L 17 SB 209/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 30 SB 390/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 SB 209/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.03.2019 wird zurückgewiesen.

           

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Tatbestand:

 

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50.

 

Die Beklagte stellte bei dem am 00.00.0000 geborenen Kläger mit Bescheid vom 08.12.2010 einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 fest. Dabei ging sie nach einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 28.11.2010 vom Vorliegen folgender Einzelbehinderungen aus: 1. Atemregulationsstörungen im Schlaf (Einzel-GdB 20), 2. Funktionsstörung des linken Kniegelenks bei Verschleiß und Meniskusschaden (Einzel-GdB 20), 3. Funktionseinschränkung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20), 4. Seelisches Leiden (Einzel-GdB 10).

 

Ein Änderungsantrag des Klägers vom 07.11.2013 blieb erfolglos, ausweislich einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.01.2013 ging die Beklagte beim Kläger nunmehr allerdings zusätzlich vom Vorliegen von Ohrgeräuschen und einer Hörminderung mit einem Einzel-GdB von 10 aus.

 

Mit Änderungsantrag vom 09.09.2016 machte der Kläger eine Verschlimmerung seines Wirbelsäulenleidens geltend. Die Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden F. vom 23.09.2016 ein und lehnte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Bescheid vom 30.11.2016 den Änderungsantrag ab, weil eine wesentliche Änderung gegenüber dem Bescheid vom 08.12.2010 nicht festzustellen sei.

 

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zu dessen Begründung aus, er leide unter massiven Be­wegungseinschränkungen und sei nur unter Schmerzen in der Lage, sich zu bewegen. Darüber hinaus läge bei ihm eine Schlafapnoe vor. Er könne nachts nur mit einem Beatmungsgerät schlafen. In der Gesamtschau läge eine Verstärkung auch des seelischen Leidens vor, so dass die Addition der zudem auch der Höhe nach infrage stehenden Einzel-GdB-Werte zu einem solchen in der Gesamtschau in Höhe von mehr als/mindestens 50 führe.

 

Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22.02.2017 wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2017 als unbegründet zurückgewiesen.

 

Zur Begründung seiner hiergegen am 21.03.2017 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dass er unter einer Vielzahl bleibender gesundheitlicher Einschränkungen leide, die insbesondere auch durch stetige Schmerzen physischer Art gekennzeichnet seien. Er leide auch unter Schlafstörungen und könne wegen einer Schlafapnoe nachts nur mit einem Beatmungsgerät schlafen. Ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme betrage bereits der GdB des seelischen Leidens 30. Gehe man von entsprechenden Funktionseinschränkungen im Wirbelsäulenbereich in Höhe von 30 aus, so liege man zuzüglich der Atemregulationsstörung bereits im Bereich eines GdB oberhalb/bzw. mindestens von 50. Der Kläger hat noch einen Bericht der Hals-Nasen-Ohrenärztin E. vom 03.12.2018 unter Einschluss eines Tonaudiogramms vom 07.11.2018 vorgelegt.

 

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2017 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 ab Antragstellung festzustellen.

 

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat zunächst Befundberichte von sämtlichen Ärzten eingeholt, die der Kläger als ihn ambulant behandelnde Ärzte angegeben hat und zwar von dem Allgemeinmediziner L. vom 31.05.2017, dem Orthopäden F. vom 01.06.2017 und dem Allgemeinmediziner W. vom 24.08.2017. L. hat angegeben, dass der Kläger dort zuletzt 2012 behandelt worden sei, W. hat über eine letzte Vorstellung des Klägers bei ihm im Jahr 2015 berichtet.

 

Im Anschluss daran hat das SG den Orthopäden Y. aus Essen mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 21.12.2017 zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger Wirbelsäulenschäden bei mäßigem Cervikalsyndrom bei cerviko-thorakaler Fehlhaltung und degenerativem Lumbalsyndrom bei Facettengelenksarthrose vorlägen, die einen GdB von 20 rechtfertigten. Es seien zwei Wirbelsäulenabschnitte von funktionellen Beeinträchtigungen betroffen, wobei die Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule allenfalls als mittelgradig zu bezeichnen seien und die funktionellen Einschränkungen der Halswirbelsäule nur geringe funktionelle Auswirkungen nach sich zögen. Außerdem liege beim Kläger eine Belastungseinschränkung des linken Kniegelenkes bei Zustand nach Operation wegen Meniskusschaden und Knorpelverschleiß ohne Bewegungseinschränkung und ohne anhaltende Reizerscheinungen vor, für die ein höherer GdB als 10 nicht in Betracht komme.

 

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 29.03.2019 hat das SG die Klage zurückgewiesen. Ein höherer GdB als 40 lasse sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen. Nach dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Y. lägen beim Kläger funktionelle Beeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, wobei die Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule allenfalls als mittelgradig und funktionellen Einschränkungen der Halswirbelsäule als geringgradig zu bezeichnen seien, so dass hierfür ein höherer GdB als 20 nicht in Betracht komme. Für die Belastungseinschränkung des linken Kniegelenkes, bei Zustand nach Operation wegen Meniskusschaden und Knorpelverschleiß ohne Bewegungseinschränkung bei Fehlen von anhaltenden Reizerscheinungen, sei ein höherer GdB als 10 nicht festzustellen. Darüber hinaus lägen beim Kläger eine Atemregulationsstörung im Schlaf mit einem Einzel-GdB von 20 und ein seelisches Leiden mit einem Einzel-GdB von 30 vor. Ausgehend von einem GdB von 30 für das seelische Leiden, einer Atemregulationsstörung im Schlaf mit einem GdB von 20 und einem Wirbelsäulenschaden ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20, sei der Gesamt-GdB mit 40 von der Beklagten zu Recht festgesetzt worden. Ein höherer Gesamt-GdB ergebe sich auch nicht aufgrund des von E. in deren Bericht vom 03.12.2018 mitgeteilten HNO-Befundes, wonach beim Kläger ein Paukenerguss rechts mit der Notwendigkeit einer Paukendrainage bestehe. Hierbei handele es sich um ein Behandlungsleiden, welches voraussichtlich nicht über sechs Monate Bestand haben werde. Im vorliegenden Fall sei es auch so, dass sich die Auswirkungen der Behinderungen untereinander nicht negativ verstärkten, sondern sich im Gegenteil überschnitten. Hinzu komme, dass der Kläger nicht vergleichbar eingeschränkt sei wie Menschen mit Gesundheitsschäden, für die die GdB-Tabelle Werte von 50 vorsehe, wie etwa bei einem Verlust eines Armes im Unterarm bzw. einem Verlust der ganzen Hand.

 

Gegen das ihm am 08.05.2019 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger am 10.05.2019 eingelegte Berufung. Zu deren Begründung trägt er vor, dass im Rahmen des Berichtes der Hals-Nasen-Ohrenärztin E. aus dem Dezember 2018 davon auszugehen sei, dass bei ihm für Hörgeräusche und eine Hörminderung ein GdB von mindestens 30 anzusetzen sei. Beim Kläger seien bereits mehrfach Paukenröhrchen eingesetzt worden, erstmals im Jahre 2009. Im Mai 2017 seien bei ihm wiederum beidseitig Paukenröhrchen eingesetzt worden, im März 2018 habe sich das Hörvermögen dann erneut gravierend verschlechtert. Im März 2019 sei im rechten Ohr ein neues Paukenröhrchen gesetzt worden. Eine dauerhafte Senkung der Schwerhörigkeit sei bei ihm nicht zu erreichen, aktuell trete wiederum eine massive Verschlechterung des Hörvermögens ein. Die Ursache der sich stetig bildenden Ohrergüsse sei ein ungenügender Flüssigkeitsabtransport aus dem Mittelohr. Der Kläger hat hierzu auch einen Bericht aus dem Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen vom 06.03.2019 vorgelegt.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Duisburg vom 29.03.2019 und Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2017 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 ab Antragstellung festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

 

Der Senat hat von der Hals-Nasen-Ohrenärztin E. einen Befundbericht vom 15.09.2020 eingeholt, worin diese unter anderem erneut das Tonaudiogramm vom 07.11.2018 beigefügt hat.

 

Die Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungärztlichen Stellungnahme vom 15.10.2020 darauf hingewiesen, dass die Auswertung dieses Tonaudiogramms einen Hörverlust von 25 % auf dem rechten und 29 % auf dem linken Ohr ergebe, was zu einem GdB von 15 führe und somit die Feststellung des begehrten GdB nicht rechtfertige.

 

Der Kläger hat daraufhin noch ein weiteres Tonaudiogramm aus der Praxis E. vom 15.01.2021 vorgelegt. Sodann hat er zunächst die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Hals-Nasen-Ohrenarzt V. beantragt, in der Folge jedoch von diesem Arzt ein Privatgutachten vom 28.06.2021 vorgelegt. Im Anschluss daran hat der Senat auf erneuten Antrag des Klägers diesen Arzt auch noch mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt.

 

In seinem daraufhin erstellten Gutachten vom 12.04.2022 ist V. zu der Einschätzung gelangt, dass Tinnitus und Hörbeeinträchtigung mit einem GdB von 10 bisher nicht ausreichend bewertet worden seien. Es liege beim Kläger ausweislich der Ergebnisse des von ihm durchgeführten Tonschwellenaudiogramms auf dem linken Ohr ein Hörverlust von 15 % und auf dem rechten Ohr von 10 % vor. Aus dem Sprachaudiogramm ergebe sich für das linke und rechte Ohr jeweils ein Hörverlust von 15 %. Für diese Hörminderung sei ein isolierter GdB von 15 anzusetzen. Dabei seien die Ohrgeräusche noch nicht berücksichtigt. Der chronisch kompensierte Tinnitus alleine sei mit 10 zu bewerten und deswegen sollte der Funktionsbereich Ohr mit einem GdB von 20 bewertet werden können.

 

Die Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.05.2022 darauf hingewiesen, dass sich ausgehend von dem durch V. im Ton- und Sprachaudiogramm dokumentierten Hörverlust für diesen nur ein GdB von 0 ergebe. Unter Berücksichtigung des kompensierten Tinnitus könne es weiterhin bei dem als GdB von 10 für den Funktionsbereich „Ohren“ verbleiben.

 

Auf Anfrage des Senats vom 01.07.2022, ob und bei wem sich der Kläger gegenwärtig in psychiatrischer/psychotherapeutischer Behandlung befinde bzw. wann er sich zuletzt in entsprechender Behandlung befunden habe, hat der Kläger mitgeteilt, dass er sich derzeit nicht in entsprechender Behandlung befinde. Die letzten Behandlungen hätten von Dezember 2020 bis März 2021 bei dem Psychiater D. stattgefunden. Der Senat hat daraufhin von dem Psychiater D. einen Befundbericht vom 27.01.2023 eingeholt. Dieser hat darüber berichtet, dass der Kläger von Dezember 2020 bis März 2021 insgesamt fünfmal von ihm behandelt worden sei. Der Kläger leide an einem Erschöpfungssyndrom sowie einem obstruktiven Schlafapnoesyndrom und es bestehe der Verdacht auf eine benigne Prostatahyperplasie.

 

In Anschluss daran hat der Senat den Neurologen und Psychiater U. mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 SGG beauftragt. U. ist in seinem auf der persönlichen Untersuchung des Klägers am 06.11.2023 beruhenden Gutachten vom 08.11.2023 zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet eine gering ausgeprägte Neurasthenie mit gewissen Schlafstörungen und Kontaktschwierigkeiten leichtgradiger Ausprägung sowie Flashback-ähnliche Erinnerungen an belastende Umstände während seines beruflichen Lebens vorlägen. Die geklagten Schlafstörungen könnten mit hoher Wahrscheinlichkeit wesentlich gebessert werden. Nach dem Jahr 2012 sei es seines Erachtens nicht mehr gerechtfertigt bei fehlender kontinuierlicher Behandlung einen Einzel-GdB von 30 für die psychiatrischen Erkrankungen anzusetzen. Für diesen Zeitraum, für den so gut wie keine Unterlagen existierten, schätze er den GdB auf 20 ein. Es sei nicht möglich und statthaft, eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit festzustellen. Spätestens ab 2013 oder 2014 liege wegen der psychiatrischen Erkrankung nur noch ein Einzel-GdB von 20 vor. Ab dem Zeitpunkt der aktuellen Begutachtung schätze er den Einzel-GdB sogar nur noch auf max. 10. Es fehle vollkommen an einer Veränderungsmotivation, dies unter anderem belegbar durch die nicht vorhandene fachärztliche, psychotherapeutische oder psychopharmakologische Therapie und auch durch den psychischen Untersuchungsbefund, der so gut wie keinen Leidensdruck auf psychiatrischem Fachgebiet erkennen lasse. Seit September 2016 schätze er den Gesamt-GdB auf maximal 40. Zu diesem Zeitpunkt hätten drei GdB Werte von 20 vorgelegen und zwar wegen des Schlafapnoesyndroms, wegen der Wirbelsäulenbeschwerden und wegen der psychiatrischen Beschwerden, wobei dieser Wert sicherlich ein schwacher 20‘-Wert gewesen sei. Sofern man von einem GdB von 15 für die Hörminderung ausgehe, wie dies V. getan habe, wäre dieser Wert auch allenfalls als schwacher 20‘-Wert anzusehen. Ab dem Datum seiner Untersuchung schätze er den Gesamt-GdB dann eher auf 30, weil der GdB wegen der psychiatrischen Erkrankung zum Zeitpunkt seiner Untersuchung maximal mit einem GdB von 10 zu bewerten sei. Die psychiatrische Erkrankung habe sich gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid von 2010 zugrunde gelegen hätten, offenbar wesentlich gebessert.

 

Der hierzu zur Stellungnahme aufgeforderte Kläger hat sich inhaltlich nicht zum Gutachten eingelassen und mit Schriftsatz vom 16.02.2024 um Terminierung gebeten. Mit Schriftsatz vom 23.04.2023 hat er angeregt, die Sachverständigen V. und U. zur mündlichen Verhandlung zu laden, ohne anzugeben, wozu diese befragt werden sollten.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die auf Feststellung eines höheren GdB als 40 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 30.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2017, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, beim Kläger einen höheren GdB als 40 festzustellen, ist rechtmäßig. Beim Kläger liegt ein GdB von mehr als 40 nicht vor.

 

Gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung in diesem Sinne ist gegeben, wenn der veränderte Gesundheitszustand eine Änderung des GdB von wenigstens 10 bedingt oder die Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen erfüllt bzw. nicht mehr erfüllt werden (vgl. Teil A Nr. 7 a) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG), die in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008, BGBl. I 2008, S. 2412 -VersMedV, niedergelegt sind). Nach  § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit Einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Leben typischen Zustand abweicht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Gemäß § 152 Abs. 1 Sätze 1 und 6 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er-Graden abgestuft von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden festgestellt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Es gelten für diese Feststellung dabei die Grundsätze der aufgrund von § 153 Abs. 2 SGB IX erlassenen VersMedV und insbesondere ihrer Anlage 2 (VMG). Die Bemessung des Gesamt-GdB ist dabei in drei Schritten vorzunehmen. In einem ersten Schritt sind die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs.1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt werden diese Beeinträchtigungen den in den VMG genannten Funktionssystemen zugeordnet und mit einem Einzel-GdB bewertet. Schließlich ist dann in einem dritten Schritt in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche Gesamt-GdB zu bilden (ständige Rechtsprechung, BSG, vgl. Urteil vom 02.12.2010, - B 9 SB 4/10 R -, juris Rn. 18 m.w.N.). Rechenmethoden sind hierbei nicht heranzuziehen, vielmehr ist von der Funktionsbeeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigung dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Teil A Nr. 3 c) VMG). Dabei führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, ganz regelmäßig nicht zu seiner Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die in der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte (Teil A Nr. 3 d) ee) S. 1 VMG).

 

Eine wesentliche Änderung in diesem Sinne ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich zur Bescheiderteilung im Jahre 2010 nicht eingetreten, jedenfalls nicht im Sinne einer Verschlechterung, die vorliegend allein zu prüfen ist. Ein GdB von mehr als 40 kann beim Kläger nicht festgestellt werden.

 

Danach liegt beim Kläger auf orthopädischem Fachgebiet zunächst ein GdB von 20 für eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule sowie ein GdB von 10 für eine Funktionsstörung des linken Kniegelenks bei Verschleiß und Meniskusschaden vor. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten von Y. vom 21.12.2017.

 

Im Funktionssystem „Rumpf“ (vgl. zu den einzelnen Funktionssystemen Teil A Nr. 2 e) VMG) leidet der Kläger an Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule, die mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sind. Gemäß Teil B Nr. 18.9 VMG sind Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Abschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 20 und Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Abschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 30 zu bewerten. Der Kläger leidet an dokumentierten Beschwerden in zwei Wirbelsäulenabschnitten, nämlich im Bereich der Hals- und der Lendenwirbelsäule. Im Bereich der Halswirbelsäule bestehen danach lediglich leichtgradige funktionelle Einschränkungen und auch im Bereich der Lendenwirbelsäule sind die Funktionseinschränkungen allenfalls als mittelgradig zu bezeichnen (87 GA). Vor diesem Hintergrund dürfte hier sogar eher nur von einem „schwachen“ GdB von 20 auszugehen sein (vgl. Teil B Nr. 18.9 VMG).

 

Im Funktionssystem „Beine“ leidet der Kläger im Bereich der Kniegelenke unter einer Belastungseinschränkung des linken Kniegelenkes bei Zustand nach Operation wegen Meniskusschaden und Knorpelverschleiß ohne Bewegungseinschränkung und ohne anhaltende Reizerscheinungen, für die ein höherer GdB als 10 nicht in Betracht kommt. Nach Teil B Nr. 18.14 VMG sind ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke mit anhaltenden Reizerscheinungen einseitig mit einem GdB von 10-30 zu bewerten. Dabei ist festzustellen, dass eine Bewegungseinschränkung nicht vorliegt. Auch anhaltende Reizerscheinungen sind nicht zu erheben. Insoweit kann auch ein GdB von 10 in diesem Bereich bereits als für den Kläger günstig angesehen werden.

 

Für die Atemregulationsstörung im Schlaf ist im Funktionssystem „Atmung“ bei durchgeführter cPAP-Behandlung ein GdB von 20 anzusetzen (Teil B Nr. 8.7 VMG).

 

Im Bereich des Funktionssystems „Gehirn einschließlich Psyche“ leidet der Kläger derzeit an einer Neurasthenie (ICD-Code F 48.0) leichtgradiger Ausprägung sowie flashback-ähnlichen Erinnerungen an belastende Umstände während seines beruflichen Lebens mit gewissen Schlafstörungen und Kontaktschwierigkeiten. Hierfür ist bis zum Zeitpunkt der Untersuchung bei U. im November 2023 ein GdB von 20 und ab diesem Zeitpunkt ein GdB von 10 anzusetzen. Der Senat folgt mit dieser Einschätzung der ihn im Ergebnis überzeugenden Beurteilung durch U..

 

Nach Teil B Nr. 3.7 VMG sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten.

 

Beim Kläger liegt nur eine leichtere Gesundheitsstörung in diesem Sinne vor, die nicht mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verbunden ist. Mit dieser Einschätzung folgt der Senat der Beurteilung von U.. Dieser hat beim Kläger einen weitgehend unauffälligen psychischen Befund erhoben und unter Berücksichtigung der vom Kläger selbst gemachten Angaben zu dessen Tagesablauf und dessen Aktivitäten, eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht feststellen können. Soweit der Sachverständige bei seiner Beurteilung zur Einschätzung des Schweregrades der Störung auch dem Umstand wesentliche Bedeutung beigemessen hat, dass eine fortlaufende zielgerichtete fachärztliche oder sonstige Therapie des psychischen Leidens seit geraumer Zeit nicht stattfindet bzw. stattgefunden hat, ist diese Feststellung weder von ihrem grundsätzlichen Ansatz, noch in ihrem Ergebnis zu beanstanden. Nach allgemeiner sozialmedizinischer Auffassung ist eine eingehende, explizit und nachvollziehbar dargelegte Beschwerdenvalidierung zwingender Bestandteil jedes Gutachtens. Deren Kernstück ist eine sorgfältige Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung, wobei sich Hinweise auf nicht oder nicht in dem geklagten Umfang vorhandene Funktionsstörungen insbesondere auch aus Diskrepanzen zwischen dem Ausmaß der geschilderten Beschwerden und der Intensität der bisherigen Inanspruchnahme therapeutischer Hilfe ergeben können (vgl. Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen - AWMF-Register Nr. 051-029 - Teil I (Gutachtliche Untersuchung bei psychischen und psychosomatischen Störungen) auf https://register.awmf.org/assets/guidelines/051-029l_S2k_Begutachtung-psychischer-psychosomatischer-Stoerungen_2019-12_01.pdf). Hinsichtlich der Behandlungsfrequenz und Dauer ergibt sich dabei nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen das Bild, dass eine dauerhafte und suffiziente Therapie nicht dokumentiert ist und sich auch aus den vom Kläger im Verfahren gemachten Angaben nicht ergibt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in dem von ihm auf Anforderung des Sozialgerichts im April 2017 ausgefüllten Fragebogen über ärztliche Behandlungen und Untersuchungen auf die Frage „Ärzte von denen ich ambulant behandelt worden bin“, Ärzte aus dem psychiatrisch/psychotherapeutischen Fachgebiet nicht benannt hat, sondern lediglich zwei Allgemeinmediziner und einen Orthopäden. Bei der Frage nach stationären Behandlungen hat er nur über eine psychosomatische Behandlung im Jahre 2010 berichtet. Die vom Sozialgericht daraufhin angeschriebenen Allgemeinmediziner L. und W. haben angegeben, dass der Kläger dort zuletzt 2012 (L.) bzw. 2015 (W.) in Behandlung gewesen sei, also bereits seit geraumer Zeit keine Behandlung mehr stattfand. W. hat beim Kläger als Nebendiagnose von einem Ermüdungssyndrom berichtet, ohne hierzu Befunde oder Therapiemaßnahmen mitzuteilen. Auf weitere Nachfrage des Senats vom 01.07.2022, ob er sich gegenwärtig in psychiatrischer/psychotherapeutischer Behandlung befinde bzw. wann er sich zuletzt in einer solchen befunden habe, hat der Kläger mitgeteilt, dass er sich derzeit nicht und zuletzt von Dezember 2020 bis März 2021 in entsprechender Behandlung bei dem Psychiater D. befunden habe. Angesichts dessen ist die Einschätzung des Sachverständigen, für den Senat nicht zu beanstanden, dass beim Kläger keine regelmäßige und zielgerichtete Therapie stattgefunden hat, die für einen größeren Leidensdruck sprechen würde. Im Übrigen bestätigt auch die Einschätzung des Psychiaters D. in dessen Befundbericht vom 27.01.2013 nicht nur in vollem Umfang die diagnostische Einschätzung von U., sondern es lassen sich auch dessen Angaben keine Hinweise für eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entnehmen. Auch vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass sich U. bei der Bemessung des GdB für die psychische Störung am unteren Bereich des Beurteilungsspielraums bewegt und für dieses Leiden einen GdB von 10 angesetzt hat.

 

Für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem „Ohren“ ist, entgegen der Einschätzung von V., nur ein GdB von 10 festzustellen. Aus den von V. selbst mitgeteilten Werten (Hörverlust im Sprachaudiogramm am linken und rechten Ohr jeweils 15 %, im Tonaudiogramm am linken Ohr 15 % und am rechten Ohr 10 %) ergibt sich für eine Hörminderung nur ein Wert von 0 (vgl. Teil B Nr. 5.2.4 VMG). V. hat auch nicht begründet, auf welche Weise er auf Grundlage der Vorgaben in den VMG angesichts des von ihm beim Kläger festgestellten Hörvermögens zu einem GdB von 15 gelangt ist. Auch dann, wenn man insoweit den wechselnden Krankheitsverlauf (vgl. Teil A Nr. 2 f) VMG) mit einem vorübergehend von der behandelnden HNO-Ärztin (allerdings nur im Tonaudiogramm) gemessenen, etwas schlechteren Hörvermögen berücksichtigt (25 % Hörverlust auf dem rechten und 29 % auf dem linken Ohr (entsprechend einem GdB von 15, vgl. dazu Teil A Nr. 2 f) VMG) ergibt sich hierfür in der Gesamtbetrachtung kein GdB von mehr als 10. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass auch V. für den chronisch kompensierte Tinnitus nur von einem GdB von 10 ausgeht, kann damit ein höherer GdB als 10 für das Funktionssystem „Ohren“ insgesamt nicht angesetzt werden.

 

Angesichts dieser Einzel-GdB Werte kommt die Feststellung eines höheren GdB als 40 beim Kläger offensichtlich nicht in Betracht.

 

Bei vorliegend allenfalls drei Gesundheitsstörungen, die mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet werden können, ergibt sich vielmehr auch ein GdB von 40 nur bei einer für den Kläger sehr günstigen Betrachtungsweise. Ausgehend von einem GdB von 20 für das Schlafapnoesyndrom kann das Hinzutreten der Funktionsbeeinträchtigung von 20 für das Wirbelsäulenleiden, zu einer Erhöhung führen, weil hier unterschiedliche Funktionsbereiche betroffen sind, die voneinander unabhängig sind. Bei großzügiger Betrachtungsweise kommt auch noch eine weitere Erhöhung auf einen GdB von 40, zumindest bis zum Zeitpunkt der Untersuchung bei U. (am 06.11.2023), unter Berücksichtigung des psychischen Leidens, das dieser Sachverständiger bis dahin noch mit 20 bewertet hat, in Betracht. Eine weitere Erhöhung scheidet aus, da Gesundheitsstörungen, die nur mit einem GdB von 10 zu bewerten sind, hier die Gesundheitsstörung im Bereich der Knie und der Ohren, grundsätzlich nicht zu einer Erhöhung führen können (vgl. Teil A Nr. 3 d) ee) VMG). Unter Berücksichtigung der Feststellungen von U. liegt im Übrigen ab dem Zeitpunkt der Begutachtung durch diesen Arzt beim Kläger sogar ein GdB von mehr als 30 nicht mehr vor. Hierauf kommt es im vorliegenden Verfahren indes nicht an, da eine mögliche Herabsetzung des GdB nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Feststellung eines höheren GdB als 40 auch dann nicht in Betracht käme, wenn man, entgegen der Beurteilung durch den Sachverständigen U., davon ausginge, dass das psychische Leiden des Klägers weiterhin und auf Dauer mit 30 bewertet werden könnte.  Auch dann käme bei Hinzutreten von zwei weiteren Einzel-GdB von 20 höchstens ein GdB von 40 in Betracht, da es auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A 3 Nr. d) ee)) und es sich bei dem GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden, angesichts der vom Sachverständigen Y. beschriebenen Befunde, um einen Wert handelt, der nur eben erreicht wird.

 

Schließlich lässt auch der abschließend gebotene Gesamtvergleich die Annahme eines GdB von 50 nicht zu. Die VMG sehen einen GdB von 50 etwa bei folgenden Einzelleiden vor: Einschränkung der Herzleistung mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (Teil B Nr. 9.1.1), völlige Harninkontinenz (Teil B Nr. 12.2.4), Verlust der ganzen Hand (Teil B Nr. 18.13) oder Verlust eines Beines im Unterschenkel (Teil B Nr. 18.14 VMG). Hiermit ist die Gesamtheit der funktionellen Beeinträchtigungen des Klägers, der maßgeblich unter eher leichten Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule, Atemwege und Psyche leidet, nicht ansatzweise vergleichbar.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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