Die Lehre von darstellender Kunst an Laien fällt in den Schutzbereich der Künstlersozialversicherung auch dann, wenn sie weder auf eine Professionalisierung zielt noch die Ausübung des Gelernten im professionellen künstlerischen Rahmen erfolgt.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts NiedersachsenBremen vom 15. März 2022 aufgehoben und die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Klägerin auch im Berufungs und Revisionsverfahren.
G r ü n d e :
I
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Im Streit steht die Feststellung einer Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung ab Januar 2018.
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Die 1968 geborene Klägerin trat und tritt noch als Flamencotänzerin auf. Sie betreibt seit November 2017 hauptberuflich eine FlamencoSchule und erzielt den überwiegenden Anteil ihrer Einnahmen aus dieser selbständigen Tätigkeit. Ihren Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG lehnte die beklagte Künstlersozialkasse ab: Tanzunterricht könne als Lehre von darstellender Kunst von § 2 Satz 1 KSVG erfasst sein, wenn die Schüler schwerpunktmäßig durch den Unterricht befähigt werden sollten, selbst als Tänzer tätig zu werden, um einen Tanz als Kunstform und nicht als Sport darzubieten. Hier erfolge jedoch keine Bühnentanzausbildung, auch wenn die Schüler das Erlernte in gelegentlichen öffentlichen Aufführungen präsentierten. Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin liege im Sportbereich (Bescheid vom 16.4.2018; Widerspruchsbescheid vom 9.1.2019).
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Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin seit 1.1.2018 der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliegt: Die Schüler der Klägerin würden durch den Unterricht befähigt, die Tanzform des Flamenco als künstlerischen Ausdruckstanz zu erlernen und aufzuführen, was auch außerhalb der klassischen Bühne erfolgen könne (Urteil vom 28.8.2019). Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen: Zwar seien die eigenen Tanzauftritte der Klägerin dem künstlerischen Wirkbereich zuzuordnen, die ihre Berufsausübung prägende Lehre des Flamenco liege aber nicht schwerpunktmäßig im Bereich des Bühnentanzes und könne daher nicht der Tanzkunst zugeordnet werden. Ihr Unterrichtsangebot sei dem Breiten bzw Freizeitsport vergleichbar. So biete die Klägerin keine speziellen Klassen mit erhöhtem Anforderungsprofil zur Vorbereitung einer professionellen Laufbahn als Flamenco-Tänzer an; vielmehr folge sie dem Prinzip des Freizeitsports, einer möglichst großen Schülerzahl die Welt des Flamenco zu öffnen. Die gelegentlichen Auftritte der Schüler modifizierten den Unterrichtscharakter nicht in Richtung Lehre von darstellender Kunst, da sie nicht im künstlerischen Rahmen einer Kultureinrichtung erfolgt seien (Urteil vom 15.3.2022).
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 1 Nr 1 und § 2 Satz 1 KSVG. Das LSG habe seiner Entscheidung einen sehr viel enger gefassten Begriff eines Künstlers oder einer künstlerischen Tätigkeit zugrunde gelegt, als er vom BSG erarbeitet worden sei, womit eine Verkennung dieser Tatbestandsmerkmale vorliege. Auch habe es die Besonderheiten des Flamencotanzes als einer eigenen künstlerischen Tanzform nicht vollständig in den Blick genommen und ausgewertet. Der Unterricht dieser Tanzform sei als Lehre von Kunst im Sinne von § 1 Nr 1 KSVG zu qualifizieren.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts NiedersachsenBremen vom 15. März 2022 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
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Die zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin, die den überwiegenden Anteil ihrer Einnahmen aus dem selbständigen Betrieb ihrer Flamenco-Schule erzielt, lehrt als Flamencotanzlehrerin darstellende Kunst und ist seit Januar 2018 versicherungspflichtig nach dem KSVG.
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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile der Vorinstanzen und der Bescheid der Beklagten vom 16.4.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.1.2019, durch die von der Beklagten die Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin nach dem KSVG abgelehnt worden ist und gegen die sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG) wendet. Nachdem das SG unter Aufhebung der Bescheide die Versicherungspflicht ab 1.1.2018 festgestellt und das LSG auf die Berufung der Beklagten das SGUrteil aufgehoben sowie die Klage abgewiesen hat, erstrebt die Klägerin mit ihrer Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach und Rechtslage durch den Senat ist die mündliche Verhandlung des LSG (vgl näher BSG vom 4.6.2019 B 3 KS 2/18 R BSGE 128, 169 = SozR 45425 § 2 Nr 26, RdNr 13).
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2. Rechtsgrundlage der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung ist hier § 1 KSVG (in der Fassung des RVOrgG vom 9.12.2004, BGBl I 3242) iVm § 2 Satz 1 KSVG (in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze vom 13.6.2001, BGBl I 1027).
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Nach § 1 KSVG werden ua selbständige Künstler in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Neben weiteren Voraussetzungen erfordert dies eine selbständige künstlerische Tätigkeit. Künstler in diesem Sinne ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt (§ 2 Satz 1 KSVG). Im Streit steht zwischen den Beteiligten zu Recht allein die Künstlereigenschaft der Klägerin, dh hier, ob sie darstellende Kunst lehrt.
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3. Für den Begriff der Kunst und für die Künstlereigenschaft im Sinne des KSVG knüpft der Senat in ständiger Rechtsprechung als Einordnungshilfe an die sog Katalogberufe nach dem "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahr 1975 (BTDrucks 7/3071) und an den mit dem KSVG verfolgten Zweck des sozialen Schutzes selbständiger Künstler an. Dieser Zweck erfordert und rechtfertigt die Einbeziehung auch im Künstlerbericht nicht genannter Ausübungsformen von Kunst in den Schutz durch die Künstlersozialversicherung jedenfalls dann, wenn diese ungeachtet ihrer Neuartigkeit eine Nähe zu den im Künstlerbericht genannten typologischen Ausübungsformen aufweisen (vgl nur BSG vom 25.10.1995 3 RK 24/94 BSGE 77, 21 = SozR 35425 § 24 Nr 12, juris RdNr 17 f; BSG vom 7.7.2005 B 3 KR 37/04 R SozR 45425 § 2 Nr 5, juris RdNr 13 f; BSG vom 28.9.2017 B 3 KS 1/17 R SozR 45425 § 2 Nr 25 RdNr 22).
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4. Zunächst ist der Flamencotanz als Kunst anzuerkennen.
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Flamenco ist eine Gattung volkstümlicher spanischer (andalusischer) Tanzlieder mit den Elementen Gesang, Tanz und Gitarrenbegleitung (vgl näher Brockhaus Enzyklopädie Online, Flamenco, https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/flamenco?isSearchResult=true, aufgerufen am 29.5.2024). Der Tanz als ein Element des Flamenco ist als ein Ausdrucks und Bühnentanz nach der Verkehrsanschauung darstellende Kunst, wofür auch die Anerkennung des Flamenco durch die UNESCO als immaterielles Kulturerbe spricht (vgl näher zur Bewerbung und Anerkennung Nomination File No. 00363 for inscription on the Represenative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity in 2010 und https://ich.unesco.org/en/decisions/5.COM/6.39).
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5. Tanz ist als darstellende Kunst nach der Rechtsprechung des Senats mehr als nur Ballett und erfasst verschiedenste Formen des Tanzes (vgl zur gegenüber dem Künstlerbericht geänderten Verkehrsauffassung bereits BSG vom 25.11.2015 B 3 KS 3/14 R SozR 45425 § 2 Nr 23 RdNr 20: "Bühnentanz"), bedarf aber als Tanzkunst der Abgrenzung zum Tanzsport (vgl zu den Abgrenzungskriterien BSG vom 28.9.2017 B 3 KS 1/17 R SozR 45425 § 2 Nr 25 RdNr 25 ff mwN).
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a) Beim Tanzsport in Form des professionellen Leistungs bzw Spitzensports wie des nicht-professionellen Breiten bzw Freizeitsports steht typischerweise für die Akteure der Wettkampfgedanke im Vordergrund und bestehen Regeln und Wertmaßstäbe aus dem Bereich des Sports (zB Turniertanz). Demgegenüber ist die Tanzkunst vom künstlerischen Anspruch ihrer Akteure geprägt. Auch unterscheiden sich Tanzkunst und Tanzsport regelmäßig nach der Art der Veranstaltung, dem Veranstaltungsort und der Zugehörigkeit der Akteure zu einschlägigen Interessengruppen. Unterschiedlich sind zudem bei Veranstaltungen die Erwartungen des Publikums, die beim Tanzsport auf einen Wettbewerb und bei Tanzkunst auf eine unterhaltende Darbietung gerichtet sind.
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b) Ausgehend hiervon ist Flamenco als ein Bühnentanz Tanzkunst und nicht Tanzsport. Ein sportliches Regelwerk existiert insoweit nicht und Flamenco ist nicht im Breitensportprogramm des Deutschen Tanzsportverbands eV gelistet, wie das LSG jeweils festgestellt hat. Flamenco als künstlerischer Bühnentanz ist in Deutschland auch nicht bloße Traditions und Brauchtumspflege im Sinne von Folklore (vgl zu deren Ausschluss aus dem Schutzbereich des KSVG BSG vom 25.11.2015 B 3 KS 3/14 R SozR 45425 § 2 Nr 23 RdNr 15).
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6. Indes liegt der wirtschaftliche Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin nicht im Bereich der Ausübung von Tanzkunst als Flamencotänzerin, sondern in der Lehre.
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a) Für das Unterrichten von Flamenco als Lehre von Kunst bedarf es nach der Rechtsprechung des Senats einer Abgrenzung, hier der von Tanzunterricht und Sporttraining. Abzugrenzen ist danach, ob es im Schwerpunkt und nach dem Kontext um auf sportliche Fitness zielendes Training oder um die Vermittlung von Fähigkeiten zur eigenen Präsentation von Bühnentanz geht (vgl zu den Abgrenzungskriterien und zur Maßgeblichkeit des jeweiligen Kontexts BSG vom 25.11.2015 B 3 KS 3/14 R SozR 45425 § 2 Nr 23 RdNr 16 ff, 21 mwN). Um Lehre von Tanzkunst handelt es sich zudem dann nicht, wenn statt der aktiven Kunstausübung der Schülerinnen und Schüler vorrangig auf diese bezogene pädagogische, psycho oder soziotherapeutische Ziele verfolgt werden (vgl dazu BSG vom 1.10.2009 B 3 KS 3/08 R BSGE 104, 258 = SozR 45425 § 2 Nr 15, RdNr 19).
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b) Nach diesen Maßstäben lehrt die Klägerin als erfahrene Bühnentänzerin in ihrer Tanzschule darstellende Kunst. Die Lehre von darstellender Kunst an Laien fällt in den Schutzbereich der Künstlersozialversicherung auch dann, wenn sie weder auf eine Professionalisierung zielt noch die Ausübung des Gelernten im professionellen künstlerischen Rahmen erfolgt.
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Bei seiner hiervon abweichenden Würdigung der für den Senat bindend festgestellten Tatsachen (§ 163 SGG) hat das LSG die Anforderungen an die professionelle Ausrichtung der Lehre und der Ausübung des Gelernten anders gewichtet und so den Anwendungsbereich der Lehre von Kunst an Laien zur Ausübung zu Freizeitzwecken geschmälert. Denn unerheblich ist nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Senats, ob angehende Berufstänzer oder Laien unterrichtet werden, die nur in ihrer Freizeit am Unterricht teilnehmen und das Gelernte auch nur für Freizeitzwecke verwenden wollen (vgl BSG vom 25.11.2015 B 3 KS 3/14 R SozR 45425 § 2 Nr 23 RdNr 16). Der Senat ist deshalb unter Anwendung seiner vom LSG zutreffend wiedergegebenen rechtlichen Maßstäbe insoweit nicht an einer eigenen Würdigung gehindert; die Entscheidung des LSG ist unabhängig von Verfahrensrügen mit den getroffenen Feststellungen in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen (vgl Schmidt in MeyerLadewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 163 RdNr 5a; vgl enger zur revisionsgerichtlichen Überprüfung der instanzgerichtlichen Tatsachenwürdigung BSG vom 8.10.2014 B 3 KS 6/13 R SozR 45425 § 24 Nr 14 RdNr 36).
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Eine Ausübung des Flamenco durch die Schülerinnen der Klägerin im professionellen Bereich ist danach nicht Voraussetzung dafür, dass sie als Lehrende darstellender Kunst Zugang zur Künstlersozialversicherung hat. Ihr Unterricht als Tanzlehrerin ist im Schwerpunkt auf die Befähigung von erwachsenen Laien zur eigenständigen aktiven Ausübung von Flamenco als Bühnentanz für Freizeitzwecke ausgerichtet. Die soziale Schutzbedürftigkeit der Klägerin entfällt nicht dadurch, dass die Tanzaufführungen ihrer Schülerinnen nicht auf klassischen Bühnen oder sonst im künstlerischen Rahmen von Kultureinrichtungen stattfinden. Würde die Unterrichtung von Bühnentanz an Laien als Lehre von darstellender Kunst nur anzusehen sein, wenn das Gelernte im professionellen künstlerischen Rahmen zur Aufführung kommt, wäre diese Lehrtätigkeit letztlich weithin vom Zugang zur Künstlersozialversicherung ausgeschlossen, weil Laien in aller Regel die Ausübung der gelernten Kunst zu Freizeitzwecken nur außerhalb eines professionellen Rahmens realisieren können.
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c) Dem Zugang zur Künstlersozialversicherung steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Klägerin in untergeordnetem Umfang neben der Vermittlung der Befähigung zum Bühnentanz an Laien zeitweise auch mehr sportlich oder pädagogisch ausgerichtete Kurse angeboten hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.