1. Eine �unentgeltliche Nachbarschaftshilfe� kann als �Wie-Unternehmer�, aber auch als �Wie-Beschäftigter� verrichtet werden.
2. Die Auslegung des Begriffs �wie ein Beschäftigter� muss sich zuerst an der gesetzlichen Regelung zur Beschäftigung in § 7 Abs 1 SGB IV orientieren.
3. Fehlt sowohl eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen, eine positiv festzustellende Weisungsgebundenheit als auch eine Eingliederung in das unterstützte Unternehmen, so liegt im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau regelmäßig keine �Wie-Beschäftigung� vor.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfall des Klägers am 11. November 2017 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen ist. Umstritten ist vor allem, ob der Kläger als sogenannter Wie-Beschäftigter unter Versicherungsschutz stand.
Nach dem D-Arztbericht vom Unfalltag stürzte der Kläger aus ca. 4-5 m Höhe aus einem Baum und schlug rücklings auf. Als Unfallfolge wurde anschließend unter anderem eine Fraktur des Brustwirbelkörpers 11 festgehalten. Auf Befragen durch die Beklagte gab der Kläger an, er sei für H. und S. H. (im weiteren Familie H.) tätig gewesen. Es seien Baumschnitt- sowie Baumfällarbeiten geplant gewesen. Man habe mündlich eine entsprechende Tätigkeit vereinbart. Diese hätte voraussichtlich vier Stunden gedauert. Der Unfall habe sich ca. 30 Minuten nach Beginn der Tätigkeit ereignet. Er habe vergleichbare Arbeiten seit dem Jahre 2007 einmal pro Jahr durchgeführt. Er habe zu der Familie H. kollegiale Beziehungen. Seiner Einschätzung nach handele es sich um selbstverständliche gegenseitige Hilfsdienste, die sich aus konkreten sozialen Beziehungen ergäben. In einem Bericht vom 22. Dezember 2017 gab Dipl.-Med. P. an, der Kläger habe im Rahmen der Nachbarschaftshilfe den Unfall erlitten, als er einen Baum einkürzen wollte, um ihn danach zu fällen. Dazu sei er auf den Baum in entsprechender Arbeitsschutzkleidung geklettert und habe sich dabei mit einem Sicherheitsgurt angegurtet. Beim Umgurten (Umsetzen des Gurtes) zum Positionswechsel habe er sich an einem morschen Ast festgehalten, welcher dann abgebrochen sei. Er sei aus ca. 4-5 m Höhe auf den Rasen gestürzt und habe multiple Frakturen der Brustwirbelsäule erlitten.
In einem persönlichen Gespräch erläuterte der Kläger, er kenne Frau H. seit 20 Jahren. Sie seien Arbeitskollegen. Der Ehemann von Frau H. habe mit seinem Vater zusammengearbeitet, weshalb ein freundschaftliches Verhältnis bestehe. Ein- bis zweimal im Jahr treffe man sich auch privat. Geburtstage oder andere Feierlichkeiten würden nicht gemeinsam begangen. Auf dem Grundstück habe ein Walnussbaum gefällt werden sollen. Ende Oktober/Anfang November habe er das Grundstück besichtigt und den Termin abgesprochen. Die Arbeiten hätten ungefähr einen halben Tag dauern sollen. Der Baumschnitt und das Holz des Baumes sollten vor Ort bleiben. Ein Entgelt o. ä. sei nicht vereinbart worden. Am Unfalltag seien neben Herrn H. zwei weitere Helfer auf dem Grundstück gewesen. Am Unfalltag habe er das Auto seines Arbeitgebers mit der darin befindlichen Ausrüstung genutzt. In diesem hätten sich Kettensäge, Gurte, Seile, Arbeitsschutzsachen, persönliche Schutzausrichtung u.s.w. befunden, da er im Freileitungsbau tätig sei. Er sei gelernter Forstwirt und habe auch in der Landschaftspflege gearbeitet, so dass er über entsprechendes Fachwissen im Umgang mit dem Werkzeug für die Baumfällung verfüge. Er sei Kettensägenführer und im Betrieb seines Arbeitgebers auch für diese Geräte zuständig. Die entsprechend vorgeschriebene Schutzkleidung habe er am 11. November 2017 auch getragen. Vereinzelt habe er in der Vergangenheit auch ähnliche Arbeiten für andere Bekannte durchgeführt.
Herr und Frau H. bestätigten die Angaben des Klägers. Das vom Kläger genutzte Werkzeug sei von ihrer gemeinsamen Firma. Der Kläger sei allein im Baum tätig gewesen. Die anderen Helfer seien zum Wegräumen des Baumschnittes eingesetzt worden. Sie habe den Kläger angesprochen, ob er diese Tätigkeiten übernehmen könnte, da sie gewusst habe, dass er über entsprechende Fachkenntnisse verfüge.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2018 lehnte die Beklagte die Anerkennung des streitigen Vorfalles als Arbeitsunfall im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) ab und führte zur Begründung aus, alle Umstände entsprächen einer unternehmerähnlichen Tätigkeit und keiner einem Beschäftigten vergleichbaren Tätigkeit. Hiergegen legte der Kläger keine Rechtsmittel ein.
Mit einem am 25. Februar 2019 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben stellte er jedoch einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die dem Unfallereignis zugrundeliegende Tätigkeit werde von ihm auch sonst im Rahmen seiner Arbeitnehmertätigkeit ausgeführt. Die Art seiner Tätigkeit sei durch den Standort des Baumes festgelegt gewesen. Auch der konkrete Umfang und der Zeitpunkt der durchzuführenden Arbeiten sei durch die Familie H. vorgegeben worden. Allein die konkrete Planung in Bezug auf die Umsetzung der besprochenen Arbeiten sei durch ihn erfolgt. Dieser Umstand stelle sich aufgrund seiner Fachkenntnisse jedoch auch in seiner Arbeitnehmertätigkeit nicht anders dar. Das von ihm eingesetzte Arbeitsmaterial sei als handelsübliches Werkzeug auch bei Hausbesitzern vorhanden. Er hätte auch das bei der Familie vorhandene Werkzeug wie Hochentaster, Entastungsschere, Leiter u.s.w. nutzen können.
Mit Bescheid vom 20. März 2019 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides ab. In seiner Widerspruchsbegründung führte der Kläger unter anderem aus, dass nicht jeder Laie in der Lage sei, diese Arbeiten zu verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und wiederholte ihre bisherige Begründung.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Januar 2020 Klage erhoben und sich auf seinen bisherigen Vortrag bezogen. Er hat betont, es habe sich um eine typische Nachbarschaftshilfe gehandelt.
Mit Urteil vom 20. Juli 2022 hat das Sozialgericht Dessau die Klage abgewiesen, wobei es maßgeblich das Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit abgelehnt hat. Der Kläger sei wie ein Unternehmer tätig gewesen.
Gegen das ihm am 1. August 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger im selben Monat Berufung eingelegt und seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. Juli 2022 und den Bescheid der Beklagten vom 20. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 10. Oktober 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für Heilbehandlungen sowie Verletztengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung zu übernehmen bzw. zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats (§ 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG) einverstanden erklärt.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Vorfall noch einmal geschildert. Insoweit wird auf das Protokoll Bezug genommen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat durch den vom Vorsitzenden ernannten Berichterstatter entscheiden (§ 155 Abs. 3, 4 SGG). Denn die Streitsache ist tatsächlich unstreitig. Zu den Rechtsfragen gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen von Landessozialgerichten, aber auch des Bundessozialgerichts, so dass die Rechtslage geklärt ist.
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage war als (kombinierte) Anfechtungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 S 1, § 56 SGG), weil die Beklagte in ihrem Bescheid vom 20. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2019 die Abänderung ihres Bescheides vom 10. Oktober 2018 abgelehnt hat.
Unzulässig ist aber der weitere Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für Heilbehandlungen sowie Verletztengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung zu übernehmen bzw. zu leisten. Auch der Bescheid vom 10. Oktober 2018 enthielt nur eine Regelung i.S. des § 31 SGB X über das Nichtvorliegen eines Versicherungsfalls i.S. des § 8 Abs. 1 SGB VII. Über die Zahlung von Verletztengeld und Heilbehandlung hat die Beklagte keine Entscheidung getroffen, so dass der Kläger mangels Vorverfahren keine zulässige Leistungsklage erheben konnte (ausführlich BSG, 16.3.2021, B 2 U 17/19 R, juris, Rn. 24 ff).
Die Klage auf „Anerkennung“ des Anspruchs auf Heilbehandlung ist auch aus einem weiterem Grunde unzulässig. Konkrete Leistungen der Heilbehandlung hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt benannt, geschweige denn rechtsförmig geltend gemacht. Grundsätzlich kommt eine Verurteilung zur Erbringung von Sachleistungen in einem bereits abgelaufenen Zeitraum nicht in Betracht, da diese denklogisch nicht für die Vergangenheit erbracht werden können.
Ein allgemeines prozessuales Begehren auf (zukünftige) Heilbehandlung ist schon mangels Bestimmtheit nicht zulässig. Aus einer Anerkennung bzw. Feststellung einer Erkrankung als Folge eines Versicherungsfalls folgt gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII der Anspruch auf Heilbehandlung, so dass kein Rechtsschutzbedürfnis für eine entsprechende allgemeine Verurteilung der Beklagten besteht.
Der Senat entnimmt dem Antrag aber im Wege der Auslegung, dass der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung des Unfalls vom 11. November 2017 als Versicherungsfall begehrt. Diese Verpflichtungsklage ist zulässig.
Jedoch ist die Klage, soweit zulässig, unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2019 ist nicht rechtswidrig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Der Bescheid vom 10. Oktober 2018, mit dem die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles abgelehnt hatte, ist jedoch nicht rechtswidrig.
Nach § 8 Abs. 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Ein Unfall liegt vor.
Der Kläger war aber nicht versichert. Insbesondere war er nicht als sog. „Wie-Beschäftigte“ gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII versichert, als den Baum fällte. Voraussetzung einer Wie-Beschäftigung ist, dass eine einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Verrichtung von wirtschaftlichem Wert erbracht wird, die ihrer Art nach von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen (zuletzt BSG, 22.6.2023, B 2 U 19/21 R, juris Rn. 21; BSG, 31.3.2022, B 2 U 13/20 R, juris; BSG, 16.3.2021, B 2 U 3/19 R, juris Rn. 17, BSG, 15.12.2020, B 2 U 4/20 R, juris; BSG, 20.3.2018, B 2 U 16/16 R, juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen; weiter BSG, 27.10.2009, B 2 U 26/08 R, juris Rn. 25; BSG, 13.9.2005, B 2 U 6/05 R, juris Rn. 7 m.w.N.; vgl. Krasney, NZS 1999, 577 ff; Keller NZS 2001, 188 ff; Niedermeyer NZS 2010, 312 ff).
Die Auslegung des Begriffs „wie ein Beschäftigter“ hat sich zuerst an der gesetzlichen Regelung zu orientieren. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, 19.10.2021, B 12 R 6/20 R, juris Rn. 17 - 20).
Eine Wie-Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 2 SGB VII setzt allerdings nicht voraus, dass alle Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sein müssen (BSG, 19.6.2018, B 2 U 32/17 R, juris). Es sind die Besonderheiten der vom Gesetz verlangten Ähnlichkeit zu einem Beschäftigten - nicht die Identität - zu würdigen. Insbesondere braucht keine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen vorzuliegen (BSG, 17.3.1992, 2 RU 22/91, juris Rn. 15), ebenso wenig ist die Eingliederung in das unterstützte Unternehmen zwingend erforderlich (BSG, 19.6.2018, B 2 U 32/17 R, juris).
Entscheidend ist (wie auch im Rahmen des § 7 SGB IV), ob nach dem Gesamtbild der Tätigkeit diese vom Handelnden „wie ein Beschäftigter“ oder „wie ein Unternehmer“ ausgeübt wurde (siehe BSG, 5.07.2005, B 2 U 22/04 R, juris; BSG, 08.01.1993, 2 B U 118/92, juris; BSG, 27.10.1987, 2 Ru 9/87, juris; Keller, NZS 2001, 188 ff; so auch die vom Kläger angeführten Urteile LSG Niedersachsen Bremen, 28.5.2013, L 9 U 113/12, juris Rn. 33; LSG Niedersachsen Bremen, 14.12.2007, L 9 U 5/05, juris Rn. 25; LSG Bayern, 11.12.2007, L 3 U 299/06 Rn. 22). Kein Versicherungsschutz besteht, wenn die zum Unfall führende Tätigkeit eher mit einem Auftrag mit Werkvertragscharakter als mit einer abhängigen Beschäftigung vergleichbar wäre oder der Verletzte sein Handeln planerisch gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen konnte (vgl. BSG, 31.5.2005, B 2 U 35/04 R, juris, Rn. 17).
Dahinstehen kann, ob eine Wie-Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 2 SGB VII voraussetzt, dass die Verrichtung typisierend betrachtet üblicherweise von abhängig Beschäftigten erbracht wird und es insofern für die Wie-Beschäftigung einen Arbeitsmarkt gibt (vgl. LSG Baden-Württemberg, 31.8.2012, L 8 U 4142/10 - juris Rn. 37; Hessisches LSG, 12.4.2016, L 3 U 171/13, juris Rn. 33). Zwar hat das Bundessozialgericht in der Vergangenheit gefordert, dass die Tätigkeit ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die zu dem Unternehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit stehen (BSG, 30.11.1962, 2 RU 174/60, juris Rn. 20). Aufgrund der Ökonomisierung aller Lebensbereiche sind wohl nur noch wenige Tätigkeiten denkbar, die von vornherein aufgrund ihrer Art als „Wie-Beschäftigungen“ deshalb ausscheiden, weil sie nicht auch von abhängig Beschäftigten verrichtet werden könnten (vgl. BSG, 19.6.2018, B 2 U 32/17 R, juris). Dem schließt sich der Senat an.
Zumindest hier kann der Senat beides festzustellen: Ein Baum kann grundsätzlich im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder im Rahmen eines Auftrags als Selbständiger (ohne oder unter Einsatz von Beschäftigten) gefällt werden. Entsprechendes gilt für die Tätigkeit „wie ein Unternehmer“ oder „wie ein Beschäftigter“.
Der Senat geht davon aus, dass eine „unentgeltliche Nachbarschaftshilfe“ vorliegt. Diese ist jedoch wie dargelegt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nicht versichert, sofern sie unter unternehmerähnlichen Bedingungen vorgenommen wird. Insoweit ist es kein Argument, dass in anderen Fällen Baumfällarbeiten (unter beschäftigtenähnlichen Bedingungen) als versicherungspflichtig bewertet wurden. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger kein Baumfällunternehmen betrieb. Er ist aber auch kein Beschäftigter der Familie H. gewesen. Maßgeblich ist, dass seine unfallbringende Tätigkeit in allen maßgeblichen Punkten einem selbständigen Unternehmer und damit keinem Beschäftigten vergleichbar war.
Der Kläger war zunächst hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung keinem Weisungsrecht unterworfen (vgl. BSG, 15.6.2010, B 2 U 12/09 R, juris Rn. 22 - 23).
Der Ort der Tätigkeit stand zwar fest. Allerdings lag dies nicht an einer bindenden Weisung der Familie H., sondern entzog sich durch den Standort des Baumes der Disposition der Beteiligten. Auch hier hätte mit einem Baumfällunternehmer nichts Anderes vereinbart werden können. Eine Konkretisierung der Tätigkeit war nur für einen bestimmten Erfolg - Fällen des Walnussbaumes - erfolgt. Es wäre lebensfremd, dass die Familie H. einseitig einen anderen Ort (einschließlich eines anderes Baumes auf einem anderen Grundstück) hätte festsetzen können. Wie der Kläger selbst vorträgt, hatte er keinerlei Verpflichtungen übernommen (Schriftsatz vom 15. Februar 2021). Auch insoweit unterlag der Kläger keinen Weisungen der Familie H..
Die anderen Beteiligten waren insoweit nur „Helfer“ von Ort und damit der Tätigkeit des Klägers untergeordnet. Dies entspricht nicht einem Arbeitsverhältnis, in dem die Familie H. der Arbeitgeber und der Kläger der Arbeitnehmer gewesen wäre.
Der Umstand, dass Angehörige der Familie H. und eine dritte Person für das Wegräumen des Baumschnittes eingesetzt werden sollten, ist nicht maßgeblich für die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers, die unstreitig nur in dem Fällen des Baumes bestand. Wer nach Beendigung der Tätigkeit des Klägers andere Arbeiten durchführte, ist rechtlich unerheblich.
Die Dauer der Tätigkeit ergab sich wie bei einem Unternehmer aus dem zu verrichtenden Werk (Fällen des Baumes). Es ist fernliegend, dass der Kläger unabhängig von dem konkreten Zeitbedarf nur für eine bestimmte Dauer - z.B. vier Stunden - eingesetzt werden sollte. Er sollte nur einen bestimmten Erfolg herbeiführen und nicht - wie ein Beschäftigter - seine Arbeitskraft für eine begrenzte Zeitdauer zur Verfügung stellen. Im Gegenteil hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren angegeben, dass er sich entschieden habe, den Baum vorher zu entasten. Dies hat die Zeitdauer verdoppelt. Dieser Ablauf schließt eine Weisung zeitlicher Art aus.
Den Termin der Durchführung hatte der Kläger mit der Familie H. „abgesprochen“, wie der Kläger und Frau H. („Terminabsprache“) angegeben haben. Nicht anders hätte dies ein kommerzielles Baumfällunternehmen getan; hier mussten sich beide Beteiligten auf Augenhöhe auf einen konkreten Termin einigen. Fernliegend ist die Vorstellung, dass ein Unternehmer jederzeit nach seiner eigenen Bestimmung das Grundstück der Familie H. betreten und den Baum eigenständig fällen könnte. Ebenso lebensfremd ist, dass die Familie H. wie bei einem Beschäftigten einseitig ein anderes Datum oder Uhrzeit hätte festsetzen können oder - wie der Kläger später behauptet hat - der konkrete Umfang und der Zeitpunkt von der Familie H. vorgegeben worden sei. Die Terminabsprache erfolgte nach der übereinstimmenden Schilderung des Klägers und Frau H. im Vorfeld mit gleichzeitiger Besichtigung, sodass der Kläger seine Wünsche hinsichtlich der Zeiten und der durchzuführenden Arbeiten äußern konnte. Maßgeblich ist, dass keine Weisung bezüglich der Zeit feststellbar ist.
Wegen des überragenden Fachwissens des Klägers war eine Weisung hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung eingeschränkt. Der Senat stimmt dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (28. Mai 2013 L 9 U 113/12, juris Rn. 29) zu, dass die Gefährlichkeit der Tätigkeit und ein konkretes (subjektives) Sonderwissen des Verunfallten darüber unerheblich ist. Dies ist - wie oben dargelegt - kein Merkmal einer abhängigen Beschäftigung oder der Selbständigkeit. Dass aber Fachwissen im Einzelfall Auswirkungen auf die Beurteilung der Weisungsbefugnis haben kann, stellt das LSG Niedersachsen-Bremen nicht in Abrede. Dabei ist zu Gunsten des Klägers zu beachten, dass die Weisungsgebundenheit - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein kann (BSG, 19.10.2021, B 12 R 6/20 R, juris Rn. 17 - 20). Insoweit ist dieses Kriterium nicht ausschlaggebend.
Allerdings spricht auch dieser Gesichtspunkt gegen eine (positiv festzustellende) Weisungsabhängigkeit des Klägers. Zunächst liegt eine große Sachkunde bei dem Kläger vor. Er hat im Rahmen des Gespräches am 28. August 2018 angegeben, dass er gelernter Forstwirt sei und auch in der Landschaftspflege gearbeitet hätte. Er verfügt über entsprechendes Fachwissen im Umgang mit den Werkzeugen und für Baumfällungen und ist Kettensägenführer. Auch in seiner Widerspruchsbegründung hat der Kläger unter anderem ausgeführt, dass nicht jeder Laie in der Lage sei, diese Arbeiten zu verrichten. Frau H. hat angegeben, den Kläger gerade wegen seines Fachwissens und seiner praktischen Fertigkeiten um Hilfe gebeten hat (vgl. insoweit LSG Berlin-Brandenburg, 23.2.2012, L 2 U 223/09, juris Rn. 25; Bayerisches LSG, 24.9.2020, L 17 U 311/18, juris Rn. 40; LSG Berlin-Brandenburg, 14.12.2023, L 3 U 142/21, juris Rn. 80).
Insoweit ist das Weisungsrecht allerdings nicht nur eingeschränkt, sondern fehlt völlig. Der Kläger räumt ein, dass die konkrete Planung in Bezug auf die Umsetzung der besprochenen Arbeiten durch ihn erfolgt ist. In der mündlichen Verhandlung hat er angegeben, er habe die anderen Helfer eingewiesen. Er hat erläutert, dass er Stricke an einzelnen Ästen befestigt habe, damit diese dann von den untenstehenden Helfern in die richtige Position gebracht werden konnten. Teilweise hätten die Äste auch über die Garage geragt und hätten entsprechend von den Helfern in die richtige Position gebracht werden sollen. Diese hätten nach seinen Vorgaben gearbeitet. Dies ist das Gegenteil einer Tätigkeit des Klägers nach Weisung, was als Tatbestandsmerkmal positiv festzustellen ist.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch erklärt, dass er sich entschieden habe, den Baum vorher zu entasten. Auch in diesem Punkt ist eine Weisung daher ausgeschlossen. Angesichts der vom Kläger erläuterten verschiedenen Möglichkeiten (Fällen mit und ohne vorherige Entastung) wäre die Familie H. hier auch ohne Fachwissen in der Lage gewesen, Weisungen zu erteilen. Stattdessen hat der Kläger die Vorgehensweise festgelegt, was den Zeitbedarf nach seinen Darlegungen in der mündlichen Verhandlung verdoppelt hat.
Selbst wenn man auf die Forderung einer Weisungsabhängigkeit verzichten würde und die Eigenschaft als Wie-Beschäftigter allein aus der Eingliederung in den Betrieb ableiten könnte, ergäbe sich nichts Anderes. Denn der Kläger war auch nicht (vorübergehend) in ein fremdes Unternehmen eingegliedert (vgl. insoweit BSG, 15.5.2010, B 2 U 12/09 R, juris Rn. 22 - 23). Im Gegenteil hat er zumindest die wichtigen und wesentlichen Werkzeuge für seine Tätigkeit mitgebracht. Dazu zählten zwei Kettensägen, Gurte, Seile, Arbeitsschutzsachen und die persönliche Schutzausrichtung. Unerheblich ist, ob das von ihm eingesetzte Arbeitsmaterial als handelsübliches Werkzeug und Leiter auch bei Hausbesitzern vorhanden war. Maßgeblich ist die konkrete Durchführung; der Senat hat nur über den Fall zu entscheiden wie er sich zugetragen hat. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hatte er sogar die Leiter mitgebracht.
Auch insoweit unterscheidet sich der Kläger in keiner Weise von einem professionellen Baumfällunternehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Der Senat folgt wie dargelegt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.