L 6 AS 1170/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 764/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1170/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.07.2022 wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit von Mai bis Oktober 2018.

 

Der am 00.00.0000 geborene Kläger bezog laufend Leistungen von dem Beklagten. Nachdem seine Eltern im J. und M. 0000 verstorben waren, erbte der Kläger gemeinsam mit seiner Schwester das bebaute und lastenfreie Grundstück in der W.-straße in N., das er seit der Herstellung der Immobilie bewohnt, sowie das bebaute Nachbargrundstück V.-straße. Am 15.08.2017 schloss der Kläger mit seiner Schwester einen notariell beurkundeten Erbauseinandersetzungsvertrag nebst Auflassung. Danach erhielt der Kläger den im Grundbuch von N.-Kirchspiel Blatt 2147 vermerkten Grundbesitz (Haus Nr. 36) allein. Seine Schwester erhielt, ebenfalls allein, den im Grundbuch Blatt 3433 vermerkten Grundbesitz (Haus Nr. 34). Den Verkehrswert für das Haus des Klägers gaben beide gegenüber dem Notar mit 210.000 € an. Am 20.09.2017 wurde der Kläger als Eigentümer aufgrund der Auflassung vom 15.08.2017 eingetragen.

 

Die Gesamtwohnfläche des Hauses beträgt ca. 120 Quadratmeter. Der Kläger bewohnt eine Fläche von etwa 75 Quadratmetern im Erdgeschoss des Hauses, die restliche Wohnfläche von etwa 45 Quadratmetern bewohnte im Obergeschoss sein 0000 geborener Sohn, der seit dem 00.00.0000 unter der Anschrift H.-straße in P. gemeldet war. Die Wohnung hatte der Sohn des Klägers zum 01.08.2004 von den Eltern des Klägers zu einem Gesamtmietzins von 213 € angemietet. Im streitigen Zeitraum zahlte er an den Kläger monatlich 230 €.

 

Mit Bescheid vom 10.04.2018 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Weiterbewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 01.05.2018 ab. Er verfüge über verwertbares Vermögen in Form eines Grundstücks, das nicht geschützt sei. Der Wert des Grundstücks belaufe sich auf mindestens 210.000 €. Die Wohnfläche belaufe sich auf insgesamt 121,14 qm und überschreite die angemessene Größe eines selbst genutzten Hausgrundstücks nicht bloß geringfügig. Aufgrund der guten Lage und der Lastenfreiheit bestehe kein Zweifel an der sofortigen Verwertbarkeit des Grundstücks durch Verkauf oder Beleihung. Er sei daher nicht hilfebedürftig und habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

 

Im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Münster geschlossenen Vergleichs im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 8 AS 350/18 ER) verpflichtete sich der Beklagte, dem Kläger zur Überbrückung seiner wirtschaftlichen Notlage monatlich ein Darlehen i. H. v. 326,84 € (Bedarf abzgl. Mieteinnahmen) gegen Eintragung einer entsprechenden Sicherungsgrundschuld für den Bewilligungsabschnitt Mai bis Oktober 2018 zu gewähren.

 

Den gegen den Ablehnungsbescheid vom 10.04.2018 erhobenen Widerspruch vom 08.05.2018 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2018 zurück. Er verfüge über verwertbares Vermögen in Form eines bebauten Hausgrundstücks, welches die Freibetragsgrenzen übersteige und daher zunächst zur Sicherung des Lebensunterhalts eingesetzt werden müsse. Den Wert des Objektes habe er mit 210.000 € beziffert. Das Objekt sei ausweislich des Grundbuchs frei von Verbindlichkeiten. Das Haus verfüge über eine Wohnfläche von 121,14 qm und sei somit nicht von angemessener Größe. Bei einem Einfamilienhaus, das von bis zu zwei Personen bewohnt werde, sei eine Wohnfläche von 90 qm angemessen. Die von ihm zitierte Rechtsprechung, wonach zur Prüfung der Angemessenheit auf den tatsächlich benutzten Teil abzustellen sei, wenn andere Miteigentümer die Nutzung einschränkten, sei vorliegend nicht anwendbar, da die Immobilie in seinem Alleineigentum stehe. Der mit seinem Sohn bestehende Mietertrag stehe der Veräußerung der Immobilie nicht entgegen. Grundsätzlich könne auch eine vermietete Immobilie veräußert werden. Anhaltspunkte für eine besondere Härte seien nicht ersichtlich. Weder habe sein Sohn sich an der Finanzierung des Objekts beteiligt, noch sei er leistungsberechtigt. Zudem wohne er seit Anfang 2016 in P.. Auch stehe der Vermögensverwertung keine besondere Härte aufgrund der Beantragung der Erwerbsminderungsrente entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne eine kurze Leistungs- bzw. Anspruchsdauer allenfalls dann eine besondere Härte begründen, wenn bereits bei Antragstellung die konkret begründete Aussicht bestanden habe, dass die Leistungen nur für einen kurzen Zeitraum in Anspruch genommen würden. Das sei bei ihm nicht der Fall. Sein zu berücksichtigender Freibetrag betrage 9.300 €, so dass zu berücksichtigendes Vermögen i. H. v. über 200.000 € verbleibe.

 

Am 05.11.2018 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er vor dem Tod des Vaters und dem Antritt der Erbschaft eine monatliche Miete gezahlt habe. Sein Sohn habe den oberen Teil der Immobilie angemietet. Durch die Erbschaft sei er Vertragspartei geworden. Ein Kündigungsrecht stehe ihm nicht zu. Er habe in der Zwischenzeit eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Es handele sich bei der Immobilie um nicht um verwertbares Vermögen. Es könne ausschließlich auf den von ihm bewohnten Anteil abgestellt werden. Dieser sei nicht unangemessen. Die Mieteinnahmen seien im Rahmen der Einkommensanrechnung zu berücksichtigen. Der Verwertbarkeit stehe ohnehin eine besondere Härte entgegen. Er wohne bereits viele Jahre in dem Haus, das von seinem Vater für ihn gebaut worden sei. Es sollte eine angemessene Alterssicherung darstellen. Unmittelbar neben dem Grundstück des Klägers liege das Elternhaus, das von seiner Schwester bewohnt werde. Die Veräußerung der Immobilie stünde ersichtlich gegen den Willen des Vaters und bedeute für den Kläger, das von ihm zeitlebens bewohnte elterliche Grundstück verlassen zu müssen. Ferner seien innerfamiliäre Auseinandersetzungen zu erwarten. Bei einem Miteigentumsanteil an einem mit anderen Familienmitgliedern bewohnten Grundstück sei von der Rechtsprechung zur Prüfung der Angemessenheit auf den tatsächlich benutzten Teil abgestellt worden, wenn andere Miteigentümer die Nutzung einschränkten. Entsprechend liege der Fall hier. Schließlich stehe dem Vermögenseinsatz die Beantragung der Erwerbsminderungsrente dem Vermögenseinsatz entgegen. Eine kurze Bezugsdauer könne eine besondere Härte begründen, wenn bereits bei Antragstellung die konkret begründete Aussicht bestanden habe, dass Leistungen nur für einen kurzen Zeitraum in Anspruch genommen würden. Schließlich habe er bereits erhebliche Eigenleistungen in das Haus gesteckt. Außerdem werde die Hilfebedürftigkeit durch die Mieteinnahmen deutlich reduziert.

 

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

 

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2018 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.

 

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung hat er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

 

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 20.11.2019 hat der Kläger erklärt, dass sein Rentenantrag abgelehnt worden sei. Gegen die Ablehnung habe er Klage erhoben. Er sei 0000 in das Haus eingezogen. Es habe sich um ein Fertighaus mit Einliegerwohnung gehandelt. Die Einliegerwohnung befinde sich im Obergeschoss und sei ca. 45 qm groß. Er bewohne das Erdgeschoss, das ca. 75 qm groß sei. Das Haus sei von seinem Vater finanziert worden, nachdem seine eigene Ehe gescheitert sei. Der Erstwohnsitz seines Sohnes sei in P., wo er mit seiner Ehefrau gemeldet sei. Er arbeite im Schichtdienst bei X.. Er halte sich regelmäßig in der bei ihm angemieteten Wohnung auf, weil er zu seinem Arbeitsplatz dann nur über die Straße gehen müsse. Den Grund für den im Jahr 2004 geschlossenen Mietvertrag kenne er nicht. Seinem Sohn stehe im Obergeschoss eine komplette Wohnung zur Verfügung, es seien ein Badezimmer und eine Küche vorhanden.

 

Mit Einverständnis der Beteiligten hat das SG die Klage durch Urteil vom 07.07.2022 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Der Kläger erfülle zwar die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,2 und 4 SGB II, da er das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht habe, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet habe und erwerbsfähig gewesen sei. Er sei jedoch nicht hilfebedürftig i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Er verfüge über ein die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Vermögen i. S. v. § 12 SGB II in Form eines Hausgrundstück. Im streitigen Zeitraum sei der Kläger Alleineigentümer eines selbstbewohnten Hausgrundstücks, das lastenfrei gewesen sei und dessen Wert sich auf 210.000 € belaufen habe. Dieses Vermögen sei verwertbar gewesen. Tatsächliche oder rechtliche Hindernisse, die einer Verwertbarkeit der Immobilie zum Marktwert entgegengestanden hätten, seien nicht ersichtlich. Tatsächlich komme eine Verwertung durch eine Veräußerung oder Belastung des Grundstücks in Betracht. Der Umstand, dass ein Teil der Wohnung vermietet sei, stehe einer Verwertung nicht entgegen. Es sei durchaus möglich und auch nicht unüblich, ein (zum Teil) vermietetes Haus zu veräußern. Umstände, die einer Verwertung in absehbarer Zeit entgegengestanden hätten, seien weder vorgetragen noch erkennbar. Die Verwertung der Immobilie sei nicht mit der Begründung ausgeschlossen gewesen, dass das Haus für den Kläger eine Alterssicherung dargestellt habe, da er von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht befreit gewesen sei.

Auch sei das Grundstück nicht als selbstgenutztes Hausgrundstück vor einer Verwertung geschützt. Die Wohnflächengrenze für eine angemessene Wohnung betrage im Falle des Klägers 90 qm. Dies gelte selbst dann, wenn man den Sohn, mit dem der Kläger weder eine Bedarfsgemeinschaft noch eine Haushaltsgemeinschaft bilde, mit in die Berechnung einbeziehe. Die Wohnfläche des Hauses betrage ca. 120 qm und liege damit erheblich über der als angemessen anzusehenden Wohnfläche. Das Haus sei mit seiner Gesamtwohnfläche zu berücksichtigen. Es sei insoweit ausreichend, dass er das Hausgrundstück selbst nutze und keinen rechtlichen Grenzen einer eingeschränkten tatsächlichen Nutzung der gesamten Wohnfläche des Hauses unterliege. Der Kläger sei Alleineigentümer der Immobilie und in der Nutzung eigentumsrechtlich nicht beschränkt. Besondere Umstände, die ein Abweichen von der Wohnflächenbegrenzung rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.

Einer Verwertung des Hauses stehe auch nicht eine etwaige offensichtlich unwirtschaftliche Verwertung oder eine besondere Härte entgegen. Von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung sei auszugehen, wenn der auf dem Markt erzielbare Wert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert oder Substanzwert stehe. Anhaltspunkte, dass ein deutliches Missverhältnis zwischen Marktwert und wirklichem Wert bestehe, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Verwertung des Hauses durch einen Verkauf stelle für den Kläger keine besondere Härte dar. Es könne zwar eine besondere Härte vorliegen, wenn ein Hausgrundstück nicht nach § 12 SGB II geschützt sei, aber nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) geschützt wäre, weil dort – anders als im SGB II – die unter einem Dach wohnenden Angehörigen im Rahmen der Angemessenheitsprüfung einbezogen würden. Selbst wenn man für die Angemessenheitsprüfung einen Zwei-Personen-Haushalt zugrunde legen würde, wäre das Haus unangemessen groß. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Sohn seinen Lebensmittelpunkt gemeinsam mit seiner Frau in P. habe. Insoweit liege kein Wohnen „unter einem Dach“ im Sinne der sozialhilferechtlichen Vorschriften vor.

Eine besondere Härte könne auch nicht angenommen werden, weil der Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt habe. Zum Zeitpunkt des Weiterbewilligungsantrages habe keine begründete Aussicht bestanden, dass Leistungen nur für kurze Dauer in Anspruch genommen werden müssten. Über den Rentenantrag sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden worden. Im Übrigen sei dieser Rentenantrag auch abgelehnt worden.

Unerheblich sei auch, dass die Hilfebedürftigkeit des Klägers durch die Vermietung eines Teils des Hauses verringert werde. Im Fall der Verwertung des Hauses würde überhaupt keine Hilfebedürftigkeit bestehe.

Schließlich könne auch der Wunsch der Eltern, dass das Haus nicht veräußert werden solle, keine besondere Härte begründen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass es bei einem selbstgenutzten Hausgrundstück nicht um den Schutz der Immobilie als Vermögensgegenstand gehe. Schutzzweck sei vielmehr allein der Schutz der eigenen Wohnung im Sinne der Erfüllung des Grundbedürfnisses des Wohnens als räumlicher Lebensmittelpunkt.

Es handele sich somit um verwertbares Vermögen, dessen Wert unter Berücksichtigung der Angaben im Erbauseinandersetzungsvertrag 210.000 € betrage. Von diesem Vermögen sei nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 € pro Lebensjahr, also 8.550 € (150 x 57 Jahre) abzusetzen. Hinzu komme ein Freibetrag nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II für notwendige Anschaffungen i. H. v. 750 €. Damit ergebe sich ein Gesamtfreibetrag i. H. v. 9.300 €, so dass das zu berücksichtigende Vermögen die Freibeträge deutlich übersteige.

 

Gegen das ihm am 20.07.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger unter teilweiser Wiederholung seines bisherigen Vorbringens am 18.08.2022 Berufung eingelegt. Ergänzend macht er geltend, dass er den größten Teil seines Lebens in dem Wohnhaus verbracht habe. Er habe über Jahre seine Eltern gepflegt, wobei auch ein Pflegedienst mit der Pflege beauftragt gewesen sei. Die Pflege sei nur möglich gewesen, weil er in unmittelbarer Nachbarschaft gelebt habe. Zudem sei er schwerbehindert. Die Immobilie sei für ihn die einzige Möglichkeit, um bei Bezug einer Altersrente seinen Lebensunterhalt ohne Grundsicherungsleistungen sicherzustellen. Seine Altersrente für schwerbehinderte Menschen werde voraussichtlich im November 2022 beginnen und monatlich ca. 651 € betragen. Vor diesem Hintergrund stelle die Veräußerung der Immobilie eine besondere Härte dar. Der Umstand, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage gewesen sei, ausreichend Altersvorsorge zu betreiben sei in diesem Zusammenhang mit entsprechendem Gewicht zu berücksichtigen. Hinzu komme, dass der Kläger seine Eltern über Jahre gepflegt habe und auch aus diesem Grund nicht in den Arbeitsmarkt habe integriert werden können. In der Familie sei zwischen den Eltern und der Schwester vereinbart gewesen, dass er als Gegenleistung für die Pflege im Wege der Erbfolge das von ihm bewohnte Haus zur Alterssicherung erhalten solle. Hinzu trete der relativ kurze Zeitraum des ergänzenden Leistungsbezugs bis zum Eintritt in die Altersrente. Der vorzeitige Bezug der Altersrente komme mit Abschlägen für ihn nur in Betracht, wenn die Immobilie nicht veräußert werde.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.07.2022 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2018 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum Mai bis Oktober 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil und seine bisherigen Stellungnahmen.

 

Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 27.04.2023 hat der Kläger erklärt, dass die ihm gehörende Grundstücksfläche nicht nur 423 qm betrage. Es sei eine zusätzliche Fläche von 133 qm vorhanden, auf der sich ein Carport befinde. Seine Klage bezüglich der Erwerbsminderungsrente sei abgewiesen worden. Ein Berufungsverfahren habe er nicht geführt. Seine Mutter habe er seit dem Jahr 2010 gepflegt, seit Ende 2016 dann auch seinen Vater. Verwertungsbemühungen habe er bisher nichtübernommen. Das Haus möchte er behalten. Das Fertighaus habe im Jahr 1985 165.000 DM gekostet zzgl. 40.000 DM für den Kellerrohbau. Den gegenüber dem Notar angegebenen Wert der Immobilie habe letztlich ein Mitarbeiter der LBS bestimmt. Er halte diesen Wert für einen realistischen Wert.

 

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, seit Inkrafttreten des Bürgergeld-Gesetzes wieder uneingeschränkt Leistungen zu beziehen. Zudem hat er angegeben, dass die Pflege seiner Mutter über Pflegesachleistungen sichergestellt worden sei. Er sei ihr Betreuer gewesen und habe sie auch zusätzlich gepflegt. Sein Sohn lebe jetzt nicht mehr in der Einliegerwohnung. Die abschlagsfreie Rente könne er frühestens in 1,5 Jahren in Anspruch nehmen.

 

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte, der beigezogenen Vorprozessakten S 8 AS 209/18 ER, S 8 AS 350/18 ER, S 8 AS 444/19 ER, S 8 AS 313/18 und S 8 AS 638/18 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe:

 

A) Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.

 

Der Senat verweist nach eigener Prüfung auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung des SG und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

 

Lediglich ergänzend weist der Senat mit Blick auf die Einwände des Klägers, dass er den größten Teil seines Lebens in dem Wohnhaus verbracht habe, seine Eltern über viele Jahre gepflegt habe und keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, darauf hin, dass auch diese keine besondere Härte i. S. d. § 12 Abs. 3 Nr. 6 Alt. 2 SGB II in der ab dem 01.04.2011 geltenden Fassung (a. F.) begründen. Die Annahme einer besonderen Härte erfordert – wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat – außergewöhnliche Umstände, die den Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen, als eine einfache Härte und erst recht die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Bei den von dem Kläger genannten Gründen handelt es sich vielmehr um mit der Vermögensverwertung stets verbundene Einschnitte, denen der Gesetzgeber im Übrigen schon in § 12 Abs. 3 SGB II unter bestimmten Voraussetzungen Rechnung getragen hat. Insbesondere die besonderen Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II a. F. erfüllt der Kläger nicht, da er nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.

 

Der vom Kläger vorgetragene voraussichtlich nur kurzzeitige Bezug existenzsichernder Leistungen kann zwar grundsätzlich als besondere Härte der Berücksichtigung eines selbstbewohnten Hausgrundstücks als Vermögen entgegenstehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 30.08.2017, B 14 AS 30/16 R). Jedoch war bei dem Kläger im streitigen Zeitraum trotz der zwischenzeitlich erfolgten Rentenantragstellung die alsbaldige Beendigung des Leistungsbezuges nicht als überwiegend wahrscheinlich zu erwarten.

 

Zutreffend hat das SG zudem keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung angenommen. Liegt der Marktwert oberhalb des vom Eigentümer zum Erwerb und/oder zur Herstellung der Immobilie aufgewandten Gesamtbetrages, ist eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit in der Regel auszuschließen (vgl. BSG, Urteil vom 24.05.2017, B 14 AS 16/16 R, juris Rn. 29). Der Kläger hat das Haus lastenfrei geerbt; im streitigen Zeitraum war das Grundstück nur mit Grundschulden zu Gunsten des Beklagten belastet. Der vom Kläger getragene finanzielle Aufwand zum Erwerb des Grundstücks lag daher bei 0 €. Der Verkehrswert des Grundstücks betrug im streitigen Zeitraum ca. 210.000 €.

 

C) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 193 Abs. 1 Satz 1, 183 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

 

D) Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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