L 13 AS 1462/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 2733/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1462/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27. April 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger führt den Rechtsstreit (zuletzt) mit dem Ziel, den Beklagten anzuweisen, ihn fachgerecht und individuell zu beraten.

Der 1973 geborene Kläger steht seit Juli 2022 beim beklagten Grundsicherungsträger im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seit diesem Zeitpunkt wird der Kläger auch durch das Fallmanagement (aktivierende Leistungen) des Beklagten betreut.

Am 25. August 2022 fand ein Erstgespräch zur Eingliederung bei der für den Kläger zuständigen Fallmanagerin statt, anlässlich derer eine Eingliederungsvereinbarung getroffen worden ist. Darin vereinbarten die Beteiligten die Teilnahme an einer geförderten Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung. Die Maßnahme „Bewerbungsoffice“ sollte am 1. September 2022 beginnen. Am 26. August 2022 wandte sich der Kläger an die Koordinatorin der Aktivierungsmaßnahme. Es sei ihm auf Grund der schlechten Busverbindung nach B1 nicht möglich, pünktlich zum Unterricht zu erscheinen. Am 1. September 2022 fand in Anwesenheit des Amtsleiters des Beklagten sodann erneut ein Gespräch mit dem Kläger statt, bei dem dessen Situation besprochen worden ist und anlässlich dessen abermals eine Eingliederungsvereinbarung getroffen worden ist, nach der der Kläger am Programm „mobiles Coaching“ teilnehmen solle.

Im weiteren Fortgang kam es zu einem E-Mail Austausch zwischen den Beteiligten und einer Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers gegen zuständige Fallmanagerin. Die Teilnahme an dem Programm „mobiles Coaching“ fand auf Betreiben des Anbieters der Maßnahme nicht statt.

Am 13. Dezember 2022 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben, mit der er die Feststellung der Untätigkeit des Beklagten und dessen Anweisung, seinen Fall sachgerecht zu behandeln, geltend gemacht hat. Begründend hat der Kläger ausgeführt, bisher sei er bei der Eingliederung in Arbeit vom Beklagten nicht unterstützt worden. Seitens der Fallmanagerin seien, nachdem zwei Maßnahmen wegen fehlender Geeignetheit nicht hätten durchgeführt werden können, keine weiteren Aktivitäten zu seiner Eingliederung entfaltet worden.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Hierzu hat er ausgeführt, dass nicht ersichtlich sei, dass der Kläger im Bereich des Fallmanagements/der Arbeitsvermittlung“ einen konkreten Antrag auf Vornahme eines konkreten Verwaltungsaktes gestellt habe, welcher innerhalb einer Frist von sechs Monaten nicht verbeschieden worden sei. Eine Untätigkeitsklage sei daher bereits unzulässig. Ungeachtet hiervon lägen keine Anhaltspunkte für eine nicht fallgerechte Bearbeitung im Bereich des Fallmanagements/der Arbeitsvermittlung vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Kläger begehre - im Wege einer Leistungsklage -, den Beklagten zur Durchführung seiner Aufgaben im Bereich der Arbeitsvermittlung zu verurteilen. Soweit der Kläger ausgeführt habe, er begehre auch, die Untätigkeit seiner Arbeitsvermittlerin festzustellen, lasse sich dem weder ein Begehren i.S.d. § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG), einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen, noch das Begehren der Feststellung i.S.d. § 55 SGG der Untätigkeit entnehmen. Diese Begehren wären, so das SG, auch bereits unzulässig, da der Kläger weder den Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes geltend gemacht, noch ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis benannt habe. Überdies sei die Feststellungsklage subsidiär zur erhobenen Leistungsklage. Selbiger fehle vorliegend jedoch die erforderliche Klagebefugnis. Eine solche sei anzunehmen, wenn der Kläger behaupte in eigenen, subjektiven Rechten betroffen zu sein. Der klägerische Vortrag, die Fallmanagerin komme ihren Aufgaben im Bereich der Arbeitsvermittlung nicht nach, begründe indes kein subjektives Recht nach dem SGB II. Insb. ließen sich aus § 14 Abs. 1 SGB II, nach dem die Grundsicherungsträger erwerbsfähige Leistungsberechtigte umfassend mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit unterstützen, kein Individualansprüche des Einzelnen ableiten.

Gegen den ihm am 4. Mai 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21. Mai 2023 „Beschwerde“ beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Auf Hinweis des Senats vom 25. Mai 2023 hat der Kläger am 2. Juni 2023 erklärt, dass das Verfahren als Berufungsverfahren geführt werden solle. Zu deren Begründung bringt er vor, § 2 SGB II verpflichte Erwerbsfähige alles zu unternehmen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern oder zu beseitigen. I.d.S. sei mit der Klage begehrt worden, den Beklagten zur Mitarbeit zu bewegen. Durch den Gerichtsbescheid sei nunmehr der Stillstand manifestiert worden. Dem Beklagten sei bekannt, worin in seiner Person die Hindernisse lägen, die einer Erwerbstätigkeit seinerseits entgegenstünden. Um seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können, benötige er eine Arbeit, bei der er 4.100,- € brutto verdienen könne. Da er jedoch nach seiner Berufserfahrung im Baugewerbe als Trockenbaumonteur lediglich ein Bruttoeinkommen von 2.200,- - 3.200,- € monatlich erzielen könne, habe er den Amtsleiter der Beklagten und die Fallmanagerin davon in Kenntnis gesetzt, dass die vorgeschlagenen Eingliederungsmaßnahmen nicht geeignet seien. Ein Lösungsansatz, wie er eine Tätigkeit erlangen könne, die ihm ein Bruttoeinkommen in der benötigten Höhe ermögliche, sei ihm niemals aufgezeigt worden. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2024 hat der Kläger angeführt, ihm gehe es mit dem vorliegenden Verfahren darum, die Beklagte zu verpflichten, ihn fachgerecht und individuell zu beraten.

Der Kläger beantragt zuletzt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27. April 2023 aufzuheben und den Beklagten anzuweisen, seine ihm obliegende Verpflichtung, ihn individuell fachgerecht zu beraten, auszuführen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid. Das SG habe die Klage zu Recht bereits als unzulässig abgewiesen; ein subjektives Rechts auf eine fachgerechte Arbeitsvermittlung bestehe nicht. Unabhängig hiervon lägen keine Anhaltspunkte für eine nicht fallgerechte Bearbeitung im Bereich des Fallmanagements/der Arbeitsvermittlung vor. So sei dem Kläger u.a. eine Aktivierungsmaßnahme angeboten worden, bei der der Maßnahmeträger ein Coaching in der Wohnung der Teilnehmer angeboten habe. Diese sei im Ergebnis wegen überzogener bzw. falscher Erwartungen des Klägers nicht zu Stande gekommen. Auch Versuche, den Kläger bei der Schuldnerberatung unterzubringen, seien gescheitert, weil der Kläger nicht mitgewirkt habe.


Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten wird auf die (elektronisch geführten) Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2024 waren sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2024 verwiesen.


Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel des Klägers, das nach der Klarstellung des Klägers als Berufung auszulegen ist, ist statthaft (vgl. § 143 SGG), form- und fristgerecht eingelegt (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung des Klägers führt für diesen inhaltlich nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.


Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers, den beklagten Grundsicherungsträger dazu anzuweisen, die diesem obliegende Verpflichtung, ihn, den Kläger, fachgerecht und individuell zu beraten, auszuführen. Hierin ist gegenüber dem im erstinstanzlichen Verfahren zum Ausdruck gebrachten Begehren, keine Klageänderung i.S.d. §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 SGG zu erblicken, da der Kläger seine Ausführungen lediglich klargestellt hat (vgl. § 99 Abs. 3 Nr. 1 SGG).


Diesem, im Wege einer allgemeinen Leistungsklage geltend gemachten Begehren fehlt jedoch, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, bereits die erforderliche Klagebefugnis.

Auch im sozialgerichtlichen Verfahren eröffnet nur ein subjektives Recht die Möglichkeit, individuelle Interessen mit den Mitteln des Rechts durchzusetzen. Eine Rechtsverfolgung setzt daher voraus, dass der klägerische Beteiligte behauptet, durch eine hoheitliche Maßnahme oder ein Unterlassen, beschwert zu sein. Insoweit muss die Möglichkeit bestehen, dass der Kläger in eigenen Rechten verletzt ist (sog. Möglichkeitstheorie; Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 11. Mai 1999 - B 11 AL 45/98 R -, in juris). Es reicht insofern aus, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger dadurch in eigenen Rechten verletzt ist, dass der Beklagte die begehrte Vermittlung in Arbeit unterlassen hat. Die Klagebefugnis fehlt jedoch dann, wenn dem Kläger das geltend gemachte Recht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann (BSG Urteil vom 16. August 2017 - B 12 KR 19/16 R – in juris).

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB II unterstützen die Träger der Leistungen nach diesem Buch, dem SGB II, erwerbsfähige Leistungsberechtigte umfassend und nachhaltig mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit und Überwindung der Hilfebedürftigkeit. Leistungsberechtigte Personen erhalten (hierzu) Beratung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Im Rahmen der Beratung wird gemeinsam eine individuelle Strategie zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele erarbeitet und deren schrittweise Umsetzung begleitet (§ 14 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Aufgabe der Beratung ist darüber hinaus die Erteilung von Auskunft und Rat, insb. zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, zum Eingliederungsprozess und zu den Mitwirkungspflichten und Selbsthilfeobliegenheiten sowie dem Schlichtungsverfahren, zu den Leistungen der Eingliederung nach diesem Abschnitt sowie zur Möglichkeit der Inanspruchnahme von Leistungen anderer Träger (Satz 3 a.a.O.). Art und Umfang der Beratung richten sich gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 SGB II nach dem Beratungsbedarf der leistungsberechtigten Person.

Aus § 14 SGB II lassen sich jedoch unmittelbar keine Ansprüche des Einzelnen auf (konkrete) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit ableiten. Die Norm statuiert vielmehr ausschließlich eine objektiv-rechtliche Aufgabenzuweisung zur Unterstützung und zur Leistungserbringung, begründet aber nach dem Wortlaut keine entsprechenden subjektivrechtlichen Ansprüche der Leistungsberechtigten (BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 13/09 R -, in juris, dort Rn. 26). Der erwerbsfähige Hilfebedürftige hat zwar Anspruch auf Arbeitsvermittlung und Beratung, das Gesetz räumt ihm aber keinen klagbaren Anspruch auf eine „fachgerechte“ Vermittlung ein.

Soweit der Kläger zur Begründung (auch) § 2 SGB II anführt, enthält auch diese Norm, in der der Grundsatz des Forderns normiert ist, kein subjektives Recht des Klägers auf Vermittlung einer Erwerbstätigkeit mit einem bestimmten Entgelt.

Da das klägerische Begehren, mithin unter keinem rechtlichen Aspekt möglich ist, fehlt dem Begehren die erforderliche Klagebefugnis.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 27. April 2023 ist hiernach zurückzuweisen.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt im Rahmen der anzustellenden gerichtlichen Ermessensentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Mai 1957 - 6 RKa 16/54 -, in juris, dort Rn. 8), dass der Kläger auch in der Rechtsmittelinstanz mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist und die Beklagte keine Veranlassung für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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