L 6 U 1849/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2947/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1849/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin ihres 2023 verstorbenen Ehemanns K1 (Versicherter) – im Wege des Überprüfungsverfahrens – die Gewährung einer höheren Verletztenrente aufgrund der beim Versicherten anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1314 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV – Erkrankungen durch para-tertiär Butylphenol).

Der Versicherte war 1955 in der Türkei geboren, hatte dort die Hauptschule abgeschlossen und als Taxi- und LKW-Fahrer gearbeitet. Seit 1980 lebte er in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und war seit Oktober 1981 bei der Firma Z1 in der Herstellung von Klebstoffen tätig. Seit 2009 bezog er Rente wegen Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Der Versicherte war verheiratet und hatte drei Kinder.

Im März 1998 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren hinsichtlich einer BK Nr. 1314 der Anlage 1 zur BKV ein und veranlasste, nach Beiziehung von Unterlagen, das arbeitsmedizinische Gutachten des K2 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 2. Februar 1999.

Dieser führte aus, dass der Versicherte seit 1987 in einer Abteilung zur Herstellung lösemittelhaltiger Kleber tätig sei. Kurz nach Aufnahme der Tätigkeit in der Klebstoffherstellung sei es zum Auftreten kleinfleckiger Depigmentierungen im Genitalbereich und unter den Achseln gekommen. Später seien die Hauterscheinungen auch an Füßen, Händen und Oberkörper aufgetreten und nähmen stetig zu. Die Epikutantestung mit den verwendeten Berufsstoffen habe keine Depigmentierung ergeben. An den Extremitäten seien die Gelenke frei beweglich, sichtbare Gelenkveränderungen, Muskelatrophien und Ödem bestünden keine. Die grobe Kraft sei seitengleich, die peripheren Pulse allseits tastbar, der psychische Befund unauffällig.

Die berufliche Tätigkeit bzw. die angeschuldigte Einwirkung sei mit Wahrscheinlichkeit nicht geeignet gewesen, die Gesundheitsstörungen zu verursachen. Es handele sich nicht um eine wesentliche Verschlechterung eines bereits bestehenden Leidens. Eine Wie-Berufskrankheit sei nicht anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 13. August 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Berufskrankheiten nach Nr. 1314 und Nr. 5101 der Anlage 1 zur BK sowie die als Wie-Berufskrankheit ab. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 1999 zurückgewiesen.

Am 12. November 1999 erhob der Versicherte Klage beim Sozialgericht (SG) Heilbronn (S 9 U 2750/99). Während des Klageverfahrens wurde das arbeitsmedizinisch-dermatologische Gutachten des D1, Universität E1, vom 28. Januar 2002 eingeholt. Dieser legte dar, dass bei dem Versicherten eine Vitiligo (Pigmentstörung – „Weißfleckenkrankheit“) bestehe, für die die berufliche Tätigkeit bzw. die angeschuldigte Einwirkung nicht ursächlich sei. Es handele sich nicht um die Verschlimmerung eines anlagebedingten Leidens. Beruflich verursachte Krankheitsfolgen bestünden nicht, die bisherige Tätigkeit könne weiter ausgeübt werden. Die Klage wurde mit Urteil vom 31. Juli 2002 abgewiesen.

Im Berufungsverfahren (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg – L 10 U 3499/02) wurde das dermatologische Zusammenhangsgutachten des R1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 18. Juni 2003 erhoben. Danach liege eine BK nach Nr. 1314 der Anlage 1 zur BKV vor, da die verwendeten Arbeitsstoffe vitiligoinduzierende Listenstoffe enthielten. Die normale Inzidenz von Vitiligo-Erkrankungen in der Bevölkerung liege bei ein bis zwei Prozent, am Arbeitsplatz des Versicherten seien zwei von drei Beschäftigten erkrankt.

Auf dermatologischen Fachgebiet zeige sich eine nahezu generalisierte Vitiligo mit partieller Aussparung der Halsgefässscheide, des Skrotums und des Penisschaftes. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 25 vom Hundert (v. H.) ab der dokumentierten Erstmanifestation der Erkrankung. Dabei sei davon auszugehen, dass nach den Angaben des Statistischen Landesamtes etwa 25 % der Berufe mit Publikumskontakt einhergingen. Die kosmetische Entstellung und die damit verbundene soziale Stigmatisierung verschließe dem Versicherten einen Einsatz im Bereich mit Publikumskontakt.

Mit Bescheid vom 6. November 2003 erkannte die Beklagte eine BK nach Nr. 1314 der Anlage 1 zur BKV an und gewährte Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. ab dem 26. Juni 1998. Das Berufungsverfahren wurde daraufhin für erledigt erklärt.

Nach Gutachterauswahl holte die Beklagte das nervenfachärztliche Gutachten der M1 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 19. September 2006 ein. Danach habe der Versicherte eine Depression in Folge der Hauterkrankung entwickelt, die sich durch die nicht gelöste Arbeitsplatzproblematik verfestigt habe. Die Depression habe keine Änderung der MdE zur Folge, die soziale und psychische Stigmatisierung durch die Hauterkrankung sei im Sachverständigengutachten des R1 bereits gewürdigt worden. Die eingetretene Chronifizierung durch die Arbeitsplatzsymptomatik erhöhe die MdE nicht, das psychische Befinden sei unverändert.

Zur Akte gelangte der Entlassungsbericht der P1-Klinik D2 über die stationäre Rehabilitation zur Lasten der DRV (3. September bis 1. Oktober 2008). Darin wurde ausgeführt, dass auslösend für die depressive Symptomatik zum einen die Hauterkrankung und zum anderen der Arbeitsplatzkonflikt mit zwischenzeitlicher Kündigung wirke. Die Gedanken des Versicherten kreisten um die Einschränkungen durch die Hauterkrankung, andererseits um den Arbeitsplatzkonflikt und die darauf bezogene Kränkung.
Im Rahmen der psychosomatischen Fachbehandlung hätten die Depression und die körperlichen Beschwerden gebessert werden können. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt sei von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen. Die letzte Tätigkeit als Lagerarbeiter sei ebenfalls vollschichtig zumutbar. Längerfristige quantitative Leistungseinschränkungen seien in psychischer Hinsicht nicht erkennbar gewesen. Der Versicherte habe die Leistungseinschätzung nur bedingt geteilt.

Nach weiterer Gutachterauswahl wurde das fachpsychiatrische Gutachten des E2 aufgrund ambulanter Untersuchung vom 14. Oktober 2010 beauftragt. Danach sei vor dem Hintergrund einer hohen Kränkbarkeit des Versicherten als sich in der Depression akzentuierenden Persönlichkeitsvariable und seiner rigiden Gerechtigkeitsvorstellung die Auslösung der depressiven Störung durch die psychosozial massiv beeinträchtigend erlebte Depigmentierungsstörung der Haut als hinreichend wahrscheinlich anzusehen. Es liege eine rezidivierende depressive Störung vor, die chronifiziert sei. Die MdE betrage, wie schon von R1 gesehen, weiter 25 v. H.. Spezielle Nachuntersuchungen außerhalb der klinischen Routine seien nicht erforderlich. Eine pharmakologische antidepressive Therapie sei dauerhaft notwendig. Es sei davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeit über den 17. Juli 2006 hinaus wesentlich auf die seit 1999 bestehende depressive Grunderkrankung zurückzuführen sei, die wiederum durch die Hauterkrankung ausgelöst worden sei und unterhalten werde.

Mit Bescheid vom 3. August 2012 gewährte die Beklagte vom 6. Oktober 2008 bis zum Rentenbeginn der Erwerbsminderungsrente Verletztengeld.

F1 führte beratungsärztlich aus, dass die Vitiligo zwischenzeitlich zu einer fast völligen Ausbleichung der gesamten Körperhaut geführt habe, was dann weniger entstellenden Charakter habe als in den Anfangsphasen. Die rezidivierende depressive Störung sei durch einen Arbeitsplatzkonflikt verfestigt, wobei eine Relativierung dadurch vorliege, dass sie im Rahmen der Hautkrankheit bewertet worden sei. Die Tatsache, dass die MdE mit 25 v. H. eingeschätzt worden sei, spreche dafür, dass der Versicherte grundsätzlich dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Eine weitere Gewährung von Verletztengeld sei nicht zu begründen.

Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. August 2012 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2013 zurückgewiesen. Der Anspruch auf Verletztengeld habe mit Ablauf der 78. Woche geendet, da mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei.

Der Versicherte erhob erneut Klage beim SG Heilbronn (S 4 U 2026/13), die vergleichsweise dahingehend beendet wurde, dass die Beklagte einen Bescheid über die Höhe des Verletztengeldanspruchs erlässt (vgl. Protokoll vom 3. März 2015).

Mit Bescheid vom 23. Mai 2015 stellte die Beklagte in Ausführung des Vergleichs fest, dass ein Anspruch auf Verletztengeld über den 29. Oktober 2009 hinaus nicht besteht. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2015 zurückgewiesen. Am 1. September 2015 erhob der Versicherte wiederum Klage beim SG Heilbronn (S 5 U 2986/15), die mit Gerichtsbescheid vom 5. Januar 2017 abgewiesen wurde. Im Berufungsverfahren beim Senat (L 6 U 440/17) wurde in der nichtöffentlichen Sitzung beantragt, Verletztengeld vom 1. Januar 1998 bis 5. Oktober 2008 und vom 30. Oktober 2009 bis aktuell zu gewähren. Die Berufung wurde zurückgenommen (vgl. Protokoll vom 14. Juni 2017).

Mit Bescheid vom 12. November 2018 lehnte die Beklagte eine Verletztengeldzahlung über die in der Vergangenheit bereits erbrachten Leistungen hinaus ab. Tag des Versicherungsfalls sei der 25. Juni 1998 gewesen, erst ab diesem Tag kämen überhaupt Leistungsansprüche in Betracht. Seit dem 24. Februar 2009 werde Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit bezogen. Davor sei Verletztengeld geleistet worden, welches die Krankenkasse ausgezahlt habe. Am Montag, den 17. Juli 2006 habe wieder Arbeitsfähigkeit bestanden.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2019 zurück. Am 18. Februar 2019 erhob der Versicherte Klage beim SG Heilbronn (S 8 U 753/19), die mit Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2019 abgewiesen wurde, da der Versicherte keinen Anspruch auf Zahlung weiteren Verletztengeldes habe.

Am 6. Juli 2021 beantragte der Versicherte die Gewährung einer höheren Verletztenrente sowie die Überprüfung des letzten Rentenbescheides gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Mit Bescheid vom 22. Juli 2021 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Aus dem Antrag ergäben sich keine Anhaltspunkte, dass bei Erlass des Bescheides vom 6. November 2003 das Recht unrichtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Über den Verschlimmerungsantrag werde gesondert entschieden.

Gegen den Bescheid erhob der Versicherte Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2021 zurückwies. Grundlage des zu überprüfenden Bescheides sei das Sachverständigengutachten des R1 gewesen, welches im damaligen Berufungsverfahren erhoben worden sei. Ein Anspruch auf Zahlung einer höheren Verletztenrente bestehe nicht.

Am 28. Oktober 2021 hat der Versicherte – hier streitgegenständlich – eine weitere Klage beim SG Heilbronn (S 2 U 2947/21) erhoben.

Hinsichtlich des Verschlimmerungsantrages hat die Beklagte nach Gutachterauswahl das dermatologische Gutachten des B1, B2, aufgrund ambulanter Untersuchung vom 22. Februar 2020 (richtig: 2022) eingeholt. Diesem gegenüber hat der Versicherte angegeben, dass eine „Sonnenallergie“ bestehe. Nach kurzen Aufenthalten in der Sonne komme es zum Auftreten von Rötungen sowie Bläschen mit Brenngefühl. Die Sonnenschutzpräparate seien nicht ausreichend, er verlasse das Haus nur in den Abendstunden.

Seit dem letzten Gutachten 2003 sei es zur weiteren Ausbreitung der Vitiligo gekommen. Aktuell sei fast die gesamte Haut des Körpers betroffen. Es bestünden Stigmatisierungsgefühle und die Depression, die durch die Hauterkrankung verursacht wäre. Außerdem fühle sich der Versicherte „gemobbt“. Bis 2021 sei die Lebererkrankung nicht bekannt gewesen. Seit circa vier Monaten komme es zu einer Verschlechterung der Leberfunktion und einer Reduktion des Allgemeinzustandes. Ebenfalls vor circa vier Monaten sei ein starker Juckreiz entstanden, der auf lokale Behandlung nicht angesprochen habe. Es werde aktuell eine systemische Therapie durchgeführt.

Es bestehe ein Lichthauttyp nach Fitzpatrick zwischen IV und V, aktuell eine fast komplette Vitiligo. Der Versicherte gebe an, dass die Hauterkrankung seit 2003 progredient gewesen sei, allerdings sei nach den vorgelegten Bildern nicht von einer wesentlichen Änderung auszugehen. Des Weiteren bestehe eine stark erhöhte Lichtempfindlichkeit, die medizinisch gut durch die Depigmentierung erklärbar sei. Die Anwendung von Sonnenschutzcreme sei anamnestisch nicht ausreichend und ein nur kurzfristiger Aufenthalt in der Sonne führe zu starken Hautreaktionen. Differentialdiagnostisch könne die Lichtempfindlichkeit durch eine Perphyrie cutanea tarda hervorgerufen worden sein, da eine Leberzirrhose vorliege.

Weiter liege eine chronische Depression vor, die nach Aktenlage zweimal fachärztlich begutachtet worden sei. Die Gutachter kämen zu dem Schluss, dass die Vitiligo im Wesentlichen die Depression verursacht habe und daher eine Folge der BK sei. Es bedürfe einer psychiatrischen Stellungnahme, ob eine Erhöhung der MdE in Frage komme.

Nach dem Anerkennungsbescheid vom 6. November 2003 sei die Steatosis hepatitis nicht als Folge der BK anzuerkennen. Nach Aktenlage lasse sich die Diagnose einer Leberparenchymschädigung/Fettleber bereits im Jahr 1987 nachweisen. Dies sei durch mehrere Ultraschalluntersuchungen wiederholt bestätigt worden. Im dokumentierten Verlauf würden mehrmals erhöhte Leberwerte beschrieben, zudem sei eine toxische Wirkung von Pilzen im Jahr 2000 dokumentiert. Die Leberzirrhose sei wahrscheinlich polyätiologisch verursacht. Nach aktueller Literaturrecherche gebe es keine ausreichenden epidemiologischen Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Leberzirrhose und den Listenstoffen im Sinne der BK Nr. 1314 der Anlage 1 zur BKV.

Eine wichtige Differentialdiagnose stelle grundsätzlich eine toxisch medikamentöse Leberschädigung dar, die durch die bei dem Versicherten seit Jahren bestehende Polymedikation verursacht sein könne. Aufgrund der Komplexität der ätiologischen Abgrenzung bedürfe es hier eines hepatologischen Zusatzgutachtens.

Die Aktivität der Hauterkrankung habe sich nicht wesentlich geändert. Somit bleibe auf berufsdermatologischer Sicht die Schätzung der MdE ohne Änderung. Die Folgen der Depression könnten eventuell zu einer Erhöhung führen, dagegen sprächen jedoch die Ergebnisse der eingeholten Gutachten. Eine psychiatrische Stellungnahme werde empfohlen. Da die Leberzirrhose möglicherweise wesentlich durch medikamentös-toxische Wirkung verursacht sei, wie nicht alle kausal konkurrierenden Faktoren ausgeschlossen worden seien, solle ein hepatologisches Zusatzgutachten durchgeführt werden.

Nach rechtlichem Hinweis und Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. Mai 2022 abgewiesen. Die Beklagte habe die auf die BK zurückzuführenden Gesundheitsstörungen zutreffend mit einer MdE von 25 v. H. bewertet und danach die Verletztenrente gewährt. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine zum damaligen Zeitpunkt unzutreffende Einschätzung. Ob sich zwischenzeitlich eine Verschlechterung ergeben habe, sei nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 44 SGB X. Soweit der Versicherte geltend mache, seine psychischen Belastungen seien nicht berücksichtigt worden, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Der psychische Befund bei der Untersuchung durch K2 sei unauffällig gewesen. Negative Auswirkungen im sozialen und innerfamiliären Bereich hätten keine Relevanz für die Bemessung der MdE. Davon abgesehen hätten die nachfolgenden Begutachtungen keine Ansatzpunkte für eine Erhöhung der MdE ergeben.

Am 30. Juni 2022 hat der Versicherte Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb Leistungen erst ab 26. Juni 1998 gewährt worden seien, nachdem bereits 1988 Weißflecken der Haut aufgetreten seien. Er habe sich seit 1988 schon nicht mehr in der Sonne aufhalten können. Die tatsächliche Entwicklung sei nicht berücksichtigt und abgebildet worden.

Weiter hat er den Entlassungsbericht der R2-Kliniken L1 über die stationäre Behandlung vom 22. bis 26. Oktober 2022 vorgelegt, wonach eine Leberzirrhose unklarer Ätiologie sowie eine akut chronische Niereninsuffizienz vorliege.

Der Versicherte ist nach Einlegung der Berufung 2023 verstorben, das Verfahren wird durch seine Ehefrau als Rechtsnachfolgerin fortgeführt.


Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. Mai 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2021 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 6. November 2003 Verletztenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit 35 vom Hundert ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung. Weiter hat sie mitgeteilt, dass mit Bescheid vom 20. Januar 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2023 eine Rentenerhöhung abgelehnt worden sei. Hiergegen sei erneut Klage erhoben worden.

Der Senat hat die Vorakte S 10 U 3499/02 (LSG Baden-Württemberg) beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, die diese als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]
ihres 2023 verstorbenen Ehemanns, mit dem sie verheiratet war und in einem gemeinsamen Haushalt lebte, fortführt, ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG).

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG Heilbronn vom 30. Mai 2022, mit dem die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) auf Gewährung einer höheren Verletztenrente unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 7. Oktober 2021 sowie unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 6. November 2003 abgewiesen worden ist. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2023 die höhere Neufeststellung der Verletztenrente abgelehnt hat, ist dieser Bescheid nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, da er den angefochtenen Bescheid weder abändert noch ersetzt.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Antrags nach § 44 SGB X ist die damalige Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht („geläuterte Rechtsauffassung“ vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2020 – B 2 U 2/18 R –, juris, Rz. 16).

Die Unbegründetheit der Berufung folgt aus der Unbegründetheit der Klage. Der Bescheid vom 22. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Auch zur Überzeugung des Senats hat es die Beklagte zu Recht ablehnt, den Bescheid vom 6. November 2003 teilweise zurückzunehmen und Verletztenrente nach einer höheren MdE als 25 v.H. zu gewähren. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.


Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit es sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Ziel von § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten letzterer aufzulösen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 – B 9 V 16/96 R –, SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, haben Betroffene einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28. Januar 1981 – 9 RV 29/80 –, BSGE 51, 139 <141>). Selbst wenn Betroffene schon einmal einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt haben, darf die Verwaltung ein erneutes Begehren nicht ohne Rücksicht auf die wirkliche Sach- und Rechtslage zurückweisen. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens muss sie in eine erneute Prüfung eintreten und Antragstellende bescheiden (BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 R –, BSGE 97, 54 <57>).


Diese Voraussetzungen sind auch zur Überzeugung des Senats nicht erfüllt, vielmehr hat die Beklagte zu Recht die Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. gewährt.

Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (§§ 8, 9 SGB VII) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII).

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen der MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden. Entscheidend ist, in welchem Ausmaß Versicherte durch die Folgen des Versicherungsfalls in ihrer Fähigkeit gehindert sind, zuvor offenstehende Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 123). Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R –, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3, Rz. 16 m. w. N.). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R –, juris, Rz. 12).

Die Einschätzung der MdE setzt voraus, dass der jeweilige Versicherungsfall eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat.

Bei allen medizinischen Fragen, insbesondere zur Kausalität von Gesundheitsstörungen, ist der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand maßgebend, welcher die Grundlage bildet, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen der konkret geschädigten Personen zu bewerten sind. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, BSGE 96, 196 <200 f.> und vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R –, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 20) sowie im sozialen Entschädigungsrecht und Schwerbehindertenrecht (vgl. BSG, Urteile vom 17. Dezember 1997 – 9 RVi 1/95 –, SozR 3-3850 § 52 Nr. 1 S. 3 und vom 24. April 2008 – B 9/9a SB 10/06 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 9, Rz. 25; Senatsurteil vom 21. April 2015 – L 6 VJ 1460/13 –, juris, Rz. 66). Dieser Erkenntnistand ergibt sich indes noch nicht durch wissenschaftliche Einzelmeinungen (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015 – B 2 U 10/14 R –, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 6, Rz. 21).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die solche Gesundheitsschäden erfüllen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen der versicherten Einwirkung und einem Gesundheitserstschaden sowie zwischen einem Gesundheitserst- und einem Gesundheitsfolgeschaden der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 2. April 2009 – B 2 U 9/07 R –, juris, Rz. 16 und vom 31. Januar 2012 – B 2 U 2/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr. 43, Rz. 17).

Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen (z. B. ICD-10, DSM-IV) konkret zu bezeichnende Krankheiten (vgl. BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, BSGE 96, 196 <203> und vom 15. Mai 2012 – B 2 U 31/11 R –, juris, Rz. 18; Urteile des Senats vom 26. November 2015 – L 6 U 50/15 –, juris, Rz. 48 m. w. N. und vom 17. März 2016 – L 6 U 4796/13 –, juris, Rz. 37), wobei von einem normativ-funktionalen Krankheitsbegriff auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 – B 2 U 17/15 R –, juris, Rz. 22 m. w. N.), die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 2 U 5/10 R –, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3, Rz. 17 m. w. N.).


Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 6. November 2003 – für den Senat bindend (vgl. § 77 SGG) – eine BK nach Nr. 1314 der Anlage 1 zur BKV sowie als Folgen der BK vilitigoartige Depigmentierungen im Genitalbereich, unter den Achseln, an den Füßen, Händen und am Oberkörper wie die damit verbundene psychische Belastung im sozialen Umfeld anerkannt. Als Folgen der Berufskrankheit abgelehnt hat sie eine Fettleber bei Übergewicht. Verletztenrente wurde nach eine MdE von 25 v.H. gewährt.

Der Sachverständige R1 hat, auch für den Senat überzeugend, herausgearbeitet, dass die Bewertung der MdE im konkreten Fall daran zu orientieren gewesen ist, dass der Versicherte aufgrund der optischen Veränderungen der Haut keine Tätigkeit mit Publikumsverkehr mehr verrichten kann. Davon ausgehend hat er, korrespondierend mit der gesetzlichen Vorgabe in § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, dass der Umfang der verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens zu bestimmen ist, ausgeführt, dass nach statistischen Daten in circa 25 % der Arbeitsplätze Publikumskontakt besteht und diese deshalb nicht mehr leidensgerecht sind. Dementsprechend ist er schlüssig zu einer MdE von 25 v. H. gelangt.

Nichts anderes folgt aus dem Verweis des Versicherten auf die Erfahrungssätze zur Einschätzung des MdE bei Hauterkrankungen nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 914 ff.). Dort wird nämlich neben der irritativen Schädigung der Haut für eine Bewertung mit einer MdE von mehr als 25 v. H. eine schwerwiegende Auswirkung einer durch die Berufsstoffe bedingten Allergie vorausgesetzt, die beim Versicherten weder durch den Sachverständigen R1 noch durch K2 oder D1 bestätigt worden ist.

Eine Erhöhung der MdE aufgrund psychischer Beeinträchtigungen kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dabei ist zunächst in Rechnung zu stellen, dass die Beklagte als Folgen der BK nur die psychischen Begleiterscheinungen der Hauterkrankung anerkannt hat. M1 hat in ihrem Gutachten, für den Senat überzeugend, herausgearbeitet, dass die psychische Problematik des Versicherten zwar durch die Hauterkrankung verursacht und unterhalten wurde, daneben aber ein Arbeitsplatzkonflikt bestand, der nicht der durch die Hauterkrankung verursachten psychischen Beeinträchtigung zugeschrieben werden kann. Schlüssig weist sie deshalb darauf hin, dass die Bewertung von R1 bereits berücksichtigt, dass der Versicherte aufgrund der optischen Beeinträchtigungen keine Tätigkeiten mit Publikumsverkehr mehr verrichten konnte, wodurch die psychischen Beschwerden miterfasst sind. Zu einer höheren MdE gelangt sie daher – konsequent – nicht.

Entsprechendes ist durch die Rehabilitationsklinik 2008 bestätigt worden. Dem Entlassungsbericht ist ebenfalls zu entnehmen, dass neben der auf die Hauterkrankung zurückzuführenden psychischen Einschränkung auch ein Arbeitsplatzkonflikt bestand, durch den eine zusätzliche Kränkung des Versicherten gegeben war. Dennoch war von einem vollschichtigen Leistungsvermögen sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und auch für die letzte Tätigkeit ausgegangen worden, sodass stärkergradige Einschränkungen nicht objektiviert sind.

Die monokausale Betrachtungsweise des E2 überzeugt dementsprechend nicht. Dies kann aber schon deshalb dahinstehen, weil dieser jedenfalls im Ergebnis die Beschwerden durch die Bewertung des R1 als erfasst ansieht und die MdE ebenfalls mit 25 v. H. bewertet. Im Übrigen hat F1 beratungsärztlich schlüssig dargelegt, dass die fast völlige Ausbleichung fast der gesamten Körperhaut einen weniger entstellenden Charakter hat als in der Anfangsphase, was er als gegen eine Zunahme der psychischen Beeinträchtigung sprechend bewertet. Von einer Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist auch er ausgegangen, was mit der Bewertung der Rehabilitationsklinik korrespondiert. Im Übrigen hat zuletzt B1 eine Verschlimmerung der Hauterkrankung verneint.

Soweit die Klägerin moniert, dass die Beklagte den Leistungsfall mit dem 25. Juni 1998 unzutreffend bestimmt und schon ab einem früheren Zeitpunkt ein Anspruch auf Verletztenrente bestanden habe, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an. Der Überprüfungsantrag ist erst am 6. Juli 2021 gestellt worden und eine rückwirkende Leistungsgewährung kommt nach § 44 Abs. 4 SGB X nur für einen Zeitraum von vier Jahren in Betracht. Leistungen vor 2017 können deshalb aus Rechtsgründen nicht beansprucht werden. Der Erfolg des Zugunstenantrages steht damit auch bei einer Rechtswidrigkeit des zur Überprüfung gestellten Verwaltungsaktes unter dem Vorbehalt, dass Sozialleistungen nach § 44 SGB X noch zu erbringen sind (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2022 – B 7/14 AS 57/21 –, juris, Rz. 31), was hier für Zeiträume vor 1998 nicht der Fall ist. Lediglich ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass R1 für den von ihm angenommenen Leistungsbeginn anhand der Aktenlage herausgearbeitet hat, ab welchem Zeitpunkt Hautveränderungen im sichtbaren Bereich an Händen, Hals und Gesicht objektiviert sind. Dies ist vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bewertung der MdE an den Einschränkungen bei Tätigkeiten mit Publikumsverkehr orientiert ist, die Veränderungen an sichtbaren Hautstellen voraussetzt. Der von der Beklagten angenommene Beginn der Verletztenrente ist deshalb auch in der Sache nicht zu beanstanden.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Nachdem der Versicherte erst während des Berufungsverfahrens verstorben ist, bleibt das Verfahren für die Rechtsnachfolgerin kostenfrei (§ 183 Abs. 1 SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen, sind gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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