (Hinweis auf BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 - B 8 SO 21/14 R - juris Rn. 20). Dies verkenne die Klägerin in mehrfacher Hinsicht. So meine die Klägerin, die Schiedsstelle hätte zum Nachweis der Plausibilität der geltend gemachten corona-bedingten Mehrkosten weitere Unterlagen anfordern müssen. Darauf komme es aber nicht an, da die Klägerin schon nicht in der Lage gewesen sei, die Plausibilität der Mehrkosten im Grundsatz zu erschüttern.
Unzutreffend sei die Auffassung der Klägerin, die Schiedsstelle habe gegen ihre Amtsermittlungspflicht verstoßen, da sie es unterlassen habe, die tatsächlichen Kosten aus der Vergangenheit (also vor Coronazeiträumen) heranzuziehen. Hier habe der Vorsitzende der Schiedsstelle zu Recht darauf hingewiesen, dass Zahlen aus der Vorcoronazeit als Beurteilungsgrundlage für die Postcoronazeit nicht geeignet seien. Soweit die Klägerin auf das Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 (- B 3 P 3/08 R -) verweise und meine, dass Erkenntnisse aus dem Jahr 2021 auf das Jahr 2019 rückbezogen werden könnten, sei dies nicht richtig. Da im Jahr 2019 keine Corona-Pandemie geherrscht habe, seien die in der Vergangenheit liegenden Zahlen für die Beurteilung der corona-bedingten Mehrkosten unbrauchbar. Eine Ermittlung der Schiedsstelle in diese Richtung wäre daher unergiebig geblieben. Es habe also erst recht keine Pflicht zur Vorlage dieser Daten durch die Beklagte bestanden.
Des Weiteren habe die Klägerin gegen ihre Mitwirkungspflichten verstoßen. Indem sie es versäumt habe, im Schiedsverfahren Daten zum externen Vergleich vorzulegen, sie habe vielmehr selbst gegen ihre Mitwirkungspflichten im Schiedsverfahren verstoßen. Hieraus nun zu folgern, die Schiedsstelle hätte in Eigeninitiative diesen externen Vergleich vornehmen müssen, verkenne sie ihre eigenen Mitwirkungspflichten. Die Durchführung des externen Vergleichs sei originäre Aufgabe der Leistungsträger. Jede Vertragspartei habe im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten die Sachverhaltsangaben zu vermitteln, die in ihre Sphäre fallen würden. Deshalb hätte die Klägerin im Rahmen ihrer Mitwirkungsobliegenheiten die entsprechenden Kosten anderer Leistungserbringer aufzeigen müssen, also den externen Vergleich vornehmen müssen. Es sei auch für die Klägerin als Leistungsträgerin ein Einfaches, diese Daten zu ermitteln und vorzulegen (nochmals mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 29. Januar 2009 - B 3 P 7/08 R - juris Rn. 13).
Wenn die Klägerin diesen externen Vergleich selbst nicht vornehme (bzw. vornehmen könne), dürfe sie diese Pflicht nicht der Schiedsstelle aufbürden, die hierzu nicht die personellen und sachlichen Ressourcen habe und zudem weiter von entsprechenden Daten entfernt sei als die Klägerin. Die Klägerin sei schon im Schiedsverfahren zur Vorlage dieser Unterlagen aufgefordert worden, sie sei dieser Forderung allerdings nicht nachgekommen.
Des Weiteren habe die Schiedsstelle auch ihren Gestaltungsspielraum eingehalten. Die von der Schiedsstelle durchgeführte Plausibilitätsprüfung sei ordnungsgemäß gewesen. Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung stehe der Schiedsstelle kein Entscheidungsfreiraum zu, vielmehr erschöpfe sich die Plausibilitätsprüfung in einer Schlüssigkeitsprüfung. Eine Plausibilitätsprüfung soll gerade - wegen der begrenzten Ressourcen der Schiedsstelle - mit geringerem Aufwand durchführbar sein. Die Anforderungen an die Plausibilitätsprüfungen seien dadurch erfüllt, dass die geltend gemachten Kosten nachvollziehbar seien (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 - B 8 SO 21/14 - juris Rn. 19). Daher sei es ausreichend, wenn die Beklagte im Rahmen des Schiedsverfahrens nachvollziehbar habe darstellen können, mit welchen prospektiven Mehrkosten sie in der Zukunft rechne. Um die Plausibilität der Mehrkosten zu erschüttern, hätte die Klägerin daher darlegen müssen, dass die geltend gemachten Mehrkosten unplausibel seien. Dies habe die Klägerin nicht getan und daher versucht, durch Beweisanträge die Schiedsstelle zu einer Amtsermittlung zu bewegen, die der Schiedsstelle nicht obliege. Die Klägerin verlange vielmehr einen Vollbeweis der entstandenen Mehrkosten mit einer detaillierten kalkulatorischen Herleitung der Kosten. Darauf könne es aber im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung nicht ankommen. Die hinsichtlich der erhöhten Personalkosten durchgeführte Plausibilitätsprüfung der Schiedsstelle sei auch ordnungsgemäß gewesen, die Schiedsstelle habe u.a. auch auf Basis von Zeugenaussagen die Nachvollziehbarkeit der Mehrkosten geprüft und gewertet. Auch hinsichtlich der Sachkosten lasse der Schiedsspruch keinen Rechtsfehler erkennen. Dass im Rahmen der Corona-Pandemie mit erhöhten Sachkosten zu rechnen gewesen sei, dürfte unbestritten sein. Die prospektiv angesetzten Kostenpositionen hatten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle anhand der vorgelegten Kalkulationen nachvollzogen werden können.
Es liege auch kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor. Die Ausführungen der Klägerin zu § 126 Abs. 3 SGB IX könnten nicht überzeugen. Hätte sich zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem SG Heilbronn bereits eine Schiedsstelle konstituiert, hätte die Beklagte diese anrufen können und der Schiedsspruch hätte gemäß § 126 Abs. 3 Satz 3 SGB IX sich auf diesen Zeitpunkt rückwirken können. Da sich die Schiedsstelle jedoch entgegen den gesetzlichen Vorgaben erst in der Sitzung vom 6. Juli 2021 konstituierte, sei der Beklagten faktisch die Möglichkeit der Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 126 Abs. 3 Satz 3 SGB IX genommen worden. Hier habe die Schiedsstelle aufgrund der planwidrigen Regelungslücke in § 126 Abs. 3 Satz 3 SGB IX analog herangezogen und die Rückwirkung der Schiedsstellenentscheidung auf den Zeitpunkt der Klageerhebung bei Gericht zuzulassen gehabt. Zudem sei die Klage vor dem SG Heilbronn als Ersetzung eines damals noch nicht möglichen Schiedsstellenantrages zu sehen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei noch keine Schiedsstelle errichtet bzw. konstituiert worden. Die Klage sei am 27. April 2021 erhoben worden, die Schiedsstelle habe sich erst in der Sitzung vom 6. Juli 2021 konstituiert. Als die Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Beklagten Ende März 2021 scheiterten, hätte die Beklagte eigentlich die Schiedsstelle anrufen müssen, diese habe zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht existiert. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes sei es daher angezeigt gewesen, Klage vor dem SG Heilbronn zu erheben. Die Klage vor dem SG Heilbronn ersetze somit die Antragstellung bei der Schiedsstelle, damit gemäß § 126 Abs. 3 Satz 3 SGB IX auf den Tag des Eintritts der Anhängigkeit bei Gericht abgestellt werden könne. Wäre die Schiedsstelle fristgerecht bis zum 1. Januar 2020 gebildet worden, hätte die Beklagte auch den Antrag stellen können, tatsächlich sei die Schiedsstelle jedoch erst ca. 1,5 Jahre später errichtet worden. Das Argument der Klägerin, dass unter Verweis auf § 17 Abs. 2 der Schiedsverordnung SGB IX Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2020 eine Anrufung der Schiedsstelle schon ab dem 31. Dezember 2020 möglich gewesen wäre, überzeuge nicht. § 17 Abs. 2 der Schiedsverordnung SGB IX BW bestimme lediglich, ab wann die Amtsperiode der Schiedsstelle beginne. Die Norm habe also einen rein formalen Charakter. Für die Anrufung der Schiedsstelle sei hingegen ihre Bildung nach § 1 Schiedsverordnung SGB IX BW maßgeblich.
Ebenso wenig durchschlagend sei die Auffassung der Klägerin, die Beklagte hätte sich an das Sozialministerium als Rechtsaufsichtsbehörde wenden sollen. Dem Sozialministerium obliege nur die Rechts-, nicht aber auch die Fachaussicht. Das Sozialministerium hätte also - anders als ein Gericht - keine eigene Entscheidung treffen können.
Wenn die Klägerin moniere, der pauschale Abschlag von 30% auf die geltend gemachten Mehrkosten sei nicht ordnungsgemäß begründet, verkenne sie die Funktion der Schiedsstelle als paritätisch mit Interessenvertretern aus dem Lager der Klägerin und der Beklagten zusammengesetztes Gremium, dem eine erhebliche Einschätzungsprärogative zustehe. Gerade durch solche pauschalen Kürzungen werde die Schiedsstelle ihrer Vermittlungsfunktion gerecht. Dieser Vermittlungsfunktion sind „Alles-oder-nichts-Entscheidungen“ fremd. Hier sei die Begründung der Kürzung unter Hinweis auf die Unzulänglichkeiten bei den prospektiven Ermittlungen der pandemiebedingten Mehrkosten und unter Bezugnahme auf die von der Klägerin selbst vorgebrachten Argumente erfolgt.
Soweit die Klägerin ferner meine, die Schiedsstelle sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, übersehe sie, dass die hier vorgelegten Vereinbarungen (Anlage K 16 und K 17) jeweils unter ausdrücklichem Ausschluss der corona-bedingten Mehrkosten geschlossen worden sei und darauf verwiesen worden sei, dass diese separat verhandelt werden sollten. Durch diese von der Klägerin unterschriebene Erklärung habe sie deutlich zum Ausdruck gebracht, dass über die corona-bedingten Mehrkosten noch separat verhandelt werde. Daher könne es sich bei den von der Schiedsstelle beschiedenen Anträgen nicht um Änderungsanträge gemäß § 127 Abs. 3 Satz 1 SGB IX handeln. Der von der Klägerin nun in der Klage dargestellte Sachverhalt widerspreche vielmehr dem vorherigen Verhalten der Klägerin und sei daher als widersprüchliches Verhalten zu qualifizieren.
Auch der Hinweis der Klägerin auf die Landeshilfe verfange aus mehreren Gründen nicht. Es sei schon in der Vereinbarung selber ausdrücklich vermerkt „Die freiwillige Landeshilfe ersetze auch nicht die Verantwortung der jeweils örtlich zuständigen Stadt- und Landkreise als Träger der Eingliederungshilfe bzw. Sozialhilfe und deren Verpflichtung, die erforderlichen, angemessenen, tatsächlich entstandenen, bisher nicht gedeckten bzw. bisher nicht vergüteten corona-bedingten Mehraufwendungen der für sie tätigen Leistungserbringer über das Vertragsrecht zu vergüten.“
Zum anderen werde in §§ 1 und 2 der Vereinbarung zur Ausführung der freiwilligen Unterstützung durch das Land für die Stadt- und Landkreise festgehalten, dass die Landeshilfe als komplementäre freiwillige Hilfe der im Jahr 2020 entstandenen corona-bedingten Mehraufwendungen dienen solle. Die corona-bedingten Mehrkosten für das Jahr 2021 seien vom Anwendungsbereich der Landeshilfe gar nicht erfasst.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Klageerwiderung der Beklagten vom 28. September 2022 (Bl. 389 bis Bl. 402 LSG-Akte) Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 12. Juli 2023 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird im Übrigen auf die Senatsakte sowie die Akten der Schiedsstelle (zwei Bände Leitzordner) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Klage ist zulässig und begründet.
Für die erhobene Klage gegen die Entscheidung der Schiedsstelle, einer Schiedsstelle nach § 133 SGB IX ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet (§ 126 Abs. 2 Satz 3 SGB XII). Das LSG ist im ersten Rechtszug zuständig (§ 29 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 57 Abs. 1 Satz 2 SGG, da der beklagte Leistungserbringer seinen Sitz in Baden-Württemberg hat.
Zutreffend richtet sich die Klage nicht gegen die Schiedsstelle, sondern gegen die andere Vertragspartei (§ 126 Abs. 2 Satz 4 SGB IX).
Die Schiedsstelle ist nicht notwendig beizuladen.
Richtige Klageart ist die isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Bei dem Spruch der Schiedsstelle nach § 133 SGB XII handelt es sich um einen vertragsgestaltenden Verwaltungsakt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 2014 - B 8 SO 2/13 R -, veröffentlicht in juris; Urteil vom 13. Juli 2017 - B 8 SO 21/15 R -, veröffentlicht in juris, jeweils noch zur Schiedsstelle nach § 81 SGB XII). Denn wie auch sonst im Sozialrecht hat der Schiedsspruch eine Doppelnatur: Gegenüber den Parteien des Schiedsverfahrens ist er ein Verwaltungsakt, weil er die fehlende Einigung der Parteien über eine Sachentscheidung ersetzt und damit in deren Kompetenz eingreift, die Sachentscheidung nur in gegenseitigem Einvernehmen zu treffen; die Sachentscheidung als solche hat dagegen denselben Rechtscharakter, wie wenn sie von den Parteien einvernehmlich getroffen worden wäre. Hat die Anfechtungsklage Erfolg, ist nach Aufhebung des Schiedsspruchs das Schiedsverfahren wiedereröffnet, sodass es auch in der Sache einer Zurückverweisung an die Schiedsstelle im Rahmen einer Verpflichtungsbescheidungsklage nicht bedarf (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 2014, a.a.O.).
Einer Nachprüfung der Entscheidung der Schiedsstelle in einem Vorverfahren bedurfte es nicht (§ 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG i.V.m. § 126 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Die Klägerin hat auch die für die Anfechtungsklage geltende einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 1 SGG mit der Erhebung der Klage am 7. März 2022 - Zugang des Schiedsspruchs am 9. Februar 2022 - gewahrt.
Die Klage ist auch begründet. Der Schiedsspruch ist formell rechtmäßig, materiell aber rechtswidrig.
II.
Der Schiedsspruch ist formell rechtmäßig.
Die Schiedsstelle hat zutreffend ihre Zuständigkeit bejaht und den Antrag der Beklagten als zulässig angesehen. Die Schiedsstelle hat auch zu Recht den Zeitpunkt der Klageerhebung beim SG Heilbronn am 27. April 2021 im Rahmen des § 126 Abs. 3 SGB IX als Zeitpunkt der Antragstellung bei der Schiedsstelle gewertet.
Denn die Schiedsstelle nach § 133 SGB IX in Baden-Württemberg wurde erst zum 6. Juli 2021 konstituiert. Auf die von der Klägerin abgestellte Verabschiedung der Schiedsverordnung vom Dezember 2020 zum 31. Dezember 2020 ist nach Überzeugung des Senates nicht abzustellen, da darin lediglich insoweit formell die Dauer der Amtsperiode festgestellt wurde, aber gerade nicht die Schiedsstelle selbst auch bereits konstituiert wurde. Die maßgebliche Regelung war bereits im Dezember 2016 verabschiedet worden und am 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Spätestens zum 1. Januar 2020 war damit die Existenz einer Schiedsstelle für das SGB IX unverzichtbar gewesen, da zu diesem Zeitpunkt die aus dem SGB XII in das SGB IX überführten Vorschriften über die Eingliederungshilfe ihre Wirksamkeit entfalteten und damit ein Rechtsschutz über § 81 SGB XII nicht mehr möglich war.
Da § 126 Abs. 2 SGB IX Rechtsschutz im Zusammenhang mit Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nur durch Anrufung der Schiedsstelle nach § 133 SGB IX vorsieht und § 126 Abs. 3 SGB IX zudem bestimmt, dass der Zeitpunkt der Einschaltung der Schiedsstelle maßgeblichen Einfluss auf das Wirksamwerden einer Vergütungsvereinbarung hat, greift auch nach Auffassung des Senates diese Situation ohne eine funktionierende Schiedsstelle unmittelbar in die wirtschaftliche Stellung eines Leistungserbringers ein, sodass hier im Hinblick auf die langdauernde Untätigkeit der zuständigen staatlichen Stellen die Anrufung der Sozialgerichte aus Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG (GG) gerechtfertigt war.
Nachdem der hier streitige Vergütungszeitraum zum Zeitpunkt der Klageerhebung beim SG bzw. der Antragstellung bei der Schiedsstelle (noch) nicht in der Vergangenheit lag und damit dem Ausschluss nach § 126 Abs. 3 Satz 5 SGB IX unterfiel, ist die Schiedsstelle zutreffend von ihrer nunmehr nach der Konstituierung ausschließlichen Zuständigkeit für Vergütungsstreitigkeiten ausgegangen. Eine mögliche „Ersatzzuständigkeit“ der Sozialgerichte hatte sich jedenfalls für den Zeitraum ab 27. April 2021 damit erledigt. Eine wie von der Klägerin angesprochene doppelte „Rechts- bzw. Verfahrensanhängigkeit“ bestand daher nicht, zumal es sich hier auch nicht um zwei parallel anhängige Gerichtsverfahren im Sinne von § 17 GVG handelt.
Zutreffend ist die Schiedsstelle des Weiteren auch entgegen der Auffassung der Klägerin davon ausgegangen, dass es sich hier nicht um Änderungsanträge nach § 127 Abs. 3 SGB IX handelt. Denn hier sollen nicht die zwischen den Beteiligten am 10. Februar 2021 für den hier streitigen Zeitraum abgeschlossenen, gültigen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen abgeändert werden. Die Beteiligten hatten sich vielmehr am 10. Februar 2021 übereinstimmend darauf geeinigt, dass in den vereinbarten Vergütungen keine Personal- und Sachkosten berücksichtigt waren, die unmittelbar durch die Corona-Pandemie entstanden waren. Hierüber sollte vielmehr separat verhandelt werden, d. h. also eine eigenständige Vergütungsvereinbarung getroffen werden. Was allerdings scheiterte – Verhandlungen scheiterten bzw. kamen schon gar nicht zustande –, weshalb sich die Beklagte daraufhin (mangels einer bis dahin konstituierten Schiedsstelle) stattdessen an das SG Heilbronn im Wege der Klage wandte.
III.
Der Schiedsspruch ist jedoch nicht hinreichend bestimmt. Die Schiedsstelle hat keinen konkreten auf Euro und Cent bestimmten Betrag genannt, sondern tenoriert, dass dem Antrag der Beklagten in Höhe von 70 % der jeweils geltend gemachten Erhöhungsbeträge stattgegeben wird. Zwar handelt es sich bei der Klägerin und der Beklagten nicht um ein Über- und Unterordnungsverhältnis, sondern um zwei gleichgeordnete Parteien, dennoch gilt auch für den Schiedsspruch, dass er vollstreckbar sein muss, um gegebenenfalls eine der Parteien auch zur Umsetzung im Sinne des Schiedsspruches zwingen zu können. An einer Vollstreckbarkeit fehlt es aber im Hinblick auf den unbezifferten Tenor im Schiedsspruch.
Die Schiedsstelle war im Weiteren allerdings grundsätzlich berechtigt, ihrer Entscheidung unter anderem die von der Beklagten vorgelegte und erläuterte Kalkulation zugrunde zu legen. Die Schiedsstelle hat sich insoweit auch im Rahmen des ihr von der Rechtsprechung eingeräumten Gestaltungsspielraumes bewegt (siehe unter anderem BSG, Urteil vom 23. Juli 2014 - B 8 SO 2/13 R -, Urteil vom 7. Oktober 2015 - B 8 SO 21/14 R -, Urteil vom 28. Januar 2021 - B 8 SO 6/19 R -, jeweils juris). Bei der Plausibilitätsprüfung (Personal- und Sachkosten) steht der Schiedsstelle kein Entscheidungsfreiraum im eigentlichen Sinne zu, sondern mit Rücksicht auf ihre beschränkte Leistungskapazität obliegt ihr (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Vortrages der Beteiligten, die als solche gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar ist (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 - B 8 SO 21/14 R - juris Rn. 18).
Zwar gilt auch für das Verfahren vor der Schiedsstelle der Ermittlungsgrundsatz des § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X); die Mitglieder der Schiedsstelle üben ihr Amt aber als Ehrenamt aus (§ 80 SGB XII bzw. §133 Abs.4 SGB IX). Schon daraus, und der Zusammensetzung der Schiedsstelle mit einem fehlenden Verwaltungsunterbau wird deutlich, dass die Notwendigkeit zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts nicht gefordert werden kann; eine uneingeschränkte Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes für die Schiedsstelle würde diese überfordern und das Verfahren entgegen dem gesetzlichen Gebot, dass von der Schiedsstelle "unverzüglich" zu entscheiden ist (vgl § 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII bzw. § 126 Abs. 2 Satz 2 SGB IX), zudem erheblich verzögern. Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Schiedsverfahrens ist der Ermittlungsgrundsatz deshalb durch besondere Mitwirkungspflichten der Beteiligten in wesentlicher Hinsicht begrenzt (BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 - B 8 SO 21/14 R - juris Rn. 20 mit Hinweis auf Jaritz/Eicher in jurisPK SGB XII, § 80 SGB XII Rn. 42; Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 10. Aufl 2015, § 80 Rn. 8; Schellhorn in Schellhorn/Hohm/ Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 80 SGB XII Rn. 4).
Die Schiedsstelle hat es allerdings im Rahmen der hier vorzunehmenden Plausibilitätsprüfung hinsichtlich der Kalkulation der Beklagten unterlassen, im Rahmen der auch ihr obliegenden Amtsermittlung bei der Beklagten - nach der ausdrücklichen Anforderung durch die Klägerin (vertreten durch den KVJS) mit Schreiben vom Dezember 2021 - Vergleichszahlen für den Zeitraum März 2019 bis Februar 2020 und März 2020 (Beginn der Corona-Pandemie) bis Februar 2021 hinsichtlich der jeweiligen gesamten Personal- und Sachkosten aufgeschlüsselt pro Tag und Bewohner anzufordern.
Denn bei Zweifeln über die voraussichtlichen künftigen Gestehungskosten - die die Schiedsstelle offenkundig durchaus hatte, weshalb letztlich von der Schiedsstelle auch ein 30 %iger Abschlag vorgenommen worden war - kann die Nachweispflicht der Einrichtung über die voraussichtlichen künftigen Gestehungskosten bis zum Nachweis der in der Vergangenheit angefallenen Kosten reichen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 P 3/08 R - juris Rn. 54). Denn auch wenn die zu vereinbarenden Gestehungskosten prospektiv zu betrachten sind, ist eine Orientierung an bereits entstandenen Kosten, also an den retrospektiven Selbstkosten, mit dem System der Prospektivität nicht generell unvereinbar (so bereits Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 1. Dezember 1998 - 5 C 17/97 -, juris Rn. 23). Nur ist die tatsächliche Höhe der in der Vergangenheit entstandenen Kosten jetzt nicht mehr Ausgangspunkt, sondern lediglich einer von mehreren Anhaltspunkten für die Entgeltgestaltung (so BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 - B 8 SO 1/14 R -, juris Rn. 22 unter Hinweis auf BVerwG aaO). Die Schiedsstelle wird daher entsprechend der Aufforderung durch die Klägerseite im Schriftsatz des KVJS vom 2. Dezember 2021 (Bl. 4/36 Akte der Schiedsstelle) die auf Seite 13 aufgeführten Unterlagen, Nachweise und Belege zu den einerseits (insgesamt) in 2019 bzw. März 2019 bis Februar 2020 und andererseits (insgesamt) in 2020 bzw. März 2020 bis Februar 2021 entstandenen entsprechenden Kosten hinsichtlich Personal und Sachmittel anzufordern und beizuziehen haben. Die Beklagte hat zwar im Rahmen ihres Antrages mit Schreiben vom 10. August 2021 unter anderem in den Anlagen (A2 bis A4 und A6 ff.) auch die nach ihrem Vortrag in 2020 hier entstandenen Mehrkosten in diesen Bereichen aufgeführt. Es fehlt aber der schon erwähnte Vergleich zwischen den Gesamtkosten in 2019 (vor der Corona-Pandemie) und den Gesamtkosten in 2020 (während der Corona-Pandemie).
Denn entgegen der Auffassung der Schiedsstelle und der Beklagten hätte zur Überzeugung des Senates mit einem Vergleich dieser Zahlen hinsichtlich des Anstieges der tatsächlichen Kosten bzw. des prozentualen Anstieges bezogen auf den Zwölf-Monats-Zeitraum vor Beginn der Corona-Pandemie und bezogen auf den Folgezeitraum über zwölf Monate während der Corona-Pandemie die Möglichkeit bestanden eine Gegenprüfung zur Plausibilität und Schlüssigkeit der von der Beklagten vorgelegten Kalkulation zur Höhe des Vergütungsaufschlages (wegen coronabedingter Mehrkosten) für 2021 vorzunehmen.
Nicht zu beanstanden ist allerdings soweit die Schiedsstelle - entgegen der Kritik der Klägerin hier im Klageverfahren - keinen externen Vergleich vorgenommen hat (zur Zulässigkeit des externen Vergleichs auch im Rahmen einer sozialhilferechtlichen Schiedsstelle siehe BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 - B 8 SO 21/14 R -, juris Rn. 23). Denn wie insoweit zutreffend von der Beklagten entgegengehalten, wäre die Schiedsstelle hiermit überfordert gewesen, dies in eigener Regie zu ermitteln. Vielmehr ist hier die Mitwirkungspflicht der Klägerin gefragt gewesen, denn die entsprechenden Informationen und Zahlen befinden sich in der Sphäre der Klägerin. Die Durchführung des externen Vergleichs ist originäre Aufgabe der Leistungsträger. Jede Vertragspartei hat im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten die Sachverhaltsangaben zu vermitteln, die in ihre Sphäre fallen würden. Deshalb hätte die Klägerin im Rahmen ihrer Mitwirkungsobliegenheiten die entsprechenden Kosten anderer Leistungserbringer aufzeigen müssen, also den externen Vergleich vornehmen müssen. Es ist auch für die Klägerin als Leistungsträgerin ein Einfaches, diese Daten zu ermitteln und vorzulegen (siehe dazu auch BSG, Urteil vom 29. Januar 2009 - B 3 P 7/08 R - juris Rn. 13). Nachdem die Klägerin aber keinerlei Veranlassung gesehen hatte einen entsprechenden externen Vergleich hier im Verfahren vorzulegen, also ihrer die Amtsermittlungspflicht der Schiedsstelle begrenzenden Mitwirkungspflicht (siehe BSG, Urteil vom 7. Oktober 2015 - B 8 SO 21/14 R - juris Rn. 20) insoweit nicht nachgekommen ist, kann sich umgekehrt die Klägerin nunmehr nicht darauf berufen, dass die Schiedsstelle einen solchen externen Vergleich nicht vorgenommen hat.
Aus diesen Gründen ist der Schiedsspruch aufzuheben. Die Schiedsstelle wird nunmehr erneut über den Antrag der Beklagten zu entscheiden haben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens (§ 197a SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 162 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.