L 2 SO 1434/24 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 686/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 1434/24 ER-B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. April 2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Karlsruhe vom 12.April 2024 hat keinen Erfolg.

Die am 1. Mai 2024 beim SG eingegangene Beschwerde ist gemäß § 172 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nach § 173 SGG insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragssteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller /Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Auflage 2023, § 86b Rn. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 2. Mai 2005 -1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (BVerfG Beschluss vom 14. März 2019 - 1 BvR 169/19 - juris Rn. 15; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - <beide juris> jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form häuslicher Pflegehilfe nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII). Mit Bescheid vom 13. Dezember 2023 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege bezüglich der Kosten, die dem Antragsteller durch die vom polnischen Pflegedienst P1 auf der Grundlage des am 26. April 2023 abgeschlossenen Vertrages erbringt, ab. Der Pflegedienst P1 erbringt Leistungen überwiegend in dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Notwendige medizinische Behandlungspflege ist gemäß § 1 des Vertrages vom 26. April 2023 ausdrücklich ausgeschlossen. Das Tageshonorar für Alltagsbetreuung beträgt pro angefangenem Tag 97,00 €.

Nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage schließt sich der Senat der Begründung des SG in seinem Beschluss vom 12. April 2024 an, wonach (schon) ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei, da ein Anspruch des Antragstellers gemäß § 19 Abs.3 i.V.m. §§ 61 Satz 1, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b, 64b SGB XII nicht bestehen dürfte. Das SG hat hierzu ausgeführt, dass der Antragsteller, dem im Jahre 2023 der Pflegegrad 3 zuerkannt worden sei, grundsätzlich einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege in Form ambulanter Pflege gemäß der angeführten Rechtsgrundlage habe. Allerdings setze eine Leistung nach § 64b SGB XII das Vorliegen eines Versorgungsvertrages mit dem Leistungserbringer voraus. Ein solcher liege für den Pflegedienst P1 nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Antragsgegners nicht vor und die Voraussetzungen des § 75 Abs.1 Satz 1 SGB XII, wonach der Träger der Sozialhilfe Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel [...] durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen darf, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe  bestehe, sei nicht erfüllt. Auch gemäß § 75 Abs. 5 Satz 1 SGB XII dürfte ein Anspruch des Klägers auf Gewährung der Leistungen der Hilfe zur Pflege nicht in Frage kommen. Danach dürfe der Träger der Sozialhilfe die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen worden sei, nur erbringen, soweit dies nach den Besonderheiten des Einzelfalles geboten sei (Nr. 1), der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorgelegt habe,  das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gelte (Nr. 2), der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet habe, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten (Nr. 3) und die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher sei als die Vergütung, die der Träger der Sozialhilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart habe (Nr. 4). Vorliegend sei der Verzicht auf einen Versorgungsvertrag jedoch schon nicht nach den Besonderheiten des Einzelfalles geboten, wobei diese Besonderheiten in der Person des Leistungsberechtigten vorliegen müssten. Davon sei auszugehen, wenn der Bedarf nicht durch einen vereinbarungsgebundenen Leistungserbringer gedeckt werden könne (objektive Unmöglichkeit) oder die Inanspruchnahme der Leistungen eines vereinbarungsgebundenen Leistungserbringers dem Leistungsberechtigten nicht zumutbar sei (subjektive Unmöglichkeit). Vorliegend sei weder von einer objektiven noch von einer subjektiven Unmöglichkeit auszugehen. Nicht ersichtlich sei, warum der Bedarf des Antragstellers nicht von einem Leistungserbringer, mit dem ein Versorgungsvertrag bestehe, erbracht werden könne. Insbesondere habe der Antragsgegner bereits eine mündliche Zusage eines Pflegedienstes (Firma R1 GmbH) eingeholt, der die Pflege des Antragstellers übernehmen würde. Auch lägen in der Person des Antragstellers keine besonderen Umstände vor, die eine subjektive Unmöglichkeit begründen könnten. Dies mache bereits der Betreuungsumfang, der mit P1 vereinbart worden sei, deutlich. Es gehe danach ausschließlich um hauswirtschaftliche Versorgung. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller bereits einen Vertrag für seine Betreuung und Pflege abgeschlossen habe, rechtfertige kein anderes Ergebnis.

Ergänzend ist diesbezüglich ausgehend von der Begründung der Beschwerde im Schriftsatz der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 1. Mai 2024, dass bezüglich eines Anspruchs des Antragstellers gemäß § 75 Abs.5 Satz1 SGB XII auf die Gewährung der Hilfe zur Pflege bezüglich der Leistungserbringung durch einen „vertragslosen“ Leistungserbringer eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, noch auszuführen, dass § 75 Abs.5 Satz 1 auf der Tatbestandsseite verlangt, dass (u.a.) der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorgelegt haben  muss, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt (Nr. 2). Dies ist vorliegend seitens des Pflegedienstes P1 nicht erfüllt. Dem Antragsgegner liegt lediglich der Dienstleistungsvertrag zwischen dem Antragsteller und der Firma P1 vor. Daraus geht hervor, dass pflegerische Tätigkeiten seitens der Firma P1 beim Antragsteller nicht erbracht werden. Im Sinne eines Leistungsangebots, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt, ist es jedoch erforderlich, dass der Inhalt des Leistungsangebotes in Bezug auf Leistungen nach dem Siebten Kapitel des SGB XII mindestens pflegerischer Art ist. Des Weiteren fehlt es (bislang) an einer schriftlichen Verpflichtung des Leistungserbringers P1, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten (§ 75 Abs.5 Satz 1 Nr.3 SGB XII). Da insofern notwendige tatbestandliche Voraussetzungen des § 75 Abs. 5 Satz 1 SGB XII (bislang) nicht erfüllt sind, war der Antragsgegner gar nicht verpflichtet, bezüglich der Leistungsgewährung Ermessen auszuüben und dabei - nach Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers - gegebenenfalls zu einer Ermessensreduzierung auf Null zu gelangen.

Da nach den obigen Ausführungen bezüglich der Ablehnung der beantragten Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) eine hinreichende Erfolgsaussicht des Antragsverfahrens des Antragstellers nicht gegeben war, ist auch die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von PKH nicht begründet.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).  


 

Rechtskraft
Aus
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