Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 23.11.2023 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der Beweissicherung gemäß § 76 Abs. 1 SGG die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Klärung des zahn- und kieferorthopädischen Befundes im Hinblick auf seine Zahnstellung.
Der 0000 geborene und bei der Antragsgegnerin familienversicherte Antragsteller hat seit dem 01.07.2023 im Bereich „zahnärztliche Leistungen“ Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V gewählt.
Am 31.05.2023 reichte er bei der Antragsgegnerin einen privatärztlichen kieferorthopädischen Behandlungsplan des behandelnden Zahnarztes Q. vom 23.05.2023 ein. In seinem auf Veranlassung der Antragsgegnerin erstellten Gutachten vom 12.07.2023 kam der durch die örtlich zuständige kassenzahnärztliche Vereinigung bestellte Sachverständige Y. zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Gewährung eines Zuschusses gemäß § 13 Abs. 2 SGB V nicht vorlägen.
Mit Bescheid vom 18.07.2023 lehnte die Antragsgegnerin eine Kostenbeteiligung an der geplanten Maßnahme ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit an den Antragsteller adressiertem Widerspruchsbescheid vom 24.10.2023 zurück. Dieser bestreitet den Zugang des Bescheides.
Nach Übersendung des Widerspruchsbescheides aufgrund Verfügung des Berichterstatters vom 07.05.2024 hat der Kläger am 17.06.2024 nunmehr beim Sozialgericht Köln die unter dem Aktenzeichen S 36 KR 764/24 geführte Klage erhoben.
Bereits am 04.09.2023 hatte der Antragsteller die Durchführung o.g. Beweissicherungsverfahrens beim Sozialgericht beantragt. Es drohe durch Zeitablauf das Beweismittel des Augenscheins verloren zu gehen. Er habe die kieferorthopädische Behandlung bereits aufnehmen müssen, da bei bestehender Indikation die Erfolgsaussichten umso besser seien, je frühzeitiger die Behandlung vorgenommen werde. Die Beklagte habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, da sie keine persönliche Untersuchung des Antragstellers veranlasst habe. Insofern könne nach der Rechtsprechung (Hessischer VGH, Beschluss vom 20.07.2023 – 9 E 809/22 –, juris) das notwendige Interesse an einem Beweisverfahren bejaht werden Er könne nicht darauf vertröstet werden, in einem Klageverfahren die Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen abzuwarten. Er habe auch den Beschaffungsweg eingehalten, da er der Antragsgegnerin sämtliche Unterlagen vorgelegt habe.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, sie sei ihrer Amtsermittlungspflicht durch Einholung des Gutachtens von Y. nachgekommen. Danach lägen die Voraussetzungen für das Auslösen eines Anspruchs auf Kostenerstattung für die strittige Behandlung nicht vor. Zudem sei der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden.
Durch Beschluss vom 23.11.2023 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller habe kein berechtigtes Interesse an der begehrten Beweissicherung. Es sei nicht erkennbar, dass seine Zahnstellung später nicht mehr feststellbar wäre. Es sei ihm zumutbar, den Ausgang des Widerspruchsverfahrens und in der Folge auch eines Klageverfahrens mit ggf. entsprechender Beweiserhebung abzuwarten. Dringende Gründe für die Notwendigkeit des unmittelbaren Beginns der kieferorthopädischen Behandlung lägen nicht vor und seien durch die allgemein gehaltene Aussage, dass ein frühzeitiger Behandlungsbeginn erfolgversprechender sei, auch nicht hinreichend geltend gemacht worden. Zudem habe die Beklagte den Sachverhalt durch Einholung des Gutachtens von Y. bereits ermittelt. Gegen dieses Gutachten sei ein fachbezogener Vortrag weder durch den Antragsteller noch durch den behandelnden Zahnarzt erfolgt. Letzterer habe auch nicht die Einholung eines Obergutachtens beantragt.
Gegen den am 01.12.2023 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 18.12.2023 Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgebenden Zahnstellungen könnten durch einen Sachverständigen im Klageverfahren später nicht mehr festgestellt werden. Das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten nach Aktenlage sei zur Beweissicherung ungeeignet. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache seien im Hinblick auf das Beweissicherungsverfahren nicht zu berücksichtigen, da dies eine unzulässige Antizipation des Hauptsacheverfahrens bedeute.
Die Antragsgegnerin hält an ihrer Auffassung fest. Das Sozialgericht habe den Antrag zu Recht abgelehnt, da ein Beweissicherungsverfahren vor dem Hintergrund des gutachterlich gesicherten Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen nicht geboten sei.
Der Senat hat eine Auskunft des behandelnden Zahnarztes Q. vom 25.07.2024 eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 SGG zulässig, auch wenn nach § 172 Abs. 2 SGG u.a. Entscheidungen des Sozialgerichts über die Ablehnung von Beweisanträgen nicht mit der Beschwerde angefochten werden können. Die Ablehnung einer Beweissicherung gemäß § 76 SGG beinhaltet in der Sache zwar auch die Ablehnung eines Beweisantrags. Da es sich insoweit aber um ein besonderes Verfahren handelt und in § 76 SGG ein Ausschluss der Beschwerde nicht ausdrücklich geregelt ist, liegt ein solcher nicht vor (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.04.2020 – L 3 U 153/19 B BW –, juris Rn.20 m.w.N.).
Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweissicherungsverfahrens zu Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Verfahrens nach § 76 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass allein die Anwendung des § 76 Abs. 1 2. Alt. SGG in Betracht kommt. Danach kann auf Gesuch eines Beteiligten u.a. die Vernehmung eines Sachverständigen zur Sicherung des Beweises angeordnet werden, wenn der gegenwärtige Zustand einer Person festgestellt werden soll und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung eines gegenwärtigen Zustandes in einem Beweissicherungsverfahren nach § 76 SGG jedoch nicht hinreichend substantiiert dargetan (vgl. zum Erfordernis der Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses etwa vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 76 Rn. 2a). Zwar begehrt er die Feststellung seines aktuellen zahn- und kieferorthopädischen Befundes (bzw. des Zustandes im Zeitpunkt des Behandlungsbeginns) durch einen Sachverständigen. Auch setzt ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung grundsätzlich voraus, dass es – wie vom Antragsteller behauptet – materiell-rechtlich gerade auf den Ist-Zustand ankommt (vgl. B. Schmidt, a.a.O., Rn. 2). Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob das Gericht die zu beweisenden Tatsachen für erheblich hält. Auch wenn das Gericht der Auffassung ist, dass es in einem Hauptsacheverfahren nicht auf die zu beweisenden Tatsachen ankommt, hat es – bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 – die Beweiserhebung durchzuführen (vgl. Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022 <Stand: 25.07.2023>, § 76 Rn. 7).
Die Feststellung des gegenwärtigen Zustandes in einem gesonderten Beweissicherungsverfahren muss jedoch zur effektiven Rechtsverfolgung, konkret zum Zweck der Beweissicherung, nötig erscheinen. Die Frage des berechtigten Interesses ist nach einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten (vgl. Pitz, a.a.O., Rn.6, m.w.N.).
Insofern kommt es – worauf der Antragsteller insoweit zutreffend hingewiesen hat – für die Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht darauf an, ob der Beschaffungsweg möglicherweise nicht eingehalten wurde. Unerheblich ist insofern auch, ob die Antragsgegnerin den Widerspruchsbescheid überhaupt wirksam bekannt gegeben hat, ob die hiergegen erhobene Klage zulässig ist oder ob – wie der behandelnde Zahnarzt Q. in seinem Schreiben vom 25.07.2024 unter Punkt 3 dargelegt hat – eine für den Kläger günstigere Auslegung der Einstufung in die maßgeblichen kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) möglich ist.
Nach den Umständen des Einzelfalls besteht für die Feststellung des gegenwärtigen Zustandes durch ein Sachverständigengutachten in einem gesonderten Beweissicherungsverfahren, konkret zum Zweck der Beweissicherung gleichwohl kein berechtigtes Interesse, weil die effektive Rechtsverfolgung auch ohne die begehrte Beweissicherung gewährleistet erscheint.
Ausweislich der Auskunft seines behandelnden Arztes Q. hat dieser den zahn-und kieferorthopädischen Status des Antragstellers am 08.05.2023 ausführlich und ausreichend diagnostisch durch intra- und extraorale Fotos einschließlich Auswertung, Abformung beider Kiefer, Analyse von Kiefermodellen, Fernröntgen in zwei Ebenen, Panoramaschichtaufnahmen der Kiefer, eine klinische Funktionsanalyse sowie durch diagnostische, therapiebeeinflussende Fotos zur Bestimmung der Nachlinie, Zahnform, des Fleischverlaufs, Farbwirkung etc. erhoben. Q. hat mitgeteilt, dass die Befunddokumentation weiterhin vorliegt. Es ist auch nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass der Antragsteller deren Verlust befürchten muss.
Die entsprechend dokumentierten Befunde bilden den Gesundheitszustand des Antragstellers zum Zeitpunkt der Antragstellung und damit vor Behandlungsbeginn ab und bieten eine hinreichende Grundlage für etwaige künftige gutachterliche Feststellungen zur im Rahmen des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung der Kosten (§ 13 Abs. 2 SGB V) kieferorthopädischer Behandlung (vgl. § 29 Abs. 1 SGB V) gebotenen KIG-Einstufung des kieferorthopädischen Behandlungsbedarfs. Einer persönlichen Untersuchung des Klägers durch Sachverständige bedarf es bei Vorliegen einer eingehenden Befunddokumentation für den im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr. Vielmehr können etwaige Gutachten auf diese Befunde gestützt werden. Dies gilt umso mehr, als nach Beginn der Behandlung des Antragstellers noch vor Antragstellung im vorliegenden Verfahren ohnehin zweifelhaft sein könnte, ob sein aktueller Zahn- und Kieferstatus demjenigen bei Antragstellung entspricht. Entsprechend hat auch Y. im Rahmen seiner von der Antragsgegnerin im Rahmen der sie nach § 20 Abs. 1 SGB X treffenden Amtsermittlungspflicht veranlassten Begutachtung allein die durch Q. zur Verfügung gestellten Unterlagen – wenn auch mit abweichendem Ergebnis – beurteilt. Es ist auch weder ersichtlich noch durch den Antragsteller dargelegt, dass die durch Q. erhobenen Befunde fehlerhaft oder unzureichend wären.
Über die Kostentragung im Beweissicherungsverfahren ist zusammen mit der Hauptsache zu entscheiden (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.06.2013 – L 19 AS 2121/12 B –, juris Rn.2 m.w.N.)
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).