Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 8. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2024 verpflichtet, die Klägerin für ihre Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1.) im Zeitraum vom 19. März 2014 bis 29. Februar 2016 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin bei der Beigeladenen zu 1.) im Zeitraum vom 19. März 2014 bis 29. Februar 2016.
Die 1969 geborene Klägerin ist zugelassene Rechtsanwältin. Unter dem 20. September 2013 (Blatt 844 ff. der Verwaltungsakte) schlossen die Beigeladene zu 1.) (damals noch als AG) und die Klägerin einen Anstellungsvertrag. Hiernach beginne das Anstellungsverhältnis am 1. April 2014 oder früher und gelte auf unbestimmte Zeit abgeschlossen (Ziffer 1.). Die Klägerin werde als Justitiarin innerhalb der Beigeladenen zu 1.) im Vorstandsressort des CEO beschäftigt. Sie gehöre zum Kreis der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Am 19. März 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für ihre Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin bei der Beigeladenen zu 1.). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Juli 2014 (Blatt 766 f. der Verwaltungsakte) ab. Die Klägerin sei zwar aufgrund ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer und zugleich des berufsständischen Versorgungswerks der Rechtsanwälte. Diese Pflichtmitgliedschaft bestehe jedoch nicht wegen ihrer Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin bei der Beigeladenen zu 1.). Die Klägerin sei nicht als Rechtsanwältin bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt. Personen, die als ständige Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stehen würden, seien in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwälte tätig. Für die Ausübung derartiger Beschäftigungen sei daher eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht möglich.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 (Blatt 778 der Verwaltungsakte) – eingegangen bei der Beklagten am 18. Januar 2016 – beantragte die Klägerin die (rückwirkende) Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Am heutigen Tage habe sie (die Klägerin) bei der Rechtsanwaltskammer Tübingen ihre Zulassung als Syndikusrechtsanwältin bei bestehender Rechtsanwaltszulassung beantragt. Die AG sei inzwischen umfirmiert. Ihr Arbeitsverhältnis sei seit dem 1. Januar 2015 durch Betriebsübergang gemäß § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) übergegangen auf die AG & Co.
Mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 (Blatt 918 f. der Verwaltungsakte) ließ die Rechtsanwaltskammer Tübingen die Klägerin als Syndikusrechtsanwältin bei der Firma M zu.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2018 (Blatt 938 f. der Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI ab. Die Klägerin sei nicht Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer aufgrund ihrer Beschäftigung, weil eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1.) nach § 46a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nicht vorliege.
Hiergegen erhob die – anwaltlich vertretene – Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Februar 2018 (Blatt 942 ff. der Verwaltungsakte) Widerspruch. Zwar sei es zutreffend, dass sie keine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1.) erhalten habe. Jedoch sei sie mittlerweile für ihre Tätigkeit bei der Firma M als Syndikusrechtsanwältin zugelassen. Sie habe unter dem 14. Januar 2016 fristgerecht einen Antrag auf rückwirkende Befreiung gemäß § 231 Abs. 4b SGB VI gestellt. Damit habe sie alle Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung ab dem 1. Februar 2014 erfüllt. Die Tatsache, dass die Zulassung aufgrund der Beendigung der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1.) im laufenden Antragsverfahren dann für die Tätigkeit bei ihrem neuen Arbeitgeber ausgesprochen worden sei, ändere an der rechtzeitigen Antragsstellung nichts.
Unter dem 16. August 2018 (Blatt 962 der Verwaltungsakte) teilte der Beigeladene zu 2.) mit, dass für die Klägerin eine Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes seit dem 19. März 2014 bestehe.
Mit Bescheid vom 30. August 2018 (Blatt 966 f. der Verwaltungsakte) befreite die Beklagte die Klägerin auf ihren Antrag vom 30. Juni 2016 für die im Arbeitsvertrag vom 17. Dezember 2015 bezeichnete Tätigkeit bei der Firma M, für die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach § 46a BRAO erteilt worden sei, von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Mit Bescheid vom 8. November 2018 (Blatt 986 ff. der Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte die rückwirkende Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI ab, da nicht alle gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien. So liege für die Klägerin keine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI unter Berücksichtigung der BRAO in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung vor. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin sei nicht für eine vor dem 1. April 2016 aufgenommene Beschäftigung erfolgt. Ebenfalls lehnte die Beklagte in diesem Bescheid den Antrag der Klägerin auf zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge nach § 286f SGB VI ab, da mangels Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI die Beiträge zurecht gezahlt worden seien.
Hiergegen erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Dezember 2018 (Blatt 990 ff. der Verwaltungsakte) Widerspruch. Für die rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht komme es nicht darauf an, dass die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1.) erfolgt sei (unter Verweis auf Sozialgericht -SG- Karlsruhe, Urteil vom 14. März 2018 – S 3 R 3729/17). Sie habe nur für ihre neue Tätigkeit eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin erhalten können, da ihre frühere Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1.) im Zeitpunkt der Entscheidung der Rechtsanwaltskammer Tübingen beendet gewesen sei und daher nur noch über die neu aufgenommene Tätigkeit habe entschieden werden können. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 231 Abs. 4b SGB VI jedoch eindeutig erreichen wollen, dass auch in diesen Fällen eine einheitliche Versicherungsbiographie ermöglicht werde.
Mit Schreiben vom 28. Dezember 2023 (Blatt 1418 f. der Verwaltungsakte) teilte die Beklagte mit, dass sich ihre Rechtsauffassung auch nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Verfahren B 5 RE 2/19 R im hier vorliegenden Fall nicht geändert habe. Da die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nicht für eine vor dem 1. April 2016 aufgenommene Beschäftigung erfolgt sei, könne keine rückwirkende Befreiung erfolgen.
Ausweislich eines internen Votums der Zentralen Widerspruchsstelle (ZWSt) der Beklagten vom 21. Februar 2024 (Blatt 1434 der Verwaltungsalte) bat diese um Überprüfung der Entscheidung und – falls keine Abhilfe erfolge – um ergänzende Begründung, die auf die klägerische Argumentation eingehe. § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI nenne als Voraussetzung gerade nicht, dass für eine (befreiungsfähige) davorliegende Beschäftigung eine (grundsätzlich erst später beginnende) Befreiung vorliegen müsse. Hierauf erfolgte mit handschriftlicher Verfügung vom 22. März 2024 (Blatt 1435 der Verwaltungsakte) der Hinweis, dass dem Widerspruch unter Verweis auf die Grundsatzstellungnahmen aus dem Jahr 2017 nicht abgeholfen werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2024 (Blatt 1440 ff. der Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 8. November 2018 als unbegründet zurück. Die Befreiung könne bis zum Beginn der Beschäftigung zurück erfolgen, in der bereits eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt auf der Grundlage der geänderten BRAO erteilt worden sei. Für die Klägerin liege keine Befreiung von der Rentenversicherung als Syndikusrechtsanwältin nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI unter Berücksichtigung der BRAO in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung für eine vor dem 1. April 2016 aufgenommene Beschäftigung vor. Dies entspreche dem gesetzgeberischen Willen. Ausweislich der Gesetzesbegründung solle durch die Einräumung eines rückwirkenden Befreiungsrechts für diejenigen, die nach der geänderten BRAO als Syndikusrechtsanwälte zugelassen und von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden könnten, auch für die Vergangenheit der Status quo hergestellt werden können. § 231 Abs. 4b SGB VI eröffne daher lediglich „für bestimmte Syndikusrechtsanwälte“ die Möglichkeit, eine über § 6 Abs. 4 SGB VI hinausgehende Rückwirkung der Befreiung herbeizuführen.
Am 23. Mai 2024 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, dass sie ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1.) am 1. Februar 2014 begonnen und am 29. Februar 2016 beendet habe. Sie sei seit Februar 2014 durchgängig Pflichtmitglied in der Rechtsanwaltskammer sowie im berufsständischen Versorgungswerk. Die höchstrichterliche Rechtsprechung würde ebenfalls die Auffassung vertreten, dass für die rückwirkende Befreiung zwar die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk vorliegen müsse, nicht jedoch auch die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die davorliegende Beschäftigung. Bei Zulassung als Syndikusrechtsanwalt seien über § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI sämtliche davorliegende Beschäftigungen befreiungsfähig. Die gegenteilige Argumentation der Beklagten finde keine Stütze im Gesetz.
Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2024 hat die Klägerseite eine Beitragskontoübersicht der Klägerin beim Beigeladenen zu 2.) für den streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegt. Auf gerichtliche Nachfrage hat der Beigeladene zu 2.) unter dem 22. Juli 2024 bestätigt, dass es sich hierbei um Pflichtbeiträge in Höhe von 3/10 des Regelpflichtbeitrages nach § 13 Abs. 1 der Satzung (des Beigeladenen zu 2.) handele und hat den Zulassungsbescheid der Rechtsanwaltskammer Tübingen vom 25. März 2014 vorgelegt, aus dem sich die Aufnahme der Klägerin in diese Rechtsanwaltskammer zum 19. März 2014 ergibt.
Nachdem die Klägerin zunächst eine rückwirkende Befreiung bereits ab dem 1. Februar 2014 begehrt hat, hat sie ihre Klage für die Zeit vom 1. Februar bis 18. März 2014 insoweit zurückgenommen und beantragt nunmehr,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2024 zu verpflichten, die Klägerin für ihre Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1.) im Zeitraum vom 19. März 2014 bis 29. Februar 2016 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beigeladenen stellen jeweils keinen eigenen Antrag.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen weiterhin für zutreffend.
Das Gericht hat den Fall mit den Beteiligten am 14. August 2024 mündlich verhandelt.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg.
Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 8. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2024, soweit der Zeitraum vom 19. März 2014 bis 29. Februar 2016 betroffen ist. Mit Klageschrift vom 23. Mau 2024 hatte die Klägerin noch die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis 29. Februar 2016 begehrt. Mit Blick auf den Beginn der Pflichtmitgliedschaft der Klägerin im berufsständischen Versorgungswerk (beim Beigeladenen zu 2.) – erst – ab dem 19. März 2014 hat die Klägerin ihren mit Klageschrift vom 23. Mai 2024 angekündigten Klageanatrag dahingehend „präzisiert“, dass nur noch die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitraum vom 19. März 2014 bis 29. Februar 2016 beantragt wird. Diese „Präzisierung“ ist prozessrechtlich eine Teilrücknahme im Sinne des § 102 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Hiernach ist nicht nur die Rücknahme der gesamten Klage, sondern auch eines Teils hiervon möglich – mithin die Beschränkung des ursprünglich geltend gemachten Anspruchs. Dies erfolgt – wie vorliegend – oft nicht ausdrücklich, sondern durch die bloße Beschränkung des Klageantrages im Vergleich zum ursprünglichen, mit der Klageerhebung verfolgten Ziel (siehe zum Ganzen Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage 2022 [Stand: 07.05.2024], § 102 Rn. 37).
Die klägerseitig begehrte Befreiung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitraum vom 19. März 2014 bis 29. Februar 2016 kann zulässiger Weise im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 56 SGG geltend gemacht werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2020 – B 5 RE 3/19 R).
Die angegriffene Verwaltungsentscheidung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 231 Abs. 4b SGB VI. Hiernach wirkt eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der BRAO in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung oder der Patentanwaltsordnung (PAO) in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt wurde, auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird (Satz 1). Sie wirkt auch vom Beginn davorliegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand (Satz 2). Die Befreiung nach Satz 1 und 2 wirkt frühestens ab dem 1. April 2014 (Satz 3). Die Befreiung wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 1. April 2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden (Satz 4). Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt aufgrund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde (Satz 5). Der Antrag auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 kann nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 gestellt werden (Satz 6).
Hieran gemessen hält die angegriffene Verwaltungsentscheidung einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten erfüllt die Klägerin sämtliche tatbestandliche Voraussetzungen des § 231 Abs. 4b SGB VI, sodass ihr gegen die Beklagte der klageweise geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im Zeitraum vom 19. März 2014 bis 29. Februar 2016 zusteht.
Der Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin bei der Beigeladenen zu 1.) im streitgegenständlichen Zeitraum vom 19. März 2014 bis 29. Februar 2016 folgt aus § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI. Hiernach wirkt eine nach Satz 1 der Vorschrift erteilte Befreiung auf Antrag auch bis zum Beginn davorliegender Beschäftigungen zurück, sofern für die versicherte Person in dieser Zeit eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestanden hat. Anders als die Beklagte annimmt, erfüllt die Klägerin sämtliche tatbestandliche Anspruchsvoraussetzungen.
Zunächst liegt für die Klägerin eine Befreiung im Sinne des § 231 Abs. 4b S. 1 SGB VI vor. Diese zwar nicht für die streitgegenständliche Tätigkeit der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin bei der Beigeladenen zu 1.) im Zeitraum vom 19. März 2014 bis 29. Februar 2016, jedoch für die nachfolgende Tätigkeit der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin bei der Firma M ab April 2016. Insoweit hat die Rechtsanwaltskammer Tübingen die Klägerin bereits im Jahr 2017 als Syndikusrechtsanwältin bei der Firma M zugelassen. Vorliegend entscheidend hat schließlich die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 30. August 2018 auf deren Antrag vom 30. Juni 2016 für genau diese Tätigkeit, für die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach § 46a BRAO – in der Fassung ab dem 1. Januar 2016 – erteilt worden ist, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Gemäß § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI wirkt diese Befreiung auch auf den Beginn davorliegender Beschäftigungen zurück, sofern während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Insoweit handelt es sich bei der hier streitgegenständlichen Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1.) um eine davorliegende Beschäftigung, da diese bis Ende Februar 2016 ausgeübt wurde und die Befreiung im Sinne des § 231 Abs. 4b S. 1 SGB VI für die Tätigkeit der Klägerin bei der Firma M erteilt wurde, die erst nachfolgend im April 2016 begonnen wurde.
Überdies war die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum auch Pflichtmitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk. Dies wurde durch den Beigeladenen zu 2.) auf entsprechende gerichtliche Nachfrage mit Schriftsatz vom dem 22. Juli 2024 explizit bestätigt. Ausweislich des ebenfalls vorgelegten Zulassungsbescheides der Rechtsanwaltskammer Tübingen vom 25. März 2014 wurde die Klägerin am 19. März 2014 in die dortige Rechtsanwaltskammer aufgenommen.
Für die Klägerin bestand gemäß § 5 Abs. 2 des Gesetzes über das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg (Rechtsanwaltsversorgungsgesetz – RAVG vom 10. Dezember 1984; GBl. 1984, 671) eine Pflichtmitgliedschaft beim Beigeladenen zu 2.). Hiernach ist kraft Gesetzes Mitglied des Versorgungswerks, wer nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bis zum Tag vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des RAVG vom 24. April 2018 Mitglied einer Rechtsanwaltskammer in Baden-Württemberg geworden ist und zu diesem Zeitpunkt das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend allesamt erfüllt. Das RAVG trat mit Wirkung zum 1. Januar 1985 in Kraft. Die Aufnahme der Klägerin in die Rechtsanwaltskammer Tübingen – mithin eine Rechtsanwaltskammer in Baden-Württemberg – erfolgte gemäß § 27 Abs. 3 BRAO zum 19. März 2014, und damit nach dem Inkrafttreten des RAVG und vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des RAVG vom 24. April 2018 (GBl. S. 138). Schließlich hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt (19. März 2014) das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet, da sie erst knapp drei Monate später das 45. Lebensjahr vollendet hatte, folglich im maßgeblichen Zeitpunkt noch 44 Jahre alt war.
Weitere Voraussetzungen, die es für eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für frühere Beschäftigungen als Syndikusrechtsanwalt beziehungsweise Syndikusrechtsanwältin zu beachten und einzuhalten gilt, sieht die Regelung des § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI nicht vor. Unzutreffend geht die Beklagte in diesem Zusammenhang davon aus, die Vorschrift setze nach ihrem gesetzgeberischen Willen weitergehend voraus, dass auch für eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die betroffene Beschäftigung eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI im Lichte der BRAO in der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung erteilt worden sein muss. Die Auslegung der Norm nach ihrem Wortlaut, ihrer Binnensystematik sowie ihrer Gesetzeshistorie zeigt indes, dass – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – eine solche (zusätzliche) Voraussetzung gerade nicht der legislativen Vorstellung des Gesetzgebers im Kontext der Regelung des § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI entsprochen hat.
Zur Begründung ihrer Rechtsauffassung zitiert die Beklagte auszugsweise aus der Gesetzesbegründung zu § 231 Abs. 4b SGB VI. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll durch die Einräumung eines rückwirkenden Befreiungsrechts für diejenigen, die nach der geänderten BRAO als Syndikusrechtsanwälte zugelassen und von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können, auch für die Vergangenheit der Status quo hergestellt werden können. § 231 Abs. 4b SGB VI eröffnet daher lediglich „für bestimmte Syndikusrechtsanwälte“ die Möglichkeit, eine über die § 6 Abs. 4 SGB VI hinausgehende Rückwirkung der Befreiung herbeizuführen.
Zunächst ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm des § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI kein Hinweis auf diese beklagtenseitig vertretene Rechtsauffassung. Hierauf weist bereits das behördeninterne Votum der Zentralen Widerspruchsstelle vom 21. Februar 2024 zutreffender Weise hin. Hierin heißt es „§ 231 Abs. 4b Satz 2 SGB VI nennt als Voraussetzung einer rückwirkenden Befreiung gerade nicht, dass für eine (befreiungsfähige) davor liegende Beschäftigung eine (grdstzl erst später beginnende) Befreiung vorliegen muss“. In der Tat verlangt der Wortlaut des § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI „lediglich“, dass eine Befreiung im Sinne des § 231 Abs. 4b S. 1 SGB VI vorliegen und für davorliegende Beschäftigungen die versicherte Person Pflichtmitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk während dieser Beschäftigungen gewesen sein muss.
Das Gericht verkennt nicht, dass es zu Konstellationen kommen kann, in denen der gesetzgeberische Wille mitunter aufgrund redaktioneller Versehen nicht den erforderlichen Niederschlag im Wortlaut des einschlägigen Gesetzestextes gefunden hat. Im hier zu beurteilenden Fall geben allerdings weder die Binnensystematik der Norm noch die Gesetzeshistorie einen belastbaren Anhaltspunkt für die beklagtenseitig vertretene Rechtsauffassung her.
Die Absätze 4a bis 4d in der Vorschrift des § 231 SGB VI sind durch Art. 7 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung (SAnwRNOG/FGOÄndG vom 21. Dezember 2015 mit Wirkung zum 1. Januar 2016; BGBl. 2015, 2517) eingeführt worden. Ausweislich der Gesetzesbegründung eröffnet § 231 Abs. 4b SGB VI bestimmten Syndikusrechtsanwälten oder Syndikuspatentanwälten die Möglichkeit, auf zusätzlichen Antrag (neben dem Antrag auf § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) eine über § 6 Abs. 4 SGB VI hinausgehende Rückwirkung der Befreiung herbeizuführen. Eine bis zur Erteilung der Befreiung erfolgte Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung wird längstens bis zum 1. April 2014 rückabgewickelt. Eine erfolgte Beitragszahlung zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen der Rechtsanwälte und Patentanwälte wird legalisiert. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass infolge der Rechtsprechung des BSG die Möglichkeit zur Befreiung für Syndikusrechtsanwälte vorübergehend zeitweise nicht gegeben war und berücksichtigt angemessen ein durch die bisherige Rechtspraxis bei der Befreiung von Syndikusrechts- und Syndikuspatentanwälten geschaffenes schutzwürdiges Vertrauen.
Belastbare Anknüpfungstatsachen dafür, dass der Gesetzgeber es aufgrund eines redaktionellen Versehens in Satz 2 der Regelung des § 231 Abs. 4b SGB VI unterlassen hat, als konstitutives Tatbestandsmerkmal aufzunehmen, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für frühere Beschäftigungen auch eine Befreiung hierfür voraussetzt, die im Lichte der Neuregelung der BRAO zum 1. Januar 2016 nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI erteilt wurde, sind nicht ersichtlich.
Insoweit wurde die Regelung des § 231 Abs. 4b SGB VI zum selben Zeitpunkt eingeführt. Dem Gesetzgeber wäre es möglich gewesen, in die Regelung des Satzes 2 aufzunehmen, dass eine rückwirkende Befreiung auch für frühere Beschäftigungen nur unter den Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift in Betracht kommt. Von einer solchen Regelung hat der Gesetzgeber indes keinen Gebrauch gemacht. Im Lichte dessen, dass eine solche, Voraussetzung expressis verbis nur im Satz 1, nicht jedoch auch in Satz 2 des § 231 Abs. 4b SGB VI vorgenommen wurde, spricht bei zeitgleichem Inkrafttreten der gesamten Regelung gegen die beklagtenseitig angenommene Rechtsauffassung eines vom Wortlaut abweichenden gesetzgeberischen Willens.
Aus der vorbeschriebenen Gesetzeshistorie sowie dem Wortlaut des § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI ergibt sich vielmehr, dass die beklagtenseitig angenommene Rechtsauffassung in diesem Punkt nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen kann. Insoweit stellt § 231 Abs. 4b SGB VI eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des BSG vom 3. April 2014 (B 5 RE 13/14 R, B 5 RE 9/14 R und B 5 RE 3/14 R) dar. Nach diesen Entscheidungen des BSG kam für jemanden, der als Rechtsanwalt zugelassen und zugleich rentenversicherungspflichtig beschäftigt war, wegen seiner berufsständischen Versorgung für diese Beschäftigung eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht (vgl. Leitsatz zur Entscheidung im Verfahren B 5 RE 13/14 R).
Bis zur vorskizzierten gesetzlichen Neuregelung war damit die Möglichkeit der Befreiung als Syndikusrechtsanwalt temporär – entgegen der früheren, vor der benannten BSG-Entscheidung geübten Rechtspraxis – ausgeschlossen. Das durch diese frühere Rechtspraxis geschaffene, schutzwürdige Vertrauen sollte durch die gesetzlichen Neuregelungen berücksichtigt werden.
Faktisch betroffen waren damit Sachverhaltskonstellationen, in denen – wie vorliegend – eine Befreiung im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG nicht möglich war, mithin zwischen April 2014 und dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelungen zum 1. Januar 2016 (also ein Zeitraum von knapp zwei Jahren).
Aus dem Wortlaut der Norm des § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei seiner Neuregelung die Schnelllebigkeit des Arbeitsmarktes mit mitunter wechselnden Beschäftigungsverhältnissen erkannt und berücksichtigt hat. Insoweit erlaubt der Gesetzgeber in dieser Vorschrift, dass eine Befreiung für davorliegende „Beschäftigungen“ unter den genannten Voraussetzungen möglich ist. Durch die Verwendung der Pluralform wird deutlich, dass der Gesetzgeber ein Befreiungsrecht nicht nur für eine frühere Beschäftigung einräumen wollte, sondern auch für eine Mehrzahl etwaig früher ausgeübter Beschäftigungen.
Würde man die Rechtsauffassung der Beklagten als zutreffend ansehen, so hätte dies in Fällen, in denen die als Syndikusrechtsanwalt oder -anwältin tätigen versicherten Personen, die zwischen April 2014 und Dezember 2015 in mehreren Beschäftigungsverhältnissen tätig waren und für die – nach neuer Rechtslage – eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung möglich gewesen wäre, als praktische Konsequenz, dass die betroffenen Versicherten sämtliche Beschäftigungen auch noch im Zeitpunkt der Geltung der Neuregelungen zum 1. Januar 2016 hätten ausüben müssen, da ansonsten weder eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, noch eine Befreiung für diese Beschäftigungen hätte erteilt werden können (vgl. zur fehlenden Befreiungsmöglichkeit bei zum 31. Dezember 2015 beendeten Beschäftigungen: Landessozialgericht -LSG- Baden-Württemberg, Urteil vom 20. März 2019 – L 2 R 3561/18).
Die Vorstellung, § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI wäre in Fällen, in denen die Betroffenen mehrere Beschäftigungen als Syndikusrechtsanwalt oder -anwältin ausgeübt haben, nur dann anwendbar, wenn sämtliche dieser Beschäftigungen auch noch im Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Neuregelungen zum 1. Januar 2016 weiterhin (faktisch zeitgleich) ausgeübt werden, ist weder in praktischer Hinsicht tragfähig, noch kann dies bei lebensnaher Betrachtungsweise dem (vermeintlichen) Willen des Gesetzgebers entsprochen haben.
Nach alledem kann die beklagtenseitig vertretene Rechtsauffassung keinen Bestand haben. Soweit die Beklagte ihren Rechtsstandpunkt unter Verweis auf die Gesetzesbegründung verteidigt, verkennt sie hierbei, dass der Gesetzgeber keine derart einschränkende Anwendung des § 231 Abs. 4b S. 2 SGB VI erreichen wollte. Soweit in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, dass die hiermit eröffnete Befreiungsmöglichkeit nur für „bestimmte“ Syndikusrechtsanwälte gelten und damit lediglich auch für die Vergangenheit der Status quo hergestellt werden solle, ist dies nicht – wie die Beklagte meint – dahingehend zu verstehen, dass auch für frühere Beschäftigungen ebenfalls eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI im Lichte der Neuregelung zum 1. Januar 2016 bestehen muss. Vielmehr ist Formulierung „bestimmte“ Syndikusrechtsanwälte so zu verstehen, dass nur solche vom Anwendungsbereich des rückwirkenden Befreiungsrechts umfasst sein sollen, die für die Zeit dieser Beschäftigungen Pflichtmitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk waren, mithin ein ausreichender Bezug zu einer berufsständischen Versorgung bestanden hat. Entsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung auch wörtlich: „Voraussetzung ist in allen Fällen, dass während der Beschäftigungen zumindest eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk (nicht unbedingt auch eine einkommensbezogene Beitragszahlung an das Versorgungswerk) bestand, mithin ein Bezug zur berufsständischen Versorgung (gegebenenfalls auch neben der Pflichtbeitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung) gegeben war.“
Gemäß § 231 Abs. 4b S. 3 SGB VI wirkt die Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 frühestens zum 1. April 2014. Dies liegt – wie vorstehend beschrieben – in dem Zeitpunkt der höchstrichterlichen Entscheidungen Anfang April 2014 begründet.
Die Klägerin hat überdies rechtzeitig einen entsprechenden Befreiungsantrag gestellt. Gemäß § 231 Abs. 4b S. 6 SGB VI ist eine Antragsstellung auf rückwirkende Befreiung nach den Sätzen 1 und 2 nur bis zum Ablauf des 1. April 2016 möglich. Vorliegend ging der entsprechende Befreiungsantrag der Klägerin vom 14. Januar 2016 bei der Beklagten am 18. Januar 2016 – und damit innerhalb der gesetzlich normierten Frist – ein.
Der Anspruch der Klägerin auf rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Syndikusrechtsanwältin ist vorliegend auch nicht nach § 231 Abs. 4b S. 5 SGB VI ausgeschlossen. Hiernach gelten die Sätze 1 bis 4 nicht für Beschäftigungen, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt aufgrund einer vor dem 4. April 2014 ergangenen Entscheidung bestandskräftig abgelehnt wurde.
Vorliegend hatte die Klägerin zwar bereits am 19. März 2014 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die hier streitgegenständliche Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1.) beantragt. Die bestandskräftige Entscheidung hierüber traf die Beklagte indes (erst) mit Bescheid vom 3. Juli 2014 – mithin im Lichte der zu diesem Zeitpunkt bereits ergangenen Entscheidungen des BSG vom 3. April 2014.
Entsprechend liegen für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 29. Februar 2016 sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen für die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die hier streitgegenständliche Beschäftigung als Syndikusrechtsanwältin bei der Beigeladenen zu 1.) vor.
Soweit die Klägerin darüber hinaus noch die entsprechende Befreiung auch für den davorliegenden Zeitraum vom 19. bis 31. März 2014 geltend macht, folgt dieses Befreiungsrecht der Klägerin zusätzlich aus der Regelung des § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI. Hiernach wirkt die Befreiung auch auf Zeiten vor dem 1. April 2014 zurück, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden.
Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne der Norm auch solche Pflichtbeiträge sind, die abhängig vom Einkommen in pauschaler Höhe bestimmt werden. Insoweit erlaubt der Gesetzeswortlaut auch eine pauschal bestimmte Beitragshöhe. Durch die Formulierung „einkommensbezogen“ ist eine Verbindung oder Anknüpfung – mithin jedenfalls ein gewisser Bezug – zwischen dem erzielten Einkommen und den an das Versorgungswerk geleisteten Beiträgen erforderlich. Weitergehende Anforderungen an die Qualität der Beziehung zwischen Einkommen und Beiträgen haben im Gesetzeswortlaut indes keinen Ausdruck gefunden. Weder lässt sich die Formulierung „einkommensgerecht“ noch „einkommensabhängig“ dem Wortlaut entnehmen (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2020 – B 5 RE 3/19 R).
Überdies sprechen systematische Erwägungen dafür, dass „einkommensbezogene Pflichtbeiträge“ im Sinne von § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI auch Beiträge umfassen, die nach den Satzungen der Versorgungswerke als Grund-, Mindest- oder besondere Beiträge in pauschaler Höhe festgesetzt werden. Nach dem in den Ländern geltenden Satzungsrecht ist eine Betragszahlung an das Versorgungswerk in pauschaler Höhe der Regelfall. Auch sonst sind pauschalierte Beiträge charakteristisch für die Beitragszahlung selbstständig Tätiger zur gesetzlichen Rentenversicherung (§ 165 SGB VI). Weitergehend spricht der zeitgleich zu § 231 Abs. 4b SGB VI in Kraft getretene § 286f SGB VI für ein weites Verständnis von „einkommensbezogenen“ Beiträgen. Schließlich spricht der Sinn und Zweck der Übergangsregelung des § 231 Abs. 4b SGB VI dafür, auch Mindest- und Grundbeiträge zum Versorgungswerk ebenfalls als einkommensbezogen im Sinne der Norm anzusehen. Schon § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI verfolgte den Zweck, nicht nur eine doppelte Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung und zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zu verhindern, sondern auch eine „geschlossene Versicherungsbiographie“ zu ermöglichen. Daran knüpft die vorübergehend geschaffene Möglichkeit der rückwirkenden Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI an. Das Ziel einer möglichst kontinuierlichen Versicherungsbiographie im Versorgungswerk wird am effektivsten erreicht, wenn auch Grund- und Mindestbeiträge nach den beitragsrechtlichen Regelungen der Versorgungswerke als einkommensbezogene Pflichtbeiträge im Sinne von § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI angesehen werden (vgl. BSG, a.a.O.)
Vorliegend hat die Klägerin „Besondere Beiträge“ im Sinne des § 13 Abs. 1 der Satzung des Beigeladenen zu 2.) im März 2014 geleistet. Hierbei handelt es sich um einen Beitrag in Höhe von 3/10 des Regelpflichtbeitrages. Dieser wiederum entspricht gemäß § 11 Abs. 1 der Satzung des Beigeladenen zu 2.) dem jeweils geltenden Höchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung, wie er sich unter anderem aus § 158 SGB VI (Beitragssatz) und § 159 SGB VI (Beitragsbemessungsgrenze) ergibt. Über diese Verknüpfung ist auch beim vorliegend geleitesteten Besonderen Beitrag der erforderliche Bezug zwischen erzieltem Einkommen und den geleisteten Beiträgen an den Beigeladenen zu 2.) gegeben (so im Ergebnis auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2018 – L 13 R 4841/17). Entsprechend war der Klage um vollen Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.