L 3 AS 840/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 453/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 840/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 08.02.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Gründe

I.


Die Kläger begehren von dem Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 SGB X die Übernahme von Kosten für einen Garagenstellplatz in Höhe von 40,90 € monatlich für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021.

Die 1987 geborene Klägerin Ziff. 1 lebte im streitigen Zeitraum zusammen mit ihren in den Jahren 2006, 2009 und 2015 geborenen Kindern (den Klägern Ziff. 2 bis 4) in einer Mietwohnung im S1 in F1.

Nach dem am 22.06.2012 zwischen der Klägerin Ziff. 1 und der S2 GmbH geschlossenen Mietvertrag waren für diese Wohnung ab dem Mietbeginn am 16.07.2012 monatlich eine Grundmiete in Höhe von 471,90 €, Kosten für einen Stellplatz in Höhe von 40,90 € sowie eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 142,00 € zu bezahlen. Der Mietvertrag enthält keine Regelung dazu, ob eine Untervermietung des Stellplatzes möglich gewesen wäre. Ausweislich der vom Senat eingeholten Auskunft der S2 GmbH vom 15.08.2023 hätte der Klägerin eine Untervermietung des Stellplatzes genehmigt werden können, allerdings nur an „Bewohner der Objekte im S1“.

Die Kläger bezogen im weiteren Verlauf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei der Bewilligung der Leistungen wurden vom Beklagten die Kosten für den Stellplatz jeweils nicht übernommen.

Für den Bewilligungszeitraum vom 01.05.2019 bis zum 30.04.2020 gewährte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 19.03.2019 sowie mit Änderungsbescheiden vom 08.05.2019 und vom 01.06.2019 Leistungen nach dem SGB II und berücksichtigte hierbei als Kosten für Unterkunft und Heizung jeweils die Grundmiete in Höhe von 484,64 €, Heizkosten in Höhe von 126,44 € und Nebenkosten in Höhe von 167,60 €.

Am 25.07.2019 legte die Klägerin Ziff. 1 dem Beklagten die Betriebskostenabrechnung der S2 GmbH vom 05.07.2019 vor. Hiernach waren für die von den Klägern angemietete Wohnung seit dem 01.09.2019 monatlich eine Grundmiete in Höhe von 484,63 €, Kosten für den Stellplatz in Höhe von 40,90 € sowie eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von insgesamt 316,00 € zu bezahlen. Der auf die Kaltnebenkostenvorauszahlung entfallende Betrag belief sich auf 208,56 €.

Daraufhin berücksichtigte der Beklagte mit den weiteren für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2020 ergangenen Änderungsbescheiden vom 23.11.2019, vom 19.02.2020 und vom 12.03.2020 neben den Regelleistungen auch Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 800,64 €. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus der Grundmiete in Höhe von 484,64 €, Heizkosten in Höhe von 107,44 € und Nebenkosten in Höhe von 208,56 €. Mit dem Änderungsbescheid vom 19.02.2020 wurden für den Monat Februar 2020 die von den Klägern für das Jahr 2019 entrichteten Abfallgebühren in Höhe von 197,28 € erstattet. Mit dem Änderungsbescheid vom 12.03.2020 wurden für den Monat März 2020 die von den Klägern für das Jahr 2019 entrichteten Abfallgebühren in Höhe von 201,84 € erstattet.

Für den Bewilligungszeitraum vom 01.05.2020 bis zum 30.04.2021 gewährte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 03.04.2020 und mit Änderungsbescheid vom 21.11.2020 neben den Regelleistungen auch Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 800,64 €. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus der Grundmiete in Höhe von 484,64 €, Heizkosten in Höhe von 107,44 € und Nebenkosten in Höhe von 208,56 €. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 24.02.2021 erstattete der Beklagte den Klägern für den Monat März 2021 die für das Jahr 2021 entrichteten Abfallgebühren in Höhe von 201,84 €.

Am 19.05.2021 erging im Revisionsverfahren B 14 AS 39/20 R das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG). Der Leitsatz zu diesem Urteil lautet: „Leistungsberechtigte nach dem SGB II sind nicht aufgrund des allgemeinen Nachranggrundsatzes zur Untervermietung eines PKW-Stellplatzes verpflichtet, wenn Wohnung und Stellplatz Bestandteile eines einheitlichen Mietverhältnisses sind und die Gesamtmiete angemessen ist.“ (juris)

Laut Mietbescheinigung der S2 GmbH vom 17.11.2021 waren für die von den Klägern angemietete Wohnung weiterhin monatlich eine Grundmiete in Höhe von 484,63 €, Kosten für den Stellplatz in Höhe von 40,90 € sowie eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von insgesamt 316,00 € zu bezahlen, wovon sich der auf die Kaltnebenkostenvorauszahlung entfallende Betrag auf 208,56 € belief.

Mit Schreiben vom 17.11.2021 beantragten die Kläger die Überprüfung der seit dem 01.01.2020 erfolgten Bewilligungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Berücksichtigung der Aufwendungen für den Stellplatz als Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II. Der Stellplatz sei zwingender Bestandteil des Mietvertrages und nicht separat kündbar. Die Aufwendungen für den Stellplatz seien daher nach der ständigen Rechtsprechung des BSG als Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen.

Mit dem auf § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 4 SGB X gestützten Bescheid vom 18.11.2021 gab der Beklagte dem Antrag vom 17.11.2021 teilweise (für die Zeit ab dem 01.05.2021) statt, nahm die für die Zeit ab dem 01.01.2020 ergangenen Bescheide teilweise zurück und lehnte den Überprüfungsantrag im Übrigen (für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021) gestützt auf § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II ab. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 4 SGB X könne eine Rücknahme und Nachzahlung nur für einen Zeitraum von einem Jahr erfolgen.

Mit Änderungsbescheid vom 18.11.2021 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.05.2021 bis zum 30.04.2022 Leistungen nach dem SGB II und führte aus, die Kosten für den Stellplatz würden „gemäß dem BSG Urteil vom 19. Mai 2021 - B 14 AS 39/20 R ab dem 01.05.2021 übernommen“.

Gegen diesen Bescheid vom 18.11.2021 legten die Kläger am 23.11.2021 Widerspruch ein und beantragten, „den Bescheid aufzuheben und über den Antrag vom 17.11.2021 für die Zeit vom 01.01.2020 bis 30.04.2021 zu entscheiden“. Der Antrag auf Rücknahme sei am 17.11.2021 gestellt worden. Leistungen seien daher längstens für ein Jahr rückwirkend zum Beginn des Jahres, in dem der Antrag gestellt wurde, zu erbringen. Daher sei der Zeitraum, über den der Antrag zu entscheiden sei, die Zeit ab dem 01.01.2020.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2022 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Es sei zwar zutreffend, dass der zur Überprüfung stehende Zeitraum am 01.01.2020 beginne, der Antrag in Bezug auf den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021 sei aber mit Hinweis auf § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II abgelehnt worden. Die Frage, ob im Falle der Einhaltung der Angemessenheitsgrenze eine Obliegenheit zur Kostensenkung, zum Beispiel durch Untervermietung des Stellplatzes, bestehe, sei vor dem Urteil des BSG vom 19.05.2021 nicht bereits durch ständige Rechtsprechung beantwortet, sondern ungeklärt gewesen. Erst durch das Urteil des BSG vom 19.05.2021 sei die Frage beantwortet worden, ob eine Kostensenkungsobliegenheit (beispielsweise durch Untervermietung) auf § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II oder auf den allgemeinen Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II gestützt werden könne. Hätte bereits zuvor eine ständige Rechtsprechung des BSG zu diesen Fragen existiert, wäre es nicht zu divergierenden Entscheidungen der Senate des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg gekommen.

Am 17.02.2022 haben die Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und zur Begründung ausgeführt, das BSG habe in seiner Entscheidung vom 19.05.2021 selbst von einer ständigen Rechtsprechung des BSG gesprochen. Soweit der Beklagte in der Vergangenheit die Übernahme von Stellplatzkosten von der Obliegenheit einer Untervermietung abhängig gemacht habe, liege das an einer rechtsirrigen „Fortentwicklung“ dieser ständigen Rechtsprechung. Die falsche Rechtsanwendung durch den Beklagten ändere aber nichts daran, dass die ständige Rechtsprechung schon vor Erlass des Bescheides bestanden habe. Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II sei, dass eine ständige und einheitliche Verwaltungspraxis bestanden habe. Die Verwaltungspraxis des Beklagten sei aber keineswegs einheitlich gewesen. In zahlreichen Fällen habe der Beklagte den Bedarf für den Stellplatz auch ohne den Nachweis einer fehlgeschlagenen Untervermietung bereits vor dem Urteil des BSG berücksichtigt.

Der Beklagte hat im Klageverfahren darauf hingewiesen, aus der vom BSG im Urteil vom 19.05.2021 gewählten Formulierung „Die Übernahme der Kosten des Stellplatzes hängt nicht in Fortentwicklung der dargestellten Rechtsprechung des BSG davon ab, ob die Kläger sich bemüht haben, die Kosten zu senken, insbesondere durch eine Untervermietung des Stellplatzes. Dies ist keine (weitere) Voraussetzung für die Anerkennung der Stellplatzmiete als Bedarf für die Unterkunft. Für eine hierauf gestützte teilweise Ablehnung von Leistungen fehlt es an einer Rechtsgrundlage“ ergebe sich, dass das fehlende Erfordernis erfolgloser Kostensenkungsbemühungen hinsichtlich der Stellplatzkosten erst durch das Urteil des BSG vom 19.05.2021 als „ständige Rechtsprechung“ im Sinne des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II gewertet werden dürfe. Außerdem habe im Jahr 2020 für den Beklagten eine Weisungslage dahingehend bestanden, dass Leistungsberechtigte bei laufenden Mietverhältnissen Bemühungen zur Vermietung der Garage nachweisen oder die Kosten selbst tragen müssten. Könne die Garage nicht vermietet werden und würden die angemessenen Kosten der Unterkunft überschritten, sei ein Mietüberprüfungsverfahren einzuleiten. Den Wortlaut dieser Weisung hat der Beklagte dem SG Freiburg mit Schreiben vom 07.06.2022 übersandt.

Das SG Freiburg hat die Klage mit Urteil vom 08.02.2023 abgewiesen. Beim Beklagten habe eine ständige Verwaltungspraxis dahingehend bestanden, dass Garagenkosten bei fehlender Abtrennbarkeit nur dann übernommen worden seien, wenn erfolglose Untervermietungsbemühungen nachgewiesen worden seien, was sich aus der im Jahr 2020 geltenden Weisung ergebe. Eine anderslautende ständige Rechtsprechung habe erst seit dem Urteil des BSG vom 19.05.2021 bestanden. Zwar möge der Beklagte in Einzelfällen anders gehandelt haben und Garagenkosten, wie vom Klägervertreter vorgetragen, auch ohne den Nachweis von Kostensenkungsbemühungen übernommen haben. Eine über Einzelfälle hinausgehende anders gelebte Praxis sei jedoch nicht nachgewiesen worden. Die bloße Behauptung, es sei so gewesen, reiche nicht aus, um die konkrete Weisung zu widerlegen. Zwar habe das BSG bereits mit Urteil vom 07.11.2006 (B 7b AS 10/06 R) entschieden, dass die Kosten für eine Garage dann zu übernehmen seien, wenn die Wohnung ohne Garage nicht anmietbar sei und der Mietpreis sich bei fehlender „Abtrennbarkeit“ der Garage noch innerhalb des Rahmens der Angemessenheit für den maßgeblichen Wohnort halte. Insoweit habe bereits seit diesem Zeitpunkt eine ständige Rechtsprechung bestanden. Zur Frage, ob der Leistungsempfänger verpflichtet sei, diese Kosten durch Untervermietung des Stellplatzes zu senken, habe sich das BSG nicht geäußert. Es habe im Urteil vom 06.08.2014 (B 4 AS 37/13 R) zwar klargestellt, dass Untervermietungen von Teilen der angemieteten Unterkunft als Kostensenkungsmaßnahmen bei der Bedarfsberechnung der Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen seien, inwieweit eine Pflicht zur Untervermietung bestehe, sei dagegen bis dahin nicht höchstrichterlich geklärt gewesen. Erst in der Entscheidung vom 19.05.2021 habe das BSG klargestellt, dass nun auch unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung eine Kostensenkungsbemühung nicht als Erfordernis für die Übernahme der Stellplatzkosten angesehen werde. Aus der im Urteil vom 19.05.2021 verwendeten Formulierung „in Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung“ ergebe sich, dass bisher diesbezüglich keine ständige Rechtsprechung vorgelegen habe. Nach den bisher zu diesem Thema ergangenen Entscheidungen sei die Rechtslage zudem nicht unumstritten gewesen, so dass es weiterhin auch zu divergierenden Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg gekommen sei „(eine Kostensenkungspflicht durch Untervermietung bejahend der 12. Senat, Az. L 12 AS 346/18, Urt. v. 21.09.2018 Rn. 23; ablehnend der 7. Senat, Az. L 7 AS 4457/16, Urt. v. 06.12.2018 Rn. 35 und der 1. Senat, Az. L 1 AS 2007/19, Urt. v. 04.05.2020, Rn. 40)“. Eine zweifelsfreie Klärung der strittigen Rechtsfrage habe damit bis zur Entscheidung des BSG am 19.05.2021 nicht vorgelegen.

Das SG Freiburg hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 17.02.2023 zugestellte Urteil des SG Freiburg richtet sich die am 16.03.2023 beim LSG Baden-Württemberg eingegangene Berufung der Kläger. Ergänzend zum Vorbringen im Klageverfahren wird vorgetragen, daraus, dass sich das BSG in Entscheidungen betreffend zum Wohnraummietvertrag gehörende Stellplätze vor dem Urteil im Verfahren B 4 AS 37/13 R nicht zu der Obliegenheit einer Untervermietung geäußert habe, könne nicht geschlossen werden, dass es sich zu dieser Frage nicht verhalten bzw. diese offengelassen hätte. Denn wenn diese Frage für das BSG entscheidungserheblich gewesen wäre, hätte es die Verfahren insoweit zurückverweisen müssen. Stattdessen habe es beispielsweise ausgeführt: „Die Miete für die Garage ist als Teil der Aufwendungen für die Unterkunft zu berücksichtigen, weil nach dem Mietvertrag der Kläger mit der Anmietung der Wohnung die Anmietung der Garage zwingend verbunden ist (B 7b AS 10/06 R, B 14 AS 73/12 R).“ Eine ständige Rechtsprechung habe mithin vorgelegen. Außerdem sei es schon vor dem Urteil vom 19.05.2021 ständige Rechtsprechung des BSG gewesen, dass Kostensenkungsbemühungen nicht unternommen werden mussten. Dies sei auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zu dem Urteil vom 19.05.2021 (B 14 AS 39/20 R) so geäußert worden. Darüber hinaus sei es ständige Verwaltungspraxis des Beklagten gewesen, dass in der Vergangenheit auch Stellplatzkosten übernommen worden seien, wenn Bemühungen um eine Untervermietung und Kostensenkung nicht nachgewiesen worden seien.


Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 08.02.2023 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2022 zu verurteilen, die für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021 ergangenen Leistungsbescheide dahingehend abzuändern, dass als Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II zusätzlich die Aufwendungen für den Stellplatz in Höhe von 40,90 € monatlich berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil seien überzeugend und die Berufungsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon im Urteil des SG Freiburg Berücksichtigung gefunden hätten.

Der Beklagte hat mitgeteilt, für eine 4-Personen-Bedarfsgemeinschaft habe sich die Mietobergrenze (Bruttokaltmiete) für das Jahr 2020 auf 889,20 € belaufen und habe sich aus 736,20 € Grundmiete und 153,00 € kalten Nebenkosten zusammengesetzt. Für das Jahr 2021 habe sich die Mietobergrenze auf 1.006,20 € belaufen. Dieser Betrag setze sich aus 853,20 € Grundmiete und 153,00 € kalten Nebenkosten zusammen.

In der nichtöffentlichen Sitzung am 08.11.2023 hat die Berichterstatterin erläutert, dass das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen könne, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Berichterstatterin hat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, von der Möglichkeit, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, Gebrauch zu machen. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Der Bevollmächtigte der Kläger hat in der nichtöffentlichen Sitzung am 08.11.2023 erklärt, dass im vorliegenden Fall eine Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG seiner Auffassung nach nicht in Betracht komme. Er hat um eine Entscheidung durch Urteil gebeten.

II.

1. Die Berufung ist gemäß §§ 143 und 144 SGG statthaft. Zwar stehen hier Leistungen in Höhe von insgesamt 654,40 € (40,90 € monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021) im Streit, so dass der Berufungsstreitwert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht erreicht ist. Das SG Freiburg hat im Urteil vom 08.02.2023 jedoch die Berufung zugelassen. An diese Zulassung ist das LSG Baden-Württemberg gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG).

2. Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten über die gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung ergangene Urteil des SG Freiburg vom 08.02.2023 gerichtete Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und die Beteiligten hierzu vorher gehört hat.
 
Dieser Verfahrensweise steht nicht entgegen, dass der Bevollmächtigte der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung des Senats vom 08.11.2023 die Auffassung vertreten hat, vorliegend komme eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss nicht in Betracht. Zwar kann das Berufungsgericht trotz des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 153 Abs. 4 SGG in Ausnahmefällen dazu verpflichtet sein, eine erneute mündliche Verhandlung durchzuführen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das Berufungsgericht wegen wesentlicher Änderung des Streitgegenstandes (durch Klageänderung) erstmals über einen Anspruch entscheidet, wenn in der Entscheidung äußerst schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu beantworten sind, wenn das LSG der Sache grundsätzliche Bedeutung zumisst, wenn die Fürsorge- und Hinweispflicht des Gerichts es gebieten, die Sache mündlich zu erörtern (etwa um einen Antrag klarzustellen oder auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken), wenn eine mündliche Verhandlung wegen Verständnisproblemen aufgrund psychosozialer oder geistiger Behinderung geboten ist oder wenn ein Beteiligter erstinstanzlich nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen durfte, wenn in anderer Weise der Grundsatz des faires Verfahrens eine mündliche Verhandlung notwendig macht oder wenn es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines unmittelbaren persönlichen Eindrucks von einem Beteiligten bedarf (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 153, Rn. 15b). Keiner dieser Fälle liegt hier vor.

3. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der Aufhebung des Urteils des SG Freiburg vom 28.02.2023 die Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 18.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2022, und die Verpflichtung des Beklagten, die für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021 ergangenen Leistungsbescheide dahingehend abzuändern, dass als Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II zusätzlich die Aufwendungen für den Stellplatz in Höhe von 40,90 € monatlich berücksichtigt werden, und die Verurteilung des Beklagten, den Klägern dementsprechend höhere Leistungen zu bewilligen. Dieses Ziel verfolgen die Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG. Dieses ausschließlich auf die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) gerichtete Begehren ist statthaft, da der geltend gemachte Anspruch einen im Verhältnis zu den Leistungen für den Regelbedarf (§ 20 SGB II) abtrennbaren Streitgegenstand darstellt (BSG, Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 42/13 R, juris Rn. 10ff.; BSG, Urteil vom 06.08.2014 – B 4 AS 55/13, juris Rn. 12).  

4. Die nach § 151 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet.

Denn der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Klägern auch für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021 weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 40,90 € monatlich zu gewähren.

Die Kläger haben im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X keinen Anspruch auf die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II im Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021, als der Beklagte ihnen mit den jeweils bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 19.03.2019, 08.05.2019, 01.06.2019, 23.11.2019, 19.02.2020, 12.03.2020, 03.04.2020, 21.11.2020 und 24.02.2021 bewilligt hat. Der diese Bescheide abändernde und mit der Klage angefochtene Bescheid vom 18.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2022 ist, soweit er für den streitigen Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021 ergangen ist, rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten.

a) Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Die für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021 ergangenen oben genannten Bewilligungs- und Änderungsbescheide erweisen sich zwar nach Eintritt ihrer Bestandskraft im Hinblick auf die Berücksichtigungsfähigkeit der Stellplatzkosten im Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2021 im Rahmen des § 22 SGB II angesichts der neuen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.05.2021 im Verfahren B 14 AS 39/20 R) als unrichtig im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X. Denn in diesem Urteil hat das BSG entschieden, dass eine Pflicht zur Kostensenkung durch Untervermietung nicht besteht, wenn
Wohnung und Stellplatz Bestandteile eines einheitlichen Mietverhältnisses sind und die Gesamtmiete angemessen ist. Diese tatsächlichen Voraussetzungen sind hier erfüllt, da die von den Klägern für die Mietwohnung einschließlich Stellplatz im streitigen Zeitraum aufzubringende Bruttokaltmiete (800,64 €) die vom Beklagten für einen 4-Personen-Haushalt als angemessen angesehenen Kosten (889,20 € im Jahr 2020 und 1.006,20 € im Jahr 2021) nicht überschritt.

b) Einer Korrektur dieser materiell unrichtigen Bescheide steht für den streitigen Zeitraum vom 01.02.2020 bis zum 30.04.2021 jedoch die § 44 Abs. 1, Abs. 4 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II einschränkende Regelung in § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II entgegen.

Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden Leistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme nachgezahlt. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt nach § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gilt abweichend hiervon § 44 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. Hiernach hatten die Kläger ihren Antrag auf Überprüfung der Bewilligungsbescheide ab dem 01.01.2020 grundsätzlich innerhalb der von § 44 Abs. 1, Abs. 4 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vorgegebenen Frist gestellt. Einer rückwirkenden Zugunstenentscheidung bereits ab dem 01.01.2020 steht hier indes § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II entgegen.

Nach der § 44 Abs. 1, 4 Satz 1 SGB X über die in § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II enthaltene zeitliche Beschränkung hinaus weiter einschränkenden Ausnahmeregelung des § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II ist, wenn die in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist, der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

Das SG Freiburg hat im hier angefochtenen Urteil diese rechtlichen Grundlagen für die von dem Beklagten vorgenommene zeitliche Begrenzung der von den Klägern für die Vergangenheit beantragten Gewährung der Stellplatzkosten auf den Zeitpunkt des Bestehens einer ständigen Rechtsprechung des BSG zutreffend dargelegt und hat sodann unter Bezugnahme auf die Entwicklung der Rechtsprechung des BSG überzeugend ausgeführt und umfassend begründet, dass bis Mai 2021 nicht höchstrichterlich geklärt war, inwieweit eine Pflicht zur Kostensenkung durch Untervermietung eines Stellplatzes bestanden hat und dass das BSG sich erstmals in der Entscheidung vom 19.05.2021 im Verfahren B 14 AS 39/20 R dazu geäußert hat. Diesen zutreffenden Ausführungen des SG Freiburg in seinen Entscheidungsgründen ist nichts hinzuzufügen. Der Senat schließt sich daher diesen Ausführungen im angefochtenen Urteil nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten im Verwaltungsverfahren und im Klageverfahren uneingeschränkt an, weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen im Berufungsverfahren keine andere Beurteilung rechtfertigt.

Soweit der Bevollmächtigte der Kläger neben der Wiederholung des bisherigen Vorbringens ergänzend auf nicht näher bezeichnete Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG im Verfahren B 14 AS 39/20 R hingewiesen hat, ist dies nicht geeignet, die von dem SG Freiburg in den Entscheidungsgründen des hier angefochtenen Urteils vertretene und vom erkennenden Senat für überzeugend erachtete Rechtsauffassung, dass erstmals in dem am 19.05.2021 ergangenen Urteil eine Entscheidung des BSG zur Frage der Verpflichtung zur Untervermietung eines Stellplatzes ergangen ist, in Frage zu stellen.

Soweit der Bevollmächtigte der Kläger hinsichtlich der von ihm beobachteten Verwaltungspraxis des Beklagten nicht wie bisher nur auf abweichend von der Weisungslage behandelte Einzelfälle verweist, sondern vorbringt, es sei ständige Verwaltungspraxis des Beklagten gewesen, Stellplatzkosten auch ohne nachgewiesene Bemühungen um eine Untervermietung und Kostensenkung zu übernehmen, ist eine damit behauptete über Einzelfälle hinausgehende Praxis weiterhin nicht nachgewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass eine der beim Beklagten geltenden Weisungslage widersprechende ständige Verwaltungspraxis in diesem Sinne von dem Beklagten im streitigen Zeitraum gepflegt worden wäre, ergeben sich auch aus den dem Senat vorliegen Verwaltungsakten nicht.

Zwar dürfte der Hinweis des Bevollmächtigten der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung am 08.11.2023, der Beklagte habe im Fall der Kläger kein Kostensenkungsverfahren durchgeführt, nach Aktenlage zutreffend sein. Denn den dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten des Beklagten lässt sich seit Anmietung der Wohnung im S1 in F1 keine vom Beklagten erteilte Aufforderung zur Kostensenkung durch Untervermietung entnehmen. Indes belegt dies keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende allgemeine Verwaltungspraxis. sondern allenfalls eine der Weisungslage widersprechende Handhabung des vorliegenden Einzelfalls.

Nach alledem ist die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

6. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.


 

Rechtskraft
Aus
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