Kein Anspruch auf Kostenübernahme für eine CO2Lasertherapie mit Vaginalsonde.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. Juni 2023 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Bewilligung einer CO2-Lasertherapie zur Behandlung der Vulva und Vagina.
Die am F. 1952 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an menopausenbedingter Atrophie der Vulva und Vagina und hieraus resultierender chronischer Kolpitis (Entzündungen der Vagina), Vulvitis (Entzündungen der äußeren Genitalorgane) und Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr).
Mit Schreiben vom 16. Juli 2019 beantragte sie unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme von G., Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der diese Behandlung auch selbst anbietet, die Kostenübernahme für eine CO2-Laserbehandlung. Herr H. gab an, die Problematik der Klägerin werde durch eine antihormonelle Therapie bei Zustand nach Mammakarzinom verstärkt. Eine lokale Estrioltherapie sei bei ihrer Anamnese kontraindiziert. Die studienbelegte CO2-Laserbehandlung diene der Wiederherstellung der Kollagen- und Elastinbildung der Haut und Schleimhaut, um eine längerfristige Verbesserung und Linderung der Genitalsituation herbeizuführen und die medikamentöse Östrogen-Dauerapplikation zu vermeiden. Die Therapie bestehe aus ca drei bis fünf Einzelsitzungen im Abstand von vier bis sechs Wochen und danach einer Erhaltungsbehandlung jährlich.
Mit Bescheid vom 18. Juli 2019 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Bei der beantragten Leistung handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die noch keine Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen sei. Versicherte dürften sie nur in Anspruch nehmen, wenn diese durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) geprüft worden sei. Eine positive Entscheidung des GBA liege hier nicht vor. Die Klägerin legte hiergegen am 7. August 2019 Widerspruch ein, verwies ihrerseits auf ihre durchgemachte Brustkrebserkrankung und legte einen aktuellen Fachartikel zu der begehrten Therapie aus der Zeitschrift „Der Frauenarzt“ vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Angesichts der fehlenden Empfehlung durch den GBA sei eine Kostenübernahme nur möglich bei einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder hiermit vergleichbaren Erkrankung, wenn eine allgemein anerkannte Standardtherapie nicht zur Verfügung stehe. Diese Voraussetzungen lägen im Falle der Klägerin nicht vor.
Am 2. März 2020 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Sie hat vorgetragen, ihre Beschwerden seien Nebenwirkungen der Chemotherapie, der sie sich nach dem 2011 bei ihr entdeckten Mammakarzinome habe unterziehen müssen. Geschlechtsverkehr sei ihr nur unter Schmerzen möglich. Auch leide ihre Ehe darunter. Aufgrund ihres Alters (seinerzeit 67) wolle man ihr die erfolgversprechende Behandlung nicht gewähren, weil die sexuelle Gesundheit älterer Menschen nicht ernst genommen werde. Damit verstoße die Beklagte gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG). Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch Behandlungen, die durch starken Alkoholabusus oder Adipositas verursacht würden, von der Krankenkasse bezahlt würden, nicht hinnehmbar. Sie hingegen habe ihre Beschwerden nicht selbst verursacht und brauche daher dringend Unterstützung.
Die Klägerin hat eine Reihe weiterer Fachartikel vorgelegt. Das SG hat Befundberichte eingeholt bei Herrn H. und eine Anfrage bei dem GBA zur streitgegenständlichen Behandlungsmaßnahme gestellt. Der GBA hat bestätigt, dass er bislang keine Empfehlung nach § 135 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) abgegeben habe und ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden sei. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zum Befundbericht und zur GBA-Stellungnahme wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26. Juni 2023 abgewiesen. Es bestehe weder ein Sachleistungsanspruch noch ein Anspruch auf Kostenerstattung. Bei der streitbefangenen Leistung handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, für die der GBA ausweislich der eingeholten Auskunft noch keine positive Entscheidung getroffen habe. Die Klägerin leide auch nicht an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung. Zudem bestehe mit der von der Klägerin nicht präferierten hormonellen Behandlung oder dem Benutzen von Gleitgelen im Rahmen des vaginalen Geschlechtsverkehrs eine anerkannte Behandlungsmethode. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem beigezogenen Befundbericht des die Klägerin behandelden Gynäkologen. Dieser habe ausgeführt, dass sich der Befund mit Alterszunahme verschlechtert habe. Vor diesem Hintergrund sei schon zweifelhaft, ob die Scheidentrockenheit der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand sei. Scheidentrockenheit gehöre bei Frauen in höherem Lebensalter zum Leitbild der gesunden – auch lebensälteren – Frau.
Gegen das ihr am 29. August 2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin unter dem 14. September 2023 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Ihre Scheidentrockenheit habe erst in der Zeit der Behandlung mit Anastrozol begonnen, so dass es sich nicht um eine Alterserscheinung handele. Andere Krankenkassen würden die Behandlung finanzieren. Für sie existierten außerdem keine erfolgversprechenden, alternativen Behandlungsmöglichkeiten. Gleitgele wirkten bei ihr nicht und eine Hormonbehandlung sei wegen ihrer Vorerkrankung kontraindiziert, da sie die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs erhöhten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Hannover vom 26. Juni 2023 sowie den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 18. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Behandlung mit einer CO2-Lasertherapie zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist nochmals auf die fehlende positive GBA-Bewertung. Zudem sei nicht nachvollziehbar dargelegt, dass sämtliche existierende Alternativen zur Lasertherapie bei der Klägerin wirkungslos seien. Ergänzend führt die Beklagte aus, dass freiwillige Zusatzangebote sich von Kasse zu Kasse unterschieden. Insofern sei es möglich, dass die begehrte Leistung von anderen Kassen übernommen werde.
Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 21. Mai 2024 zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung im Beschlussverfahren angehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung konnte durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergehen. Danach kann das Landessozialgericht, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 SGG, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Voraussetzungen sind nach Auffassung des Senats erfüllt. Die Beteiligten müssen einer Entscheidung durch Beschluss nicht zustimmen, sondern nur angehört werden (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl § 153 Rn 14).
Die Berufung ist gemäß §§ 143 ff SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig. Der Senat hält die Berufung einstimmig für nicht begründet. Das Urteil des SG Hannover hält einer rechtlichen und tatsächlichen Überprüfung durch den Senat stand. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 und Abs 4 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Im Streit steht entgegen den Ausführungen des SG nach wie vor lediglich die Kostenübernahme für eine CO2-Lasertherapie, nicht die Kostenerstattung. Die Klägerin hat sich die begehrte Leistung – soweit ersichtlich und von ihr selbst angegeben – bislang nicht selbst beschafft. Ein Anspruch auf die begehrte Behandlung besteht jedoch nicht.
Nach § 27 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung in Form von ärztlicher Behandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die jeweilige Krankenkasse stellt ihren Versicherten diese Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aus § 12 SGB V zur Verfügung, wonach diese ausreichend und zweckmäßig, aber auch wirtschaftlich sein müssen, § 2 Abs 1 SGB V. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beanspruchen und dürfen die Leistungserbringer nicht auf Kosten der GKV bewirken und die Krankenkassen nicht auf deren Kosten bewilligen, § 12 Abs 1 SGB V. Dabei müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Um dies sicherzustellen, dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V eine Empfehlung abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern und über die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung. Dabei handelt es sich um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zum Schutz der Gesundheit der Patienten und der Beiträge der Versicherten (BeckOGK/Roters, 15. Mai 2024, SGB V § 135 Rn 1, beck-online). Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe zB Urteil vom 2. September 2014 - B 1 KR 11/13 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 32 Rn 13; vom 17. Februar 2010 - B 1 KR 10/09 R - SozR 4-2500 § 27 Nr 18 Rn 21 - Kryokonservierung; vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 20 Rn 20 - Magenband; vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr 12 Rn 12 mwN - LITT). Die begehrte Behandlung ist „neu“ im Sinne des § 92 Abs 2 iVm § 135 SGB V, da sie bisher nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführt ist. Der GBA hat auch keine Empfehlung für eine Behandlung mit einem fraktionierten CO2-Laser mit Vaginalsonde (MonaLisa Touch) abgegeben. Weiter hat der GBA auf Anfrage des SG bestätigt, dass ein Antrag zur Prüfung der Behandlungsmethode nicht vorliegt. Gleichzeitig liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein solcher Antrag mittlerweile gestellt wurde oder gestellt werden müsste.
Ein Anspruch auf die Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V besteht auch nicht aufgrund einer Ausnahme im Sinne des § 2 Abs 1a S 1 SGB V. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Dann würde die Krankenkasse vor Beginn der Behandlung auf Antrag eine Kostenübernahmeerklärung erteilen (§ 2 Abs 1a S 2 SGB V).
Weder vulvovaginale Athropie noch die daraus resultierende Kolpitis, Vulvaritis oder Dyspareunie sind lebensbedrohliche Krankheiten, oder solche, die regelmäßig tödlich verlaufen. Ein Mammakarzinom kann zwar potentiell tödlich sein, abgesehen davon, dass die Klägerin nicht (mehr) akut erkrankt ist, dient die Laserbehandlung jedoch nicht der Krebsbehandlung. Es handelt sich bei den geltend gemachten Beschwerden auch nicht um wertungsmäßig mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit vergleichbare Erkrankungen. Mit diesem Kriterium ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer „schwerwiegenden“ Erkrankung für die Eröffnung des sog Off-Label-Use formuliert ist (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr 19, Rn. 15; zu den Kriterien des Off-Label-Use siehe BSG, Urteil vom 19. März 2002 – B 1 KR 37/00 R –, BSGE 89, 184-192, SozR 3-2500 § 31 Nr 8). Sie wird beispielsweise angenommen bei einem wahrscheinlich drohenden Verlust eines wichtigen Sinnesorganes oder einer herausgehobenen körperlichen Funktion innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums (BSG vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 3/07 KR R; LSG Baden-Württemberg vom 5. November 2019 - L 11 KR 3947/18). Einen solchen Schweregrad erreichen die vulvovaginale Atrophie und ihre Auswirkungen ersichtlich nicht. Damit kommt es nicht darauf an, wie die Heilungschancen der Behandlung in Bezug auf den Zustand der Klägerin zu bewerten sind und auch nicht darauf, ob andere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen. Insbesondere kann für das Vorliegen der Voraussetzungen auch dahinstehen, welche konkreten Ursachen die Beschwerden der Klägerin haben. Den Leidensdruck der Klägerin vermag dies ebenso wenig zu determinieren, wie diesseits eine Entscheidung über die politische Dimension und Relation einzelner Leistungen der GKV zueinander getroffen werden kann.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im Sinne einer Altersdiskriminierung scheidet bereits deshalb aus, weil auch jüngere Menschen keinen Anspruch auf die nicht zugelassene Lasertherapie haben. Eine Ungleichbehandlung liegt damit nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).