Sozialgericht Düsseldorf
Az.: S 30 KR 186/21
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Zugestellt am: |
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Im Namen des Volkes
Gerichtsbescheid
In dem Rechtsstreit
……
Kläger
Proz.-Bev.:
……
g e g e n
……
Beklagte
hat die 30. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf
am 26.10.2021
durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht ……,
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers findet nicht statt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage der Rechtmäßigkeit der Verbeitragung eines „Treuegeldes“ als betriebliche Altersversorgung in der Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger ist bereits seit dem 1.8.1967 als Mitglied bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Ab Oktober 1976 bis zum 31.7.2017 (Eintritt in den Ruhestand) war der Kläger als leitender Angestellter bei der Firma …… in …… beschäftigt. Ab dem 1.8.2017 erhielt der Kläger eine Rente von der …… in Höhe von zuletzt 2.809,89 € monatlich. Aufgrund des Rentenbezugs ist der Kläger auch über den 31.7.2017 hinaus bei der Beklagten (unstreitig) versicherungspflichtig.
Im Januar 2018 erhielt der Kläger aufgrund des Schreibens der …… vom 26.1.2018 ein Treuegeld i. H. v. 225.000 € brutto ausgezahlt. In diesem Zusammenhang erhielt die Beklagte eine Meldung über die Treuegeldzahlungen, welche sie in dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 5.3.2018 der Verbeitragung unterwarf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Treuegeld um einen Versorgungsbezug handele, welcher für die Dauer von zehn Jahren (120 Monaten) mit 1/120 des Gesamtbetrages als monatliche Kapitalleistung verbeitragt werde.
Dagegen erhob der Kläger schriftsätzlich Widerspruch. Zur Begründung führte der Kläger aus, dass es sich – was vorliegend einzig streitig ist – bei dem Treuegeld lediglich um eine Zahlung für die in den Vorjahren geleisteten Dienste und nicht um Versorgungsbezüge handele. Voraussetzung für das Entstehen des Treuegeldes sei nur gewesen, dass der Vertrag zum Beendigungszeitpunkt mindestens 30 Jahre bestanden habe. Dadurch werde deutlich, dass es sich nicht um eine betriebliche Altersvorsorge, sondern um eine Treueprämie für die langjährigen Dienstjahre gehandelt habe. Zur Bestärkung seines Vortrages legte der Kläger eine Bestätigung des Arbeitgebers (Bl. 20 der Verwaltungsakte) bei, wonach es sich bei dem „ausgezahlten Treuegeld um eine Zahlung für in den Vorjahren geleistete Dienste handele. Das Treuegeld betrage 100 % der zum Beendigungszeitpunkt der geltenden jährlichen Bruttovergütungen und sei im Januar 2018 in einer Summe ausgezahlt worden“.
In der Folge verfügte die Beklagte mit den Bescheiden vom 08.01.2019, 09.01.2020 und 29.07.2020 die Umsetzung der monatlichen Zahlbeträge (zuletzt KV 286,69 €, PV 54,31 €) zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Mit hier ebenso streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vom 12.1.2021 wies die Beklagte den Widerspruch – nach langem Schriftwechsel mit dem ursprünglichen Arbeitgeber des Klägers – als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass als beitragspflichtige Versorgungsbezüge von Rentnern auch Renten der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V der Beitragspflicht unterfallen. Dabei sei der Durchführungsweg (hier: Direktzusage) unerheblich, sondern es sei lediglich entscheidend, ob der Versorgungsbezug mit dem Berufsleben im Zusammenhang stehe. Das im Januar 2018 ausgezahlte „Treuegeld“ sei zu Recht als Versorgungsbezug verbeitragt worden. Gemäß § 229 Abs. 1 S. 3 SGB V gelten auch Kapitalleistung in Form von Einmalzahlungen als Versorgungsbezug, soweit diese zur Abgeltung laufender Leistungen zur Altersversorgung geleistet werden. Wesentliches Merkmal einer betrieblichen Altersversorgung sei ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Rente sowie der früheren Beschäftigung als Einkommensersatzfunktion. Aus den vorliegenden Unterlagen des Arbeitgebers gehe hervor, dass es sich um eine Direktzusage zur Zahlung einer Kapitalzahlung handele, die bei Erreichen der Regel Altersgrenze gezahlt werde. Aus den Regelungen des Anstellungsvertrages vom 18.11.2010 ergebe sich mithin der Versorgungscharakter im Sinne des Betriebsrentenrechts (§ 1 Absatz 1 S. 1 BetrAVG).
Dagegen hat der Kläger vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben.
Zur ergänzenden Begründung verweist der Kläger zunächst auf die Entgeltabrechnung vom 26.1.2018 (für den Monat Januar 2018), aus welcher sich nach seiner Auffassung eindeutig ergebe, dass es sich um eine Entgeltzahlung im Sinne eines laufenden Arbeitsentgelts handele. Mittlerweile werde bei Neueinstellungen und Beförderungen ab dem 1.1.2011 in vergleichbaren Positionen keine Treuegeldzahlung mehr gewährt, sondern die Zahlungen würden anteilig als zusätzliches Arbeitsentgelt dem jeweiligen Gehalt zugeschlagen. Damit werde der Charakter des Arbeitsentgelts hinreichend ersichtlich. Darüber hinaus sei der Kläger seitens des Arbeitgebers nicht über eine etwaige Verbeitragung des Treuegelds als betriebliche Altersvorsorge aufgeklärt worden. Wäre dies der Fall gewesen, hätte der Kläger sich gegebenenfalls zuvor mit einem Wechsel in die private Krankenversicherung beschäftigt, bei welcher sich das Problem einer Verbeitragung nicht gestellt hätte. Vielmehr sei der Kläger erstmalig im Rahmen einer unverbindlichen Beispielsrechnung (10/2013) darauf hingewiesen worden, dass es sich um einen Versorgungsbezug handele und neben den Steuerabzügen auch noch Beiträge zur Sozialversicherung für einen Zeitraum von zehn Jahren anfallen würden. Dieser Hinweis habe sich jedoch in dem Schreiben vom 26.01.2018 und der dazugehörigen Gehaltsabrechnung nicht mehr gefunden. Vielmehr habe der Arbeitgeber aktuell mehrfach bestätigt, dass es sich bei dem ausgezahlten Treuegeld um eine Zahlung für die in den Vorjahren geleisteten Dienste gehandelt habe. Darüber hinaus beziehe sich die Beklagte sowohl in ihrem Ausgangsbescheid als auch im Widerspruchsbescheid auf eine Meldung der …… als Zahlstelle. Diese sei jedoch nie Arbeitgeber des Klägers gewesen, womit der Bescheid bereits auf fehlerhaften Tatsachenangaben beruhe und mithin aufzuheben sei.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
den Bescheid der Beklagten vom 5.3.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.1.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die von dem Kläger ab Februar 2018 gezahlten Sozialversicherungsbeträge betreffend die Treuegeldzahlung zurückzuerstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte verwiesen, welche ebenso Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sachlage geklärt und die Rechtslage einfach ist. Die Beteiligten sind zuvor gehört worden.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger wird durch die angegriffenen Bescheide nicht gemäß § 54 Abs. 1 SGG in seinen Rechten verletzt, da das seitens des ursprünglichen Arbeitgebers …… gezahlte Treuegeld i. H. v. 225.000 € seitens der Beklagten zutreffend als kapitalisierte Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V verbeitragt worden.
Zur Begründung nimmt das Gericht zunächst vollumfänglich auf die zutreffenden tragenden rechtlichen Erwägungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 12.1.2021 (hier Bl. 3 ff.) gemäß § 136 Abs. 3 SGG Bezug, denen es sich vollumfänglich anschließt. Nur ergänzend soll auf den Klägervortrag im Schriftsatz vom 31.5.2021 eingegangen werden.
Insoweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers anführt, dass die Beklagte in ihren Bescheiden von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei, indem sie die …… als Zahlstelle der Treuegeldzahlung benannt habe, lässt sich daraus eine Rechtswidrigkeit des Bescheids nicht herleiten. Vielmehr handelt es sich dabei um eine offenbare Unrichtigkeit des Verwaltungsakts gemäß § 38 SGB X, die bei berechtigtem Interesse des Klägers auch einer Berichtigung unterliegt. Für die rechtliche Beurteilung des Falles kommt diesem Umstand jedoch keine Bedeutung zu.
Darüber hinaus dürfte es unstreitig sein, dass das Treuegeld im Rahmen der monatlichen Gehaltszahlung (hier: Januar 2018) an den Kläger ausgezahlt wurde. Für die rechtliche Beurteilung einer Arbeitsvergütung in Abgrenzung zu einer Pensionsleistung im Wege der Direktzusage kommt es jedoch weder auf die Bezeichnung noch auf den Zeitpunkt der Auszahlung an. Vielmehr ist lediglich fraglich – was die Beklagte zutreffend ausführt – zu welchem Zweck die Zahlung erfolgte und ob es sich um eine betriebliche Altersversorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG handelte. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 25. Juni 2013 – 3 AZR 219/11 –, BAGE 145, 314-323, Rn. 13) hat in diesem Zusammenhang bereits höchstrichterlich entschieden:
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG handelt es sich um betriebliche Altersversorgung, wenn dem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung zugesagt sind. Die Zusage muss einem Versorgungszweck dienen und die Leistungspflicht muss nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis, nämlich Alter, Invalidität oder Tod ausgelöst werden. Erforderlich und ausreichend ist, dass durch die vorgesehene Leistung ein im Betriebsrentengesetz genanntes biometrisches Risiko teilweise übernommen wird. Dabei ist der Begriff der Versorgung weit auszulegen. Versorgung sind alle Leistungen, die den Lebensstandard des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Versorgungsfall verbessern sollen.
Dass die Ruhestandszuwendung von den Beschäftigten der Beklagten allgemein als „Treuegeld“ bezeichnet wird, ist unerheblich. Ob eine in Aussicht gestellte Leistung dem Betriebsrentengesetz und der hierzu entwickelten Rechtsprechung unterfällt, hängt nicht von ihrer Bezeichnung ab.
Nach Durchsicht des Arbeitsvertrages vom 18.11.2010 hat das Gericht keine Zweifel an der Zahlung des Treuegelds aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Eintritt in den Altersruhestand des Klägers. So ist gemäß Ziffer 2.2 die Vorlage des Altersrentenbescheides Voraussetzung (!) für die Auszahlung, wodurch die Kausalität determiniert ist. Darüber hinaus verweist Ziffer 2.2.2 ebenso auf die Regelung von § 2 Abs. 1 BetrAVG und unterstellt mithin die Anwendbarkeit des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge (BetrAVG). Dies entspricht wohl auch dem Willen des Arbeitgebers, denn anders ist nicht erklärbar, dass – wie der Kläger selber ausführt – dieser im Rahmen einer unverbindlichen Beispielsrechnung im Jahr 2013 bereits darauf hingewiesen wurde, dass die Auszahlung des Treuegelds als Versorgungsbezug erfolgt. Auch die unbestrittene Änderung der Praxis des Arbeitgebers des Klägers, bei jetzigen (leitenden) Anstellungsverträgen eine Zahlung des Treuegelds auf die monatlichen Arbeitsentgeltzahlungen aufzuteilen, zeigt, dass der Arbeitgeber sich wohl bewusst war/ist, dass ein anderes Prozedere zu einer Vorbeitragung in der Kranken- und Pflegeversicherung führt. Dass der Arbeitgeber den Kläger vor Abschluss des Arbeitsvertrages nicht auf die Möglichkeit der Verbeitragung hingewiesen hat, ist für das hiesige Verfahren ohne Belang, da es vorliegend lediglich um das Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter geht.
Insoweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers abschließend ausführt, dass die oben dargestellte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht auf das sozialrechtliche Verfahren übertragen werden könne, da diesem „andere Wertungsmaßstäbe“ zugrunde liegen, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht, welche Wertungsmaßstäbe dies sein sollen.
Insoweit führt die Prozessbevollmächtigte auch nicht weiter aus. Vielmehr geht es im vorliegenden Fall um die Frage des Vorliegens einer betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 1 BetrAVG. Warum zur Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmals nicht auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zurückgegriffen werden kann, ist nicht nachvollziehbar.
Mithin war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieser Gerichtsbescheid kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.