L 2 AS 1795/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 614/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 1795/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Mai 2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.


Der Kläger begehrt eine Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten.

Der 1958 geborene Kläger befand sich vom 11.02.2020 bis 31.08.2020 in Haft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) F1. Nach Entlassung aus der Haft beantragte der Kläger beim Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und erhielt vom Beklagten ab dem 31.08.2020 laufende Leistungen (vgl. Bescheid vom 07.09.2020, Bl. 53). Bei der Berechnung wurde zunächst lediglich der monatliche Regelsatz berücksichtigt, da der Kläger ohne festen Wohnsitz war und daher keine Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren seien. Seit dem 01.09.2020 hat sich der Kläger ein Wohnmobil zu Wohnzwecken angemietet. Die monatliche Miete betrug ausweislich des vorgelegten Mietvertrages vom 28.09.2020 pauschal 500,00 Euro (vgl. Bl. 103 VA). Das Wohnmobil wurde ausweislich dieses Vertrages „incl. Inhalt (Geschirr, Besteck, Kochgegenstände, Bettwäsche, usw.)“ vermietet. Mit Änderungsbescheid vom 30.09.2020 (Bl. 110 VA) wurden dem Kläger für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis 31.07.2021 zusätzlich 487,80 Euro pro Monat für Unterkunft und Heizung gewährt. Bei Nutzung eines Wohnmobils als Unterkunft und gleichzeitig gewöhnlichem Aufenthalt in F1 würden Unterkunftskosten in Höhe von 487,80 Euro berücksichtigt. Dies entspreche dem geltenden Satz der Stadt F1 für einen 1-Personen-Haushalt. Mit Änderungsbescheid vom 22.10.2020 (Bl. 141 VA) wurden dem Kläger vom Beklagten für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis 31.10.2020 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 270,00 Euro gewährt. Hierbei handle es sich um die nachträglich geltend gemachten Unterkunftskosten für die H1str.  (= Obdachlosenunterkunft). Die Kosten würden direkt an die Stadt F1 überwiesen. Mit Änderungsbescheid vom 30.12.2020 (Bl. 246 VA) wurden rückwirkend ab dem 01.09.2020 Kosten für das Wohnmobil von monatlich 500,00 Euro übernommen. Auf den Antrag des Klägers hin wurden ihm mit Bescheid vom 15.12.2020 (Bl. 209 VA) für den Zeitraum 01.11.2020 bis 30.04.2021 zusätzlich monatliche Heizkosten in Höhe von 70,00 Euro gewährt.

Mit Schreiben vom 02.09.2020 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass durch seine Inhaftierung seine gesamte Habe entsorgt worden sei und er über keine Klamotten etc. verfügen würde. Er beantrage daher pauschal einmalige Leistungen für Erstausstattung und Bekleidung.

Mit Schreiben vom 12.09.2020 (Bl. 64 VA) erklärte der Kläger weiter, dass auch die Kosten einer Wohnungsbeschaffung, ggf. die Renovierung und die Erstausstattung (je nach Ort zwischen 800 und 1.000 Euro) bezahlt würden.

Mit Schreiben vom 14.09.2020 nahm der Kläger seinen Antrag auf eine Erstausstattung für die Wohnung zurück (Bl. 69 VA).

Mit Schreiben vom 17.09.2020 (Bl. 96 VA) informierte der Beklagte den Kläger darüber, dass eine Bewilligung der Erstausstattung für die Wohnung in Form von Pauschalbeträgen erfolge. Der Beklagte legte in dem Schreiben weiter dar, welche Gegenstände im Rahmen der Erstausstattung bewilligt werden könnten und bezüglich welchen Hausrats und welcher Textilien eine einmalige Barleistung gewährt werden könne. Eine Übernahme der Erstausstattung komme u.a. in Betracht, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft kürzlich aus der Haft entlassen worden sei. Voraussetzung sei weiter, dass man einen festen Wohnsitz habe und die Gegenstände in der Wohnung nicht enthalten seien (z.B. Vermietung eines möblierten Zimmers).

Der Kläger erinnerte mit Schreiben vom 18.11.2020 (Bl. 145 VA) an seinen Antrag auf Erstausstattung für Wohnung/ Hausstand (in den meisten Bundesländern und Kommunen würden ca. 1.200,00 Euro als Pauschale geleistet).

Hierauf teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20.11.2020 (Bl. 150 VA) u.a. mit, dass Möbel und weitere Gegenstände in der Regel durch Möbellagergutscheine vom Beklagten gewährt und damit als Sachleistungen erbracht würden. Pauschalen in Geld würden nur in Ausnahmefällen ausgezahlt. Deshalb sei es wichtig, dass der Kläger, falls er einen Antrag auf Erstausstattung für die Wohnung stellen wolle, hier eine genaue Auflistung einreiche, welche Möbel und Gegenstände er in seinem Wohnwagen benötige, die dort nicht vorhanden seien.

Mit einem zum Verfahren S 2 AS 4251/20 ER beim SG Freiburg eingereichten Schreiben führte der Kläger aus, in seiner derzeitigen Unterkunft (Campingfahrzeug) fielen Wasser, Strom, Heizung, Waschmaschine und Kühlschrank nicht einfach vom Himmel. Es seien zwar ein Kühlschrank, Licht und Heizungsteile vorhanden, aber diese würden nur mit 220V funktionieren. Als Bedarfsliste für die Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten fügte er bei:
- Stromgenerator 220V
- Solapaneel (ca. 200 Watt) mit Laderegler
- Speicher-Versorgungsbatterien
- Spannungsregler 12V auf 220V mit circa 300W
- Gasheizer
- dazu Weißware: Kleine Waschmaschine, Küchenherd mit Backofen
Er veranschlagte hierfür einen Betrag in Höhe von insgesamt mindestens 1.500 Euro.
Der Antrag blieb hinsichtlich der begehrten Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten erfolgslo (vgl. Beschluss des SG vom 18.12.2020, Beschluss im Beschwerdeverfahren vom 15.03.2021, L 3 AS 178/21).

In einem weiteren Verfahren vor dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (- S 2 AS 3570/20 ER -) beim SG Freiburg hat der Kläger im Rahmen eines Erörterungstermins am 10.12.2020 ausweislich eines Aktenvermerks des Beklagten mitgeteilt, dass er in seinem angemieteten Wohnmobil weder über Strom noch über einen Wasseranschluss verfüge. Unklar sei geblieben, inwieweit das Wohnmobil tatsächlich ausgestattet sei, der Kläger habe nur von einem vorhandenen Kühlschrank gesprochen, den er aber mangels Stromanschluss nicht nutzen könne. Wo genau das Wohnmobil stehe sei unklar, jedoch wohl nicht auf einem Campingplatz, wo diese Einrichtungen üblicherweise vorhanden seien (vgl. Bl. 218 VA).

Mit Bescheid vom 18.12.2020 (Bl. 223 VA) lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte ab. Zur Begründung wurde dargelegt, dass die zu erstattenden Kosten einer Erstausstattung dem Umfang nach auf das Notwendige beschränkt seien. Bei einem Wohnmobil seien die zum Wohnen notwendigen Gegenstände erfahrungsgemäß bereits vorhanden. Es stünden im Stadtgebiet F1 sowohl diverse Campingplätze als auch mindestens ein privater Wohnmobilstellplatz und Strom- und Wasseranschlussmöglichkeiten zur Verfügung, sodass Ausstattungsgegenstände für eine autarke Energieversorgung nicht erforderlich seien. Hinsichtlich der beantragten Weißwaren sei der Antrag ebenfalls abzulehnen, da mangels Aufstellmöglichkeiten der beantragten Gegenstände (Waschmaschine, Küchenherd) diese tatsächlich nicht betrieben werden könnten.

Der Kläger erhob am 15.01.2021gegen den Bescheid vom 18.12.2020 Widerspruch (Bl. 281 VA), der mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2021 (Bl. 282 VA) zurückgewiesen wurde.

Hiergegen hat der Kläger am 23.02.2021 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und „Leistungsansprüche nach dem § 24 Abs. 3 Nr. 1,2 SGB II“ geltend gemacht. Er begehre für Wohnung/ Hausrat „gem. Liste des Jobcenters“ vom 17.09.2020 Leistungen i.H.v. 1.500,00 Euro. Mit Schreiben vom 05.07.2021 (Bl. 32 SG-Akte) hat er weiter mitgeteilt, dass er mit seinem Wohnmobil auf einem Privatgrundstück stehe. Er entnehme das Wasser aus der „nahe vorbeifliessenden BREISACH“. Trinkwasser kaufe er bei Rewe oder Norma, Über einen Landstromanschluss verfüge er nicht. Strom habe er nur über Solar i.V.m. Versorgungsbatterie. Diese Versorgungsbatterie jedoch sei defekt und müsse ersetzt werden. Mit Schreiben vom 27.06.2021, eingegangen beim SG am 06.08.2021 (Bl. 72 SG-Akte), hat der Kläger weiter ausgeführt, dass er sich eine Klagerücknahme gegen Gewährung eines Überbrückungsdarlehens vorstellen könne. Er benötige das Darlehen u.a. für einen Lattenrost mit Matratze 1,40m x 2,00m und Bettzeug (Kosten um die 700,00 Euro), eine Versorgungsbatterie Gel 155AH, einen Spannungsregler und einen Laptop, die allesamt defekt seien (Kosten um die 600,00EUR) sowie eine kleine Waschmaschine für Campingfahrzeuge sowie Zubehör für Dauercamper. Mit Schreiben vom 02.04.2022 (Bl. 138 SG-Akte) hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass er eine 28 Liter Kühlbox für 728 Euro unter Vorbehalt bereits angeschafft habe, in der Hoffnung, die Kühlbox sei dem Gericht oder dem Beklagten nicht zu klein. Noch aber könne er sie auch noch umtauschen. Darüber hinaus sei sein Lager aufgebrochen und viele Hausratsgegenstände seien gestohlen.

Das SG hat die Klage, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben (vgl. Schreiben vom 02.04.2022 bzw. 06.05.2022, Bl. 138 u. 143 SG-Akte bzw. vom 03.05.2022, Bl. 142 SG-Akte), mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 12.05.2022 abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 18.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2021 sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten.
Ein solcher Anspruch bestehe nur beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach dieser Norm seien vom Regelbedarf nach § 20 nicht umfasst die Bedarfe für 1. Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, 2. Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie 3. Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten. Leistungen für diese Bedarfe würden gesondert erbracht. Die Leistungen für Bedarfe nach Satz 1 Nummer 1 und 2 könnten als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden.
Nach den Gesetzesmaterialien zum vormaligen § 23 Abs. 3 SGB II a.F. sei eine Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten auch z.B. nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft zu erbringen. Gemeinsam sei den Fallgestaltungen der Erstausstattungen, dass der Betroffene aus bestimmten Gründen seine Bekleidung bzw. Wohnungsausstattung oder notwendige Teile hiervon verloren habe oder nie innehatte („bisher nicht oder nicht mehr verfügt“). Eine solche Fallgestaltung liege hier mit der Inhaftierung des Klägers und dem damit einhergehenden Verlust seiner bisherigen Habe vor.
Umfasst von dem Erstbeschaffungsbedarf für die Wohnung seien dabei alle Einrichtungsgeräte und -gegenstände, die - wie sich aus der gesonderten Aufführung der Haushaltsgeräte in § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebe - eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichten, wie insbesondere Möbel (Bett, Schrank, Tisch, Stuhl, Sofa etc.), Lampen, Gardinen, Herd, Kochtöpfe, Staubsauger, Bügeleisen sowie Kühlschrank und Waschmaschine. Der Anspruch auf „Erstausstattung“ sei dabei jedoch nicht so zu verstehen, dass einem Leistungsberechtigten im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem SGB II stets diejenigen Bestandteile einer Erstausstattung zu bewilligen seien, die er selbst nicht besitze. Vielmehr sei Bezugspunkt für den Bedarf an Erstausstattung die Ausstattung derjenigen Unterkunft, die der Leistungsberechtigte während des Leistungsbezugs beziehe oder die er (bei Eintritt des SGB II-Bezugs) bereits bewohnt habe - im vorliegenden Fall mithin das vom Kläger angemietete Wohnmobil. Schließlich sei - wegen der notwendigen bedarfsbezogenen Betrachtungsweise - unerheblich, ob die vorhandenen Einrichtungsgegenstände oder Haushaltsgegenstände dem Leistungsempfänger gehörten oder ob sie ihm von Dritten zur (Mit)Benutzung überlassen wurden. Unter Berücksichtigung dessen bestehe vorliegend schon kein Bedarf für einen Gasheizer, da das Wohnmobil des Klägers nach dessen Vortrag mit einer Heizung ausgestattet und er in der Lage gewesen sei, diese zu betreiben, schließlich seien dem Kläger bereits mit Änderungsbescheid vom 15.12.2020 vom Beklagten für den Leistungszeitraum November 2020 bis April 2021 jeweils weitere 70 Euro monatlich für die Heizkosten gewährt worden, nachdem der Kläger am 29.11.2020 die Gewährung einer eine Heizkostenpauschale in Höhe von insg. 80 Euro monatlich beantragt habe (bestehend aus 55 Euro monatlich für 3 x 11 l Propangas sowie 35 Euro monatlich für die Transportfahrt).
Ferner bestehe kein Bedarf für eine Kühlbox, wenn im Wohnmobil bereits ein Kühlschrank vorhanden sei. Zudem bestehe kein Erstausstattungsbedarf für die geltend gemachte Versorgungsbatterie sowie den Spannungsregler, denn mit Schreiben vom 27.06.2021 - eingereicht zum Verfahren S 2 AS 4252/20 - habe der Kläger erklärt, es seien seine Versorgungsbatterie und sein Spannungsregler defekt und müssten ersetzt werden. Insoweit liege aber eine Ersatz- und keine Erstbeschaffung vor. Eine Ersatzbeschaffung sei vom Erstausstattungsbedarf aber nicht gedeckt, wenn nicht eine atypische Bedarfslage vorliege, die wertungsmäßig mit einer „Erstausstattung“ vergleichbar sei. Eine solche sei vorliegend aber nicht ersichtlich. Der übliche Verschleiß von Gebrauchsgegenständen sei kein solch außergewöhnlicher Umstand. Im Übrigen stehe der Bewilligung der beantragten Wohnungseinrichtungs- bzw. Ausstattungsgegenstände bereits grundsätzlich entgegen, dass ein Wohnwagen bzw. Wohnmobil zumindest dann keine Wohnung darstelle, wenn - wie hier - die Versorgung mit Wasser und Strom nicht gewährleistet sei. Ein Wohnwagen bzw. Wohnmobil unterfalle zwar dem Begriff der Unterkunft im Sinne des SGB II, denn eine Unterkunft sei jede Einrichtung oder Anlage, die geeignet sei, vor den Unbilden des Wetters bzw. der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre (einschließlich der Möglichkeit, private Gegenstände zu verwahren) gewährleiste, indessen seien an den Begriff der „Wohnung“ weitergehende Voraussetzungen zu knüpfen. Wie oben dargelegt sei der Erstausstattungsbedarf hinsichtlich der Wohnung darauf ausgerichtet, eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen zu ermöglichen. Eine geordnete Haushaltsführung sowie ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen setze aber sowohl eine Strom- als auch eine Wasserversorgung voraus. Dies lasse sich bereits daraus ableiten, dass die faktische Unbewohnbarkeit einer Unterkunft infolge der Sperrung der Energie (z.B. Gas- oder Stromsperre) bzw. der Wasserzufuhr dem Verlust der Wohnung gleich komme. Eine Unterkunft ohne Strom- und Wasserversorgung könne daher den Anforderungen an eine menschenwürdige Wohnung nicht genügen. Bereits aus diesem Grunde stehe dem Kläger der begehrte Erstausstattungsbedarf nicht zu, denn der Kläger habe auf Nachfrage der Kammer mit Schreiben vom 05.07.2021 vorgetragen, Wasser aus der nahe vorbeifließenden „Breisach“ - gemeint wohl: „Dreisam“ - zu entnehmen bzw. Trinkwasser aus Supermärkten zu besorgen; über eine Unterkunft mit einer Wasserversorgung, die eine geordnete Haushaltsführung sowie ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermögliche, verfüge der Kläger mithin nicht, weshalb eine Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht zu gewähren sei. Insoweit erschließe sich auch das Begehren nicht, ihm eine Waschmaschine als Erstausstattungsbedarf zu bewilligen, da schon nicht ersichtlich sei, dass der Kläger diese an einen Wasseranschluss anschließen und zweckmäßig verwenden könne.

Gegen das ihm am 14.05.2022 gegen Postzustellungsurkunde zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 21.06.2022 beim SG Freiburg eingegangenen Fax Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben und erklärt, dass er gegen das Urteil vorsorglich Rechtsmittel einlege. Er hat in diesem Schreiben zudem angegeben, ohne festen Wohnsitz zu sein. Weiterer Vortrag ist nicht erfolgt. Der Kläger hat zudem trotz Aufforderung keine Adresse, unter der er zu erreichen ist, angegeben. Eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt der Stadt F1 blieb erfolglos. Ein Versand an die im Berufungsschriftsatz angegebene Faxnummer ist nicht möglich gewesen. Auch der Beklagte hat auf Nachfrage keine aktuelle Anschrift mitteilen können. Der Kläger beziehe aktuell auch keine Leistungen vom Beklagten (vgl. Schreiben vom 13.01.2023, Bl. 25 LSG-Akte).

Der Kläger beantragt (sinngemäß)

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Mai 2022 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18. Dezember 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2021 zu verurteilen, ihm eine Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten zu gewähren.

Der Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung zurückzuweisen.

 
Mit Schreiben vom 17.10.2022 ist darauf hingewiesen worden, dass bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung, aber auch an deren Begründetheit bestehen. Die Beteiligten sind in diesem Schreiben zudem darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Senat hat dieses Schreiben sowohl öffentlich zugestellt als auch per Post zur Kenntnis, allerdings erfolglos, an die beiden zuletzt bekannten Anschriften des Klägers versandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.  


II.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Vorliegend spricht zunächst vieles dafür, dass die Berufung nicht innerhalb der gesetzlichen Berufungsfrist eingelegt worden und somit bereits unzulässig ist. Nach § 151 Abs. 1 i.V.m. § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG ist die Berufung bei dem LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG ist die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem SG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten in der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Dem anwaltlich nicht vertretenen Kläger ist das Urteil vom 12.05.2022 ausweislich der Postzustellungsurkunde am 14.05.2022 zugestellt worden. Der Lauf einer Frist beginnt nach § 64 Abs. 1 SGG soweit - wie hier - nichts Anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung. Nach § 64 Abs. 2 SGG endet eine nach Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach der Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Daraus folgt, dass bei einer Zustellung am 14.05.2022 die Ein-Monats-Frist des § 151 Abs. 1 SGG mit Ablauf des 14.06.2022 (ein Dienstag) geendet hat. Der Kläger hat jedoch erst am 21.06.2022 beim SG Berufung erhoben, wobei er das Berufungsschreiben auch erst an diesem Tag verfasst hat. Damit hätte der Kläger die Berufungsfrist nicht gewahrt. Allerdings trägt der Kläger vor, das Urteil nicht erhalten zu haben, da er unter der Zustellungsadresse nicht ordnungsgemäß gemeldet sei und der Briefkasten von ihm daher nicht mehr „betreut“ werde. Ob dieser Einwand trotz der vorliegenden Postzustellungsurkunde zu berücksichtigen ist, kann der Senat allerdings offen lassen.

Ebenfalls offen lassen kann der Senat weiter, ob die Berufung bereits unzulässig (geworden) ist, weil keine ladungsfähige Anschrift des Klägers mehr bekannt ist. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert nämlich im Regelfall, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtsuchenden genannt wird. Denn gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG, der über die Verweisungsnorm des § 153 Abs. 1 SGG im Berufungsverfahren neben der Vorschrift des § 151 SGG entsprechend gilt (vgl. Binder in Berchthold, SGG, 6. Aufl. 2021, § 151 Rn. 27), muss die Klage bzw. die Berufung den (Berufungs-)Kläger, den (Berufungs-)Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des (Berufungs-)Klägers gehören grundsätzlich die Angabe des vollständigen Namens und der ladungsfähigen Anschrift (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 18.11.2003 - B 1 KR 1/02 S, juris, Rn. 5 ff). Bei dem Erfordernis der Anschriftenangabe des Rechtsuchenden handelt es sich um eine wesentliche, ungeschriebene Sachurteilsvoraussetzung eines jeden Rechtsschutzbegehrens, also auch das der Berufung. Unterlässt der (Berufungs-)Kläger die Angabe seiner Anschrift, ist das Rechtsschutzbegehren grundsätzlich unzulässig (BSG a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.02.2019 - L 19 AS 1398/18 -, juris, Rn. 32; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.06.2016 - L 7 SO 4619/15 -, juris Rn. 18 - 22 m.w.N). Fraglich ist jedoch, ob hier ein Ausnahmefall vorliegt. Denn in einem solchen, z.B. bei Obdachlosigkeit, kann die Angabe der Anschrift des Klägers u.U. entbehrlich sein, wenn besondere, dem Gericht mitzuteilende Gründe dies rechtfertigen (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 02.08.2017 - L 9 AL 212/14 -, juris, Rn. 43; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 14. Aufl. 2023, § 92 Rn. 4). Hierüber braucht der Senat jedoch nicht zu entscheiden, denn die Berufung ist zumindest unbegründet.

Das angefochtene Urteil des SG vom 12.05.2022 und der Bescheid vom 18.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2021 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erstausstattung für die Wohnung. Der Kläger begehrt hier (meistbegünstigend ausgelegt) eine Erstausstattung in Form eines Stromgenerators, eines Solarpaneels, Speicher-Versorgungsbatterien, eines Spannungsreglers, eines Gasheizers, einer Waschmaschine sowie eines Küchenherdes mit Backofen, eines Kühlschrankes sowie einer orthopädischen Matratze mit Lattenrost mit den Maßen 140x200 cm.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Gewährung einer Erstausstattung für Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten (§ 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass hier z.T. keine Erstausstattung sondern lediglich eine Ersatzbeschaffung bzw. Ergänzungsbeschaffung handelt, da die Geräte z.T. lediglich defekt (z.B. Versorgungsbatterie) bzw. schon vorhanden sind (z.B. Heizung). Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab.

Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen vieles dafür spricht, dass das Wohnmobil über eine Heizung verfügt. Hier hat der Kläger bereits monatliche Heizkosten vom Beklagten erhalten und im Rahmen der Beantragung hatte dieser darauf hingewiesen, dass monatlich drei 11-Liter-Propangasflaschen notwendig seien. Damit dürfte gewährleistet sein, dass das Wohnmobil beheizt werden kann. Warum darüber hinaus ein weiterer Gasheizer notwendig ist, erschließt sich dem Senat demnach nicht. Soweit zwischenzeitlich auch ein Kühlschrank begehrt worden ist, widerspricht dies den Aussagen, dass bereits eine Kühlbox angeschafft worden ist. Soweit der Kläger durch die Gewährung der Erstausstattung die Anschaffung von Equipment für autarke Energiegewinnung (z.B. Solarpaneel) ermöglicht haben will, so ist nicht eindeutig klar, ob das Wohnmobil über Zugang zu Strom verfügt oder nicht. Es ist vom Kläger auch bislang nicht dargelegt worden, ob er auf Campingplätzten übernachtet (hier steht i.d.R. ein Stromanschluss zur Verfügung) oder ob er dauerhaft auf einem Privatgrundstück steht. Soweit eine Waschmaschine begehrt wird, erschließt sich dem Senat nicht, wie diese ohne Wasseranschluss bestrieben werden kann. Unabhängig davon, ob hierfür überhaupt Platz in einem Wohnmobil besteht - ggf. begehrt der Kläger hier auch nur eine kleine „Campingwaschmaschine“ - dürfte hierfür immer ein Wasseranschluss und auch ein Zugang zum Abwasser nötig sein. Auch ein Anspruch auf einen Lattenrost und eine Matratze ist bislang nicht ausreichend belegt worden. Zum einen hat der Kläger nicht vorgetragen, dass er in dem von ihm bewohnten Wohnmobil bislang über keinen Lattenrost mit Matratze bzw. keinen Schlafplatz sowie Bettwäsche verfügt, zumal laut Mietvertrag z.B. Bettwäsche mitvermietet wird. Zum anderen stellen Aufwendungen für einen besonderen Lattenrost, eine besondere Matratze oder eine besondere Bettwäsche keinen Wohnungserstausstattungsbedarf dar (zu einer harten Matratze: Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB, 07/19, § 24 SGB II, Rn. 351).

Nach alledem ist nicht ausreichend dargelegt und nachgewiesen, welcher konkrete Bedarf an Erstausstattung beim Kläger tatsächlich besteht bzw. welche Teile des geltend gemachten Bedarfs bereist entgegen den Ausführungen des Klägers tatsächlich schon gedeckt sind. Ob die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung vorliegen, hat das Gericht zwar grundsätzlich von Amts wegen aufzuklären (§ 103 SGG). Das SGG kennt keine subjektive Beweisführungslast der Beteiligten, d.h. es obliegt nicht den Beteiligten, für eine bestimmte Behauptung Beweis anzubieten, vielmehr hat das Gericht selbst die erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen zu ergreifen. Allerdings gelten auch im Sozialgerichtsverfahren die Grundsätze der materiellen Beweislast, die vorgeben, wie zu entscheiden ist, wenn das Gericht die erforderlichen Tatsachen nicht umfassend ermitteln kann. Dabei gilt der Grundsatz, dass im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch dann zu machen, wenn solche Vorgänge nicht aufklärbar sind, die in der persönlichen Sphäre oder der Verantwortungssphäre des Leistungsempfängers wurzeln, d.h. wenn eine besondere Beweisnähe zum Leistungsempfänger vorliegt (vgl. BSG, Urteile vom 24.05.2006, - B 11a AL 7/05 R -, vom 21.03.2007, - B 11a AL 21/06 R - und vom 28.08.2007, - B 7/7a AL 10/06 R -). In diesen Fällen liegt die materielle Beweislast beim Leistungsempfänger (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 04.05.2017 - L 4 AS 219/15 -, juris, Rn. 30 - 31). So verhält es sich auch hier, da es ausschließlich um Umstände geht, die zu gestalten, darzustellen und zu beeinflussen der Kläger in der Lage war. Es obläge ihm darzulegen, welcher konkrete Bedarf an Einrichtungsgegenständen tatsächlich besteht und die bestehenden Zweifel auszuräumen. Weitere Ermittlungen waren dem Senat auch nicht möglich, da der Kläger für den Senat nicht mehr zu erreichen war. Er ist wie oben ausgeführt, nicht unter der im Berufungsverfahren angegebenen Adresse(n) erreichbar und es ist auch keine neue Anschrift bekannt.

Soweit der Kläger im Verfahren weiter darauf verwiesen hat, dass in anderen Bundesländern/ Kommunen, eine Pauschale von bis zu 1.200,00 Euro gewährt werde, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Anspruch auf „Erstausstattung“ kann nicht so verstanden werden, dass einem Leistungsberechtigten im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem SGB II stets - unabhängig vom tatsächlichen Bedarf - „alle“ Bestandteile einer Erstausstattung zu bewilligen sind. Vielmehr ist Bezugspunkt für den Bedarf an Erstausstattung die Ausstattung derjenigen Unterkunft, die der Leistungsberechtigte während des Leistungsbezugs bezieht oder die er (bei Eintritt des SGB II-Bezugs) bereits bewohnt. So ist etwa hinsichtlich des Ausstattungsumfangs zu berücksichtigen, wenn ein Leistungsberechtigter laut Mietvertrag bereits über Ausstattungsgegenstände verfügt oder er auf andere Weise bereits Einrichtungsgegenstände erhalten hat. Es ist - wegen der notwendigen bedarfsbezogenen Betrachtungsweise - unerheblich, ob die vorhandenen Einrichtungsgegenstände oder Haushaltsgegenstände ihm gehören, ob sie ihm von Dritten (z.B. vom Vermieter, von Angehörigen oder Freunden) zur (Mit)Benutzung überlassen wurden, oder ob ihm die (Mit)Benutzung gestattet wird (vgl. Behrend/König in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 24 (Stand: 03.01.2023), Rn. 60). Aus der bedarfsbezogenen Betrachtungsweise ergibt sich ferner auch, dass nur Anspruch auf Sach- bzw. Geldleistungen für tatsächlich benötigte Einrichtungsgegenstände besteht.

Nach alledem ist ein Anspruch auf die geltend gemachte Erstausstattung zumindest nicht nachgewiesen und die Berufung war zurückzuweisen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.   


 

Rechtskraft
Aus
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