L 8 U 614/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 5491/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 614/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.01.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Ereignisses vom 25.05.2019 als Arbeitsunfall streitig.

Der im Jahr 1972 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als Flugzeugabfertiger und Leiharbeiter über die G1 - Zeitarbeitsagentur beim Flughafen S1 beschäftigt. Nach der Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 28.05.2019 kniete der Kläger beim Beladen eines Flugzeugs auf dem Boden, um Gepäckstücke zu verstauen. Als er wieder aufstehen wollte, hatte er plötzlich Schmerzen im linken Knie. Nach dem Durchgangsarztbericht der Chefärztin der Chirurgischen Abteilung der F1 in F2 S3 vom 25.05.2019 schilderte der Kläger den Unfallhergang wie folgt: „Bei der Arbeit, beim Ausladen von Gepäck aus dem Frachtraum ist der Patient in die Hocke gegangen, beim Aufstehen habe er dann plötzlich starke Schmerzen im Knie verspürt. Er beschreibt es wie eine Blockade, er könne das linke Bein nicht mehr strecken." Es bestand bei der Untersuchung keine Wunde, keine Schwellung, kein Hämatom und kein Kniegelenkserguss. Diagnostiziert wurde ein Verdacht auf eine Innenmeniskusläsion links. Hergang und Befund sprächen gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls, da es sich um eine arbeitsübliche Belastung und kein Trauma handele. In einer weiteren Fassung des Berichts vom 25.05.2019 ist aufgeführt, dass Hergang und Befund nicht gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls sprächen.

Am Abend des 25.05.2019 stellte der Kläger sich aufgrund von Schmerzen in der Notfallpraxis des M1 vor. In dem in der Folge veranlassten MRT-Befund vom 03.06.2019 des M1 S1 zeigte sich ein Korbhenkelriss am Innenmeniskus des linken Knies. Der Außenmeniskus war intakt. Es bestand ein diskreter Kniegelenkserguss sowie eine Baker-Zyste medial. Die Außenbänder, die Patella, die Quadrizeps- und Patellasehne sowie das vordere und hintere Kreuzband waren intakt. Es zeigte sich ein Ödem in der umliegenden Muskulatur. Der Kläger gab in einem Fragebogen vom 05.06.2019 als Unfallschilderung an, dass er beim Beladen eines Flugzeugs aufstehen wollte und das linke Bein „ihm blockiert“ sei.

Am 06.06.2019 erfolgte im M1 S1 eine Kniegelenksarthroskopie mit Korbhenkelresektion. Der OP-Bericht führt aus, dass sich am Innenmeniskushinterhorn keinerlei Einblutungen gezeigt hätten, sodass am ehesten von einem älteren Riss mit späterer Dislokation ausgegangen werden könne. Der Knorpel und die Kreuzbänder seien intakt gewesen.

Der Kläger führte in einem Schreiben vom 23.06.2019 aus, dass er im Flugzeug gehockt sei, um Gepäckstücke zu verladen. Dies sei eine schwere körperliche Arbeit. Ein Kollege sei gekommen, um ihn abzulösen. Er habe aufstehen wollen, aber es sei plötzlich nicht mehr gegangen. Er habe furchtbare Schmerzen gehabt und das linke Bein nicht mehr bewegen können.

Mit Bescheid vom 15.08.2019 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Versicherungsfalles ab, da kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis stattgefunden habe. Der Kläger habe beim Aufstehen aus der Hocke Schmerzen im linken Kniegelenk verspürt, ohne dass eine Fremdeinwirkung oder eine unkontrollierte Körperbewegung vorgelegen hätten.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am 16.09.2019 Widerspruch mit der Begründung eingelegt, dass der Kläger den Unfall so beschrieben habe, dass er nach plötzlichem Aufrichten einen Schmerz verspürt habe. Mithin sei ein plötzlich eintretendes Ereignis durch das abrupte Aufstehen gegeben. In Wahrheit ergebe sich aus der Akte, dass die Beklagte die Anerkennung des Arbeitsunfalls aus einem anderen Grund ablehne und zwar aus Gründen, welche sie wohl dem OP-Bericht entnehme. In dem OP-Bericht werde nichts festgestellt, sondern Vermutungen aufgestellt, die allesamt bestritten würden. Ein Vorschaden werde bestritten. Aus dem Durchgangsarztbericht der S3 gehe unter Punkt zehn explizit hervor, dass ein Arbeitsunfall vorliege.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2019 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, dass kein Arbeitsunfall vorliege. Der Widerspruchsausschuss könne zwar im Vollbeweis feststellen, dass der Kläger einen Korbhenkelriss im linken Innenmeniskushinterhorn erlitten habe. Der Widerspruchsausschuss könne jedoch keinen Arbeitsunfall feststellen, da nicht feststehe, dass der Kläger den Gesundheitsschaden durch die Einwirkung einer versicherten Verrichtung erlitten habe (Unfallgeschehen) und dass dieser Gesundheitsschaden — die Einwirkung einmal unterstellt - rechtlich wesentlich hinreichend wahrscheinlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sei. Aus sämtlichen Schilderungen des Unfallereignisses gehe als wesentlicher Unfallhergang hervor, dass der Kläger im Flugzeug gehockt habe, um Gepäckstücke zu verladen. Als er dann aus der Hocke aufstehen wollte, habe er plötzlich Schmerzen und eine Blockade im linken Kniegelenk verspürt. Es sei insoweit zugrunde zu legen, dass der Kläger aus der Hocke habe aufstehen wollen, als die Schmerzen und die Blockade im linken Knie aufgetreten seien. Diesem Vorgang fehle es bereits an der äußeren Einwirkung auf den Körper im Sinne eines Unfallereignisses. Es liege ein physiologisch kontrollierter Ablauf im Bewegungsvorgang mit Streckung der Kniegelenke aus der Beugestellung beim Aufrichten aus einer hockenden Position vor. Dies erfülle nicht die Definition eines Unfallereignisses als von außen auf den Körper wirkenden Ereignisses. Es liege keine besondere Kraftentfaltung oder unphysiologische Bewegung vor. Selbst dann, wenn das normale Aufrichten des Körpers ohne Fehlgängigkeit des Gelenks aus angewinkelten Knien (aus Anlass der versicherten Tätigkeit) als äußere, belastende Einwirkung anzusehen wäre, sei hierdurch eine naturwissenschaftliche Kausalität des Körperschadens entsprechend der ersten Prüfungsstufe der Kausalität zur Überzeugung des Widerspruchsausschusses nicht hinreichend wahrscheinlich. Vorliegend sei während des kontrolliert ablaufenden Bewegungsvorgangs des Kniegelenks ein Schmerz im linken Knie aufgetreten, was für einen inneren Körpervorgang (bei vorbestehendem Knieschaden) spreche. Die Wahrnehmung eines unvermittelt auftretenden Schmerzes indiziere ohne Hinzutreten weiterer Anknüpfungspunkte nicht zwingend die aktuelle substantielle Schädigung des Körpers (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29.01.2016, L 8 U 977/15). Der Schmerz könne ohne weitere Anhaltspunkte keinen Beweis für einen akut erlittenen substantiellen Körperschaden darstellen, da er auch die Reaktion auf eine erstmals zutage tretende klinische Symptomatik eines bis dahin stummen Körperschadens sein könne. Ein degenerativer Meniskusschaden entwickele sich schleichend, er laufe zunächst beschwerdefrei, bis eine Schadensprogredienz sich durch akute Beschwerdesymptomatik manifestiere. Ausweislich der Operateure sei vorliegend von einem älteren Riss, d. h. einem Riss vor dem 25.05.2019 mit späterer Dislokation auszugehen, da sich anlässlich der OP keinerlei Einwirkungszeichen als Zeichen einer frischen Verletzung gezeigt hätten. Der zur Überzeugung des Widerspruchsausschusses konkret feststehende Hergang des Ereignisses vom 25.05.2019 enthalte auch keine weiteren Anknüpfungspunkte, die die Feststellung als versicherten Arbeitsunfall rechtfertigen würden, da er nicht geeignet gewesen sei, den festgestellten Meniskusschaden zu verursachen. Eine Fremdeinwirkung sei beim Aufstehen nicht erfolgt und es handele sich um einen Ablauf, welcher im Rahmen der ausgeübten beruflichen Tätigkeit mehr oder weniger täglich vorkomme. Nach der unfallversicherungsrechtlichen-unfallmedizinischen Literatur (z. B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 655 ff.) könnten Bewegungen und Überlastungen des Kniegelenks innerhalb der physiologischen Grenzen nicht ursächlich für eine Meniskusschädigung sein. Eine unfallbedingte Meniskusschädigung sei nur dann möglich, wenn die physiologischen Bewegungs- und Belastungsgrenzen überschritten würden. Dann müssten jedoch auch schützende Strukturen wie der Kapselbandapparat mitgeschädigt werden. Eine solche Mitschädigung sei ausweislich des OP-Berichts nicht festgestellt worden. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30.10.2019 zugestellt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat am Montag, den 02.12.2019, Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und hat zur Begründung im Wesentlichen auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität sowie zum ursächlichen Zusammenhang der Verletzung mit dem Ereignis vom 25.05.2019 sowie der betrieblichen Tätigkeit des Klägers sei ein Sachverständigengutachten einzuholen. Zudem hat er vorgetragen, dass dem Kläger ein Durchgangsarztbericht von der Ärztin S3 ausgehändigt worden sei, in dem festgehalten worden sei, dass keinerlei Zweifel an einem Arbeitsunfall bestünden. Der Prozessbevollmächtigte hat die Unfallmeldung des A1 vom 25.05.2019 sowie eine Meldung des beteiligten Mitarbeiters S4 vorgelegt. Nach der Unfallmeldung habe sich der Kläger im hinteren Laderaum des Flugzeugs in knieender Position befunden. Für die Zuladetätigkeit habe er seine Position verändern wollen. Durch die hierfür notwendige Bewegung habe er sich das linke Knie verdreht. Nach dem Bericht des Zeugen S4 habe dieser gesehen, dass sich der Kläger nach einer Drehbewegung vor Schmerz auf den Boden des hinteren Laderaums fallen ließ.

Die Beklagte hat zur Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass der Kläger in der Klagebegründung erneut angegeben habe, dass er nach einem Aufrichten einen plötzlichen Schmerz verspürt habe, dass allein die Plötzlichkeit des Auftretens von Schmerzen aber nicht ausreichend sei, um ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis anzunehmen.

Das SG hat ein Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers eingeholt.

Das SG hat mit richterlicher Verfügung vom 15.07.2021 die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG angehört, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Eine Entscheidung werde nicht vor dem 20.08.2021 ergehen.

Die Beklagte hat sich mit Schreiben vom 26.07.2021 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.

Der Prozessbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 11.08.2021 mitgeteilt, dass soweit das Gericht der Auffassung sei, dass ein Arbeitsunfall vorliege und dieser festzustellen sei, auch Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe. Wenn das Gericht aber meine, die Angelegenheit schnell abweisen zu können, so bestehe kein Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hiermit ausdrücklich beantragt werde.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2022 abgewiesen. Es fehle bereits an dem Nachweis eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses, da der Kläger als maßgeblichen Sachverhalt ein Aufstehen aus der Hocke, ohne unphysiologische Bewegung und ohne weitere Krafteinwirkung auf den Körper geschildert habe. Selbst wenn man diesen Geschehensablauf als hinreichendes äußeres Unfallereignis ansehen würde, fehle es an einem kausal hierdurch verursachten Gesundheitserstschaden. Die einzige beim Kläger festgestellte Schädigung des linken Knies sei der Korbhenkelriss im Innenmeniskushinterhorn. Die physiologische Bewegung des aus der Hocke Aufstehens sei nicht geeignet, um einen Riss im Innenmeniskushinterhorn zu verursachen. Denn nicht jegliche Bewegung und Belastung des Kniegelenks innerhalb physiologischer Grenzen könne ursächlich sein für eine Meniskusläsion. Dies sei nur dann möglich, wenn die physiologischen Bewegungs- und Belastungsgrenzen überschritten würden, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Auch sei es unerheblich, ob in dem Durchgangsarztbericht vom 25.05.2019 von der Durchgangsärztin S3 zunächst angekreuzt worden sei, dass nach dem Hergang und Befund keine Zweifel an einem Arbeitsunfall bestünden, da dies offenbar von B1 anschließend revidiert worden sei. Denn zum einen sei die Feststellung eines Arbeitsunfalles eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage. Zum anderen habe der Durchgangsärztin S3 am 25.05.2009 ein für die Beurteilung wesentlicher Befund gefehlt, da sie keine Kenntnis von dem Operationsbericht vom 06.06.2019 gehabt habe. Das SG habe den Rechtsstreit nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung und Beteiligung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid entscheiden können, da der Rechtsstreit weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Ein Einverständnis des Klägers mit dieser Vorgehensweise sei nicht erforderlich. Die Beteiligten hätten auf die Anhörung des Gerichts hin keine Einwände vorgebracht, die die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hätten.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen den ihm am 28.01.2022 zugestellten Gerichtsbescheid am 28.02.2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat zur Berufungsbegründung vorgetragen, dass die Voraussetzungen für die Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vorgelegen hätten. Zum einen habe der Kläger weder seine Zustimmung hierzu erteilt, noch sei der Sachverhalt geklärt. Ein Einverständnis gelte eben gerade nicht als Zustimmung, da es sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch auf eine Entscheidung durch Urteil beziehen kann, zumal der Kläger eine mündliche Verhandlung expressis verbis sogar noch beantragt habe. Das SG habe hier einfach „irgendwelche“ Sachen insinuiert und „irgendwelche“ Sachen angenommen, welche es so nicht annehmen dürfe, da es diesbezüglich gar kein Ermessen habe. Das SG habe das Verfahren ewig nicht betrieben und dann im Rahmen einer Sachstandanfrage einfach die Angelegenheit entschieden und schnell abgebügelt“, obschon hier eine Entscheidung ab dem 20.08.2021 ergehen sollte. Dies habe rein gar nichts mit dem Grundsatz eines fair-trial zu tun und sei fernab der Vorschriften des SGG. Das SG habe die Anhörungspflicht aus § 105 SGG verletzt und zwar in entscheidungserheblicher Art und Weise. Die Anhörungspflicht sei nämlich dann verletzt, wenn das Gericht einen bloßen Hinweis gebe, es beabsichtige, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Vielmehr müsse das Gericht aber zu erkennen geben, in welche Richtung es zu entscheiden gedenke und konkrete, einzelfallbezogene Hinweise geben, was das SG in seiner Mitteilung vom 15.07.2021 mitnichten gemacht habe. Rechtsfehlerhaft führte das SG aus, dass es schon am Nachweis eines von außen eintretendem Ereignis fehle und, dass das SG davon überzeugt sei, dass eine physiologische Bewegung aus der Hocke Aufstehens nicht geeignet sei, um einen Riss im Innenmeniskushinterhorn zu verursachen. Auch diesbezüglich handele es sich um Feststellungen, welche das SG mangels Expertise von sich aus gar nicht treffen dürfe. Das SG hätte vielmehr über diese Frage ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen müssen. Der Kläger habe den Unfallhergang anders beschrieben als das SG ihn darstelle und wie er ebenfalls schon im Widerspruchbescheid falsch festgestellt worden sei. An keiner Stelle habe der Kläger nämlich berichtet, dass es sich nicht um ein plötzliches Ereignis gehandelt habe. Vielmehr ergebe sich aus der Beschreibung des Klägers zum entstandenen Unfall, dass dieser nach plötzlichem Aufrichten den Schmerz verspürt habe, mithin ein plötzlich eintretendes Ereignis und daher ein abruptes Aufstehen vorlägen. Dies ergebe sich aus der Verwaltungsakte und den Stellungnahmen des Klägers, in welchem der Kläger sogar noch das Wort „plötzlich“ verwende. Ferner ergebe sich dies auch aus allen Arztberichten und anderen Berichten, welche der Akte zugrunde lägen, da es in sämtlichen Berichten „plötzlich“ und mithin „abrupt“ heiße. Ein zeitlich begrenztes „äußeres Ereignis“ liege eben dann vor, wenn es plötzlich auftrete oder eine Einwirkung auf den Körper vorliege. Der Kläger habe alle Angaben und Vermutungen aus dem OP-Bericht bestritten, sodass das SG hierauf keine Feststellungen treffen dürfte. Das SG habe sich in bezeichnender Art und Weise nicht einmal damit beschäftigt, dass es sich bei den erlittenen Verletzungen geradezu um eine typische Verletzung handele, welche geradezu im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Klägers stehe und es sich daher um einen klassischen Arbeitsunfall handele, da beim Beladen von Flugzeugen sich gerade die typische Gefahr des Aufstehens, Bückens und Wideraufstehens verwirkliche. Aus dem Gesagten folge vielmehr, dass das Ereignis vom 25.05.2019 freilich einen Arbeitsunfall darstelle, da alle Merkmale der gängigen Begriffsdefinition und daher die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 SGB VII gegeben seien.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden sowie den Gerichtsbescheid vom 14.01.2022 verwiesen. Der Kläger verkenne weiterhin, dass ein plötzliches Aufrichten aus einer Hocke kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis sei.

Die Berichterstatterin hat das Verfahren mit den Beteiligten am 11.07.2022 nicht öffentlich erörtert.

Der Senat hat den Bericht über die ambulante Rehabilitationsmaßnahme des Klägers im Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) S1 vom 23.11.2016 bis zum 28.12.2016 mit den Diagnosen Supraspinatussehnenruptur rechts, Impingementsyndrom der Schulter rechts, Bursitis subacromialis sowie Arthroskopie der rechten Schulter am 10.10.2016, subacromiale Dekompression und Teilbursektomie, Rotatorenmanschetten-Naht mit Funktionseinschränkung der Schulter beigezogen.

Der Prozessbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 13.09.2022 mitgeteilt, dass der Unfallhergang dergestalt gewesen sei, dass der Kläger beim Beladen des Flugzeuges (Zuladen) mit einem sehr schweren Koffer diesen aus der Hocke genommen habe, aufgestanden sei, eine Drehbewegung gemacht habe, um den Koffer auf die Ladestation abzulegen, wobei er sich nach der Drehbewegung vor Schmerz auf den Boden fallen gelassen habe. Dies habe der Kläger so ausgesagt und so habe es sich auch zugetragen, was insoweit auch der Arbeitskollege auch so bestätigen könne und ferner auch exakt so, wie es im Unfallbericht des A1 aufgenommen worden sei und er es im Erörterungstermin dem Gericht auch demonstriert habe. Soweit es differenzierende Angaben gebe, dass der Kläger etwa keine Last getragen haben, so sei diese Angabe falsch, und wohl auf Übersetzungsfehler zurückzuführen, da der Kläger den Bericht nicht selbst ausgefüllt, sondern sich hier der Mithilfe einer Nachbarin bedient habe. Der Kläger hat einen Bericht des A1 vom 25.05.2019 über die Schilderung des Unfallhergangs durch den Mitarbeiter S4 eingereicht.

Der Senat hat S5 mit der Erstellung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Gutachtens beauftragt. In seinem am 23.12.2022 erstellte Gutachten hat S5 eine beginnende Varusgonarthrose links mehr als rechts mit Verschleißerscheinungen der Knorpel- und Meniskusbinnenstrukturen an beiden Kniegelenken links mehr als rechts, einen zwischenzeitlich operativ behandelten und entfernten Korbhenkelriss des linken Innenmeniskus ohne sekundäre Folgen, Bewegungseinschränkung oder wesentliche Schmerzhaftigkeit des linken Kniegelenkes, einen operativ behandelten Rotatorenmanschettenschaden des rechten Schultergelenkes mit zwischenzeitlich wieder vollständig normalisierter Kraftentwicklung sowie vollständig und normaler Beweglichkeit des rechten Schultergelenkes sowie degenerative HWS- und LWS-Beschwerden diagnostiziert. Keine dieser Gesundheitsstörungen sei mit ausreichender Wahrscheinlichkeit direkte oder mittelbare Folge des Ereignisses vom 25.05.2019. Ganz im Vordergrund stünden die degenerativen Involutionsvorgänge des Innenmeniskus links, die dann durch die vorhandene statisch und mechanisch initiierte Belastung zum Riss des Meniskus geführt hätten mit einer entsprechenden Einklemmung. Für die Bewegungseinschränkung sei diese Einklemmung des dislozierten und eingerissenen Meniskus verantwortlich. Die Angaben des Klägers im Fragebogenblatt auf Blatt 39 bis 41 sowie 48 der Verwaltungsakte stimmten dahingehend überein, dass der Kläger primär in kniender Arbeitsposition gewesen sei und sich dann gedreht habe. Ein Aufrichten aus der Knielage sei ihm durch den eintretenden Schmerz gar nicht mehr möglich gewesen, insofern könne die jetzt angeschuldigte Drehbewegung nur mehr in der Lendenwirbelsäule stattgefunden haben. Der Unfallbericht des Arbeitskollegen S4 auf Blatt 84 der LSG-Akten sei äußerst kurz und beschreibe den Anhebevorgang mit anschließender Drehbewegung ohne auf die exakte Körperposition einzugehen. Beide Schilderungen stimmten dahingehend überein, dass es sich eben nicht um eine von außen auf die betroffene Person einwirkende Kraft gehandelt habe, die zu einer mechanischen Alteration des Kniegelenkes geführt habe. Eine solche wäre ansonsten in der kernspintomographischen Untersuchung in Form eines Knochenmarködems nachweisbar gewesen.

Der Prozessbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 15.02.2023 beantragt, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden und Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen und höchst hilfsweise ein Obergutachten zu Beantwortung der Beweisfragen aus der Verfügung vom 20.09.2022 einzuholen. Das vorgelegte Gutachten sei „ein Witz“. Der Gutachter unterstelle wohl dies und jenes, was gerade er aufzuklären gehabt hätte, um am Ende des Gutachtens dann sogar noch wohl dem Kläger mehr oder minder zu unterstellen, dass sich dieser den Schmerz im Knie wohl eingebildet habe. Da hier noch zahlreiche Fragen an den Sachverständigen zu stellen seien, werde die Ladung des Sachverständigen zu beantragt. Da das Gutachten auch zu einem anderen Ergebnis bezüglich des Vorliegens eines Arbeitsunfalls gelange, als es die Durchgangsärztin S3 attestiert habe und sogar zweifelsfrei festgestellt werden könne, lägen insoweit auch die Voraussetzungen zur Einholung eines gerichtlichen Obergutachtens vor, § 412 ZPO. Diesbezüglich werde angeregt, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigengutachter zu beauftragen, welcher für das Gericht bis dato noch keine Gutachten erstellt habe und bisher noch nie im Auftragsverhältnis zur Beklagten tätig geworden sei. Ferner werde um Auskunft gebeten, in wie vielen Verfahren der Sachverständige S5 für das LSG Gutachten erstellt habe und in wie vielen Fällen die von den Klägern zu beweisenden Fragen zu Gunsten der Kläger beantwortet werden konnten. Ferner werde um Auskunft gebeten, ob und wenn ja in wie vielen Verfahren der Sachverständige S5 bereits im Auftragsverhältnis für die Beklagte tätig geworden sei. Im Übrigen werde darauf verwiesen, dass der Sachverständige schon deshalb nicht zu beauftragen gewesen sei, da dieser – soweit ersichtlich – weder öffentlich bestellt, noch vereidigt sei und es daher das Geheimnis des Gerichts bleibe, aufgrund welcher Expertise der Sachverständige im Rahmen richterlichen Ermessens ausgesucht worden sei.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2023 beantragt, den Vorsitzenden Richter sowie den gesamten Senat wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass gegen den abgelehnten Vorsitzenden und Senat die Besorgnis der Befangenheit bestehe, weil der Senat dem Antrag des Klägers auf Ladung des Sachverständigen S5 zur Erläuterung des schriftlichen Gutachtens und zur Beantwortung von Fragen des Klägers nicht nachgekommen sei und diesen mit der lapidaren Begründung abgelehnt habe, dass er dies noch nie gemacht habe und so, wie er die Rechtsprechung des BSG verstehe, auch nicht erforderlich sei. Dadurch werde das rechtliche Gehör des Klägers verletzt, Art. 103 GG. Ferner habe der Vorsitzende der Klägervertreterin die unsachliche und unzulässige Frage gestellt, ob diese schon Verfahren vor dem LSG wahrgenommen habe. Ferner sei der Senat auch der beantragten Ladung der Zeugen S4, B2 sowie der Durchgangsärztin S3 ohne Grund nicht nachgekommen, wobei der Vorsitzende und Senat selbst festgestellt hätten, dass der Unfallhergang wohl noch nicht ausreichend festgestellt werden konnte. Diese Feststellungen hätte der Senat im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes durch Ladung der Zeugen treffen müssen. Der Senat verletze den Amtsermittlungsgrundsatz sowie den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, Art. 103 GG, indem er die Zeugen ohne Grund nicht lade. Hieraus ergäben sich Gründe, die geeignet seien, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Vorsitzenden und des Senats zu rechtfertigen. Der Vorsitzende und der gesamte Senat seien wohl nur daran interessiert, die Berufung schnell abzubügeln. Von einem unvoreingenommenen und neutralen Vorsitzenden und Senat und von einem fairen Verfahren könne nach dem geschilderten nicht ausgegangen werden. Zur Glaubhaftmachung würden die Angaben an Eides Statt versichert.

Der 9. Senat des LSG Baden-Württemberg hat das unter dem Aktenzeichen L 9 SF 1257/23 AB geführte Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 16.05.2023 zurückgewiesen. Die Ablehnungsgesuche seien unbegründet. Gründe, die eine unsachliche Einstellung des Vorsitzenden Richters am LSG S6, der Richterin am LSG H1, der Richterin am SG B3 und der ehrenamtlichen Richter H2 und K1 gegen den Kläger oder Willkür begründen könnten, habe der Kläger nicht dargetan und seien auch sonst nicht ersichtlich. Soweit er die Befangenheitsgesuche damit begründe, dass der Vorsitzende Richter am LSG S6, die Richterin am LSG H1, die Richterin am SG B3 und die ehrenamtlichen Richter H2 und K1 die Ladung des Sachverständigen S5 sowie die Ladung der Zeugen S4, B2 sowie der Durchgangsärztin S3 unterlassen hätten und die Richter „wohl keinerlei Interesse an einer Sachverhaltsaufklärung [hätten], sondern es sich wohl einfach machen [wollten], indem [sie ihrer] Entscheidung schlicht das Ergebnis des Gutachtens zugrunde legen“ wollten, mache er im Kern (vermeintliche) Ermittlungsdefizite geltend. Dem sei durch entsprechende Beweisanträge zu begegnen bzw. soweit diesen nicht nachgegangen wurde, ggf. durch Geltendmachung von Verfahrensmängeln in der Revisionsinstanz. Ein Befangenheitsgesuch sei demgegenüber nicht geeignet, die gewünschten Ermittlungen zu erzwingen. Soweit der Kläger das Ablehnungsgesuch mit dem Umstand begründe, dass der Vorsitzende Richter am LSG S6 seine Bevollmächtigte gefragt habe, ob diese schon Verfahren vor dem LSG wahrgenommen habe, begründe auch dies nicht die Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters am LSG S6. Da sich der Umfang der Hinweispflicht des Vorsitzenden gemäß § 106 Abs. 1 SGG nach dem Einzelfall richte und damit maßgeblich sei, ob der jeweilige Beteiligte Hinweise benötige (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG. 13. Aufl. 2020 § 106 Rn. 4), halte sich das Vorgehen des Vorsitzenden Richters am LSG S6 im Rahmen des geltenden Verfahrensrechts, so dass sich aus dem Versuch, den konkreten Umfang seiner Hinweispflichten herauszufinden, keine unsachliche oder willkürliche Einstellung gegenüber dem Kläger ableiten lasse.

Die Berichterstatterin hat den Kläger mit Schreiben vom 29.06.2023 aufgefordert, bis zum 28.07.2023 mitzuteilen, welche Fragen dem Gutachter S5 ergänzend gestellt werden sollen, sowie die weiteren aus Sicht des Klägers noch erläuterungsbedürftigen Punkte dem Gericht mitzuteilen.

Mit Schreiben vom 28.07.2023 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers Fristverlängerung bis zum 28.08.2023 beantragt, welche ihr mit Verfügung der Berichterstatterin vom 31.07.2023 gewährt wurde.

Mit Schreiben vom 28.08.2023 hat die Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dem Gutachter S5 solle, neben den bereits in der Stellungnahme vom 15.02.2023 aufgeführten Fragen, unter anderem die Frage gestellt werden, warum und mit welcher fachlichen Begründung er zu einem gänzlich anderen Ergebnis komme als die Durchgangsärztin. Ferner sei dem Gutachter die Frage zu stellen, wie er sich mit dem Kläger verständigt und wie er diesem Rückfragen gestellt haben wolle, wenn doch der Kläger deutsch spreche. Des Weiteren gehe das Gutachten bereits von einem falschen Unfallhergang aus. Das Unfallereignis am 25.05.2019 sei beim Beladen des Flugzeuges, nicht beim Ausladen geschehen, insoweit sei der Gutachter zu fragen, auf welcher Sachverhaltsschilderung er ein Gutachten erstellt habe. Dem Gutachter sei ferner die Frage zu stellen, wie viele Gutachten er bereits für das LSG Baden-Württemberg erstellt habe und zu welchen Ergebnissen er jeweils gelangt sei. Die weiteren an den Gutachter zu stellenden Fragen sollten der Erörterung in der mündlichen Verhandlung verbleiben.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.01.2022 den Bescheid der Beklagten vom 15.08.2019 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2019 aufzuheben und festzustellen, dass die Verletzung am Innenmeniskus im linken Knie Folge des bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfalls vom 25.05.2019 ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2019 ist nicht rechtswidrig, der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf die Anerkennung des Ereignisses vom 25.05.2019 als versicherten Arbeitsunfall und die Anerkennung der Verletzung am Innenmeniskus im linken Knie als Unfallfolge.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das SG durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entschieden hat. Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid bedarf nicht der Zustimmung der Beteiligten (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 105 SGG, Rdnr. 44). Die Entscheidung, ob durch Gerichtsbescheid entschieden wird, steht im Ermessen des Sozialgerichts, also des berufsrichterlichen Kammervorsitzenden. Die Ermessensentscheidung des Sozialgerichts kann im Berufungsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden. Es ist nur zu prüfen, ob eine grobe Fehleinschätzung oder sachfremde Erwägungen vorliegen. Es handelt sich letztlich um eine Kontrolle am Maßstab des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG. Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des SG im vorliegenden Fall nicht ermessensfehlerhaft.

Die Beteiligten wurden auch vor Erlass des Gerichtsbescheides mit Schreiben vom 15.07.2021 angehört. Die Informations- und Hinweispflichten des Gerichts sollen es den Verfahrensbeteiligten ermöglichen, sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Allerdings ist Art. 103 Abs. 1 GG keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen. Die Norm begründet auch keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. Die Möglichkeit, zum Sach- und Streitstand schriftlich vorzutragen, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Von verfassungswegen muss ein Verfahrensbeteiligter, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn diese bislang nicht in den Prozess eingeführt worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. November 1986 – 1 BvR 706/85 –, BVerfGE 74, 1-6 Rdnr. 16). Die Grenze besteht allerdings beim Schutz vor Entscheidungen, die objektiv unvorhersehbar sind. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet ein Recht darauf, nicht mit einer Überraschungsentscheidung des Gerichts konfrontiert zu werden. Es kann im Ergebnis nämlich der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Eine solche Überraschungsentscheidung liegt nicht vor. Der Kläger konnte bereits dem Bescheid vom 15.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2019 die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen sowie die Anforderungen an den Nachweis einer äußeren Einwirkung sowie die erforderliche Kausalität entnehmen. Der Gerichtsbescheid vom 14.01.2022 enthält diesbezüglich keine unvorhergesehenen, nicht bereits in den Bescheiden aufgeworfenen Gesichtspunkte.

Die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 15.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2019 lediglich eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung über die Anerkennung des Ereignisses vom 25.05.2019 als Arbeitsunfall getroffen. Soweit die Beklagte zugleich die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt hat, liegt hierin keine Entscheidung über die einzelnen, in Betracht kommenden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.03.2021 – B 2 U 7/19 R –, Rdnr. 12 ff. sowie BSG, Urteil vom 15.02.2005 – B 2 U 1/04 R –, Rdnr. 13). Der Klageantrag ist daher sachdienlich als Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2008 – B 2 U 26/06 R –, Rdnr. 12) auf Feststellung, dass das Ereignis vom 25.05.2019 ein in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherter Arbeitsunfall ist, auszulegen. Soweit der Kläger als weiteren Klageantrag die Feststellung des Korbhenkelrisses am Innenmeniskus des linken Knies als Folgen des Unfalls vom 25.05.2019 begehrt, ist richtige Klageart die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG oder nach Wahl des Versicherten kombiniert mit der Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG (vgl. BSG 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R -, BSGE 108, 274 und BSG 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R). Bei dem Klageantrag handelt es sich um eine nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage auf Feststellung von Unfallfolgen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 19.02.2020 – L 8 U 4109/19 –, juris Rdnr. 26).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O. sowie Senatsurteile vom 30.06.2017 – L 8 U 2553/15 – juris sowie vom 30.09.2016 - L 8 U 1061/15 - und - L 8 U 228/16). Insoweit ist bei der Beurteilung einer Gelegenheitsursache darauf abzustellen, ob auch bei einem Austausch des tatsächlichen Ereignisses durch ein alltägliches Ereignis (zur Austauschbarkeit vgl. BSG 09.05.2006 – B 2 U 1/05 RBSGE 96, 196-209 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris RdNr. 15) der Gesundheitsschaden eingetreten wäre (Senatsurteil vom 30.09.2016 – L 8 U 1061/15).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Der Senat konnte mit der am 03.06.2019 durchgeführten Kernspintomographie des M1 S1 im Vollbeweis feststellen, dass der Kläger einen Korbhenkelriss des linken Innenmeniskus erlitten hat.

Der Senat stellt zudem nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der am 03.06.2019 radiologisch gesicherte Korbhenkelriss am Innenmeniskus des linken Knies des Klägers nicht als Gesundheitserstschaden und somit den Unfallbegriff erfüllendes Merkmal auf das Ereignis vom 25.05.2019 rechtlich wesentlich zurückzuführen ist.

Der Kläger hat den Hergang des Ereignisses im von der Beklagten im Verwaltungsverfahren übersandten Fragebogen am 05.06.2019 wie folgt geschildert: Bei Beladen eines Flugzeuges (Zuladung) habe er aufstehen wollen. Das linke Knie sei „blockiert“ gewesen. Er sei nicht gefallen, habe sich nicht am Knie gestoßen. Es sei auch nichts gegen das Knie gefallen und er sei mit dem Knie nicht um- oder eingeknickt. Er habe während des Vorgangs keine Last getragen. Es hätten keine äußeren Verletzungszeichen wie Hautabschürfungen, Wunden oder Schwellungen bestanden. Er habe sofort Schmerzen verspürt und habe das Bein nicht mehr belasten oder strecken können. Im weiteren Schreiben vom 23.06.2019 bestätigt der Kläger diesen Vorgang.

Der Prozessbevollmächtigte hat in der Klagebegründung vom 12.04.2021 diese Unfallschilderung wiederholt und auf den plötzlich eingetretenen Schmerz verwiesen. Bei der Begutachtung durch S5 am 06.12.2022 hat der Kläger den Unfallhergang dagegen wie folgt geschildert: Er habe beim Ausladen von Fluggepäck auf dem Boden des Frachtraumes gekniet und einen Koffer im Gewicht von geschätzten 35 kg im Knien angehoben und unter Drehung der Rumpfwirbelsäule von rechts nach links gedreht habe, um diesen auf einen anderen Koffer zu stellen. Dabei sei ein starker Schmerz im linken Kniegelenk aufgetreten. Ein Aufstehen sei nicht mehr möglich gewesen, auch habe keine Relativbewegung im Kniegelenk stattgefunden, allenfalls eine leichte Verminderung der Beugung. Nach dem Unfallbericht des A1 vom 25.05.2019 wollte der Kläger in knieender Haltung seine Position für die Zuladetätigkeit verändern. Durch die Bewegung habe er sich das linke Knie verdreht und sei mit starken Schmerzen, nahezu bewegungsunfähig, im Laderaum liegen geblieben. Diese Schilderung wurde vom Arbeitskollegen des Klägers S4 bestätigt, dieser hat im Unfallbericht des A1 vom 25.05.2019 angegeben, dass er gesehen habe, wie der Kläger nach einer Drehbewegung vor Schmerz auf den Boden des hinteren Laderaums des Flugzeuges gefallen sei. Der Senat stellt daher unter Berücksichtigung des ebenfalls zeitnah zum Unfall erstellten Unfallberichts des A1 sowie der Schilderung des Unfallzeugen S4 fest, dass der Kläger beim Versuch seine knieende Position zu verändern und sich aufzurichten, eine Drehbewegung des Knie gemacht und hierbei sofortigen Schmerz verspürt hat. Soweit der Kläger zunächst im Fragebogen der Beklagten keine Drehbewegung geschildert hat, dürfte dies der Tatsache geschuldet sein, dass der Fragebogen nicht von ihm selbst, sondern infolge seiner für eine schriftliche Beschreibung des Unfallhergangs nicht ausreichenden Deutschkenntnisse von einer Bekannten in seinem Beisein ausgefüllt wurde. Der Senat misst vor diesem Hintergrund den Ausführungen im Unfallbericht des A1 sowie der Schilderung des Unfallzeugen S4 die höhere Aussagekraft zu. Dieser Vorgang entspricht auch im Wesentlichen der Unfallschilderung des Klägers bei der Begutachtung durch S5.

Soweit der Kläger allerdings bei der Begutachtung angegeben hat, dass er einen Koffer mit einem Gewicht von ca. 32 kg anheben wollte, findet sich dies weder in den Unfallschilderungen im Verwaltungsverfahren noch im Unfallbericht des A1 und dem Bericht des Zeugen S4 wieder. Der Kläger hat im Fragebogen, die Frage, ob er eine Last angehoben oder getragen hat, explizit verneint. Im Unterschied zur allgemeinen Schilderung des Unfalls in der ersten Frage des Fragebogens ist das Ankreuzen der Frage nach dem Tragen einer Last mit ja oder nein eindeutig und nicht mit der Gefahr von ungenauen oder zu kurzen Schilderungen verbunden. Soweit der Kläger daher bei der Begutachtung durch S5 angibt, dass er während des Drehvorgangs einen schweren Koffer angehoben habe, widerspricht dies seiner Aussage im zeitnah zum Unfall ausgefüllten Fragebogen. Weder der Kläger noch der Prozessbevollmächtigten haben in ihren Ausführungen im Verwaltungsverfahren bzw. im erstinstanzlichen Verfahren angegeben, dass der Kläger beim Aufrichten aus der Hocke einen schweren Koffer angehoben hat. Erst nach dem Erörterungstermin vom 11.07.2022 und dem Hinweis der Berichterstatterin vom 13.07.2022, dass es sich bei dem im Fragebogen geschilderten Unfallhergang um einen zur traumatischen Verursachung ungeeigneten Geschehensablauf handelt, hat der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 13.09.2022 den Unfallhergang dergestalt geschildert, dass der Kläger beim Beladen des Flugzeuges (Zuladen) mit einem sehr schweren Koffer, diesen aus der Hocke genommen habe, aufgestanden sei, eine Drehbewegung gemacht habe, um den Koffer auf die Ladestation abzulegen, wobei er sich nach der Drehbewegung vor Schmerz auf den Boden fallen gelassen habe. Der Senat legt somit bezüglich des Hergangs des Ereignisses vom 25.05.2019 die Schilderung des Klägers zugrunde, wonach er beim Aufrichten aus kniender Position eine Drehbewegung gemacht habe, zugrunde.

Der Hergang des Aufrichtens aus knieender Position mittels einer Drehbewegung enthält jedoch keine unkontrollierte Fehlgängigkeit des Kniegelenkes. Der physiologisch kontrolliert ablaufende Bewegungsvorgang mit Streckung der Kniegelenke aus der Beugestellung beim Aufrichten aus knieender Position erfüllt nicht das Merkmal eines von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses nach der Legaldefinition des Unfalls in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII bezogen auf den Gesundheitsschaden einer Innenmeniskusruptur. Der Senat hat bereits entschieden, dass der physiologisch kontrolliert ablaufende Bewegungsvorgang mit Streckung der Kniegelenke aus der Beugestellung beim Aufrichten aus liegender Position nicht das Merkmal eines äußeren Ereignisses nach der Legaldefinition des Unfalls in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII bezogen auf den Gesundheitsschaden einer Außenmeniskusruptur erfüllt (vgl. Senatsurteil vom 16.08.2019 – L 8 U 81/18 –, juris Rdnr. 38 ff.). Auch fehlt es an einem äußeren Ereignis, wenn beim normalen Gehen infolge einer anlagebedingten Gelenksinstabilität ein Umknicken des Fußes auftritt (Senatsurteil vom 16.04.2010 – L 8 U 5043/09 – juris). Auch wenn das Merkmal der äußeren Einwirkung vornehmlich zur Abgrenzung von inneren körpereigenen Vorgängen dient (vgl. BSG Urteil vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R –, BSGE 94, 269-273, SozR 4-2700 § 8 Nr 15, „Grabsteinurteil“) ist auch im vorliegenden Fall eines Aufrichtens aus knieender Position unter gleichzeitiger Drehbewegung vorliegend eine nach teleologischer Auslegung noch als äußere Einwirkung zu beurteilende besondere Kraftentfaltung, die aus der grundsätzlich versicherten Verrichtung erfolgt und daher dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung unterfällt, nicht aufgetreten – entgegen der Fallkonstellation im Urteil des BSG vom 12.04.2005 (a.a.O.). Auch nach der unfallmedizinischen Fachliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 658) ist ein Hochkommen aus der Hocke bzw. eine Drehbewegung zur Änderung der Gehrichtung nach dem Ausmaß der Einwirkung nicht geeignet, eine traumatische Meniskusschädigung zu verursachen.

Eine solche Einwirkung wäre im Übrigen auch nicht der späteren Unfallschilderung des Klägers, wonach er beim Aufrichten in der Drehbewegung einen schweren Koffer angehoben habe, zu entnehmen. Als geeigneter Hergang zur isolierten, das heißt ohne dem Lebensalter vorauseilenden Texturstörungen, Meniskusverletzung wird der sogenannte Drehsturz gesehen, bei welchem das gebeugte und rotierte Kniegelenk bei fixiertem Unterschenkel/Fuß plötzlich passiv in die Streckung gezwungen wird. Eine solche Fixierung ist keinem der vorliegenden geschilderten Unfallhergänge zu entnehmen. Zudem führt auch das Anheben des Koffers zu einer Drehung in der Lendenwirbelsäule, wie der Senat dem Gutachten von S5 entnimmt, so dass das Gewicht seine Einwirkung wesentlich in der Wirbelsäule entfaltet und daher keine geeignete Einwirkung zur Verursachung eines isolierten Meniskusrisses darstellt. Auch handelt es sich beim Anheben eines Koffers um eine Einwirkung, welche im Rahmen der beruflichen Tätigkeit mehr oder weniger regelmäßig vorkommt. Dass der Kläger nach seinen Angaben zuvor keine Probleme im Bereich des linken Knie verspürte und auch keine Vorschädigungen dokumentiert sind, steht dem nicht entgegen, da die schicksalhafte Meniskusdiskontinuität schleichend und vom Versicherten unbemerkt entsteht und sich bei ganz normalen altersphysiologischen Bewegungs- und Belastungsabfolgen erstmals – durch Verlagerung von Meniskusanteilen – symptomatisch bemerkbar macht (vgl. Schönberger u. A., a. a. O., Seite 658). Das Hochkommen aus der Hocke ohne sonstige mechanische Einwirkung auf das Kniegelenk bewirkt keine schädigungsrelevanten Meniskusbelastungen. Es fehlt an der Kausalität zwischen dem versicherten Ereignis und dem Meniskusschaden. Die Wahrnehmung eines unvermittelt auftretenden Schmerzes indiziert ohne Hinzutreten weiterer Anknüpfungspunkte nicht zwingend die aktuelle substantielle Schädigung des Körpers (vgl. Urteil des Senats vom 29.01.2016 – L 8 U 977/15 – juris). Der Schmerz als körperliche Reaktion ist ein physiologisch normaler Mechanismus der nervalen Reizleitung des Körpers auf einen Gesundheitsschaden, der ohne weitere Anhaltspunkte keinen Beweis für einen akut erlittenen, substanziellen Körperschaden darstellt, sondern auch nur eine erstmals zu Tage tretende klinische Symptomatik eines bis dahin stummen Körperschadens sein kann.

Unabhängig hiervon ist ein Arbeitsunfall auch mit folgenden Überlegungen zu verneinen: S5 führt fachlich fundiert und überzeugend aus, dass ein geeigneter Unfallmechanismus regelhaft mit starken Schwellungen und einem Knochenmarködem gelenknah im Kernspintomogramm einhergeht. Diese Begleitverletzungen sind beim Kläger nicht nachweisbar. Vielmehr stehen die degenerativen Involutionsvorgänge des Innenmeniskus links im Vordergrund, die dann durch die vorhandene statisch und mechanisch initiierte Belastung zum Riss des Meniskus mit einer entsprechenden Einklemmung geführt haben. Für diese Bewegungseinschränkung ist die Einklemmung des dislozierten und eingerissenen Meniskus verantwortlich. Die Ausführungen des Gutachters sind schlüssig und fundiert und stehen im Einklang mit der überwiegenden Ansicht der medizinischen Fachliteratur (vgl. Schönberger u. A., a. a. O., Seite 658) sowie der Rechtsprechung (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 29.01.2020 – L 2 U 30/19 –, juris Rdnr. 24 sowie nachfolgend BSG, Beschluss vom 26.10.2020 – B 2 U 36/20 B –, juris sowie Senatsurteil vom 16.08.2019 – L 8 U 81/18 –, juris Rdnr. 40; LSG Baden-Württemberg vom 22.07.2015 - L 6 U 2394/15 -, Rdnr. 39 f.; LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.10.2013 - L 3 U 151/10 -, Rdnr. 28 ff.). Danach ist auf Grund der Elastizität und Mobilität des Meniskus eine isolierte Meniskusverletzung kaum vorstellbar. Eine solche wird heute nur noch diskutiert infolge eines sog "wuchtigen Drehsturzes", bei dem das gebeugte und rotierte Kniegelenk bei fixiertem Unterschenkel/Fuß plötzlich passiv in die Streckung gezwungen wird, so dass die physiologische Schlussrotation nicht mehr ablaufen kann. Hierzu bedarf es eines unüberwindlichen äußeren Bewegungshemmnisses mit brüsker und wuchtig ablaufender erzwungener Kniestreckung, wobei es nicht ausreichend ist, wenn der Fuß nur durch das Körpergewicht und/oder eine unfallverhütende Schuhsohle am Boden haftet, z.B. Stopp-Schritt beim Sport (vgl. Hessisches LSG Beschluss vom 11.09.2020 – L 3 U 150/18 –, juris Rdnr. 36). Soweit der Prozessbevollmächtigte in seiner Stellungnahme vom 15.02.2023 das Gutachten von S5 als „Witz“ bezeichnet und ihm mangelnde fachliche Qualifikation unterstellt, verkennt er, dass die Ausführungen von S5 fachlich fundiert sind und im Einklang mit der ganz überwiegenden Ansicht der unfallmedizinischen Fachliteratur stehen. Der Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten sind auch keine substantiellen Einwände gegen das Gutachten zu entnehmen, er greift vielmehr allgemein dessen - für den Senat ohne Zweifel bestehende - Qualifikation als Gutachter an. Der Senat weist zudem darauf hin, dass der Gutachter seiner Beurteilung den Unfallhergang zugrunde gelegt hat, den der Kläger geschildert hat. Es trifft daher nicht zu, dass er dem Kläger aufzuklärende Tatsachen unterstelle.

Auch soweit der Prozessbevollmächtigte zum wiederholten Mal auf den Durchgangsarztbericht der Ärztin S3 verweist, führt dies nicht zu einer anderweitigen Bewertung des Sachverhalts. Die Ärztin S3 hat den Kläger ärztlich behandelt und nicht gutachtlich untersucht. Das Ankreuzen des Feldes, dass nichts gegen die Annahme eines Arbeitsunfalles spreche, erfolgte somit ohne nähere Kenntnis des genauen Unfallhergangs und ohne Prüfung der Voraussetzungen der unfallmedizinischen Fachliteratur und Rechtsprechung. Auch besteht kein Anspruch auf Einholung eines sogenannten Obergutachtens (vgl. hierzu zuletzt BSG, Beschluss vom 23.12.2022 – B 5 R 170/22 B –, juris Rdnr. 6 unter Verweis auf BSG Beschluss vom 23.05.2006 - B 13 RJ 272/05 B - juris Rdnr. 5, 11; BSG Beschluss vom 24.05.2017 - B 3 P 6/17 B - juris Rdnr. 13; BSG Beschluss vom 18.08.2022 - B 5 R 124/22 B - juris Rdnr. 7). Vielmehr ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit den vorliegenden Gutachten auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem grundsätzlich anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen (vgl BSG Beschluss vom 20.02.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris Rdnr. 8).

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ihren mit Schreiben vom 15.02.2023 sowie vom 28.08.2023 gestellten Antrag, S5 zur Erläuterung seines Gutachtens in einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden, in der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2023 nicht aufrechterhalten. Lediglich ergänzend weist der Senat daher darauf hin, dass zu einer Ladung des Gutachters in die mündliche Verhandlung zur Erläuterung des Gutachtens keine Veranlassung bestand. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. zuletzt BSG, Beschluss vom 27.09.2022 – B 2 U 150/21 B –, juris Rdnr. 10 m.w.N.) haben Verfahrensbeteiligte grundsätzlich das Recht, einem Sachverständigen, der ein Gutachten erstattet hat, diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten (§ 116 Satz 2, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO). Das Fragerecht soll dem Antragsteller erlauben, im Rahmen des Beweisthemas aus seiner Sicht unverständliche, unvollständige oder widersprüchliche Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um auf das Verfahren Einfluss nehmen und die Grundlagen der gerichtlichen Entscheidung verstehen zu können. Es ist Ausfluss des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG) und besteht unabhängig von dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, bei einem erläuterungsbedürftigen schriftlichen Gutachten nach § 411 Abs. 3 ZPO das Erscheinen des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuordnen. Insofern steht beim Fragerecht nach § 116 Satz 2 SGG ein anderes Ziel im Vordergrund als bei der Rückfrage an den Sachverständigen nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 411 Abs. 3 ZPO, die in erster Linie der Sachaufklärung (§ 103 SGG) dient (BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr. 1 Rdnr. 11 m.w.N.). Um die Verletzung des Fragerechts ordnungsgemäß zu rügen, muss ein Beteiligter darlegen, dass er die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte dem Gericht rechtzeitig (§ 411 Abs. 4 ZPO) schriftlich mitgeteilt hat, dass die aufgeworfenen Fragen objektiv sachdienlich sind und dass er das Begehren bis zuletzt aufrechterhalten hat. Die erläuterungsbedürftigen Punkte, z.B. Lücken oder Widersprüche, müssen hinreichend konkret bezeichnet werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B; BSG Beschluss vom 11.12.2019 - B 13 R 164/18 B - juris Rdnr. 9 m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte hat in seinem Schreiben vom 15.02.2023 keine nach den dargestellten Grundsätzen erläuterungsbedürftigen Punkten hinreichend konkret bezeichnet. Er hat lediglich allgemein seinen Unmut über das Ergebnis des Gutachtens von S5 zum Ausdruck gebracht, dessen fachliche Qualifikation und Neutralität angezweifelt und ausgeführt, dass die Ladung beantragt werde, da noch zahlreiche Fragen an den Sachverständigen zu stellen seien. Der Antrag benennt jedoch nicht konkret die vermeintlich erläuterungsbedürftigen Lücken oder Widersprüche im Gutachten, so dass dem Antrag auch dann nicht zu folgen gewesen wäre, wenn er aufrechterhalten worden wäre.

Auch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 28.08.2023 führt keine erläuterungsbedürftigen Punkte auf. Es wiederholt im Wesentlichen den bisherigen Vortrag der Klägerseite, dass der Gutachter von einem anderen Unfallhergang ausgehe. Auch der Vortrag, der Gutachter solle erläutern, weshalb und mit welcher Begründung er zu einem anderen Ergebnis komme als die Durchgangsärztin, legt keine Erläuterungsbedürftigkeit des Gutachtens dar. Allein die Tatsache, dass ein Gutachter zu einem anderen Ergebnis kommt als ein behandelnder Arzt, begründet noch nicht die Erläuterungsbedürftigkeit, solange der Gutachter seine anderslautende Einschätzung - wie hier - fachlich korrekt und ohne Lücken und Widersprüche begründet. Auch die Verständigung mit dem Kläger während der Begutachtung war nach dem Gutachten ohne Probleme möglich. Insofern hat der Prozessbevollmächtigte in seinem Schreiben vom 28.08.2023 selbst angegeben, dass der Kläger Deutsch spricht.

Bei der Beauftragung von S5 bedurfte es auch keiner vorherigen öffentlichen Bestellung oder Vereidigung zum Sachverständigen. S5 besitzt aufgrund seiner ärztlichen Approbation die erforderliche Sachkunde zum ärztlichen Sachverständigen. § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 407 ZPO geht davon aus, dass im Grundsatz alle (approbierten) Ärzte die für die Erstattung eines Gutachtens erforderliche Sachkunde besitzen. Nach § 407 Abs. 2 ZPO hat der von einem Gericht zum Sachverständigen Ernannte der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Ausübung der Wissenschaft, der Kunst oder des Gewerbes, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich ermächtigt ist. Unter der öffentlichen Ermächtigung zur Ausübung der Wissenschaft versteht das Gesetz vor allem die Lehrbefugnis und die Approbation (vgl. hierzu Knittel, SGb 2016, S. 130 sowie Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 407 Rdnr. 1). Insofern bedarf es neben der Bestellung zum Gutachter durch das Gericht keines weiteren Nachweises der Fachkunde (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.12.2015 – 4 WF 244/15 –, juris Rdnr. 15). Eine öffentliche Bestellung ist im Übrigen auch nach § 36 GewO nur für bestimmte technische Fachgebiete vorgesehen. Zudem ist die öffentliche Bestellung keine zwingende Voraussetzung, sondern eine reine Ordnungsvorschrift und schließt eine Beauftragung eines nicht öffentlich bestellten Gutachters nach § 404 Abs. 3 ZPO nicht aus (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 404 Rdnr. 3 sowie OLG Hamm, Urteil vom 07.06.2010 – 6 U 213/08 –, juris Rdnr. 12). Auch eine Beeidigung steht im Ermessen des Gerichts (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 13. Auflage 2020, § 118 Rdnr. 12p, 10h m.w.N.). Ein Anlass zur Beeidigung lag nach Überzeugung des Senats weder vor der Bestellung von S5 zum Gutachter noch nach Erstellung des Gutachtens vor.

Der Senat war auch nicht verpflichtet, Daten darüber zu erheben, wie viele Gutachten S5 für das LSG bereits erstellt hat, und in wie vielen Fällen sein Gutachten zu Gunsten des Klägers ausgefallen ist sowie das Ergebnis einer solchen Datenerhebung dem Kläger mitzuteilen. Über die Frage, ob S5 auch für die Beklagte Gutachten erstattet, liegen dem Senat ebenfalls keine Kenntnisse vor. Relevant wäre dies im Übrigen nur, wenn er im vorliegenden Verfahren bereits ein Gutachten im Auftrag der Beklagten erstellt hätte oder in einem Dienstverhältnis zur Beklagten stünde (vgl. Keller a.a.O., § 118 Rdnr. 11c; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 406 Rdnr. 5 ff sowie Bayerisches LSG, Beschluss vom 25.09.2015 – L 2 SF 64/13 B –, juris Rdnr. 14 ff.). Dies ist jedoch nicht gegeben.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit dem Gutachten von S5 dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).

Der Senat stellt somit fest, dass der am 03.06.2019 diagnostizierte Korbhenkelriss des Innenmeniskus am linken Knie nicht rechtlich wesentlich durch das Ereignis vom 25.05.2019 verursacht wurde. Die Beklagte hat somit zur Recht die Anerkennung des Ereignisses vom 25.05.2019 als Arbeitsunfall abgelehnt.

Die Berufung des Klägers war daher ohne Erfolg und zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. 
 

 

Rechtskraft
Aus
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