Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 2. März 2023 aufgehoben.
G r ü n d e :
I.
Im Streit steht die Zurückweisung des bevollmächtigten Rechtsbeistandes der Klägerin.
Die Klägerin macht - vertreten durch Rechtsbeistand B. - gegen die BARMER als Rechtsnachfolgerin der Deutsche BKK West einen Zahlungsanspruch in Höhe von 246,50 Euro zuzüglich Zinsen für die Versorgung des bei der Deutsche BKK West versicherten U. mit einem Rollator geltend (Klageverfahren S 23 KR 533/23 WA [zuvor: S 34 KR 27/09], Sozialgericht [SG] Köln).
Zum Nachweis seiner Bevollmächtigung hat Rechtsbeistand B. eine „General(termins)vollmacht“ des vormaligen Geschäftsführers der Klägerin, Z., vorgelegt. Darin heißt es:
„Die Anwaltskanzlei J. […] wird hiermit im Rahmen einer General(termins)vollmacht ermächtigt, die S. […] in allen rechtlichen Auseinandersetzungen vor dem Sozialgericht Köln und dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zu vertreten. Die Kanzlei ist insbesondere berechtigt, Klagen zu erheben, Berufungen einzulegen sowie alle erforderlichen Erklärungen gegenüber den Gerichten und den sonstigen Prozessbeteiligten abzugeben und entgegenzunehmen.
Die Vollmacht erlischt, wenn sie schriftlich widerrufen wird.“
Mit Beschluss vom 8. Februar 2010 hat das Amtsgericht (AG) Köln das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet und einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt (Aktenzeichen: 75 IN 62/10).
Dies hat Rechtsbeistand B. mit Schriftsatz vom 10. Februar 2010 mitgeteilt. Damit werde das Verfahren an und für sich unterbrochen. Jedoch habe schon im Dezember 2006 die F. alle Ansprüche der Klägerin gegenüber der Deutschen BKK übernommen. Hierzu ist eine ergänzende Vereinbarung vom 1. August 2007 vorgelegt worden. Die Klägerin hat dementsprechend Berichtigung des Rubrums auf Klägerseite verfolgt. Das SG hat diesem Antrag (bislang) nicht entsprochen.
Inwiefern der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Anspruch von dieser Vereinbarung erfasst worden ist, hat die Klägerin nicht näher vorgetragen. Aus einer vorgelegten Rechnung ergibt sich, dass dieser ein Vorgang aus dem Jahr 1997 zugrunde liegt.
Das Verfahren ist in der Folgezeit vom SG als unterbrochen behandelt worden. Nachdem das AG Köln das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 4. Februar 2022 aufgehoben hatte, hat das SG gegenüber Rechtsbeistand B. eine Betreibensaufforderung erlassen. Sodann hat dieser die Klage um den Feststellungsantrag erweitert, dass die Beklagte für die rechtlichen und materiellen Folgen des Vorgehens der Deutsche BKK gegenüber der Klägerin, insbesondere die durch ihr Vorgehen ausgelöste Insolvenz, zum Ersatz des ihr dadurch entstandenen Schadens verpflichtet ist (Schriftsatz vom 7. Juli 2022). Dieser Schadenersatzanspruch ergebe sich aus §§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 240 StGB.
Am 28. November 2022 ist die Klägerin gemäß § 394 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) von Amts wegen wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden.
Das SG hat Rechtsbeistand B. vergeblich zur Vorlage einer Prozessvollmacht aufgefordert und ihn sodann mit Beschluss vom 2. März 2023 als vollmachtloser Vertreter zurückgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf § 73 Abs. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bezogen. Dabei hat es die Auffassung vertreten, die erteilte Generalterminsvollmacht sei nicht ausreichend, weil sie auf die Anwaltskanzlei ausgestellt gewesen sei, die nicht mehr existiere, nicht dagegen auf Rechtsbeistand B.. Zudem hat das SG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass das Verfahren erneut wegen Wegfall der prozessualen Parteifähigkeit der Klägerin unterbrochen sei.
Gegen den an Rechtsbeistand B. am 22. März 2023 zugestellten Beschluss des SG richtet sich die am 5. April 2023 eingelegte Beschwerde der Klägerin.
Die Beklagte ist u.a. der Auffassung, dass die Generalterminsvollmacht schon ihrem Namen nach nur zur Vertretung im Termin bevollmächtige, nicht dagegen zu sonstigen Verfahrenshandlungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Klägerin hat Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Die Klägerin ist für das Beschwerdeverfahren beteiligtenfähig.
aa) Gemäß § 70 Nr. 1 SGG sind juristische Personen fähig, am sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt zu sein. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin gemäß § 13 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) vor. Sie hat die ursprünglich für das Hauptsacheverfahren bestehende Beteiligtenfähigkeit nicht durch Löschung gemäß § 394 Abs. 1 FamFG verloren. In entsprechender Anwendung der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist zwar eine wegen Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH grundsätzlich materiell-rechtlich nicht mehr existent, dadurch nicht mehr rechtsfähig und im gerichtlichen Verfahren nicht parteifähig. Jedoch bleibt sie trotz der Löschung rechts- und parteifähig, solange substantiiert vorgetragen wird, dass noch vermögensrechtliche Ansprüche ihrerseits bzw. gegen sie abzuwickeln sind (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 13. Dezember 2022 – B 12 BA 23/22 B – SozR 4-1500 § 70 Nr. 4, Rn. 9 m.w.N.).
Insoweit ist ausreichend, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte behauptet und dazu den anspruchsbegründenden Lebenssachverhalt hinreichend beschreibt. Davon ist hier auszugehen. Die Klägerin hat in der Klageschrift ausgeführt, dass ihr gegenüber der Beklagten aus der Versorgung eines konkret bezeichneten Versicherten mit einem Rollator ein Rückgabeanspruch zustehe. Ob dieser Anspruch der Klägerin tatsächlich zusteht, ist nicht im Rahmen der Zulässigkeit der Beschwerde zu prüfen. Von dem Beteiligten behauptete doppelrelevante Tatsachen werden im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung als gegeben unterstellt. Ob sie tatsächlich vorliegen, ist eine Frage der Begründetheit des Rechtsmittels (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 29. Juni 2010 – VI ZR 122/09 –juris, Rn. 8). Nichts anderes gilt, wenn im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens Zwischenentscheidungen ergehen, wie hier die Zurückweisung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 SGG. Auch in diesem Fall können doppelrelevante Tatsachen als gegeben unterstellt werden.
bb) Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin selbst vorgetragen hat, die entsprechenden Forderungen abgetreten zu haben. Ob diese Abtretung die vorliegend abgetretene Forderung erfasst und wirksam ist, ist ebenfalls eine Frage der Begründetheit.
b) Die Beschwerde ist wirksam eingelegt worden.
aa) Gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 SGG können sich Beteiligte durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Einem Rechtsanwalt sind in Bezug auf die Vorschrift des § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG gleichgestellt die Kammerrechtsbeistände nach §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 Nr. 4 Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz (RDGEG; vgl. Schnitzer in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 73 SGG [Stand: 05.04.2024], Rn. 8).
bb) Es liegt auch eine Vollmacht im Sinne von § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG vor, die im Fall der Vertretung einer Partei im Prozess Prozesshandlungsvoraussetzung ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1990 – VI ZR 321/89 –, BGHZ 111, 219 ff., juris-Rn. 7)
(1) Die von Rechtsbeistand B. vorgelegte Generalterminsvollmacht erfasst alle Handlungen vor den SGen und dem Landessozialgericht (LSG). Eine Beschränkung auf die Vornahme von Prozesshandlungen im Termin ist - anders als die Beklagte meint - dem Inhalt der Vollmacht nicht zu entnehmen. Insbesondere die textliche Gestaltung durch Einklammerung des Wortes „termins“ steht einem solchen Verständnis entgegen.
(2) Die zwischenzeitliche Beendigung der Anwaltskanzlei hat auf die (auch) gegenüber Rechtsbeistand B. erteilte Vollmacht keinen Einfluss.
Gemäß § 84 Satz 1 ZPO i.V.m. § 202 Satz 1 SGG sind im Falle der Bestellung einer Mehrheit von Prozessbevollmächtigten diese berechtigt, die Partei einzeln zu vertreten.
Es ist nicht davon auszugehen, dass die Vollmacht zwischenzeitlich erloschen wäre. Ein Erlöschen der Vollmacht kommt u.a. in Betracht, wenn die Vertretungsfähigkeit endet, etwa bei Verlust der Postulationsfähigkeit (z.B. durch Zurückweisung) oder bei Erlöschen der Zulassung als Rechtsanwalt (vgl. Brandt in: Brandt/Domgörgen, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, b) Vertretung durch Bevollmächtigte, Rn. 255, mit Verweis auf Bayerischer Verwaltungsgerichtshof vom 26. November 2020, 24 ZB 18.15.11). Besteht allerdings aus anderen Gründen - wie hier durch die in §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 Nr. 4 RDGEG angeordnete Gleichstellung des verkammerten Rechtsbeistandes mit einem Rechtsanwalt - weiterhin die Vertretungsfähigkeit, kommt ein Erlöschen der Vollmacht nicht in Betracht.
cc) Die Einlegung der Beschwerde ist auch wirksam als elektronisches Dokument erfolgt. Gem. § 65a Abs. 3 Satz 1 SGG muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Hier ist die zweite Variante - Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg mit Signatur der verantwortenden Person - erfüllt.
Gemäß § 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGG ist ein sicherer Übermittlungsweg u.a. der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts. Über diesen sicheren Übermittlungsweg ist die Beschwerde an das SG übermittelt worden, wie sich aus dem Übermittlungsvermerk ergibt. Das elektronische Dokument ist auch von der verantwortenden Person signiert worden. Insoweit gilt, dass Rechtsbeistand B. als Urheber der Beschwerdeschrift zu erkennen und damit als verantwortende Person anzusehen ist. Die erforderliche (einfache) Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, was beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein kann (vgl. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. September 2020 – 5 AZB 23/20 –, BAGE 172, 186 ff., Rn. 15 m.w.N.). Dies ist hier durch die Wiedergabe des Namens von Rechtsbeistand B. am Ende der Beschwerdeschrift erfüllt.
c) Die Beschwerde ist statthaft.
aa) Zunächst kommt ein Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 2 SGG nicht in Betracht. Danach können u.a. prozessleitende Verfügungen nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
Eine solche prozessleitende Verfügung ist hier nicht betroffen. Dabei handelt es sich um Entscheidungen, die der Förderung des Verfahrens in Bezug auf den äußeren Fortgang dienen (B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 172 Rn. 6). Die Zurückweisung von Rechtsbeistand B. hat für die Klägerin eine Bedeutung, die über die bloße Verfahrensförderung hinausgeht. Mit der Zurückweisung werden nicht lediglich formale Aspekte zum Fortgang des Verfahrens berührt, sondern der Fortgang des Verfahrens überhaupt (vgl. dazu Bayerisches LSG, Beschluss vom 15. März 2010 – L 1 SF 393/09 B – juris, Rn. 12).
bb) Die Beschwerde ist auch nicht gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 SGG ausgeschlossen. Danach weist das Gericht Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück.
Aus dem Wortlaut folgt, dass ein unanfechtbarer Beschluss im Sinne von § 73 Abs. 3 Satz 1 SGG die Zurückweisung von Personen betrifft, die ihrer Person nach nicht unter § 73 Abs. 2 SGG fallen. Ein Kammerrechtsbeistand ist jedoch infolge Gleichstellung mit einem Rechtsanwalt vertretungsbefugt nach § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG [vgl. unter b) aa)].
Auf andere Gründe als die fehlende Vertretungsbefugnis nach § 73 Abs. 2 SGG kann die Zurückweisung nicht gestützt werden. Insbesondere berechtigen Mängel der Vollmacht nicht dazu. Vielmehr gilt insofern abschließend die Spezialvorschrift des § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG: Danach ist der Mangel der Vollmacht – auch bei Rechtsanwälten – in jeder Lage des Verfahrens auf Rüge zu berücksichtigen, mit der Folge, dass Prozesshandlungen unwirksam sind.
II. Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Beschluss des SG ist rechtswidrig. Eine Rechtsgrundlage für die Zurückweisung eines Kammerrechtsbeistandes ist nicht vorhanden.
III. Eine Kostenentscheidung ist im Hauptsacheverfahren zu treffen, da es sich um eine Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung in einem noch anhängigen Rechtsstreit handelt. Insoweit gilt der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 2. April 2019 – L 9 KR 14/19 B – juris, Rn. 18).
IV. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).