L 2 R 2065/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 2968/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 2065/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. Juni 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Der 1961 geborene Kläger war zunächst ab Januar 1981 bis Juli 2002 versicherungspflichtig beschäftigt bzw. zuletzt im Alg-Leistungsbezug. Ab Juli/August 2002 war er als selbstständiger Stuckateur in seiner eigenen Firma tätig (vgl. Versicherungsverlauf vom 29. November 2021 - Bl. 14 SG-Akte). Ab September 2006 bis März 2016 war er mit Unterbrechungen (laut Versicherungsverlauf vom 1. Januar 2012 bis 22. April 2014) als Stuckateur versicherungspflichtig beschäftigt und anschließend im Rahmen einer geringfügigen, nicht versicherungspflichtigen Tätigkeit angestellt (siehe Versicherungsverlauf vom 29. November 2021).

Vom 23. Januar 2006 bis zum 20. Februar 2006 befand sich der Kläger zur stationären Rehabilitation in der F1klinik in B1. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 24. Februar 2006 (Bl. 60 SG-Akte bzw. Bl. 382 ff. Verwaltungsakte - eVA -) wurden als Diagnosen gestellt: eine persistierende Cervicobrachialgie C6 rechts bei Bandscheibenvorfall C5/6 und Bandscheibenprothese C5/6, ein pseudoradikuläres LWS-Syndrom beidseits bei bekannter Spinalkanalstenose, eine Epicondylitis humeri radialis beidseits, eine hypertone Regulationsstörung und Anpassungsstörung. Zum Leistungsvermögen wurde ausgeführt, die Tätigkeit als selbstständiger Stuckateur sei nicht mehr leidensgerecht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünde aber noch für körperlich leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Einschränkungen ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr.

In einem ärztlichen Befundbericht zu einem weiteren Rehabilitationsantrag des S1 vom 9. Dezember 2016 (Bl. 360 eVA) führte dieser u.a. aus, dass die Rückenbeschwerden des Klägers schon seit vielen Jahren bestünden. Es habe eine gute und längerfristige Besserung nach dem letzten Heilverfahren 2013 bestanden. Außerdem führte S1 noch aus, dass der Kläger seine Funktion als Geschäftsführer unter Vermeidung körperlicher Belastungen auf den Baustellen noch ausüben könne, eine aktuelle Tätigkeit als Maler oder Gipser allerdings aufgrund der körperlichen Einschränkungen nicht mehr möglich wäre.

Vom 14. Februar 2017 bis 6. März 2017 befand sich der Kläger erneut in medizinischer Rehabilitation, und zwar im Reha-Zentrum H1 in B2. Ausweislich des Entlassungsberichtes vom 6. März 2017 (Bl. 367 ff. eVA) wurden als Diagnosen gestellt, eine hochgradige lumbale Spinalkanalstenose bei Osteochondrose und Spondylose L3 bis L5, ein Bandscheibenvorfall L3/4 und 4/5 sowie eine Foramenstenose L4/5 und L5/S1, ein Zustand nach Bandscheibenprothese C5/6 2006 in guter Funktion und ohne neurologische Defizite, eine Epicondylitis humeri radialis beidseits, ein degeneratives HWS-Syndrom mit Zustand nach Bandscheibenvorfall. Das Leistungsvermögen wurde dahingehend eingeschätzt, dass bezüglich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bauaufsicht noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestünde ebenso auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen. Vermerkt ist ferner noch, dass der Kläger diese Leistungseinschätzung teilte.

Am 14. Oktober 2021 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und begründete dies insbesondere mit Bandscheibenproblemen an der HWS und LWS.

Mit Bescheid vom 29. November 2021 (Bl. 6 SG-Akte bzw. Bl. 282 eVA) lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Das Versichertenkonto des Klägers enthalte die Mindestanzahl von 36 Monaten Pflichtbeiträgen in dem hier maßgeblichen Zeitraum vom 14. Oktober 2016 bis 13. Oktober 2021 nicht. Denn in diesem Zeitraum läge kein Monat mit Pflichtbeiträgen vor. Auch die Voraussetzungen nach § 241 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) seien nicht erfüllt, da der Kläger vor dem Stichtag 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht zurückgelegt habe.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte zur Begründung geltend, aufgrund seiner Tätigkeit als Gipser habe er massive Wirbelsäulenbeschwerden. Er sei bereits 2005 an der Halswirbelsäule operiert worden und habe damals ein Jahr lang seine Tätigkeit nicht fortführen können. Aus existenziellen Gründen habe er seine Tätigkeit wiederaufnehmen müssen, jedoch habe er hierdurch auch Probleme in der Lendenwirbelsäule bekommen. Sobald er fünf Schritte hintereinander mache, sacke er zusammen. Selbst alltägliche Sachen könne er nicht mehr durchführen. Zusätzlich habe er seit drei Jahren Prostataprobleme und schlafe mit einem Schlafapnoegerät. Aufgrund einer Coronaerkrankung leide er zudem noch an Kurzatmigkeit.

Die Beklagte holte daraufhin bei dem F2 das Gutachten vom 19. Juli 2022 aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 1. Juli 2022 ein (Bl. 463 ff. eVA). Dieser stellte als Diagnosen im Wesentlichen eine erhebliche Einengung des Spinalkanals im Lendenwirbelsäulenbereich mit deutlicher Funktionseinschränkung bei erheblichen Schmerzen, eine Bewegungseinschränkung und Schulterschmerzen, einen Verschleiß beider Schultergelenke, links größer als rechts mit mittelgradiger Funktionseinschränkung sowie eine gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse (Prostata) bei  leichtgradigen Miktionsstörungen und Schlafstörungen durch nächtliches Wasserlassen fest. Aufgrund der erheblichen Spinalkanalstenose liege das Leistungsvermögen des Klägers bei unter drei Stunden täglich. Die Leistungsminderung bestehe seit Oktober 2021 (Bl. 477 eVA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2022 (Bl. 23 SG-Akte bzw. Bl. 275 eVA) wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und verwies zur Begründung darauf, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Dagegen hat der Kläger am 5. Dezember 2022 (Montag) Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn erhoben. Zur Begründung hat die Klägerbevollmächtigte vorgetragen, der Kläger sei bereits seit 2014 erwerbsgemindert. Seit seiner Rückenoperation sei er zwar noch beschäftigt gewesen, jedoch sei er ab 2014 stark beeinträchtigt gewesen, sodass er nur noch leichte Tätigkeiten ausgeübt habe. Ab 2016 sei er dann nur noch geringfügig beschäftigt gewesen, da er auch die leichten Tätigkeiten nicht mehr habe ausüben können. Aktuell könne er nicht mehr stehen, gehen und habe erhebliche Lähmungserscheinungen.

Nach vorheriger Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2023 die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass der Bescheid der Beklagten vom 29. November 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2022 rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze. Denn er habe weder einen Anspruch auf Rente wegen voller, noch wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI hätten Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersrente einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw.  voll erwerbsgemindert seien (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hätten (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hätten (Nr. 3).
Vorliegend fehle es bereits am Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Denn der Kläger weise in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre mit Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung auf. Dabei müssten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Vollbeweis vorliegen (mit Hinweis auf Freudenberg in Schlegel/Voeltzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl.  2013, § 43 SGB VI Rn. 248 bzw. jetzt 3. Aufl. 2021 § 43 SGB VI Rn. 22).
Der maßgebliche Fünfjahreszeitraum berechne sich ab Eintritt der Erwerbsminderung, die vorliegend mit Antragstellung am 14. Oktober 2021 angenommen werde, und liege damit grundsätzlich in der Zeit vom 14. Oktober 2016 bis 13. Oktober 2021. In diesem Zeitraum weise der Kläger jedoch keinen einzigen Monat mit Pflichtbeiträgen auf.
Anhaltspunkte für die Annahme eines anderen Eintritts der Erwerbsminderung, an dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt gewesen seien, bestünden nicht. Denn ausweislich des dem Bescheid angehängten Versicherungsverlaufs und den Angaben der Beklagten hätten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zuletzt am 1. Januar 2014 vorgelegen.
Nach Auswertung der dem SG vorliegenden medizinischen Unterlagen habe sich das SG nicht davon überzeugen können, dass ein Leistungsfall bereits 2014 oder früher eingetreten sei. Denn wie sich dem Reha-Entlassungsbericht des Reha-Zentrums H1 vom 6. März 2017 entnehmen lasse, sei der Kläger zu diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen, einer körperlich leichten Tätigkeit für sechs Stunden und mehr nachzugehen. Es hätten lediglich qualitative Einschränkungen bestanden: so hätten häufiges Arbeiten in körperlicher Zwangshaltung wie kauernde oder vornübergebeugte Haltung vermieden werden sollen, ebenso häufige Arbeiten mit Rumpftorsion, häufige Arbeiten über Kopf oder in Armvorhalte sowie häufiges Ersteigen von Leitern, Treppen oder Gerüsten sowie häufige Arbeiten mit erhöhter Anforderung an Stand- und Gangsicherheit ebenso wie häufige Arbeiten mit erhöhter achsialer Stoßbelastung oder erhöhter Vibration. Diese Einschätzung sei für das SG aufgrund der dort erhobenen Diagnosen und Befunde auch nachvollziehbar. Da auch selbst der Kläger mit der damaligen Einschätzung einverstanden gewesen sei, würden sich für das Gericht auch keine Anhaltspunkte an der dort vorgenommenen Leistungseinschätzung zu zweifeln ergeben.
Soweit der F2 in seinem Gutachten ausgeführt habe, er könne der sozialmedizinischen Einstellung im Rehabilitationsentlassungsbericht von 2017 nicht zustimmen, beziehe sich dies lediglich auf die hauptberufliche Tätigkeit als Stuckateur. Dies sei für das SG nachvollziehbar, da die dortige Einschätzung lediglich auf seine Tätigkeit als Bauaufsicht abgestellt habe, nicht aber auf die eigentliche Tätigkeit als Stuckateur, die mit den qualitativen Einschränkungen - auch damals - nicht vereinbar gewesen sei. Entscheidend sei vorliegend aber das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, da der Kläger nach dem 1. Januar 1961 geboren sei, sodass ein Berufsschutz nach § 240 SGB VI nicht in Betracht komme.
Letztlich würden auch die Ausführungen des F2 in seinem Gutachten gegen die Annahme eines früheren Leistungsfalles sprechen. Denn dieser führe insbesondere aus, dass es seit Oktober 2021 zu einer deutlichen Verschlechterung der Rückenproblematik mit aufgehobener Gehstrecke gekommen sei und er deshalb von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden ausgehe. Ferner führte er aus, dass der Eintritt der Leistungsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Oktober 2021 und im Hinblick auf die letzte berufliche Tätigkeit im März 2017 erfolgt sei.
Im Weiteren würden gegen die Annahme eines Leistungsfalles bereits 2014 auch die Angaben des behandelnden S1 bezüglich des Rehaantrages im Jahr 2016 (Bl. 360 eVA) sprechen. Dort führe S1 aus, die Rückenbeschwerden bestünden seit vielen Jahren. Es habe eine gute und längerfristige Besserung nach dem letzten Heilverfahren 2013 bestanden.
Aus dem zuletzt durch den Kläger vorgelegten Rehaentlassbericht der F1klinik vom 24. Februar 2006 ergebe sich ebenfalls kein anderes Bild. Zwar sei bereits damals ein aufgehobenes Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Stuckateur gesehen werden. Jedoch habe - und nur hierauf komme es an - noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestanden.
Darüber hinaus liege auch keine Ausnahme vom Erfordernis von 36 Monaten an Pflichtbeiträgen nach § 43 Abs. 5 SGB VI vor. Denn danach sei eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten sei, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Voraussetzungen der §§ 53, 245 SGB VI nicht vorliegen würden.
Im Weiteren liege auch keine Ausnahme vom Erfordernis der Drei-Fünftel-Belegung nach § 241 Abs.  2 SGB VI vor. Danach seien Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§  240) für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hätten, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) mit Anwartschafts(-erhaltungs-)zeiten belegt sei oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) vor dem 1.  Januar 1984 eingetreten sei. Diese Voraussetzungen würden beim Kläger nicht vorliegen, da der Zeitraum ab dem 1. Januar 1984 nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sei. Es seien vielmehr rentenrechtliche Lücken im Versicherungsverlauf erkennbar.

Der Kläger hat gegen den seiner Bevollmächtigten mit elektronischem Empfangsbekenntnis am 20. Juni 2023 zugestellten Gerichtsbescheid am 19. Juli 2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung hat die Klägerbevollmächtigte geltend gemacht, das SG habe im Tatbestand zutreffend ausgeführt, dass der Kläger als selbstständiger Stuckateur ab 2002 in seiner eigenen Firma tätig gewesen und von 2006 bis 2016 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Ab 2016 sei er im Rahmen einer geringfügigen, nichtversicherungspflichtigen Tätigkeit angestellt gewesen.
Der Kläger teile das Problem wie viele Selbstständige, als er 2014 aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Berufstätigkeit auszuüben. Er habe nicht mehr die notwendige Leistung erbringen können und sei, nachdem es eine zu große wirtschaftliche Belastung für den Betrieb geworden sei, in eine geringfügige Beschäftigung gewechselt und habe nicht zugleich eine Erwerbsminderungsrente beantragt. Er habe so seine gesundheitliche Beeinträchtigung ohne Zuhilfenahme sozialrechtlicher Strukturen zu lösen versucht. Dies werde ihm nun zum Verhängnis.
Das SG vertrete in den Entscheidungsgründen die Auffassung, dass beim Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zuletzt am 1. Januar 2014 vorgelegen hätten und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass beim Kläger der Eintritt der Erwerbsminderungsrente erfolgt sei, als die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch vorgelegen hätten. Dies werde ausdrücklich bestritten.
Die Klägerbevollmächtigte hat sich an dieser Stelle u.a. auf einen Bericht der Radiologie zu einem MRT der Lendenwirbelsäule vom 5. September 2014, bereits vom Kläger im Jahr 2013 betriebenen Rehabilitationssport wegen Bandscheibenbeschwerden und der Befürwortung einer solchen Rehamaßnahme durch S1, einen Behandlungsbericht des Medizinischen Versorgungszentrums für Neurologie und Psychiatrie S2 vom 29. September 2014 sowie einen Arztbericht des S1 vom 25. Juni 2023 gestützt, ausweislich derer ersichtlich sei, dass bereits zum letztmöglichen Zeitpunkt am 1. Januar 2014 die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. Juni 2023 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. November 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung befristet zu gewähren ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend und hat noch ausgeführt, dass sich aus der Berufungsbegründung keine neuen Gesichtspunkte ergeben würden, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.

Mit einem Schreiben vom 6. September 2023 hat der ursprünglich zuständige Berichterstatter des 4. Senates den Kläger darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage letztlich die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, da sich insbesondere auch unter Berücksichtigung der noch hier vorgelegten medizinischen Unterlagen keine Anhaltspunkte für eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers zum damaligen Zeitpunkt begründen ließen.

Der Kläger hat mit Schreiben der Bevollmächtigten vom 4. Dezember 2023 an der Berufung festgehalten und nochmals geltend gemacht, dass er seiner Meinung nach bereits zum damaligen Zeitpunkt, als die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch vorgelegen hätten, nicht mehr erwerbsfähig gewesen sei. Er sei im Betrieb, der von seiner Ehefrau bzw. seinem Sohn übernommen worden sei, nur noch aufgrund der familiären Strukturen geduldet worden, obwohl er keine vollwertige Arbeit mehr habe erbringen können.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2023 (Beklagte) und 20. Dezember 2023 (Kläger) haben die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I.

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung schon aufgrund fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen verneint.

Das SG hat zutreffend eine Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auf der Grundlage der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelungen in § 43 sowie den §§ 53, 245 und 240, 241 SGB VI verneint, da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente wegen Erwerbsminderung zuletzt am 1. Januar 2014 vorlagen, der Kläger zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht erwerbsgemindert war. Der Senat nimmt insoweit auf die ausführliche Begründung des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung in den Entscheidungsgründen ab.

Ergänzend zum Vorbringen im Berufungsverfahren ist noch auszuführen, dass die zur Berufungsbegründung vorgelegten ärztlichen Unterlagen bereits überwiegend aktenkundig waren und einen Eintritt der Erwerbsminderung bezogen auf die hier allein maßgeblichen leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt spätestens am 1. Januar 2014 nicht geeignet sind, zu begründen. Dies gilt insbesondere für die im Arztbrief des Neuro MVZ S1 vom 29. September 2014 beschriebene symptomatische Spinalkanalstenose lumbal. Zwar wurden dort - anamnestisch, nicht aber als gesicherter Befund - Sensibilitätsstörungen der Beine bei „längerem Gehen oder Stehen“ angegeben. Gleichzeitig wurden als klinische Befunde dokumentiert ein beidseits unauffälliges Zeichen nach Lasegue, seitengleich unauffällige Muskeleigenreflexe, Gang und Stand mit erschwerten Gangvariationen sicher. Manifeste und latente Paresen an den Beinen wurden ausdrücklich ausgeschlossen. Bei der technischen Untersuchung ergab sich kein Hinweis für eine Affektion der somatosensiblen Bahnen beider Beine. Im Sitzen oder Liegen traten auch nach den damaligen Angaben des Klägers keine Beschwerden auf. Eine zeitliche Einschränkung für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne längeres Gehen oder Stehen ist danach - in Übereinstimmung mit dem noch im Reha-Entlassungsbericht 2017 beschriebenen Leistungsvermögen - nicht zu begründen.

Es sei an dieser Stelle auch nochmals ausdrücklich für den Kläger darauf hingewiesen, dass auch der Senat davon ausgeht, dass der Kläger - wie im Reha-Entlassungsbericht der F1klinik B1 vom Februar 2006 ausgeführt - bereits zum damaligen Zeitpunkt die Tätigkeit als selbstständiger Stuckateur/Maler nicht mehr ausüben konnte. Da der Kläger jedoch nach dem 1. Januar 1961 geboren ist, scheidet eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI bereits aus, sodass eben gerade nicht mehr darauf abzustellen ist, dass der Kläger unstreitig als Stuckateur schon ab 2006 nicht mehr arbeiten konnte.
Allein maßgeblich ist der allgemeine Arbeitsmarkt, also, ob der Kläger noch in der Lage ist, leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung der auch von den Ärzten beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen vollschichtig sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche auszuüben. Ein solches vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte körperliche Tätigkeiten wird auch noch in dem Entlassbericht vom 6. März 2017 des Rehazentrums H1 in B2 bestätigt.
Damit aber bestehen auch für den Senat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass spätestens zum 1. Januar 2014 der Kläger nicht nur nicht mehr in der Lage war, seine Tätigkeit als Stuckateur auszuüben, sondern auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr in der Lage war, noch einer leichten körperlichen Tätigkeit unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nachzugehen.

Damit aber besteht kein Anspruch des Klägers auf die begehrte Rente wegen Erwerbsminderung.

Aus diesen Gründen ist die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.  


 

Rechtskraft
Aus
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