1. Ein zulässiges prozessuales Begehren setzt als im Wesentlichen ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung voraus, dass im Verfahren die Anschrift des Rechtsuchenden genannt wird. Dies gilt nicht nur für das Klageverfahren, sondern auch für das Berufungsverfahren.
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2023 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag des Klägers nach § 72 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wird als unzulässig verworfen.
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
4. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beteiligten streiten um Mahnungen und Zahlungserinnerungen wegen Forderungen der Beklagten.
Die deshalb vom Kläger erhobene Klage wies das Sozialgericht Frankfurt am Main mit Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2023 ab. Dieser Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 19. Dezember 2023 an seine damalige Wohnadresse „A-Straße, A-Stadt“ zugestellt.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am selben Tag beim Hessischen Landessozialgericht Berufung erhoben und dabei keine Wohnadresse, sondern nur sein elektronisches Bürgerpostfach („Safe-ID: DE.Justiz.XXX1“) angegeben. Zwischenzeitlich war der Kläger in ein Hotel nach B-Stadt gezogen (Hotel „C.“, B-Straße, B-Stadt). Eine Nachfrage bei diesem Hotel am 23. April 2024 hat ergeben, dass der Kläger dort bis zum 20. März 2024 ein Zimmer gemietet und dort gewohnt hat, aber seit dem 21. März 2024 dort kein Zimmer mehr gemietet hat und auch dort nicht mehr wohnt und beim Auszug aus dem Hotel auch keine neue Adresse hinterlassen hat und sein derzeitiger Aufenthalt dem Hotel nicht bekannt ist (Vermerk des Vorsitzenden vom 23. April 2024). Eine Einwohnermeldeabfrage vom gleichen Tag hat ebenfalls keine aktuelle Wohnadresse für den Kläger ergeben.
Durch Schreiben vom 23. April 2024 hat das Gericht den Kläger deshalb darauf hingewiesen, dass sein Rechtsschutzbegehren neben seinem Namen auch seine aktuelle Anschrift, unter der er geladen werden könne, enthalten müsse. Er werde daher aufgefordert, bis zum 15. Mai 2024 eine aktuelle Anschrift, unter der er geladen werden könne, mitzuteilen. Dies sei eine Frist mit ausschließender Wirkung. Nenne er nicht bis zum Ablauf dieser Frist seine Wohnadresse, werde sein Rechtsschutzbegehren als unzulässig verworfen. Dieser Hinweis sowie die Anhörung zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Berichterstatter wurden dem Kläger über sein elektronisches Bürgerpostfach zugestellt.
Daraufhin hat der Kläger mit Schreiben vom 29. April 2024 den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Prof. Dr. XY. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Mit Beschluss vom 17. Mai 2024 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter übertragen. Darin hat der Senat auch begründet, warum der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung (unter Mitwirkung des vom Kläger in seinen Schreiben vom 29. April 2024 abgelehnten Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht Prof. Dr. XY.) entscheiden konnte und dabei darauf verwiesen, dass das Befangenheitsgesuch des Klägers offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist. Dieser Beschluss wurde dem Kläger an sein elektronisches Bürgerpostfach zugestellt.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2024 hat der Kläger u.a. den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Prof. Dr. XY. erneut wegen Besorgnis der Befangenheit für das weitere Verfahren abgelehnt und im Zusammenhang mit der Ablehnung von Terminverlegungsanträgen und der Ablehnung der Übersendung einer Fahrkarte zum Termin durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Prof. Dr. XY. diesen mit Schreiben vom 1., 3., 4. und 8. Juli 2024 mehrmals erneut wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
In der Sache verweist der Kläger zum einen darauf, dass er obdachlos sei und deshalb keine Wohnadresse angeben könne, und zum anderen darauf, dass er eine Morddrohung an seine letzte Wohnadresse erhalten habe und nur Mitarbeiter des Gerichts oder der Behörden seine Wohnadresse weitergegeben haben könnten und es ihm daher nicht zumutbar wäre, seine Wohnadresse im Verfahren anzugeben. Im Übrigen sei die Angabe seiner SAFE ID bzw. ein elektronisches Bürger- und Organisationspostfach (eBO) ausreichend. Außerdem weist der Kläger auf zivilgerichtliche Rechtsprechung, nach der eine Klage nicht allein deshalb als unzulässig abgewiesen werden dürfe, weil die ladungsfähige Anschrift im Laufe des Prozesses unrichtig werde und der anwaltlich vertretene Kläger eine neue ladungsfähige Anschrift nicht beibringt, und auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, nach der in der Berufungsschrift eine ladungsfähige Anschrift überhaupt nicht genannt werden müsse, hin. Im Übrigen führt der Kläger an, er werde am 12. Juli 2024 abends in die Obdachlosenunterkunft A-Straße in A-Stadt einziehen bzw. zukünftig in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert sein.
Der Kläger stellt keinen ausdrücklichen Antrag.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2023 als unzulässig zu verwerfen.
Die Beklagte hält die Berufung wegen der fehlenden Angabe der Wohnanschrift des Berufungsklägers für unzulässig.
Das Gericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakte im Verfahren L 7 KR 150/24 B ER beigezogen. Darin befindet sich ein Bescheid der Krankenkasse des Klägers vom 15. Dezember 2023, mit dem ihm Krankengeld ab 4. Dezember 2023 in Höhe von 61,27 Euro netto kalendertäglich bewilligt wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz Abwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 12. Juli 2024 entscheiden, da dieser bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Senat konnte in der Besetzung mit nur einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern entscheiden, da das Sozialgericht Frankfurt am Main durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG entschieden hatte und die Berufung mit Beschluss des Senats vom 17. Mai 2024 auf den Berichterstatter übertragen wurden (vgl. § 153 Abs. 5 SGG).
Der Senat konnte auch in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Mitwirkung des vom Kläger in seine Schreiben vom 22. Mai 2024 und vom 1., 3., 4. und 8. Juli 2024 erneut abgelehnten Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht Prof. Dr. XY. entscheiden, da das Befangenheitsgesuch des Klägers offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 42 Abs. 1 Alt. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Sie findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist; maßgeblich ist vielmehr allein, ob ein Beteiligter - von einem vernünftigen Standpunkt aus betrachtet - berechtigten Anlass hat, an der Unparteilichkeit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Subjektive, unvernünftige Erwägungen scheiden als Ablehnungsgrund aus. Zweifel an der Unparteilichkeit müssen ihren Grund in einem Verhalten des Richters haben.
Die Ablehnungsgesuche hinsichtlich des in dem Schriftsatz vom 22. Mai 2024 namentlich aufgeführten Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht Prof. Dr. XY. und die Ablehnungsgesuche in den Schriftsätzen vom 1., 3., 4. Und 8. Juli 2024 gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Prof. Dr. XY. sind offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Sie dienen erkennbar ausschließlich dazu, Richter, die eine dem Kläger missliebige Rechtsansicht vertreten, auszuschalten und verfolge somit allein verfahrensfremde Zwecke. Sie reihen sich damit ein in die Vielzahl seit mehreren Jahren reflexhaft gestellter Ablehnungsanträge, die ebenso wie die Vielzahl von Anhörungsrügen und sonstigen Eingaben allein dem Zweck der Verfahrensverzögerung oder ggf. anderen, jedenfalls verfahrensfremden Zwecken dienen.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2024 ist unzulässig.
Es fehlt bereits an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren, da der Kläger in seiner Korrespondenz mit dem Senat trotz entsprechender Aufforderung durch den Senat bewusst keine Wohnanschrift nennt und eine solche Wohnanschrift im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch nicht belegt war. An dieser im Wesentlichen ungeschriebenen weiteren Sachurteilsvoraussetzung fehlt es in dem vorliegenden Fall.
Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt im Regelfall mindestens voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtsuchenden (Klägers, Antragstellers, usw.) genannt wird (Senat, Urteil vom 18. März 2022, L 7 AS 460/21, Juris, Rdnrn. 13 ff.; Bundessozialgericht, Beschluss vom 18. November 2003, B 1 KR 1/02 S, Juris, Rdnr. 4 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur, so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. November 2019, L 31 AS 2127/18, Juris, Rdnr. 11; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 2. August 2017, L 9 AL 212/14, Juris, Rdnrn. 43 ff.; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2016, L 7 SO 4619/15, Juris, Rdnr. 20; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. April 2012, L 8 SO 182/11, Juris, Rdnr. 27).
Auch in dem sich allgemein durch Bürgerfreundlichkeit und fehlende Formenstrenge auszeichnenden sozialgerichtlichen Verfahren ist es in mehrfacher Hinsicht geboten, §§ 90, 92 SGG nach ihrem Sinn und Zweck so auszulegen, dass sie den Rechtsuchenden zumindest dazu verpflichten, eine Anschrift zu nennen (BSG, a.a.O., Rdnr. 5). Der Angabe des Wohnsitzes bzw. Aufenthalts- oder Beschäftigungsortes des Rechtsuchenden bedarf es hier - ähnlich wie in anderen Gerichtszweigen - bereits, um die örtliche Zuständigkeit des Gerichts nach § 57 Abs. 1 bis 3 SGG (bzw. nach Sonderregelungen in den einzelnen Sozialleistungsbereichen) feststellen zu können und damit ein Tätigwerden des zuständigen „gesetzlichen Richters“ i. S. von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) zu gewährleisten (BSG, a.a.O., Rdnr. 5). Da im Sozialgerichtsverfahren die örtliche Zuständigkeit nicht disponibel ist (vgl. § 59 SGG), diese Zuständigkeit umstritten sein kann, liegt auch hier das Bedürfnis nach Offenlegung einer Anschrift auf der Hand (BSG, a.a.O., Rdnr. 5). In gleicher Weise ist das Anschriftenerfordernis unumgänglich, um die rechtswirksame Zustellung gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen bewirken zu können (vgl. § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 166 ff. Zivilprozessordnung - ZPO -, siehe BSG, a.a.O., Rdnr. 5). Dass auf das verfahrensrechtliche Mittel einer öffentlichen Zustellung wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen (§ 185 Nr. 1 ZPO) zurückgegriffen werden könnte, steht dem nicht entgegen (BSG, a.a.O., Rdnr. 5). Diese Zustellungsart kommt nach ihren strengen Voraussetzungen wegen der Gefahr der möglichen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht; als Regelzustellung bei planmäßigem, nicht gerechtfertigtem Schweigen eines Betroffenen über seinen Aufenthalt ist sie nicht vorgesehen (BSG, a.a.O., Rdnr. 5).
Gleichermaßen erfordert der Schutz des Rechtsuchenden die Offenlegung der Anschrift zu seiner einwandfreien Identifizierung (BSG, a.a.O., Rdnr. 6). So muss im gerichtlichen Verfahren feststehen, dass es sich bei einem zur Erlangung von Rechtsschutz eingereichten Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es dem Spruchkörper mit Wissen und Willen eines identifizierbaren Berechtigten zur Entscheidungsfindung im konkreten Fall zugeleitet worden ist. Schon um den Anforderungen des Datenschutzes entsprechen zu können, sind handhabbare und sichere Kommunikationswege mit einer zustellungsfähigen Anschrift des Betroffenen unverzichtbar (BSG, a.a.O., Rdnr. 6). Denn der nach Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Rechtsschutz dient keinem Selbstzweck, sondern soll sicherstellen, dass der Betroffene mit gerichtlicher Hilfe die ihm zustehenden Ansprüche durchsetzen bzw. rechtswidrige Eingriffe abwehren kann (BSG, a.a.O., Rdnr. 6). Mit der Einleitung eines sozialgerichtlichen Verfahrens begibt sich der Rechtsuchende in eine Rolle, die trotz des hier geltenden Amtsermittlungsprinzips regelmäßig ein Mindestmaß an aktiver Mitwirkung erfordert (vgl. § 103 Satz 1 Halbsatz 2, § 106 Abs. 1, § 111 Abs. 1 SGG); dies ist ohne sichere, auch für den Prozessgegner transparente Kommunikationsmöglichkeiten mit ihm (vgl. § 128 Abs. 2 SGG) nicht gewährleistet (BSG, a.a.O., Rdnr. 6).
Schließlich sprechen Gründe des Kostenrechts für das Erfordernis, dem Gericht eine Anschrift zu nennen (BSG, a.a.O., Rdnr. 7). Das sozialgerichtliche Verfahren ist zwar für eine natürliche Person grundsätzlich kostenfrei und in der Regel auch nicht mit der Pflicht zur Erstattung außergerichtlicher Kosten des Prozessgegners verbunden (vgl. §§ 183, 184 SGG in der ab 2. Januar 2002 geltenden Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 – BGBl. I S. 2144 (BSG, a.a.O., Rdnr. 7). Als Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit können jedoch nach § 192 SGG einem uneinsichtigen Rechtsuchenden die durch das Betreiben eines aussichtslosen Rechtsstreits entstandenen Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden (BSG, a.a.O., Rdnr. 7). Dieses Mittel liefe leer, wenn die Vollstreckung der auf dieser Grundlage festgesetzten Kosten gefährdet wäre, nur weil der Rechtsuchende sich durch bloßes Verschweigen seiner Anschrift der Durchsetzung einer ihn treffenden Kostenlast entziehen könnte (BSG, a.a.O., Rdnr. 7; Senat, Urteil vom 18. März 2022, L 7 AS 460/21, Juris, Rdnrn. 13 ff.).
Ausnahmen von der Pflicht, die Anschrift zu nennen, können nach den Umständen des Einzelfalls nur anerkannt werden, wenn dem Betroffenen dies aus schwerwiegenden beachtenswerten Gründen unzumutbar ist (BSG, a.a.O., Rdnr. 8). Im Hinblick auf den aus Art. 19 Abs. 4 GG fließenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz kann die Pflicht zur Angabe der Anschrift ausnahmsweise bei fehlendem Wohnort wegen Obdachlosigkeit (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Februar 2012, 9 B 79/11 u.a., Juris, Rdnr. 11 m.w.N.; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. März 2022, L 7 AS 460/2, Juris, Rdnrn. 13 ff.) oder wegen eines schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses, wenn dem Gericht die Gründe hierfür mitgeteilt werden (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Februar 2012, 9 B 79/11 u.a., Juris, Rdnr. 11 m.w.N.), entfallen.
Der Kläger verweist zwar darauf, dass die Klagebefugnis eines Obdachlosen bestehe und in diesem Ausnahmefall die Pflicht, dass eine ladungsfähige Adresse genannt werden müsse, entfalle. Der Kläger ist jedoch nicht obdachlos. Aus anderen Verfahren ist dem Gericht vielmehr bekannt, dass der Kläger regelmäßig in Hotels oder Apartmenthäusern übernachtet hat. Zuletzt hat er bis zum 20. März 2024 im Hotel „C.“ in B-Stadt übernachtet (siehe Vermerk des Senatsvorsitzenden vom 23. April 2024). Da der Kläger auch immer wieder Arbeitsstellen wahrnimmt und dauerhaft eine Vielzahl von Verfahren vor den verschiedensten Gerichten betreibt, in denen er eine Vielzahl von computergeschriebenen Schriftsätzen über das elektronische Bürger- und Organisationspostfach (eBO) einreicht, - was das Bestehen einer gewissen Infrastruktur voraussetzt - ist ausgeschlossen, dass der Kläger obdachlos ist und auf der Straße lebt und deswegen daran gehindert ist, eine Adresse anzugeben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger - aus welchen Gründen auch immer - dem Senat bewusst keine Wohnanschrift nennt, was auch dadurch bestätigt wurde, dass der Kläger zwar mehrere Monate in einem Appartementhaus in A-Stadt gewohnt hat ohne jedoch diese Anschrift dem Senat mitzuteilen. Diese Adresse hat der Kläger dem Senat erst mitgeteilt als er dort schon nicht mehr gewohnt hat und sich in Untersuchungshaft befunden hat. Dadurch unterscheidet sich der Kläger von üblichen Obdachlosen, die z. B. auf Wanderschaft sind („Tippelbrüder“) oder üblicherweise im Freien bzw. nicht dauerhaft in festen Unterkünften übernachten. Diese können im Gegensatz zu dem Kläger lediglich eine Adresse zum Postempfang benennen, verschweigen damit insbesondere keine Wohnanschrift.
Auch soweit der Kläger sich darauf beruft, dass er Morddrohungen ausgesetzt war, und er deshalb seine Adresse nicht mitteilen könne, weil die Gefahr bestehe, dass Mitarbeiter der Gerichte oder der an den Verfahren beteiligten Behörden die Adresse weitergeben (bzw. weitergegeben haben), besteht kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse des Antragstellers, dem Gericht seine Wohnadresse vorzuenthalten. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Mitarbeiter der Gerichte oder der Prozessbeteiligten die Wohnadresse des Antragstellers entgegen den verbindlichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen weitergegeben haben oder weitergeben würden. In Hinblick auf die Bedeutung der Angabe der Wohnadresse des Klägers für das Gericht und dem fehlenden Nachweis, dass die Morddrohung durch eine datenschutzrechtlich verbotene Weitergabe der Wohnadresse des Antragstellers an Dritte an die Wohnanschrift des Antragstellers adressiert worden sein könnte, ist es dem Kläger weiterhin zumutbar, seine Wohnanschrift jedenfalls gegenüber dem Gericht anzugeben.
Schließlich kann sich der Kläger hinsichtlich der fehlenden Notwendigkeit, im Berufungsverfahren seine aktuelle Wohnanschrift anzugeben, nicht auf zivilgerichtliche Entscheidungen (z.B. das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17. März 2004, VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503) berufen. In diesem Urteil verweist der Bundesgerichtshof zwar darauf, dass eine Klage, bei der in der Klageschrift eine ladungsfähige Adresse angegeben wird, nicht allein deshalb als unzulässig abgewiesen werden darf, weil die ladungsfähige Anschrift im Laufe des Prozesses unrichtig wird und der anwaltlich vertretene Kläger eine neue ladungsfähige Anschrift nicht beibringt (Urteil vom 17. März 2004, VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503). Mit der Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Klageschrift habe der Kläger die Anforderungen an die Bezeichnung seiner Person nach §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 130 Nr. 1 Zivilprozessordnung erfüllt. Die Prozessvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Klageerhebung, die ihrer Natur nach nur die Einleitung des Verfahrens betreffe, sei damit gegeben. Nachdem das Verfahren in zulässiger Weise begonnen habe, habe es in der Folgezeit, jedenfalls - wie hier - bei anwaltlicher Vertretung ordnungsgemäß durchgeführt werden können, auch wenn der Kläger nicht mehr über eine ladungsfähige Anschrift verfügt haben sollte. Diese Ausführungen beziehen sich jedoch auf die Zivilprozessordnung und sind nicht auf die Regelungen des Sozialgerichtsgesetzes übertragbar, denn dort stellt sich Notwendigkeit der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift nicht nur bei Erhebung der Klage oder der Berufung, sondern während des gesamten Verfahrens, nämlich insbesondere in Hinblick auf Erfordernisse des Kostenrechts. Wie oben ausgeführt, können nämlich als Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit nach § 192 SGG einem uneinsichtigen Rechtsuchenden die durch das Betreiben eines aussichtslosen Rechtsstreits entstandenen Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden. Dieses Mittel liefe leer, wenn die Vollstreckung der auf dieser Grundlage festgesetzten Kosten gefährdet wäre, nur weil der Rechtsuchende sich durch bloßes Verschweigen seiner Anschrift der Durchsetzung einer ihn treffenden Kostenlast entziehen könnte. Im Übrigen könnte die Vollstreckung der Anordnung des persönlichen Erscheinens in einem Termin zur mündlichen Verhandlung ohne die Angabe einer aktuellen Wohnanschrift nicht erfolgen. Deshalb ist im Gegensatz zum Zivilprozess während des gesamten Sozialgerichtsprozesses die Angabe einer Wohnanschrift notwendig. Im Gegensatz zu dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist der Kläger im vorliegenden Berufungsverfahren im Übrigen auch nicht anwaltlich vertreten. Aus diesen Gründen ersetzt auch die Angabe einer SAFE ID bzw. ein elektronisches Bürger- und Organisationspostfach nicht die Bekanntgabe einer ladungsfähigen Anschrift bzw. die Bekanntgabe der aktuellen Adresse.
Dem steht auch nicht der Beschluss des Bundessozialgerichts vom 31. Mai 2017 (B 5 R 29/16 BH, Juris, Rdnr. 13, 16 mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9. Dezember 1987, IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332 ff.) entgegen. Das Bundessozialgericht weist in dieser Entscheidung lediglich darauf hin, dass geklärt sei, dass die Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Berufungsschrift nicht Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung ist und bezieht sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9. Dezember 1987 (IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332 ff.). Dort führt der Bundesgerichtshof auch lediglich aus, dass dem Oberlandesgericht insoweit nicht gefolgt werden könne, als es für eine zulässige Berufung die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Berufungsklägers in der Berufungsschrift fordert. Der Senat verlangt jedoch auch nicht, dass der Kläger in der Berufungsschrift eine ladungsfähige Anschrift angibt sondern nur, dass der Kläger nach entsprechender gerichtlicher Aufforderung und gerichtliche Hinweis über die Folgen der fehlenden Angabe einer ladungsfähigen Anschrift innerhalb des Berufungsverfahrens bis zu der vom Gericht gesetzten Frist oder jedenfalls bis zur letzten mündlichen Verhandlung eine ladungsfähige Anschrift angibt und verlangt nicht, dass der Kläger diese Wohnanschrift in der Berufungsschrift oder innerhalb der Berufungsfrist angibt. Deswegen müssen die vom Bundessozialgericht in seinem Beschluss vom 18. November 2003 (B 1 KR 1/02 S, Juris) aufgestellten Grundsätze auch für das Berufungsverfahren gelten.
Auch hinsichtlich des gestellten Antrages nach § 72 SGG fehlt es aus den gleichen Gründen wie für die Berufung bereits an einem formal-ordnungsgemäßen prozessualen Begehren. Im Übrigen wäre der Antrag auch unbegründet, da der Kläger weder prozessunfähig ist (§ 72 Abs. 1 SGG) noch nachgewiesen hat, dass sein Aufenthaltsort weit vom Sitz des Gerichts entfernt ist (§ 72 Abs. 2 SGG).
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass der Kläger nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, das Begehren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG -, 114 Zivilprozessordnung - ZPO -). Gemäß § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag eine Erklärung der Partei über ihre aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Solche aktuellen Angaben liegen nicht vor. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vor, da der Kläger in der Lage wäre, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Der Kläger bezieht seit 4. Dezember 2023 Krankengeld in Höhe von mehr als 1.800 Euro monatlich (siehe die beigezogene Akte L 8 KR 150/24 B ER). Aus diesem Grund konnte auch schon eine Fahrkarte zum Termin am 12. Juli 2024 nicht zur Verfügung gestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).