L 2 SO 944/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SO 337/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 944/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Februar 2022 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Übernahme von Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 2.008,71 €.

Der 1966 im Kosovo geborene Kläger bezog vom Beklagten bis zum 31. Mai 2019 existenzsichernde Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII).
Der Kläger ist nach dem Ergebnis einer Begutachtung durch die Deutsche Rentenversicherung W1 vom 27. Mai 2013 auf Dauer voll erwerbsgemindert, Rentenansprüche bestehen jedoch keine. Der Grad der Behinderung (GdB) ist mit 100 festgestellt.
Der Kläger steht zwar unter Betreuung (für Aufenthaltsbestimmung, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Gesundheitsfürsorge bzw. Behördenangelegenheiten, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten), ein Einwilligungsvorbehalt für Gerichtsverfahren besteht jedoch nicht.
Der Kläger befindet sich seit dem 1. Februar 2019 in der barrierefreien Notunterkunft der Stadt B1 in der K1straße, in die er eingewiesen wurde und seither gemeldet ist.

Mit Bescheid vom 29. März 2019 waren dem Kläger zuletzt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für den Zeitraum 1. November 2018 bis 31. Oktober 2019 bewilligt worden. Bei der Bewilligung war der Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge.
Nachdem dem Beklagten bekannt geworden war, dass der Kläger Halter eines am 29. Januar 2019 zugelassenen Kraftfahrzeugs mit dem Kennzeichen xxx sei, war er mit Schreiben vom 17. April 2019 um Auskünfte zum Fahrzeug gebeten und ihm mitgeteilt worden, dass sich der Wert des Fahrzeugs auf die Grundsicherungsleistungen auswirken könne. Der Kläger war aufgefordert worden, als Nachweis für den Wert des Kraftfahrzeugs Unterlagen, z.B. die Kopie des Kaufvertrages oder eine kostenfreie Händlerbescheinigung mit Angaben über den Kilometerstand vorzulegen. Er habe auch mitteilen sollen, aus welchen Mitteln er den Kaufpreis des Fahrzeuges finanziert gehabt habe und hierfür entsprechende Nachweise vorlegen sollen.
Nachdem der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung die vom Beklagten angeforderten Auskünfte und Unterlagen nicht vorgelegt hatte, war mit Bescheid vom 27. Mai 2019 die Gewährung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit Bewilligungsbescheid vom 29. März 2019 mit Wirkung zum 1. Juni 2019 wegen fehlender Mitwirkung aufgehoben und die Leistungsgewährung entzogen worden. Der Kläger war in dem Zusammenhang darauf hingewiesen worden, dass soweit die Mitwirkung nachgeholt werde, Leistungen nachträglich ganz oder teilweise erbracht werden könnten (§ 67 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - <SGB I>).

Ein in der Folge am 19. Juni 2019 vom Kläger beim Sozialgericht (SG) Freiburg gestellter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (S 7 SO 2571/19 ER), mit dem der Beklagte verpflichtet werden sollte, dem Kläger Leistungen zum Lebensunterhalt zu gewähren, blieb erfolglos (Beschluss des SG vom 7. August 2019, der den Eilantrag als unzulässig ablehnte, Beschluss des Landessozialgerichts <LSG> Baden-Württemberg vom 3. September 2019, mit dem die Beschwerde zurückgewiesen wurde - L 7 SO 2863/19 ER-B -).
In der Folge stellte der Kläger weitere Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG, mit denen jeweils der Beklagte verpflichtet werden sollte, vorläufig Leistungen nach dem SGB XII an den Kläger zu gewähren. Sämtliche Anträge blieben ohne Erfolg.

Am 27. August 2020 stellte der Kläger einen weiteren Eilantrag beim SG (S 6 SO 3017/20 ER) und erhob parallel Klage (S 6 SO 3016/20). Er beantragte in dem Zusammenhang, den Beklagten zu verpflichten, die „nicht bezahlten Beiträge für die Krankenkasse unverzüglich vorzunehmen und die ausgewiesenen Beträge unverzüglich an die H1 Krankenkasse zu überweisen“. Beigelegt worden war eine Aufstellung der H1 Krankenkasse vom 24. August 2020, aus der hervorgeht, dass Beitragsrückstände in Höhe von 872,76 € für die Zeit vom 1. April 2020 bis 31. Juli 2020 entstanden gewesen seien. Das SG wies den Eilantrag mit Beschluss vom 21. September 2020 als unzulässig zurück und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2020 ab.

Mit dem hier streitigen Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2021 wurde der im Rahmen des Eilverfahrens S 6 SO 3017/20 ER gestellte Antrag des Klägers vom 27. August 2020 auf Übernahme der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgelehnt, da die Bedürftigkeit des Klägers weiterhin nicht geklärt sei.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2021, eingegangen beim Beklagten am 21. Januar 2021, erhob der Kläger Widerspruch gegen „alle Entscheidungen des Jahres 2019/2020/2021“, da diese „offensichtlich rassistisch und nationalsozialistisch motiviert“ gewesen seien.

Noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides hat der Kläger am 3. Februar 2021 Klage zum SG erhoben und in dem Zusammenhang ein Mahnschreiben der H1 Krankenkasse vom 25. Januar 2021 vorgelegt. Darin wird er aufgefordert, rückständige Beiträge in Höhe von 2.008,71 € zu überweisen. Der Kläger hat geltend gemacht, dass der Beklagte zu verpflichten sei, diese aufgrund der unzulässigen Weigerung der Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen entstandenen Kosten an die Krankenkasse zu überweisen.

Der Beklagte war dem entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, dass die Klage bereits unzulässig sei, da hinsichtlich der Gewährung von Krankenversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis 31. Juli 2020 mit Bescheid vom 12. Januar 2021 eine Entscheidung getroffen und die Übernahme abgelehnt worden sei. Soweit ein Schreiben des Klägers vom 19. Januar 2021 (Widerspruch gegen „alle Entscheidungen des Jahres 2019/2020/2021“) als Widerspruch auch gegen diesen Bescheid gedeutet werde, sei das Widerspruchsverfahren noch nicht mit einem Widerspruchsbescheid beendet und hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge ab dem 1. August 2020 noch überhaupt keine Verwaltungsentscheidung getroffen worden. Der Beklagte machte weiter geltend, dass die Klage auch im Übrigen unbegründet wäre, da eine Übernahme der Beiträge nach § 32 SGB XII Bedürftigkeit voraussetze. Eine solche liege nicht vor, da davon auszugehen sei, dass der Kläger in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bestreiten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2021 – der allerdings wohl dem SG nicht bekannt war – wies der Beklagte u.a. den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 12. Januar 2021 zurück. Der Beklagte ging davon aus, dass sich das Schreiben vom 19. Januar 2021, auch wenn hier keine Bescheide konkret benannt worden seien, jedenfalls aufgrund der zeitlichen Nähe zwischen Widerspruch und Bescheid vom 12. Januar 2021 u.a. gegen diesen Bescheid richten sollte. Der Widerspruch sei zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der von ihm begehrten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Die nach § 32 SGB XII i.V.m. den §§ 27 und 19 SGB XII geforderten Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da der Kläger nach Überzeugung des Beklagten in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Vermögen und Einkommen zu bestreiten. Eine Hilfebedürftigkeit des Klägers habe auch weiterhin nicht festgestellt werden können. Der Kläger habe auch bis heute seine Mitwirkungspflichten nicht nachgeholt.
Der Kläger beziehe bereits seit 22 Monaten keinerlei Leistungen vom Beklagten mehr und sei offenkundig dennoch in der Lage gewesen, jedenfalls bis April 2020 Krankenversicherungsbeiträge zu leisten. Im Übrigen sei er, sofern er die rückständigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nicht voll umfänglich leisten könne, zunächst vorrangig auf zumutbare und geeignete Selbsthilfemöglichkeiten zu verweisen, so u.a. das Bemühen um eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Krankenkasse. Solche Bemühungen habe der Kläger nicht aufgezeigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Februar 2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass soweit eine Verwaltungsentscheidung hinsichtlich der Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge nicht vorliege, die Klage bereits unzulässig sei, da es an einer Klagebefugnis im Sinne von § 54 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fehle, weil hinsichtlich des Klagebegehrens schon keine gerichtlich überprüfbare Verwaltungsentscheidung vorliege, weshalb die Klage schon als unzulässig abzuweisen sei. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 SGG - wie sie für eine Nachholung des Vorverfahrens nach § 78 SGG in Betracht kommen möge - scheide aus. Denn eine solche Klage „auf Vorrat“ sei grundsätzlich abzulehnen. Da zunächst überhaupt eine Befassung der Verwaltung mit der Sache erfolgt sein müsse, bevor gerichtlicher Rechtsschutz in Betracht komme, bleibe die auf solche Art verfrüht erhobene Klage auch dann unzulässig, wenn Antrag und Verwaltungsverfahren im Laufe des Klageverfahrens nachgeholt würden.
Die Klage sei auch insoweit unzulässig, soweit sich die Ablehnung der Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis 31. Juli 2020 mit Bescheid vom 12. Januar 2021 im Widerspruchsverfahren befinde. Denn insoweit sei das Vorverfahren ohne Erlass eines Widerspruchsbescheides nicht abgeschlossen, sodass es der Klage an der nach § 78 SGG erforderlichen Sachurteilsvoraussetzung mangele. Eine Aussetzung entsprechend § 114 Abs. 2 SGG zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens komme vorliegend nicht in Betracht. Der Kläger stelle immer wieder eine Vielzahl von Anträgen direkt bei Gericht und warte offensichtlich bewusst und trotz Kenntnis der Erforderlichkeit weder Antrags- noch Widerspruchsverfahren ab. Dieses rechtsmissbräuchliche Verhalten führe dazu, dass nicht zuletzt aus präventiven Gründen von dieser der Prozessökonomie und dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes dienenden Praxis hier kein Gebrauch gemacht werden könne.

Der Kläger hat gegen den seiner Betreuerin S1 mit Postzustellungsurkunde (PZU) am 21. Februar 2022 zugestellten Gerichtsbescheid am 29. März 2022 (Dienstag) zu Protokoll beim SG (siehe Bl. 32 SG-Akte) Berufung eingelegt. Ausführungen zur Sache macht der Kläger in seinem mehrseitigen Fax vom 10. Juni 2021 an keiner Stelle, er beschränkt sich im Großen und Ganzen auf Beschimpfungen und Beleidigungen der Richterinnen und Richter des SG.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Februar 2022 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Beitragsrückstand bei der H1 Krankenkasse in Höhe von 2.008,71 € zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend und hat ergänzend noch darauf hingewiesen, dass der Kläger in Bezug auf die Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge für den Zeitraum ab 1. August 2020 keinen konkreten Antrag gestellt habe. Mit dem Klageantrag vom 3. Februar 2021 seien lediglich pauschal rückständige Krankenkassenbeiträge in Höhe von 2.008,71 € geltend gemacht worden. Ein Antrag auf Übernahme von rückständigen Krankenversicherungsbeiträgen ab dem 1. August 2020 habe dem Beklagten zum Zeitpunkt der Klageeinreichung am 3. Februar 2021 jedenfalls nicht vorgelegen. Die vom Kläger in der Folge gestellten Anträge auf Übernahme rückständiger Krankenkassenbeiträge seien beschieden worden. Dem Antrag des Klägers vom 10. Mai 2021 auf Übernahme der „bisher nicht gezahlten Kosten der Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Haftpflichtversicherung, Hausratsversicherung“ (Bl. 1951 Verwaltungsakte – VA -) sei mit Bescheid vom 16. Juli 2021 (Bl. 19233) nicht entsprochen worden. Dem Antrag vom 14. August 2021 auf Übernahme der „bisher nicht gezahlten Kosten für Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Haftpflichtversicherung sowie Hausratversicherung in Höhe von 30.000,00 €“ (Bl.1953 VA) sei mit Bescheid vom 1. März 2022 nicht entsprochen worden.

Der Beklagte hat in dem Zusammenhang auf Nachfrage des Senats auch den Widerspruchsbescheid vom 30. März 2021 noch vorgelegt.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2023 wurde der Kläger noch darauf hingewiesen, dass die Berufung möglicherweise verfristet und damit unzulässig sein dürfte. Mit Schreiben vom 3. März 2023 hat der Kläger erklärt, er bitte darum, nicht für das, was „seine Betreuer tun oder nicht tun“, bestraft zu werden, und beantrage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (drei Bände) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe

I.


Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2023 auch in Abwesenheit des Klägers über den Rechtsstreit entscheiden, da der Kläger ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde (PZU) vom 12. Januar 2023 (den Betreuern parallel zugestellt am 12. bzw. 16. Januar 2023) zum Termin geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.


II.

Die Berufung ist bereits unzulässig.

Gemäß § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, sofern sie nicht statthaft ist oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wurde.

Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Die Berufungsfrist ist gemäß § 151 Abs. 2 SGG auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (Satz 1). In diesem Falle legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder die Niederschrift mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor (Satz 2).

Der Gerichtsbescheid wurde der Betreuerin des Klägers am 21. Februar 2022 entsprechend den §§ 63 Abs. 2 SGG175 ZPO mit PZU zugestellt. Damit endete die Berufungsfrist von einem Monat (§ 151 Abs. 1 SGG) mit Ablauf des 21. März 2022 (Montag). Zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung beim Sozialgericht am 29. März 2022 (Dienstag) war damit die Berufungsfrist bereits abgelaufen.

Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist dem Betroffenen auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist (hier die Berufungsfrist) einzuhalten. Soweit der Kläger mit Schreiben vom 3. März 2023 nunmehr noch ausführt, er bitte darum, nicht bestraft zu werden für das, was seine Betreuer tun oder nicht tun, und beantrage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, stellt dies keinen Grund für eine Wiedereinsetzung hinsichtlich der Fristversäumnis dar. Der Kläger muss sich vielmehr mögliche Fehler seiner Betreuer (benannt wurden vom Kläger allerdings auch keine) zurechnen lassen.

Aus diesen Gründen ist die Berufung bereits als unzulässig gemäß § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen.

III.

Die Berufung wäre im Übrigen aber auch unbegründet.

Zunächst ist festzustellen, dass Gegenstand des Klageverfahrens nicht nur der Bescheid vom 12. Januar 2021 ist, sondern dieser vielmehr in der Gestalt des noch während des Klageverfahrens ergangenen Widerspruchsbescheides vom 30. März 2021 (§ 95 SGG), der auch insoweit gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist.

1.
Soweit das SG die Klage bereits als unzulässig abgewiesen hat, soweit der Kläger die Übernahme von offenen Krankenversicherungsbeiträgen für die Zeit ab 1. August 2020 begehrt, ist dies zutreffend, da der Kläger insoweit zu keinem Zeitpunkt einen konkreten Antrag auf Übernahme der Kosten gestellt hatte. Soweit in der Zwischenzeit über weitere Folgeanträge des Klägers zum gleichen Thema vom Beklagten mit Bescheiden vom 16. Juli 2021 und 1. März 2022 entschieden worden ist, sind diese nicht Gegenstand des Klage- bzw. Berufungsverfahrens geworden. Denn insoweit fehlte es der Klage von Anfang an der Klagebefugnis, also der Beschwer durch einen belastenden bzw. ablehnenden Verwaltungsakt. Eine solche Klage wird auch nicht zulässig, wenn während des Klageverfahrens Bescheide zu dem entsprechenden Begehren erfolgen. Insoweit hat daher das SG zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen.

2.
Soweit das SG allerdings die Klage auch hinsichtlich des Bescheides vom 12. Januar 2021 als unzulässig abgewiesen hat, weil zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch kein Widerspruchsbescheid vorgelegen habe, das Widerspruchsverfahren also noch offen und in diesem Fall im Hinblick auf das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Klägers es auch nicht angezeigt gewesen sei, das Verfahren bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens auszusetzen, trifft dies nicht zu. Da nämlich tatsächlich bereits am 30. März 2021 – also schon kurz nach Klageerhebung – der Widerspruchsbescheid im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 12. Januar 2021 ergangen ist, war dieser wie bereits oben ausgeführt gemäß den §§ 95 und 96 SGG Gegenstand der Klage geworden und hierüber deswegen auch in der Sache zu entscheiden gewesen.

Die Klage ist daher insoweit – entgegen der Auffassung des SG – zulässig, allerdings unbegründet.

Der Beklagte hat nämlich mit dem Bescheid vom 12. Januar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2021 in rechtmäßiger Weise den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Übernahme der hier offenen Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge abgelehnt. Der Kläger ist durch diesen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt worden.

Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 32 SGB XII, der im Einzelnen regelt, unter welchen Voraussetzungen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge durch den Sozialhilfeträger zu übernehmen sind. § 32 SGB XII dient der Aufgabe der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten (§ 27 SGB XII), die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 1 SGB XII). In dem Zusammenhang kann eine Hilfeleistung zur Erreichung dieses Zweckes auch erforderlich sein, wenn allein aufgrund der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur (gesetzlichen oder privaten) Krankenversicherung Hilfebedürftigkeit besteht. Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII haben hiernach einen Anspruch auf einen ausreichenden Schutz im Krankheitsfall. Soweit eine Krankenversicherung besteht und die Beiträge hierfür nicht bereits vom Einkommen gezahlt werden, besteht unter den in § 32 SGB XII bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Übernahme dieser Beiträge (siehe Pfriender in: jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 32 SGB XII <Stand 1. Februar 2020> Rn. 20).
Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Voraussetzung, dass ein Leistungsberechtigter die angemessenen Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung nicht aus eigenem Einkommen tragen kann. Andersrum formuliert muss also derjenige, der, wie hier der Kläger, einen entsprechenden Anspruch geltend macht, unter Berücksichtigung seines Einkommens und Vermögens nicht in der Lage sein, den notwendigen Lebensunterhalt selbst zu decken. (siehe Pfriender a.a.O. Rn. 23).
Diese Voraussetzungen sind allerdings beim Kläger nicht erfüllt. Es kann bis heute nicht festgestellt werden, ob der Kläger hilfebedürftig ist, da er trotz mehrfacher Aufforderung bis heute keinerlei Unterlagen über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse in Zusammenhang mit der vom Beklagten vorgenommenen Leistungseinstellung zum 1. Juni 2019 vorgelegt hat. Es ist deswegen auch zur Überzeugung des Gerichtes davon auszugehen, dass der Kläger nicht hilfedürftig ist und daher auch keinen Anspruch auf Übernahme der offenen Krankenversicherungsbeiträge hat.

Insgesamt war daher die Berufung bereits als unzulässig zu verwerfen und wäre im Übrigen auch als unbegründet zurückzuweisen gewesen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.  


 

Rechtskraft
Aus
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