S 29 SO 70/21

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 29 SO 70/21
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 53/24
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil


Der Bescheid des Beklagten vom 15.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2021 wird aufgehoben, soweit ein monatlicher Kostenbeitrag von mehr als 182,60 Euro festgesetzt wurde. 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 


Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Erhebung eines Kostenbeitrags für Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Betreuung ihres Sohnes in einer stationären Einrichtung.

Der Sohn der Kläger, C. A., geb. 2009, leidet unter Trisomie 21. Aufgrund einer schweren Entwicklungsstörung, ausgeprägten Sprachentwicklungsstörung und deutlicher Verhaltensstörung mit aggressiven impulsiven Tendenzen, fehlendem Gefahrenbewusstsein und einer erheblichen Eigen- und Selbstgefährdung besteht bei ihm ein hoher körperlicher Pflegebedarf; zusätzlich leidet er unter einer Hüftkopfnekrose und deutlicher muskulärer Hypotonie, längere Strecken können nur mit einem Rollstuhl bewältigt werden (Bl. 69 Band IV d. Verwaltungsakte). Es sind der Pflegegrad 5, GdB 100 und die Merkzeichen aG, H und B festgestellt. 

Seit Dezember 2020 ist der Sohn der Kläger in einer stationären Einrichtung der G.-Stiftung in C-Stadt untergebracht. Kosten hierfür trägt der Beklagte auf der Grundlage der Hilfebedarfsgruppe 5 (Bescheid vom 14.09.2020, Bl. 187 Band. III d. Verwaltungsakte). Der Sohn der Kläger besucht die D-Schule in B-Stadt mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Die Kläger holen ihren Sohn jedes zweite Wochenende und in allen Ferien mit dem eigenen Pkw von der ca. 80 km von ihrem Wohnort entfernen Einrichtung ab und bringen ihren Sohn auch wieder in die Einrichtung zurück. Die Familie bewohnt ein in ihrem Eigentum stehendes, ca. 130 qm großes Haus mit 4,5 Zimmern. Die Kläger haben neben ihrem Sohn ein weiteres Kind, eine 16-jährige Tochter (Stand 2020). Der Kläger zu 2) geht einer Arbeitstätigkeit nach und erzielte im Jahr 2020 ein monatliches Einkommen i. H. v. 8.082,03 Euro (Bl. 191 Band III d. Verwaltungsakte). Die Klägerin zu 1) verfügt über keine Einkünfte. Für die beiden Kinder wird Kindergeld i. H. v. 408,00 Euro (Stand 2020) gezahlt. 

Mit Bescheid vom 15.09.2020 forderte der Beklagte die Kläger zur Zahlung eines monatlichen Kostenbeitrages für die durch die stationäre Unterbringung ihres Sohnes ersparten Kosten des Lebensunterhaltes in Höhe von 295,68 Euro monatlich auf (Bl. 189 Band III d. Verwaltungsakte). Der Kostenbeitrag ergäbe sich aus den für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen, welche die Kläger nicht aufzubringen haben, weil sich ihr Sohn in einer stationären Einrichtung befinde, unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens der Kläger. Ausgangspunkt der Berechnung sei der für den Sohn der Kläger im Jahre 2020 maßgebliche Regelbedarf i. H. v. 308,00 Euro monatlich, das bereinigte Einkommen der Kläger i. H. v. 5.314,00 Euro und ein sog. Garantiebetrag, bestehend aus dem Regelbedarf der Kläger und des im Haushalt der Kläger lebenden weiteren Kindes. Der Beklagte berechnete, dass das bereinigte Einkommen der Kläger den Garantiebetrag um 380% übersteigt und nach einem Erlass des Hessischen Sozialministeriums vom 14.12.1982 ein Kostenbeitrag i. H. v. 150% des Regelbedarfes, mithin 462,00 Euro gefordert werden könne. Unter Berücksichtigung der Tage, in denen sich der Sohn der Kläger zu Hause aufhält (jedes zweite Wochenende und in alle Ferien) seien 64% dieser Summe und damit 295,68 Euro von den Klägern zu zahlen. 

Dagegen legten die Kläger mit Schriftsatz vom 25.09.2020 Widerspruch ein (Bl. 197 Band III d. Verwaltungsakte). Zur Begründung führten sie aus, es könne lediglich ein Kostenbeitrag für die Verpflegung gefordert werden, denn häusliche Ersparnis liege nur dann vor, wenn tatsächlich finanzielle Vorteile durch die Unterbringung entstünden. In der Einrichtung werden für den Sohn der Kläger 6,08 Euro pro Tag für die Verpflegung des Kindes verausgabt, sodass für die Kläger im Monat tatsächlich maximal 182,40 Euro als ersparte Aufwendungen angesehen werden können. Nicht berücksichtigt wurden zudem die Kosten für die Krankenversicherung der Kläger und der beiden Kinder i. H. v. 1.513,21 Euro monatlich sowie Fahrtkosten des Klägers zu 2) zu seiner Arbeitsstätte in D-Stadt. 

Der Beklagte forderte die Kläger auf, Angaben zu den zu fahrenden Kilometern zu der Arbeitsstätte des Klägers zu 2) zu machen. Die Kläger teilten mit, dass die Entfernung zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte 545 km (einfacher Weg) betrage. 

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2021 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger mit der Begründung zurück, der im angegriffenen Bescheid berechnete Kostenbeitrag sei der Höhe nach rechtmäßig (Bl. 74 Band IV d. Verwaltungsakte). Zwar ergäbe sich unter Berücksichtigung der Kosten für die Krankenversicherung der Familie der Kläger und der Fahrtkosten zur Arbeitsstätte des Klägers zu 2) ein niedrigeres bereinigtes Einkommen i. H. v. 5.217,86 Euro. Dieses übersteige den Garantiebertrag jedoch weiterhin um mehr als 100%, sodass die Berechnung anhand des Erlasses des Hessischen Sozialministeriums vom 14.12.1982 gleich bleibe. Eine häusliche Ersparnis bestünde zudem nicht lediglich aufgrund der ersparten Kosten für die Verpflegung des Sohnes der Kläger, sondern auch bezüglich anderer Kosten der Unterbringung, u. a. Kosten für Strom, Wasser, Abwasser und Hygieneartikel. 

Am 12.06.2020 haben die Kläger Klage erhoben. 

Sie sind der Ansicht, es können nur die den Klägern tatsächlich durch die Unterbringung ihres Sohnes in der stationären Einrichtung ersparten Aufwendungen gefordert werden. Diese bestünden nur in den Abteilungen 1 (Essen und Trinken) und 6 (Gesundheitspflege). Zudem sei der Kostenbeitrag begrenzt auf die Höhe der in der Einrichtung tatsächlich für den Sohn der Kläger verausgabten Kosten.

Die Kläger beantragen (wörtlich), 
den Bescheid des Beklagten vom 15.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2021 dahingehend abzuändern, dass nur die tatsächlich durch die stationäre Unterbringung entstandenen häuslichen Ersparnisse von den Eltern eingefordert werden,
sowie 
dass der Kostenbeitrag für die ersparten Positionen des Lebensunterhaltes auf die dafür in der Einrichtung tatsächlich entstandenen Ausgaben begrenzt wird.

Der Beklagte beantragt, 
die Klage abzuweisen. 

Er ist der Ansicht, seine Berechnung der Höhe des Kostenbeitrags sei richtig. 

Die Kläger sind im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhaltes vom 28.04.2023 und eines Termins zur mündlichen Verhandlung vom 15.03.2024 befragt worden. Bezüglich des Inhalts ihrer Angaben wird auf die Protokolle der beiden Termine verwiesen.

Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten, die der Kammer zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen, verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet. 

Die Kammer entscheidet in der hier streitgegenständlichen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 15.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2021 ohne an die Fassung der Anträge der Kläger gebunden zu sein, § 123 SGG. Die beiden ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge der Kläger sind dahingehend auszulegen, dass sie eine (teilweise) Aufhebung der Bescheide mit dem Ziel der Festsetzung eines niedrigeren monatlichen Kostenbeitrags aus dem eigenen Einkommen und damit eine vollständige Überprüfung der Bescheide des Beklagten begehren. Dabei kann unbeachtet bleiben, dass der zweite Feststellungsantrag der Kläger gemäß § 55 SGG unzulässig wäre.  

Da der Beklagte nach Erlass der hier streitgegenständlichen Bescheide keine weiteren Bescheide zur Anpassung der Höhe des monatlichen Kostenbeitrags erlassen hat, hatte die Kammer über die Rechtmäßigkeit der Höhe des Kostenbeitrags auf der Grundlage der für das Jahr 2020 maßgeblichen Werte zu entscheiden.

Die streitgegenständlichen Bescheide sind teilweise rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Von den Klägern kann lediglich ein monatlicher Kostenbeitrag i. H. v. 182,60 Euro gefordert werden. In dieser Höhe bestehen durch die Unterbringung des Sohnes der Kläger in der stationären Einrichtung nach einer prognostischen Einschätzung der Kammer tatsächliche Ersparnisse im Haushalt der Kläger.

Gemäß § 142 Abs. 1 SGB IX ist minderjährigen Leistungsberechtigten und ihren Eltern oder einem Elternteil bei Leistungen im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 und 7 die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen zuzumuten, soweit Leistungen über Tag und Nacht oder über Tag erbracht werden. 

Der Sohn der Kläger bezieht Leistungen zur Teilhabe im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX, von seinen Eltern ist daher ein Beitrag gemäß § 142 SGB IX zu fordern. Ein weiterer Beitrag aus dem Einkommen gemäß § 136 SGB IX ist nicht zu fordern, weil der Sohn der Kläger nicht mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt wohnt. Trotz regelmäßiger Besuche des Sohnes der Kläger bei seinen Eltern kann zwischen ihnen nicht von einer Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 39 S. 1 SGB XII ausgegangen werden (vgl. Wrackmeyer-Schoene in: Grube/ Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Auflage 2024, § 39, Rn. 7 bis 8). 

Die Vorschrift des § 142 SGB IX entspricht im Wortlaut der Regelung zur häuslichen Ersparnis im § 92 Abs. 1 S. 1 SGB XII a.F. Zu dieser Vorschrift hat bereits das Bundessozialgericht in seinen zwei Entscheidungen aus 2013 und 2016 Grundsätze für die Berechnung der häuslichen Ersparnis aufgestellt (Urteil vom 20.04.2016, Az.: B 8 SO 25/14 R und Urteil vom 23.08.2013, Az.: B 8 SO 17/12 R). Demnach sind die für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen anhand der tatsächlichen Ersparnisse gemäß § 202 SGG i. V. m. § 287 ZPO prognostisch zu schätzen. Das Bundessozialgericht orientiert sich dabei an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der entsprechenden Vorschrift im Bundessozialhilfegesetz (BVerwG, Urteil vom 23.06.1971, Az.: V C 12/71 VG). Im Einzelnen führt das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2016 aus: 

„Es genügt für die Annahme ersparter Aufwendungen nicht, dass bei der gewährten Hilfe Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt normalerweise oder in einer Vielzahl von Fällen entfallen würden; vielmehr müssen die Ersparnisse tatsächlich, nicht nur fiktiv (BVerwGE 40, 308 ff), prognostiziert werden können, also voraussichtlich bei dem Leistungsempfänger oder bei demjenigen entstehen, der als einsatzpflichtig in Anspruch genommen wird (BVerwGE 38, 205 ff)“ (Rn. 25)

Diesem Maßstab entspricht die vom Beklagten vorgenommene Ermittlung des monatlichen Kostenbeitrages nicht. Der Kostenbeitrag wird abstrakt-generell, ausgehend vom (bereinigten) Einkommen der Kläger, einem sog. Garantiebetrag und einer in einem Erlass des Hessischen Sozialministeriums vom 14.12.1982 vorgegebenen Einkommensgrenze festgesetzt. Eine individuelle Schätzung der wegen der Unterbringung des Sohnes der Kläger in einer Einrichtung im Haushalt der Kläger ersparten Aufwendungen erfolgt nicht. Das vom Beklagten angewendete Berechnungssystem enthält keine Feststellungen, in welchem Bereichen den Klägern tatsächlich Aufwendungen erspart bleiben. Eine individuelle Befragung der Kläger hierzu erfolgte zu keinem Zeitpunkt und ist erst durch das Gericht nachgeholt worden. 

Die Kammer hat die Kläger im Rahmen der beiden Termine zur Erörterung des Sachverhaltes bzw. zur mündlichen Verhandlung zu den tatsächlichen Einsparungen durch die Unterbringung ihres Sohnes in der Einrichtung bezüglich der Kosten der Unterkunft und in den einzelnen Abteilungen, die im Regelbedarf nach § 28 SGB XII vorgesehen sind, befragt. Die „im Regelbedarf enthaltene Summe der im Rechenposten enthaltenen, vom Ersparnissen betroffenen Einzelwerte“ bildet nämlich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Obergrenze der Kostenbeteiligung (BSG, a.a.O., Rn. 27). 

Zur Überzeugung der Kammer entstehen den Klägern durch die Unterbringung ihres Sohnes in der Einrichtung Ersparnisse aufgrund der Ausgaben für Nahrungsmittel und Getränke (Abteilung 1) und Hygieneartikel (Artikel 6). In den übrigen Bereichen bestehen keine Ersparnisse. Die auf dieser Grundlage ermittelnden Ersparnisse sind dem Einkommen der Kläger gegenüberzustellen (BSG, a. a. O., Rn. 29). Auf dieser Grundlage sind die tatsächlich im Haushalt der Kläger entstanden Ersparnisse aus Sicht der Kammer auf 182,60 Euro monatlich zu schätzen. 

Den Klägern entstehen durch die Unterbringung ihres Sohnes in der stationären Einrichtung keine Ersparnisse bezüglich der Kosten der Unterkunft und Heizung. Im Rahmen der beiden Termine gaben die Kläger zur Überzeugung der Kammer an, insoweit keine Kosten anzusparen. Für ihren Sohn wird im Haus der Kläger das kleinste Zimmer des Hauses vorbehalten, weil sich der Sohn der Kläger nur zum Schlafen dort aufhält. Das Zimmer ist lediglich mit einem Pflegebett, einem sog. Kayserbett ausgestattet, in welchem der Sohn der Kläger über Nacht aufgrund einer gerichtlichen Verfügung eingeschlossen werden muss und sich dort nur so lange wie nötig aufhält. In dem Zimmer wird deswegen auch nicht geheizt und kaum Strom genutzt. Das Ausweichen auf eine kleinere Unterkunft ist aufgrund dessen, dass der Sohn der Kläger diese regelmäßig besucht und weiterhin ein Zimmer zur Verfügung haben soll, nicht möglich. 

Bezüglich der Kosten des Lebensunterhalts entstehen den Klägern durch die Unterbringung ihres Sohnes in der Einrichtung nach Überzeugung der Kammer Ersparnisse lediglich in den Abteilungen 1 (Nahrungsmittel und Getränke) und 6 (Gesundheitspflege). Der Sohn der Kläger wird in der Einrichtung mit Lebensmitteln und Artikeln zur Körperpflege versorgt. In der Zeit, in welcher sich der Sohn der Kläger in der Einrichtung aufhält, entstehen den Klägern deswegen tatsächliche Ersparnisse in diesen Bereichen. 

In der Abteilung 3 (Bekleidung) entstehen den Klägern hingegen keine Ersparnisse: ihnen wird vom Beklagten bisher keine Bekleidungspauschale gewährt, die Auszahlung wurde lediglich angekündigt (Bl. 32-33 d. Gerichtsakte). Die Kläger kommen für alle Kosten für den Kauf von Kleidung und Schuhen für ihren Sohn deswegen selbst auf.

In der Abteilung 4 (Wohnung, Wasser, Strom) entstehen den Klägern durch die Unterbringung ihres Sohnes in der Einrichtung nach Ansicht der Kammer keine tatsächlichen Ersparnisse. Die Kläger haben insoweit ausgeführt, keine Ersparnisse zu haben, weil sich ihr Sohn bis auf die Nachtzeit, die er in seinem dunklen und unbeheizten Zimmer verbringt, ausschließlich in den Räumlichkeiten aufhält, welche gemeinsam auch durch die ganze Familie genutzt werden. Nach Angaben der Kläger ist ihr Sohn aufgrund seiner Erkrankungen nicht in der Lage, Tätigkeiten nachzugehen, die einen signifikanten Verbrauch an Wasser und/oder Strom erfordern würden. Seine Zeit im Haushalt der Kläger verbringt er ausschließlich damit, in einer Ecke im Wohnzimmer zu sitzen und „sich mit sich selbst zu beschäftigen“; nur manchmal macht er rhythmische Bewegungen zu Musik. Ein signifikanter Verbrauch an Strom kann dadurch nicht entstehen. Bestätigt wird dies durch die von den Klägern eingereichte Aufstellung ihrer Ausgaben für Strom, Gas, Wasser und Abwasser für den Zeitraum von 2018 bis 2023 (Bl. 129-130 der Gerichtsakte). Demnach sind diese Ausgaben nach Umzug des Sohnes der Kläger zum Ende 2020 in die Einrichtung nicht wesentlich niedriger geworden.  

In den Abteilungen 5 (Einrichtung), 7 (Verkehr) und 8 (Nachrichtenübermittlung) werden den Klägern nach Einschätzung der Kammer keine Aufwendungen erspart. Die Bereiche der Wohnung, welche der Sohn der Kläger nutzt, müssen für seine Besuche zu Hause genauso eingerichtet werden, wie wenn er sich dauerhaft zu Hause aufhalten würde. Die Fahrtkosten werden derzeit ebenfalls von den Klägern übernommen, sie holen ihren Sohn zu den Besuchszeiten immer von der Einrichtung ab und bringen diesen auch auf eigene Kosten wieder in die Einrichtung zurück. Zudem übernehmen sie alle Fahrten zu den Arztterminen und den notwendigen Therapien ihres Sohnes. 

In den Abteilungen 9 bis 12 (Freizeit, Kultur, Bildung, andere Waren und Dienstleistungen) entstehen den Klägern durch die Unterbringung ihres Sohnes in der Einrichtung nach Überzeugung der Kammer ebenfalls keine Ersparnisse. Nach Angaben der Kläger in dem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes ist ihr Sohn aufgrund seiner Erkrankungen nicht in der Lage, an Veranstaltungen teilzunehmen; dementsprechend geht die Familie weder ins Kino oder ins Theater, noch wird an anderen Veranstaltungen teilgenommen. Die Familie verbringt ihre Freizeit, wenn der Sohn der Kläger die Familie besucht, ausschließlich mit Spaziergängen oder Schwimmbadbesuchen; für letztere haben die Kläger auf eigene Kosten eine Jahreskarte angeschafft. Wenn sich der Sohn der Kläger in der Einrichtung befindet, unternimmt die Familie ebenfalls nichts ohne diesen, weil nach Angaben der Kläger keine gemeinsame Familienzeit ohne den Sohn stattfinden soll. Auch bezüglich der Ausgaben für Bildung werden keine Aufwendungen erspart, weil die Kläger alle für den Unterricht des Sohnes benötigten Sachen selbst anschaffen. 

Demnach ist von ersparten Aufwendungen in den Abteilungen 1 und 6 auszugehen. Diese beliefen sich im Jahre 2020 in der für den Sohn der Kläger maßgeblichen Stufe 5 des Regelbedarfes nach § 28 SGB XII auf insgesamt 132,33 Euro (124,59 + 7,74 Euro). Unter Berücksichtigung der Tage, an welchen sich der Sohn der Kläger in der Einrichtung aufhält (60% des Jahres: bei 366 Tagen im Jahr 2020 waren es 222 Tage, an welchen der Sohn der Kläger in der Einrichtung war, wenn man davon ausgeht, dass er jedes zweite Wochenende (2x4 Tage im Monat) und in allen Ferien (Oster-, Sommer- Herbst und Weihnachtsferien, im Jahr 2020 insgesamt 96 Tage) zu Hause war) ist ein durchschnittlicher monatlicher Beitrag i. H. v. 79,40 Euro (60% vom 132,33 Euro) als ersparte Aufwendung anzusehen.

Dieser Betrag ist dem Einkommen der Kläger gegenüberzustellen. Die Grundlage der Schätzung der tatsächlich durch die Unterbringung in der stationären Einrichtung im Haushalt der Kläger ersparten Aufwendungen stellen nämlich Regelbedarfe dar, welche den Leistungsberechtigten nach dem SGB II bzw. SGB XII gewährt werden. Diese Werte orientieren sich am Existenzminimum und müssen aus Sicht der Kammer bei Personen, die über höheres Einkommen verfügen, entsprechend angepasst werden. Davon geht auch ausdrücklich das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 20.04.2016 aus (BSG, a. a. O., Rn. 29). Der Argumentation der Kläger in ihrem zweiten Antrag, dass der Kostenbeitrag für die ersparten Positionen des Lebensunterhaltes auf die dafür in der Einrichtung tatsächlich entstandenen Ausgaben begrenzt wird, folgt die Kammer daher nicht. Eine solche Begrenzung sieht weder das Gesetz noch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der Vorgängervorschrift des § 92 Abs. 1 S. 1 SGB XII a.F vor. Die Grundlage der Schätzung sind vielmehr ausschließlich die im Haushalt der Kläger tatsächlich durch das Unterbringen ihres Sohnes in einer stationären Einrichtung entstanden Ersparnisse maßgeblich. 

Die Kläger gehören mit ihrem Einkommen von (bereinigt) 5.217,00 Euro im Monat nicht zum Personenkreis der nach dem SGB II bzw. SGB XII Berechtigten. Ihr Einkommen übersteigt um mehr als das Zweifache das aus den angemessenen Kosten der Unterkunft und entsprechenden Regelbedarfen gebildete fiktive Einkommen einer Familie, die Leistungen nach den SGB II bzw. SGB XII bezieht. Die Kammer hat zur Grundlage ihrer Schätzung der Höhe der ersparten Aufwendungen der Kläger ein fiktives Einkommen einer vierköpfigen Familie, die Sozialleistungen bezieht i. H. v. 2.138,90 Euro gebildet. Dieses setzt sich aus den nach der Wohngeldtabelle (mit Sicherheitszuschlag von 10%) angemessenen Kosten der Unterkunft i. H. v. 724,90 Euro und Regelbedarfen für ein Elternpaar mit zwei Kindern in Höhe von 1.414,00 Euro zusammen. Diesem fiktiven Einkommen hat die Kammer das bereits durch den Beklagten bereinigte Einkommen der Kläger gegenübergestellt. Zusätzlich wurde eine Summe von 242,00 Euro im Monat für die Fahrtkosten zu der Einrichtung berücksichtigt (geschätzt an der Anzahl der Besuche im Jahr und der Entfernung von 88 km zwischen dem Wohnort der Kläger und der Einrichtung ihres Sohnes: 2,3 Besuche im Durchschnitt pro Monat zu je 352 km pro Besuch (Hin- und Rückfahrt), was 809 km im Monat zu 30 Cent pro Kilometer entspricht), weil diese nicht anfallen würden, wenn der Sohn der Kläger zu Hause wohnen würde. Eine zusätzliche Berücksichtigung der Fahrten zu den Ärzten war hingegen nicht vorzunehmen, weil diese Kosten auch anfallen würden, wenn der Sohn der Kläger nicht in der Einrichtung untergebracht wäre; sie bleiben den Klägern daher gerade nicht erspart. Daraus ergab sich das zu berücksichtigende bereinigte Einkommen der Kläger i. H. v. 4.975,00 Euro im Monat, welches um das 2,3-fache das fiktiv errechnete Einkommen einer Familie, die Sozialleistungen bezieht, übersteigt. Auf dieser Grundlage schätzt die Kammer die durch die Kläger ersparten monatlichen Aufwendungen auf 182,60 Euro (2,3 mal 79,40 Euro). 

Der Klage war daher in diesem Umfang stattzugeben. Im Übrigen war sie abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt im Ergebnis dem Ausgang des Verfahrens.  
 

Rechtskraft
Aus
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