L 10 KR 71/24 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 10 KR 2/24 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 KR 71/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Ein mobiler Patientenlifter dient dem Wechsel des Aufenthaltsortes und ist ein - nicht individuell angepasstes - Hilfsmittel iSv § 33 Abs 1 SGB V.

2. Wenn der Versicherte in einer stationären Einrichtung Leistungen der Eingliederungshilfe erhält, schulden diese Einrichtungen als integralen Bestandteil der Eingliederungshilfe auch Leistungen der Grundpflege (§ 43a SGB XI) mit der Folge, dass sie auch die dafür notwendigen Hilfsmittel vorzuhalten haben. Zu diesen gehört dann auch ein mobiler Patientenlifter.

3. Ein mobiler Patientenlifter ist kein Hilfsmittel zur sozialen Teilhabe.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 14. Mai 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe:

 

I.

 

Streitig ist die Versorgung mit einem mobilen Patientenlifter.

 

Die 1967 geborene und bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin ist körperlich und geistig schwerbehindert (GdB 100, Merkzeichen G, aG und H; geistige und kognitive Defizite bei infantiler ataktischer Zerebralparese, Wirbelsäulenskoliose, Tetraspastik bei passiver Beweglichkeit der Extremitäten, Inkontinenz; Unfähigkeit zur Artikulation – MDK-Gutachten vom 21. Juni 2013), wurde dem Pflegegrad 4 zugeordnet (Bescheid vom 28. Februar 2018) und ist mit einem Rollstuhl versorgt. Sie wohnt seit über 20 Jahren in der Einrichtung der Beigeladenen zu 1.

 

Zwischen dieser und dem Kreis Plön bestand eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) vom 21. April 2016, längstens gültig bis 31. Dezember 2020, wonach die Einrichtung einem vollstationären Angebot in Anlehnung an die Einrichtungstypen A I 2 (Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen) und A I 3 (Wohneinrichtungen für Menschen mit besonderem Hilfebedarf) iSd § 1 Abs 2 Landesrahmenvertrags (§ 1) entsprach, ohne einem Einrichtungstyp zugeordnet zu sein (§ 2). Nicht Bestandteil der Vereinbarung waren ua Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) sowie anderer Gesetzbücher (§ 5 Abs 5 Satz 1 und 2, § 9 Abs 4) und individuelle Hilfsmittel der Bewohner (§ 5 Abs 5 Satz 3). Der mWz 1. Mai 2011 für die Antragstellerin abgeschlossene Wohn- und Betreuungsvertrag schloss eine Verpflichtung der Einrichtung aus, ihr Angebot an einen veränderten Betreuungsbedarf, zB besondere Pflegebedürftigkeit, anzupassen (§ 2 2.3 Satz 3 Anlage 6 gemäß § 8 Abs 4 WBVG zum Vertrag, Ziffer 8. Änderungsvereinbarung vom 10. Dezember 2019). Nach dem öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Transformation iSd Empfehlung der Vertragskommission nach § 35 des Rahmenvertrages nach § 131 SGB IX zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Schleswig-Holstein vom 30. November 2021 (Transformationsvereinbarung) erhalten Bewohner Assistenzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und pflegerische Leistungen im Sinne des § 103 Abs 1 SGB IX (§ 4 Ziffer 5 Abs 1). Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und der Hilfe zur Pflege nach SGB XII oder der Behandlungspflege nach SGB V sind nicht Bestandteil der Leistungen nach dieser Vereinbarung (§ 4 Ziffer 5 Abs 2).

 

Nach ärztlicher Verordnung vom 22. November 2023 legte der Leistungserbringer der Antragsgegnerin einen Kostenvoranschlag vom 2. Januar 2024 für den mobilen Patientenlifter Smart 150 nebst Zubehör iHv 5.418,20 Euro vor. Die Antragsgegnerin lehnte die Versorgung und Kostenübernahme ab, da das Leistungsprofil der Einrichtung, in der die Antragstellerin wohne, die Versorgung mit diesem Hilfsmittel umfasse (Bescheid vom 15. Januar 2024, Widerspruchsbescheid vom 15. April 2024). Dagegen hat die Antragstellerin vor dem SG Kiel Klage erhoben (S 10 KR 52/24). Einen weiteren Antrag der Antragstellerin auf Übernahme der Kosten für einen Patientenlifter, den sie bei dem Träger der Eingliederungshilfe gestellt hatte und der von dort an die Antragsgegnerin weitergeleitet wurde, lehnte diese ebenfalls ab (Bescheid vom 20. Juni 2024).

 

Den am 12. März 2024 bei dem Sozialgericht (SG) Kiel eingereichten Antrag auf Eilrechtsschutz zur Versorgung mit dem Patientenlifter hat das SG Kiel mit Beschluss vom 14. Mai 2024 abgelehnt, da die die Antragstellerin betreuende Einrichtung für die Anschaffung eines Patientenlifters zuständig sei.

 

Dagegen richtet sich die am 10. Juni 2024 eingegangene Beschwerde der Antragstellerin. Aufgrund ihrer ausgeprägten Adipositas, ihrer Spastik und bei Unwillen oder Schmerz könnten die Betreuer der Einrichtung sie auch nicht zu zweit aus dem Bett oder nach einem Sturz hochheben, so dass sie für den Transfer vom Bett in den Therapiestuhl oder den Toilettenstuhl auf einen Patientenlifter als Hilfsmittel iSv § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) oder als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft angewiesen sei, um weiterhin in der Einrichtung leben zu können und Unfällen beim Transfer vorzubeugen. Da die Einrichtung keine vollstationäre Pflegeeinrichtung sei, habe sie den notwendigen Patientenlifter nicht vorzuhalten.

 

Die Antragstellerin beantragt,

 

den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 14. Mai 2024 aufzuheben und die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, die Kosten für einen Patientenlifter in Höhe von 5.408,20 Euro zu übernehmen.

 

 

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

 

            die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV) zur Versorgung mit Hilfsmitteln dort ende, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner – ggfs mit Hilfsmitteln – einsetze. Die gKV habe Versicherte daher nur mit individuell angepassten und ihrer Natur nach nur für den einzelnen Versicherten bestimmten oder der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses dienenden Hilfsmitteln zu versorgen. Dabei habe der Träger des Heims die im Rahmen des an den gesetzlichen Vorgaben des SGB XI gemessenen üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel als Inventar vorzuhalten. Den Träger einer Einrichtung iSv §§ 43a, 71 Abs 4 SGB XI treffe die gleiche Ausstattungs- und Vorhaltepflicht wie den Träger einer vollstationären Pflegeeinrichtung iSv §§ 71 Abs 2, 72 Abs 1 SGB XI. Der Patientenlifter sei kein individuell angepasstes Hilfsmittel, das grundsätzlich nur von der Versicherten genutzt werden könne, sondern ein Hilfsmittel zur Nutzung im Rahmen des üblichen Pflegebetriebes und sei auch kostengünstiger erhältlich, als von der Antragstellerin beantragt. Ein Patientenlifter sei schließlich kein Hilfsmittel zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, so dass auch unter diesem Aspekt kein Leistungsanspruch und auch kein Zuständigkeitskonflikt bestehe.

 

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

 

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte vorgelegen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

 

II.

 

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingegangen, jedoch unbegründet.

 

1. Gemäß § 86b Abs 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, dh die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, also ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Gemäß § 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Das bedeutet zwar zunächst, dass die Anforderungen an die materielle Beweislast, die ein Antragsteller hinsichtlich der von ihm behaupteten entscheidungserheblichen Umstände grundsätzlich zu tragen hat, vorerst geringer als in einem Hauptsacheverfahren sind. Das Vorbringen muss dem Gericht insbesondere nur einen geringeren Grad an Sicherheit vermitteln, als dies im Hauptsacheverfahren erforderlich wäre. Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und umgekehrt (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn 27).

 

Die Antragstellerin hat angesichts ihres Erkrankungszustandes und der von ihr beschriebenen funktionellen und kognitiven Einschränkungen zwar glaubhaft gemacht, dass ein Bedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung über einen Anspruch auf einen mobilen Patientenlifter im Eilverfahren – und damit ein Anordnungsgrund – vorliegt. Allerdings hat sie bei summarischer Prüfung keinen Anordnungsanspruch auf die Versorgung mit einem mobilen Patientenlifter nach dem SGB V gegen die Antragsgegnerin <dazu 2.> oder als Leistung zur sozialen Teilhabe nach dem SGB IX <dazu 3.> glaubhaft gemacht.

 

2. Ein solcher Anspruch ergibt sich bei summarischer Prüfung nicht aus § 33 Abs 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind.

 

a) Bei einem Patientenlifter – dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig – handelt es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, denn er dient Versicherten, die auf Grund einer Behinderung die Fähigkeit zum selbstständigen Aufstehen, Gehen und Stehen verloren haben, der Erhaltung ihrer Mobilität und damit dem Behinderungsausgleich (3. Alternative). Ziel der Hilfsmittelversorgung zum Zwecke des Behinderungsausgleichs ist es, die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei dem Ausgleich einer Behinderung im Sinne vom § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zwischen einem unmittelbaren und einem mittelbaren Behinderungsausgleich zu unterscheiden. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich dient das Hilfsmittel unmittelbar dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktionen selbst, während im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleiches das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten oder indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird. Um den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung abzustecken, ist ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich durch die gesetzliche Krankenversicherung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist. Hierzu zählen das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Schreiben, das Sehen und Hören sowie die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen und das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG, Urteil vom 16. September 2004 – B 3 KR 19/03 R – juris Rn 19; BSG, Urteile vom 30. September 2015, B 3 KR 14/14 R und vom 15. März 2018, B 3 KR 18/17 R, juris). Durch den Patientenlifter kann zwar nicht der Ausfall von Körperfunktionen (Gehen, Stehen, Sitzen) beseitigt bzw gemildert werden, jedoch kann der Patientenlifter die Behinderungsfolgen ausgleichen, indem es Versicherten trotz vollständiger Immobilität ermöglicht wird, ihren Aufenthaltsort zu wechseln (Umsetzen vom Bett in den Rollstuhl, vom Rollstuhl auf die Duschliege und/ oder Wickeltisch und jeweils umgekehrt) und umgelagert zu werden (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juni 2019 – L 9 KR 110/16 – juris Rn 24 – 27 mwN; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 28. Januar 2013 – L 6 KR 955709 – juris Rn 25).

 

b) Vorliegend fehlt es dem Anspruch jedoch an der Erforderlichkeit im Einzelfall iSv § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, denn die Beigeladene zu 1. ist vorrangig verpflichtet, einen Patientenlifter zur Pflege der Antragstellerin in ihrem Heim für erwachsene behinderte Menschen vorzuhalten.

 

aa) Dabei scheidet ein (vorrangiger) Anspruch gegen die Pflegekasse auf Versorgung mit dem Patientenlifter als Pflegehilfsmittel von vornherein aus, weil die Pflegekassen nur für die Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln im häuslichen Bereich zuständig sind, nicht aber im stationären Bereich (vgl § 40 SGB XI; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. September 2018 – L 1 KR 193/15 – juris Rn 32 mwN). Pflegehilfsmittel werden in vollstationären Einrichtungen oder in einer Einrichtung nach § 71 Abs 4 SGB XI wegen der dort vorhandenen Ausstattung regelmäßig nicht benötigt.

 

bb) Die grundsätzliche Verpflichtung der Krankenkassen, Versicherte mit Hilfsmitteln zu versorgen, wird dann eingeschränkt, wenn sie bei vollstationärer Pflege in einem Pflegeheim nach § 71 Abs 2 SGB XI leben. Auch nach der Rechtsprechung des BSG endet die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln nach der gesetzlichen Konzeption des SGB V und des SGB XI dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt, vgl § 33 Abs 1 Satz 3 SGB V. Bei vollstationärer Pflege hat der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet ist, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen, sozial zu betreuen und mit medizinischer Behandlungspflege zu versorgen (§ 43 SGB XI). Die Heime müssen daher das für die vollstationäre Pflege notwendige Inventar bereithalten. Dabei sind auch solche Gegenstände der Heimausstattung zuzurechnen, bei denen zwar noch ein gewisser Behinderungsausgleich zu erkennen ist, ganz überwiegend aber die Pflege im Vordergrund steht, weil eine Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (vgl § 1 Satz 1 SGB IX) nicht mehr möglich ist, eine Rehabilitation damit nicht mehr stattfindet. Die gesetzliche Krankenversicherung hat darüber hinaus nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die nicht der Sphäre der vollstationären Pflege zuzurechnen sind. Das sind im Wesentlichen individuell angepasste Hilfsmittel, die ihrer Natur nach für den einzelnen Versicherten bestimmt und grundsätzlich nur für ihn verwendbar sind (zB Brillen, Hörgeräte, Prothesen), sowie Hilfsmittel, die der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses außerhalb des Pflegeheimes dienen (vgl zu diesen Grundsätzen BSG, Urteil vom 6. Juni 2002, B 3 KR 67/01 R juris Rn 16-18; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juni 2019 – L 9 KR 110/16 – juris Rn 24 – 28 mwN; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 28. Januar 2013 – L 6 KR 955709 – juris Rn 24; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. September 2018 – L 1 KR 193/15 – juris Rn 33 - 34). Ein Patientenlifter ist kein individuell an einen Versicherten angepasstes Hilfsmittel, sondern für die Ausführung der Pflege bei einer Vielzahl von Bewohnern einer Einrichtung einsetzbar.

 

cc) Die gleichen Grundsätze gelten für die Betreuung von Menschen in einer vollstationären Einrichtung zur Teilhabe für Menschen mit Behinderungen im Sinne der §§ 43a und 71 Abs 4 SGB XI. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI grundsätzlich auch Leistungen der Grundpflege (BSG, Urteil vom 6. Juni 2002 – B 3 KR 67/01 R – Rn 16; BSG, Urteil vom 25. Februar 2015 – B 3 KR 11/14 R – juris Rn 23-27 zu § 55 Satz 2 SGB XII aF; BSG, Urteil vom 26. April 2001 – B 3 P 11/00 R – juris Rn 19; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juni 2019 – L 9 KR 110/16 – juris Rn 28; Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 28. Januar 2013 – L 6 KR 955709 – juris Rn 25; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. September 2018 – L 1 KR 193/15 – juris Rn 35 zur Versorgung mit einem Duschrollstuhl). Sie sind in diesem Fall nach dem Willen des Gesetzgebers integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe. Die in § 43a SGB XI geregelte Leistung orientiert sich ihrer Höhe nach an dem durchschnittlichen Anteil pflegebedingter Kosten in den Pflegesätzen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Menschen mit Behinderung werden durch diese Leistung somit pauschal von den durch ihren Pflegebedarf verursachten Kosten entlastet. Hierbei ist es nur folgerichtig, dass die Leistung der Höhe nach nicht derjenigen entspricht, die bei der Pflege in zugelassenen Pflegeeinrichtungen anfällt. Die Tatsache, dass die Pflegekasse in geringerem Umfang eintritt, ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass in Einrichtungen der Teilhabe für Menschen mit Behinderung ein erheblich höherer Aufwand für Maßnahmen betrieben wird, die der Integration des Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft dienen. Hierbei handelt es sich um Kosten, die nicht in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallen. Wenn dies bei einem Betroffenen nicht (mehr) der Fall sein sollte, ist dies nur ein Indiz dafür, dass er in der Einrichtung (nunmehr) fehluntergebracht ist. Dabei kommt es auf die genauen Anteile von Pflege- und Rehabilitationsmaßnahmen im Einzelfall wegen der Pauschalierung nicht an (BSG, Urteil vom 26. April 2001 – B 3 P 11/00 R – juris Rn 19, 24). Insoweit ist auch aus § 55 Satz 2 SGB XII idF bis 31. Dezember 2019 bzw § 103 Abs 1 Satz 1 SGB IX idF ab 1. Januar 2020 abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können jedoch innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen (BSG, Urteil vom 25. Februar 2015 – B 3 KR 11/14 R – juris Rn 27; BSG, Urteil vom 26. April 2001 – B 3 P 11/00 R – juris Rn 22 - 23).  

 

dd) Diese gesetzlich normierten Grundsätze gelten auch für die Einrichtung, in der die Antragstellerin derzeit wohnt und betreut wird und wurden auch in der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung vom 19./21. April 2016 sowie in der Transformationsvereinbarung unter § 4 Ziffer 5 umgesetzt, die wiederum in dem Wohn- und Betreuungsvertrag zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 1. vereinbart wurden. Da diese Vereinbarungen grundpflegerische Leistungen vorsehen und die Mobilität in Form des Umsetzens und die Fortbewegung innerhalb des Wohnbereichs Merkmale der Pflegebedürftigkeit sind (§ 14 Abs 2 Nr 1 SGB XI), hat die Einrichtung die Hilfsmittel – also ggf auch einen Patientenlifter – vorzuhalten, die für die Gewährleistung der Erfüllung dieser Leistungsverpflichtung notwendig sind. Wenn sich hingegen in einer solchen Einrichtung der über die grundpflegerischen Leistungen hinausgehende Pflegebedarf geändert hat und nicht mehr sichergestellt werden kann (wovon die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu 1.  hier ausgehen), wäre für den Betroffenen – hier die Antragstellerin – eine andere Einrichtung zu suchen. Eine Verpflichtung der Beigeladenen zu 1., ihr Angebot an einen veränderten Betreuungsbedarf, zB eine besondere Pflegebedürftigkeit, anzupassen, besteht nicht, sodass sie ggf den mit der Antragstellerin geschlossenen Wohn- und Betreuungsvertrag kündigen könnte (§ 2 2.3 Satz 3 Anlage 6 gemäß § 8 Abs 4 WBVG zum Vertrag, Ziffer 8. Änderungsvereinbarung vom 10. Dezember 2019). Von diesen Maßstäben kann aus Sicht des Senats auch nicht für eine Übergangszeit bis zur ersatzweisen Unterbringung der Antragstellerin in einer anderen Einrichtung zu Lasten der Antragsgegnerin abgewichen werden.

 

3. Ein Leistungsanspruch aus anderen Vorschriften des Rehabilitationsrechts – vermittelt über eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach § 14 Abs 2 SGB IX, vollumfänglich über den Versorgungsantrag vom 2. Januar 2024 zu entscheiden – ist bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Ein Patientenlifter ist keine Leistung zur sozialen Teilhabe iSd §§ 76 ff SGB IX, für deren Erfüllung gegenüber der Antragstellerin dem Grunde nach die Beigeladene zu 2. zuständig wäre. Es handelt sich nicht um Leistungen zur Beschaffung, den Umbau, die Ausstattung und die Erhaltung von Wohnraum iSv § 77 Abs 1 SGB IX. Es handelt sich auch nicht um eine Leistung zur Mobilität iSv § 83 SGB IX, die nur Leistungen zur Beförderung und für ein Kraftfahrzeug ermöglicht. Im Übrigen weist die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass vorliegend die Abgrenzung zwischen einem Versorgungsanspruch nach dem SGB V und dem SGB XI entscheidend ist und nicht eine solche zwischen Leistungsgruppen der Eingliederungshilfe iSv § 5 SGB IX.

 

4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

 

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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