L 14 R 569/20

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 61 R 2126/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 569/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 34/24 B
Datum
Kategorie
Urteil

Bild entfernt.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts     vom 11.05.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.10.2017 bis zum 30.06.2021.

Die am 00.00.0000 in der Türkei geborene, seit 1971 in Deutschland lebende Klägerin ist seit dem Jahr 2003 verwitwet; sie hat eine erwachsene Tochter. Einen Beruf hat sie nicht erlernt; erwerbstätig war sie seit 1974, zuletzt als Montiererin in der Uhrenindustrie; ab dem 15.09.2008 war sie arbeitsuchend. Neben einer Hinterbliebenenrente nach ihrem durch einen Arbeitsunfall verstorbenen Ehemann (0000 in Höhe von 615,04 €) bezog sie von der Beklagten vom 01.09.2008 bis zum 30.09.2017 eine Rente wegen Erwerbsminderung, seit dem 01.07.2021 ist sie Altersrentnerin.    

Die Klägerin ist seit Oktober 2005 als schwerbehinderter Mensch anerkannt; seit September 2010 ist, inzwischen unbefristet, ein Grad der Behinderung (GdB) von 80.

Nach einem erfolglosen ersten Antrag vom 01.09.2008 beantragte die Klägerin am 26.06.2009 erneut die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, sie habe nach einer aufgrund einer Krebserkrankung erfolgten Brustoperation und dreier Revisionsoperationen wegen starker Narbenschmerzen noch immer chronische Schmerzen, zudem leide sie unter einem restless-legs-Syndrom; arbeiten könne sie nicht mehr. Im Verwaltungsverfahren holte die Beklagte ein vom 10.08.2010 datierendes Gutachten des Neurologen und Psychiaters Q. ein; das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen schätzte dieser als hinreichend für die Verrichtung zumindest leichter körperlicher Tätigkeiten über einen Zeitraum von drei bis sechs Stunden arbeitstäglich ein und hielt eine Besserung für wahrscheinlich. Mit Bescheid vom 06.01.2011 stellte die Beklagte fest, die Klägerin sei seit Antragstellung teilweise erwerbsgemindert und gewährte ihr wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes für die Zeit vom 01.03.2009 bis zum 31.08.2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Aufgrund zweier Weitergewährungsanträge vom 23.05.2011 und vom 23.06.2014 und daraufhin eingeholter Befundberichte der behandelnden Ärzte erhielt die Klägerin zunächst bis zum 31.08.2014 und schließlich bis zum 30.09.2017 weiterhin Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Im Mai 2017 beantragte die Klägerin erneut die Weitergewährung der Rente. Daraufhin beauftragte die Beklagte den Neurologen und Psychiater B. mit der Untersuchung der Klägerin und der Erstattung eines Gutachtens. B. führt unter dem 19.05.2017 aus, bei der Klägerin sei ein GdB von 80 festgestellt, sie sei berentet. Alle drei Monate konsultiere sie G., die ihr Medikamente verschreibe. Zudem erhalte sie vom Hausarzt Tramadol. Die Klägerin befürchte, erneut an Krebs zu erkranken, sie fühle sich nicht belastbar. B. stellte die Diagnosen einer somatoformen Schmerzstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung bei gegenwärtiger Remission sowie, fachfremd, einer Osteoporose und eines Zustands nach Mamakarzinom rechts 2002. Er führt aus, bei der Untersuchung habe es keinen Hinweis auf eine depressive Störung gegeben. Zum Leistungsvermögen heißt es, dieses lasse die Verrichtung leichter bis mittelschwerer körperlicher Arbeiten über einen Zeitraum von über sechs Stunden arbeitstäglich zu.  

Mit Bescheid vom 01.06.2017 lehnte die Beklagte daraufhin die neuerliche Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab; den Widerspruch der Klägerin vom 13.06.2017 wies sie mit Bescheid vom 24.11.2017 zurück.

Am 06.12.2017 hat die Klägerin Klage erhoben, um ihr Begehren weiterzuverfolgen. Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Hausarzt X. hat unter dem 23.03.2018 mitgeteilt, er behandle die Klägerin seit dem Jahr 2003; ihr Zustand sei unverändert. Der Orthopäde M. hat unter demselben Datum mitgeteilt, die Klägerin sei seit am 21.12.2017 und am 01.02.2017 wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Osteoporose bei ihm gewesen; eine Magnetresonanztomographie (MRT) sei unauffällig gewesen. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G. hat angegeben, die Klägerin seit 1998 zu behandeln; sie leide unter rezidivierenden depressiven Episoden und einem restless-legs-Syndrom.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2017 zu verurteilen, ihr über den 30.09.2017 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat der Neurologe und Psychiater E. die Klägerin am 05.11.2018 untersucht; sie hatte sich im Vorfeld lediglich durch Vorlage ihrer AOK-Gesundheitskarte ausgewiesen, Ausweispapiere hatte sie nicht vorgelegt. In dem vom 20.12.2018 datierenden Gutachten heißt es, die Klägerin leide nicht unter einer rezidivierenden depressiven Störung, sondern allenfalls unter einer Dysthymie; der Antrieb sei diskret vermindert, die Stimmungslage wechselhaft, leicht gedrückt und freudlos, die affektive Schwingungsfähigkeit sei gering eingeengt. Zu diagnostizieren seien eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und ein restless-legs-Syndrom. Das Leistungsvermögen lasse die Verrichtung leichter körperlicher Arbeiten über sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu; die davon abweichende Einschätzung der Klägerin sei nicht objektivierbar.

Schließlich hat der von der Klägerin als Sachverständiger gewählte Psychiater F. die Klägerin am 24.04.2019 untersucht. Weil die Untersuchung in ihrer Wohnung stattfand und er in der Akte zwei Bilder der Klägerin gesehen hatte, hielt der Sachverständig es nicht für nötig, dass sie sich im Vorfeld legitimierte. Bis zur körperlichen Untersuchung war die Tochter der Klägerin anwesend. In dem vom 29.04.2019 datierenden Gutachten heißt es, die Klägerin habe ihre vor zwei Jahren verstorbene Mutter die letzten drei Jahre zu Hause gepflegt. Sie rauche neun bis zehn Zigaretten am Tag, Alkohol trinke sie nur wenig und nur zu besonderen Anlässen. Wegen ihrer Schmerzen in der linken Schulter und im rechten Arm nehme sie zweimal täglich ein Opioid ein. An Diagnosen nennt F. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit darin enthaltener mittelschwerer depressiver Symptomatik „trotz langjähriger und durchaus konsequenter Behandlung“, zudem bestünden Beschwerden durch ein restless-legs-Syndrom; die Erkrankungen wirkten wechselseitig ungünstig aufeinander. Das Leistungsvermögen der Klägerin lasse auch die Verrichtung körperlich leichter Arbeiten in wechselnder Haltung und ohne Publikumsverkehr nur noch für weniger als drei Stunden am Tag zu, wobei zu befürchten stehe, dass sie viele Pausen benötigen werde.

Der Sachverständige E. ist im Anschluss gebeten worden, zu den Ausführungen F.s Stellung zu nehmen und insbesondere darzulegen, ob diese geeignet seien, zu einer anderen Beurteilung als der in seinem Gutachten vom 20.12.2018 zu gelangen. Er hat unter dem 07.11.2019 mitgeteilt, die Klägerin sei lediglich vor vielen Jahren kurzzeitig stationär behandelt worden; im Übrigen stelle sie sich lediglich quartalsweise ambulant vor. Bei der Untersuchung durch F. habe sie zudem nicht angegeben, antidepressive Medikamente einzunehmen. Da auch ihr Tagesablauf normal sei, könne die Leistungsbeurteilung F.s nicht nachvollzogen werden.

Abschließend ist F. um eine ergänzende Stellungnahme gebeten worden, die vom 06.02.2020 datiert und in welcher er unter Kritik an E.s Ausführungen an seiner Leistungseinschätzung festhält.

Mit Urteil vom 11.05.2020 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung insbesondere ausgeführt, F. habe sich ausführlicher und intensiver mit den Beschwerden der Klägerin auseinandergesetzt als E.. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die Klägerin ohne Arbeit ein gewisses Funktionsniveau halten könne, mehr aber auch nicht; die Leistungseinschätzung F.s sei nachvollziehbar.

Gegen das ihr am 15.06.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.07.2020 Berufung eingelegt. Sie meint, F. habe seine Einschätzung auf die Angaben der Klägerin gestützt, ohne diese objektiviert zu haben. Er habe zudem nicht begründet, warum die Untersuchung in der Wohnung der Klägerin erfolgt sei und habe außerdem darauf verzichtet, ihre Identität zu prüfen. Nach alledem seien die Ausführungen dieses Sachverständigen nicht geeignet, eine Erwerbsminderung der Klägerin zu belegen und den geltend gemachten Rentenanspruch zu begründen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.05.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das ihre Auffassung bestätigende Urteil des Sozialgerichts Dortmund für zutreffend.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Der Orthopäde M. hat unter dem 14.12.2020 und 09.10.2023 mitgeteilt, die Klägerin sei zuletzt am 15.01.2019 bei ihm gewesen, so dass er die weitere Entwicklung nicht beurteilen könne. Der Hausarzt X., Facharzt für Allgemeinmedizin, hat mit Datum vom 18.12.2020 und nochmals am 12.10.2023 festgestellt, hinsichtlich der Befunde und der Diagnosen gebe es keine Änderung gegenüber dem zuletzt erstellten Befundbericht. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei nicht beeinträchtigt; sie benötige im Laufe eines Arbeitstags keine zusätzlichen Pausen; der Verdacht auf das Vorliegen einer Parkinsonerkrankung habe sich nicht bestätigt. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie G. hat in ihrem vom 21.12.2020 datierenden Bericht mitgeteilt, alle Leiden seien chronifiziert, neue seien nicht bekannt, aktuelle Befunde seien gegebenenfalls beim Hausarzt zu erfragen. N., der die Praxis von G. übernommen hat, teilt unter dem 17.10.2023 mit, er habe die Klägerin lediglich einmal am 16.02.2023 gesehen; bei der klinischen Untersuchung habe er keine pathologischen Befunde erhoben, eine Einschränkung des Gehvermögens habe er nicht feststellen können.     

Der Senat hat schließlich den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie C. zum Sachverständigen ernannt. Nach Studium der Akten und Untersuchung der Klägerin am 16.09.2021 hat er unter dem 19.09.2021 ein weiteres Gutachten erstattet. Diesem zufolge hat die Klägerin erklärt, ihre Mutter habe sie im Jahr 2016 zu sich genommen; Antidepressiva nehme sie seit etwa zwei Jahren nicht mehr ein, sie hätten nicht geholfen. Sie fühle sich erschöpft, niedergeschlagen, lustlos; sie habe Zukunftsängste, manchmal sei sie auch leicht reizbar, sie grübele viel und fühle sich mit der gesamten Situation überfordert. C. diagnostiziert eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leicht- bis mittelgradige Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein restless-legs-Syndrom und einen Tinnitus, wobei letzterer sich auf das Leistungsvermögen nicht wesentlich auswirke; neue Erkrankungen seien seit den letzten Begutachtungen im Jahr 2017 nicht festgestellt worden. Durch diese Gesundheitsstörungen sei die psychophysische Belastbarkeit herabgesetzt, ebenso die Flexibilität und die Umstellungsfähigkeit sowie die Durchhaltefähigkeit. Ohne Gefahr für die Gesundheit und ohne glaubhaft große Schmerzen könne die Klägerin aber unter Beachtung einiger sich aus ihren Leiden ergebenden qualitativen Einschränkungen noch körperlich leichte Arbeiten über sechs Stunden und mehr arbeitstäglich unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten; ihre Wegefähigkeit sei erhalten. Zu dem Gutachten F.s sei anzumerken, dass nicht nachvollzogen werden könne, warum die Begutachtung in der Wohnung der Klägerin durchgeführt worden sei. Gleiches gelte dafür, dass die Exploration offensichtlich in Anwesenheit eines Familienangehörigen durchgeführt worden sei, wodurch nicht auszuschließen sei, dass die Ergebnisse der Exploration verfälscht worden seien. Die von F. erhobenen Befunde rechtfertigten für den damaligen Zeitpunkt die Diagnose einer seit Jahren chronifizierten mittelgradigen depressiven Symptomatik nicht. Auch sei es nicht zutreffend, dass vielfache bisherige Therapieversuche keine nennenswerte Besserung gebracht hätten. Seit 2010 sei lediglich eine ambulante nervenärztliche Behandlung erfolgt, die stationäre Behandlung 2010 sei nach wenigen Tagen beendet worden. Nach alledem könne die Einschätzung des Leistungsvermögens nicht geteilt werden.

Die Klägerin meint, sie habe Anspruch auf die begehrte Rente; es sei nicht ansatzweise erkennbar, dass sich ihre Situation in der Zeit vom Beginn der Rente bis zur Einstellung der Zahlungen verbessert habe. Daran ändere auch das Gutachten von C. nichts, in welchem im Übrigen eine Auseinandersetzung mit dem von X. diagnostizierten Fibromyalgiesyndrom fehle. C. folgere zudem aus der mangelnden oder unzureichenden Behandlung geklagter Beschwerden wie auch aus der unzureichenden Dokumentation durch einen Behandler, dass entsprechende Erkrankungen nicht vorlägen bzw. nicht nachgewiesen seien. Derartige unzulässige Umkehrschlüsse habe er hinsichtlich der depressiven Störung, des restless-legs-Syndroms und des Tinnitus gezogen.    

Um Stellungnahme zu den Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerin gebeten, stellt der Sachverständige unter dem 24.01.2022 bezüglich des Fibromyalgiesyndroms fest, es handle sich dabei primär um ein orthopädisch-rheumatologisches Krankheitsbild. Da jedoch keine organmedizinischen Korrelat bestünden, werde es auf nervenärztlichem Fachgebiet bezüglich der qualitativen Leistungseinschränkungen im Rahmen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung beurteilt; diese Diagnose und die daraus resultierenden Leistungseinschränkungen habe er in seinem Gutachten berücksichtigt. Gleiches gelte für die depressive Störung, wobei er bezüglich der medikamentösen Therapie einige kritische Anmerkungen angeführt habe. Das restless-legs-Syndrom habe er ebenfalls berücksichtigt, jedoch angemerkt, dass das Ausmaß der Beeinträchtigung der Schlafqualität durch die nächtlichen Beinbewegungen nur im Rahmen einer Untersuchung im Schlaflabor beurteilt werden könne. Darauf, dass die zumutbaren therapeutischen Möglichkeiten in Bezug auf die psychischen Störungen von der Klägerin seit dem Jahr 2010 nicht ausgeschöpft worden seien, sei ihr Bevollmächtigter in keiner Weise eingegangen.   

 Im Rahmen eines am 24.10.2023 durchgeführten Erörterungstermins hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass die Berufung der Beklagten Erfolg haben dürfte. Lege man die neurologisch-psychiatrischen Gutachten von E. und C. zugrunde, die zu derselben Leistungseinschätzung gekommen seien wie B. im Verwaltungsverfahren, so stehe der Klägerin kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zu, weil sie nicht erwerbsgemindert sei. Nur wenn man, wie das Sozialgericht, das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten von F. zugrunde lege, ergebe sich ein Rentenanspruch der Klägerin. Dieses Gutachten leide jedoch unter diversen Mängeln; es sei nicht schlüssig und für das Gericht auch nicht nachvollziehbar; schließlich stützten auch die eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte die Ausführungen und die Leistungseinschätzung von F. nicht. Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen von Amts wegen bestünden nicht. Nach alledem könne der Klägerin nur geraten werden, die Klage zurückzunehmen. Werde sie aufrechterhalten, so müsse der Senat der Berufung stattgeben, wobei er die Revision nicht zulassen werde, weil die Entscheidung allein auf der Würdigung der Beweise beruhe und insoweit nicht revisibel sei. Die Klägerin hat die Klage nicht zurückgenommen. Die Beteiligten haben übereinstimmend zu Protokoll erklärt, sie seien mit einer Entscheidung der Sache durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung einverstanden; dem im Termin Besprochenen gemäß haben sie im Anschluss schriftsätzlich klargestellt, mit einer Entscheidung der Sache durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin und ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (VSNR: 11 111258 E 559) verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Mit dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat über die Berufung gemäß § 124 Absatz 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung und gemäß § 155 Absatz 3 und 4 SGG durch die Berichterstatterin als konsentierte Einzelrichterin.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft und form- und fristgerecht erhoben (§§ 143 und 151 SGG); sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung der begehrten Rente.

In dem hier streitigen Zeitraum vom 01.10.2017 bis zum 30.06.2021 erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht. Anspruch auf eine derartige Rente besteht nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) für Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie

1.         teilweise erwerbsgemindert sind,

2.         in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3.         vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI diejenigen Versicherten, die nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist erwerbsgemindert nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Letzteres ist hier der Fall. Es ist der insoweit beweispflichtigen Klägerin nicht gelungen zu belegen, dass ihr Leistungsvermögen in dem streitbefangenen Zeitraum die Verrichtung zumindest körperlich leichter Arbeiten über sechs Stunden und mehr arbeitstäglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr zuließ.

Die Gesundheitsstörungen der Klägerin sind im Verwaltungsverfahren von dem Neurologen und Psychiater B., im Klageverfahren von dem Neurologen und Psychiater E. und dem Psychiater F. und schließlich im Berufungsverfahren durch den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie C. gewürdigt worden. Aus den vorliegenden Gutachten wie auch den im Übrigen zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen ergibt sich, dass die Klägerin insbesondere unter einer somatoformen Schmerzstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung, einem rest-legs-Syndrom leidet, zudem besteht ein Tinnitus. Der zwischenzeitlich bestehende Verdacht auf das Vorliegen einer Parkinson-Erkrankung konnte nach Auskunft des Hausarztes X. entkräftet werden.

Das unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen verbliebene Leistungsvermögen der Klägerin haben die Sachverständigen B., E. und C. für den Senat schlüssig und nachvollziehbar so eingeschätzt, dass sie ohne auf Kosten ihrer Gesundheit zu arbeiten oder zusätzliche Pausen zu benötigen zumindest körperlich leichte Tätigkeiten unter betriebsüblichen Bedingungen noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten kann. Ihre Wegefähigkeit ist nach Auffassung aller Sachverständigen wie auch den Angaben der behandelnden Ärzte zufolge erhalten.

Soweit der im erstinstanzlichen Verfahren tätig gewordene Psychiater F. das Leistungsvermögen der Klägerin in Abweichung von den drei anderen gutachterlich tätig gewordenen Sachverständigen als in zeitlicher Hinsicht auf weniger als drei Stunden arbeitstäglich angesehen hat, vermag der Senat dies – anders als das Sozialgericht – nicht als maßgeblich anzusehen. Das Gutachten von F. ist bereits insoweit angreifbar, als der Sachverständige die Untersuchung der Klägerin ohne Begründung allein auf einen telefonisch geäußerten Wunsch des Sohnes hin in der Wohnung der Klägerin durchgeführt, zudem die Überprüfung der Identität der Klägerin für nicht erforderlich gehalten und schließlich die Exploration in Anwesenheit eines Familienangehörigen vorgenommen hat. F. hat im Übrigen nicht gegenüber den von den übrigen Sachverständigen festgestellten abweichende Befunde erhoben, sondern lediglich das quantitative Leistungsvermögen anders eingeschätzt, ohne dafür aber, worauf E. in seiner ergänzenden Stellungnahme zu Recht hingewiesen hat, eine überzeugende Begründung zu geben. Das im Berufungsverfahren noch eingeholte Gutachten von C. hat unter Auseinandersetzung mit den Ausführungen F.s die Leistungsbeurteilung von B. und E. bestätigt.

Auf den Vortrag der Klägerin bezüglich eines Fibromyalgiesyndroms eingehend, sei abschließend bemerkt, dass es für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung auf Funktions- und Leistungseinschränkungen, nicht auf Diagnosen ankommt. Die von X. einer Fibromyalgie zugeordneten Beschwerden sind von allen Sachverständigen gewürdigt worden, mangels organmedizinischen Korrelats im Rahmen einer anhaltenden somatoformen Störung.         

Soweit der festgestellte Grad der Behinderung von der Klägerin als Indiz für das Vorliegen einer Erwerbsminderung angeführt worden ist, bedarf es keiner Erläuterung dazu, dass die Voraussetzungen insoweit andere sind als für die Feststellung einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderung. Die Beschwerden und Befunde, die Grundlage der Feststellung einer Schwerbehinderung waren, sind aktenkundig und in die Leistungsbeurteilung der Sachverständigen eingeflossen.

Ohne Bedeutung schließlich ist, ob sich der Gesundheitszustand der Klägerin gegenüber dem während des Rentenbezugs vorliegenden verändert, insbesondere verbessert hat. Maßgeblich für die Entscheidung über einen Antrag auf Weitergewährung einer zuvor bewilligten Rente wegen Erwerbsminderung ist, wie bei einem erstmaligen Antrag, dass die Anspruchsvoraussetzungen im relevanten Zeitpunkt, hier dem Beginn des Zeitraums, für welchen weiterhin Rente begehrt wird, vorliegen. Dies mag nicht (mehr) der Fall sein, weil sich der Gesundheitszustand verbessert hat; möglich ist auch, dass die ursprüngliche oder bei vorheriger Weitergewährung vorgenommene Leistungseinschätzung sich als unzutreffend herausgestellt hat.     

Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist seitens der Klägerin nicht geltend gemacht worden und kommt hier auch nicht in Betracht, weil sie weder einen Beruf erlernt noch eine Tätigkeit als Angelernte im oberen Bereich im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeübt hat.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Rechtsstreits Rechnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 1 Nrn 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.

Rechtskraft
Aus
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