L 15 U 601/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 21 U 879/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 601/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.10.2019 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheids vom 12.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2016 verurteilt, dem Kläger ab 02.07.2020 wegen der anerkannten Berufskrankheit nach Ziffer 2112 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung und wegen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 jeweils eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v. H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Bescheid vom 06.09.2016 und der Widerspruchsbescheid vom 19.01.2017 werden insoweit geändert. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der bei ihm anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) unter Berücksichtigung eines Stützrententatbestandes aufgrund eines anerkannten Arbeitsunfalls vom 06.08.2004.

 

Der am 00.00.0000 geborene Kläger absolvierte in der Zeit vom 01.04.1966 bis zum 10.10.1969 eine Ausbildung zum Maler und war anschließend von Oktober 1969 bis Juli 2010 als Bodenleger bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt. Seit dem 01.02.2013 bezieht er Altersrente.

 

Am 06.08.2004 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, als er im Rahmen seiner Beschäftigung als Fußbodenleger bei der Firma R. beim Heruntersteigen von einer Leiter von der letzten Stufe abrutschte und umknickte. Der Durchgangsarzt K. diagnostizierte eine bimalleoläre Sprunggelenksluxationsfraktur rechts (Durchgangsarztbericht vom 06.08.2004). In einem ersten Rentengutachten vom 28.05.2005 stellte K. eine Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk fest und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Zeit vom 01.02.2005 bis zum 18.05.2006 mit 20 % und danach voraussichtlich mit kleiner als 20 % ein. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft (GroLa BG), gewährte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 26.08.2005 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 % als Gesamtvergütung und erkannte als Unfallfolgen einen operativ versorgten, knöchern fest verheilten Bruch des rechten Sprunggelenkes mit Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes, eine Schwellneigung des Knöchels, eine geringe Muskelminderung des Beines sowie subjektive Beschwerden an. In einem weiteren Rentengutachten vom 18.07.2006 empfahl der Arzt für Chirurgie C. bei weiterhin bestehender Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk die Fortführung der MdE von 20 % für ein weiteres Jahr. Danach sei voraussichtlich von einer MdE von 10 % auszugehen. Daraufhin gewährte die GroLa BG mit Bescheid vom 28.08.2006 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. ab dem 01.02.2005 und erkannte als Unfallfolgen einen knöchern fest verheilten Bruch des rechten Sprunggelenkes mit Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes, eine Schwellneigung und Muskelminderung des Unterschenkels sowie subjektive Beschwerden an. Zur Prüfung einer Rente auf unbestimmte Zeit beauftragte die GroLa BG sodann den Facharzt für Orthopädie O.. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 08.05.2007 zu der Einschätzung, dass aufgrund der festgestellten Bewegungseinschränkung sowie der beginnenden arthrotischen Beschwerden die MdE auf Dauer 20 % betrage. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Chirurgie A., welcher aufgrund der festgestellten Bewegungsausmaße eine rentenberechtigende MdE verneinte, lehnte die GroLa BG mit Bescheid vom 12.07.2007 die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab und entzog die Rente als vorläufige Entschädigung mit Ablauf des Monats Juli 2007. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde nach Einholung eines Gutachtens des Chirurgen S. vom 19.12.2007, der eine MdE von 10 % annahm, zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 20.02.2008). Die sodann beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobene Klage (S 21 U 48/08) wurde nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Chirurgie E. vom 20.05.2008, der die unfallbedingte MdE ab August 2007 mit 10 v.H. einschätzte, zurückgenommen.

 

Aufgrund eines Verschlimmerungsantrages des Klägers vom 19.08.2010 veranlasste die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der GroLa BG eine Begutachtung durch den Arzt für Unfallchirurgie V., welcher nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 23.09.2010 die MdE vom Tag der Untersuchung an auf Dauer mit 20 % einschätzte (Gutachten vom 07.10.2010). Die Beklagte schloss sich dessen Ausführungen nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von A. vom 08.12.2010, welcher eine MdE von 10 % annahm, nicht an und lehnte mit Bescheid vom 11.01.2011 die Gewährung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgenommen.

 

Mit Schreiben vom 21.04.2015 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen seines Arbeitsunfalls. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Direktor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, U.. Dieser gelangte nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 30.07.2015 zu der Einschätzung, dass die MdE weiter 10 v.H. betrage (Gutachten vom 31.07.2015). An dieser Einschätzung hielt U. auch nach Auswertung eines fachradiologischen Zusatzgutachtens von J. vom 04.09.2015 sowie eines neurologischen Zusatzgutachtens von Prof. M. vom 14.01.2016, wonach die MdE auf neurologischem Fachgebiet mit unter 10 v.H. eingeschätzt wurde, fest.

 

Mit weiterem Schreiben vom 02.06.2016 stellte der Kläger zudem einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Rente damals entzogen worden sei.

 

Mit Bescheid vom 06.09.2016 lehnte die Beklagte sowohl eine Neufeststellung nach § 44 SGB X als auch die Gewährung einer Verletztenrente aus Anlass des Unfalls vom 06.08.2004 ab. Wie bisher liege wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine rentenberechtigende MdE nicht vor. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2017 zurückgewiesen.

 

Dagegen erhob der Kläger am 17.02.2017 Klage beim SG Dortmund (S 79 U 199/17). Das SG holte auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie Z. ein, welcher eine MdE von 20 % vorschlug (Gutachten vom 19.11.2018). Dem trat die Beklagte unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen B. vom 27.03.2019 entgegen. Dieser bewertete die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einer MdE von 10 v.H. Das SG holte sodann von Amts wegen ein Gutachten des Arztes für Chirurgie H. ein. Dieser führte nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 11.09.2020 in seinem Gutachten vom 11.09.2020 aus, dass zum Untersuchungszeitpunkt eine unfallbedingte MdE nicht feststellbar sei. Die Sprunggelenksfraktur sei knöchern tragend fest durchbaut, es bestünden allenfalls geringe degenerative Veränderungen im oberen und unteren Sprunggelenk, die jedoch als anlagebedingt zu werten seien. Es bestehe nur eine leichte Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks für das Anheben. Hinsichtlich der in der Vergangenheit dokumentierten Befunde stimmte er den Bewertungen von E. vom 20.05.2008 und von U. vom 31.07.2015 mit einer MdE von 10 v.H. zu.

 

Das Klageverfahren ist weiterhin beim SG Dortmund anhängig.

 

Bereits am 18.08.2010 war bei der Beklagten eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit des Chirurgen W. eingegangen. Bei dem Kläger bestehe eine chronische Bursitis infrapatellaris beidseits. Am 23.06.2010 sei eine Bursektomie links erfolgt.

 

Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein und zog Unterlagen der behandelnden Ärzte, der Krankenkasse sowie des Versorgungsamtes bei. Die Beratungsärztin X. gelangte nach Auswertung der Unterlagen in ihrer Stellungnahme vom 11.02.2011 zu der Einschätzung, dass für die Beurteilung einer BK 2105 (Chronische Erkrankungen der Schleimbeutel durch ständigen Druck) noch die Beiziehung weiterer Unterlagen erforderlich sei und sich für eine BK 2112 (Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht) oder eine BK 2102 (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten) keine Hinweise ergäben. Es läge lediglich eine Gonarthrose nach Kellgren I im linken Knienebengelenk vor. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 12.04.2011 die Anerkennung der BK 2112 mit der Begründung ab, dass die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

 

Im Rahmen des anschließenden Widerspruchsverfahrens veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch U.. Dieser gelangte nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 02.11.2011 zu der Einschätzung, dass unter Berücksichtigung des radiologischen und klinischen Befundes sowohl eine BK 2105 als auch eine BK 2112 vorlägen. Die Beweglichkeit der Kniegelenke wurde beidseits mit 0-0-120° angegeben, es bestehe eine beidseitige medial betonte Gonarthrose sowie Retropatellararthrose. Bezüglich der BK 2112 betrage die MdE unter 10 v.H. Für die BK 2105 schlug er eine gestaffelte MdE vor, die ab dem 01.09.2010 ebenfalls mit unter 10 v.H. eingeschätzt wurde (Gutachten vom 10.09.2012).

 

Mit Bescheid vom 27.11.2012 erkannte die Beklagte eine BK 2105 an. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgenommen.

 

Mit Schreiben vom 09.06.2016 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Facharzt für Chirurgie T.. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 03.06.2017 zu der Einschätzung, dass eine MdE von 20 % vorliege. Dem trat die Beratungsärztin X. in ihrer Stellungnahme vom 11.07.2017 entgegen. Die festgestellten Beschwerden und Bewegungseinschränkungen seien einer Gonarthrose oder einer anderen Kniebinnenerkrankung geschuldet, aber nicht der BK 2105. Der anschließend mit einer Begutachtung beauftragte Z. gelangte zu der Einschätzung, dass die MdE 10 % betrage (Gutachten vom 30.01.2018, ergänzende Stellungnahme vom 24.05.2018). Die Beklagte lehnte daraufhin die Gewährung einer Rente wegen der anerkannten BK 2105 ab (Bescheid vom 10.07.2018, Widerspruchsbescheid vom 05.04.2019). Dagegen erhob der Kläger Klage beim SG Dortmund (S 21 U 623/19).

 

Hinsichtlich der BK 2112 holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Q. ein, welcher nach Auswertung von Röntgenaufnahmen des linken Kniegelenks aus 2010 das Vorliegen einer mäßigen medialen Gonarthrose und Retropatellararthrose im Stadium II nach Kellgren annahm. Ausweislich der Röntgenaufnahmen aus dem Jahr 2006 habe bei dem Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt eine beginnende innenseitige Gonarthrose und beginnende Retropatellararthrose vorgelegen, die einem Stadium I bis II nach Kellgren entspreche (Stellungnahme vom 10.12.2012).

 

Mit Abhilfebescheid vom 13.02.2013 nahm die Beklagte den Bescheid vom 12.04.2011 zurück und erkannte eine BK 2112 an. Ein Anspruch auf Rente wegen der BK wurde abgelehnt.

 

Mit Schreiben vom 31.07.2013 bat der Kläger um Überprüfung und Stellungnahme, mit wieviel Prozent die MdE berücksichtigt worden sei. Auf die Mitteilung der Beklagten, dass die MdE mit unter 10 v.H. bewertet worden sei, teilte der Kläger mit, es müsse mindestens eine MdE von 10 % berücksichtigt werden. 

 

Mit Schreiben vom 09.06.2016 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X sowie einen Verschlimmerungsantrag nach § 48 SGB X. Die Gonarthrose betrage mindestens Grad 2 bis 3 nach Kellgren, es erscheine ausgeschlossen, dass nicht zumindest eine MdE von 10 % aus Anlass dieser Erkrankung bestehe. Zudem wies er auf den Stützrententatbestand aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 hin. Die Verhältnisse im Kniegelenk dürften sich weiter verschlechtert haben.

 

Die Beklagte zog das Gutachten von U. vom 31.07.2015 bei und holte eine beratungsärztliche Stellungnahme von X. vom 29.06.2016 ein, wonach eine Verschlechterung der BK-Folgen momentan nicht plausibel sei.

 

Mit Bescheid vom 12.07.2016 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 13.02.2013 nach § 44 SGB X ab. Wegen der Folgen der BK 2112 bestehe weiterhin kein Anspruch auf Rente. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 44 SGB X seien nicht erfüllt. Darüber hinaus lägen keine objektiven Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der Kniebeschwerden vor. In dem beigezogenen Gutachten von U. vom 31.07.2015 werde ein freies Bewegungsausmaß im Bereich der Kniegelenke dokumentiert.

 

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 27.07.2016 Widerspruch ein und führte aus, dass die beidseitige Gonarthrose aufgrund der wechselseitigen Verstärkung eine MdE von mindestens 20 v.H. begründe. Zudem mache er auch eine Verschlechterung geltend.

 

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2016 zurückgewiesen. Bei objektiv fehlenden funktionellen Einschränkungen und Behinderungen an beiden Kniegelenken führe auch der Einwand, es sei eine Gesamt-MdE aus den Folgen der BK beider Kniegelenke zu bilden, zu keiner rentenberechtigenden MdE.

 

Dagegen hat der Kläger am 04.10.2016 Klage beim SG Dortmund erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass bei der Bildung der Gesamt-MdE der Gedanke beachtet werden müsse, der für paarige Organe gelte.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2013 wegen der Folgen der anerkannten Berufskrankheit Nr. 2112 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 10 v.H. zu gewähren.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Sie hat sich auf die angefochtenen Bescheide gestützt.

 

Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und sodann nach § 106 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie I.. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 15.11.2018 ausgeführt, dass weiterhin eine retropatellar und medial betonte Gonarthrose in beiden Kniegelenken mit einem Grad 2 nach dem Kellgren-Lawrence-Score vorliege. Das Bewegungsmaß ist beidseits mit 0-0-140° angegeben worden. Die bei dem Kläger vorzufindende berufskrankheitsbedingte MdE sei sowohl am rechten als auch am linken Bein nicht messbar, demzufolge mit unter 10 v.H. einzustufen. Auch die Gesamt-MdE für beide Beine zusammen betrage unter 10 v.H. Von den erforderlichen klinischen Kriterien bei Bewertung der Gonarthrose sei allenfalls eine leichte retropatellare Krepitation erkennbar. Die geringe Störung des Gangbildes werde mit großer Wahrscheinlichkeit mitverursacht durch den Vorschaden aus dem Arbeitsunfall aus 2004. Allein die röntgenologischen Kriterien würden keine MdE-Bewertung in messbarem Grade rechtfertigen (Gutachten vom 29.11.2018).

 

Der Sachverständige ist auch in einer ergänzenden Stellungnahme vom 24.01.2019 bei dieser Einschätzung geblieben.

 

Mit Urteil vom 07.10.2019 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei auf die Ausführungen des Sachverständigen I. gestützt.

 

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 17.10.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.10.2019 Berufung eingelegt und erneut auf die beidseitige Schädigung der Kniegelenke hingewiesen. Zudem liege auch eine Stützrentensituation vor.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.10.2019 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 12.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2016 aufzuheben und ihm unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 13.02.2013 wegen der Folgen der anerkannten Berufskrankheit Nr. 2112 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung unter Berücksichtigung einer Stützrentensituation aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 eine Verletztenrente nach einer MdE von jeweils mindestens 10 v. H. zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

 

Auf Antrag des Klägers hat der Senat nach § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Orthopädie P.. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 06.03.2020 eine Bewegungseinschränkung des rechten Knies von 0-5-110° und des linken Knies von 0-10-110° dokumentiert. Es bestünden eine schmerzhafte Krepitation der Kniescheibenrückfläche, rezidivierende Reizzustände mit Konturvergröberung beider Kniegelenke, belastungsabhängige Schmerzen in beiden Kniegelenken mit Einschränkung der Gehstrecke, eine eingeschränkte Beugefähigkeit mit dann verstärkt auftretenden Schmerzen sowie die radiologisch progredienten degenerativen Veränderungen in beiden Kniegelenken nach Kellgren II. Aus der mit Bescheid vom 13.02.2013 anerkannten BK 2112 bzw. der dadurch bedingten isolierten BK-Folgen resultiere eine MdE von 20 v.H. (Gutachten vom 15.03.2020).

 

Die Beklagte ist dem Gutachten nicht gefolgt. Inwieweit die von der Vorbegutachtung abweichenden Messwerte zum Strecken/Beugen des Kniegelenks Ergebnis einer fremdtätig geführten Bewegungsmessung oder der durch den Kläger demonstrierten Bewegungsausmaße seien, bleibe unklar.

 

Der Senat hat sodann die Verwaltungsakten der Beklagten betreffend den Arbeitsunfall vom 06.08.2004 sowie die BK 2105 beigezogen und von Amts wegen ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie G. eingeholt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 01.07.2020 als Folgen der BK 2112 eine endgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkung an beiden Kniegelenken für die Streckung und Beugung (beidseits 0-5-125°), einen leichten Weichteilreizzustand im Bereich des Kniescheibengleitweges beidseits sowie die hierauf zurückzuführenden Belastungsbeschwerden festgestellt und die MdE mit 10 % eingeschätzt. Diese MdE habe auch schon zum Zeitpunkt der Untersuchung durch U. im September 2012 bestanden. Die damals festgestellte Bewegungseinschränkung von beidseits 0-0-120° begründe eine MdE von 10 %. Die zu verschiedenen Zeitpunkten dokumentierten Befunde würden zum Teil deutlich differieren, so dass eine homogene Einschätzung der MdE schwierig sei. Die unterschiedlichen Befunde seien für eine Gonarthrose jedoch nicht untypisch (Gutachten vom 22.10.2020).

 

Die Beklagte ist dem Gutachten nicht gefolgt. G. habe insgesamt keine ausgeprägten Untersuchungsbefunde angegeben. Es bleibe auch unklar, ob die Bewegungseinschränkung tatsächlich das Ergebnis einer fremdtätig geführten Bewegungsmessung darstelle oder die Wiedergabe der vom Kläger demonstrierten Bewegungsausmaße sei. Vor dem Hintergrund der aktenkundigen Befunde, in denen zum Teil eine freie Beweglichkeit dokumentiert sei, und dem Ergebnis der Begutachtung durch H. am 11.09.2020 im Parallelverfahren sei auch die durchgehende Annahme einer MdE von 10 v.H. nicht nachvollziehbar.

 

Der Senat hat die Verfahren S 79 U 199/17 und S 79 U 436/17 beigezogen und sodann zu den Einwendungen der Beklagten eine ergänzende Stellungnahme von G. eingeholt. Dieser ist im Ergebnis jedoch bei seiner Einschätzung verblieben. Die von ihm und von H. erhobenen Befunde würden sich nur graduell unterscheiden. Er habe ein Streckdefizit von 5 Grad beschrieben, während nach Angabe von H. bei seiner Untersuchung eine Vollstreckung der Kniegelenke möglich gewesen sei. Seiner Einschätzung nach ließen sich mit der Fotodokumentation von H. - entgegen der Auffassung der Beklagten - weder eine vollständige Streckfähigkeit noch eine Beugefähigkeit von 140° nachweisen. Er sehe auf den Fotos eine verbliebene Streck- und Beugefähigkeit, die gut vereinbar mit seinen Befunden sei. Weiterhin hat er darauf hingewiesen, dass für die schmerzfreie Funktion des Kniegelenkes eine zwanglos erreichbare Streckung wesentlich wichtiger als eine leichte Einschränkung der Beugefähigkeit sei. Er verbleibe bei dem von ihm diagnostizierten endgradigen Streckdefizit, das mit der von der Beklagten anerkannten radiologisch nachweisbaren Retropatellar-Arthrose korrespondiere. Dies korrespondiere im Übrigen auch mit dem von H. beschriebenen retropatellaren Verschiebereiben mit Schmerzangabe. Beim Kläger liege nachvollziehbar ein belastungsabhängiger, schmerzhafter Reizzustand des Kniescheibengleitweges bei anerkannter Retropatellar-Arthrose vor. Da die diesbezüglichen Befunde nicht sehr ausgeprägt seien, habe er die MdE mit 10 v.H. eingeschätzt (Stellungnahme vom 30.08.2021).

 

Die Beklagte ist weiterhin bei ihrer Auffassung verblieben und hat ein Gutachten von der Fachärztin für Chirurgie Y. vom 29.07.2019 aus dem Klageverfahren S 21 U 765/16 beim Sozialgericht Dortmund vorgelegt. Darin ist eine Beuge- und Streckfähigkeit der Knie von 0-0-130° dokumentiert.

 

Der Senat hat sodann ein weiteres Gutachten von G. zu den Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 sowie der BK 2105 eingeholt. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 27.09.2022 als Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 eine Bewegungseinschränkung im rechten oberen und unteren Sprunggelenk, den verbliebenen Weichteilreizzustand im Sprunggelenkbereich und die beschriebenen Narben, eine leichte Verschmächtigung der auf das Sprunggelenk wirkenden Muskulatur und Herabsetzung ihrer Kraft, die Kribbelmissempfindungen im Fußbereich, die röntgenmorphologisch im Bereich des Sprunggelenks beschriebenen Veränderungen sowie die hierauf zurückzuführenden Beschwerden festgestellt und die MdE seit dem 04.02.2005 mit 10 % eingeschätzt. Als Folgen der BK 2105 lägen die reizlose Narbe nach Entfernung des Schleimbeutels am linken Kniegelenk und ein Teil der Beschwerden an beiden Kniegelenken beim Knien und Hocken, soweit sie nicht Folge der anerkannten BK 2112 seien, vor. Die MdE werde mit unter 10 % eingeschätzt (Gutachten vom 20.12.2022).

 

Die Beklagte ist der Ansicht, dass dem Gutachten nicht gefolgt werden könne.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Akten S 21 U 48/08, S 79 U 199/17, S 79 U 436/17, S 79 U 721/18, S 79 U 436/20 und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

 

1. Gegenstand der statthaften und auch im Übrigen zulässigen kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG ist der Bescheid vom 12.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2016 (§ 95 SGG), mit denen es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 13.02.2013 wegen der Folgen der anerkannten BK 2112 Verletztenrente zu gewähren. Abgelehnt hat die Beklagte dabei nicht nur die rückwirkende Gewährung von Verletztenrente unter Anwendung von § 44 Abs. 1 SGB X, sondern auch die Gewährung von Verletztenrente ab einem späteren Zeitpunkt.

 

Nicht Gegenstand ist demgegenüber der Bescheid vom 06.09.2016, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 eine Verletztenrente zu gewähren. Dieser Bescheid ist nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 12.07.2016 geworden, auch wenn aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 ein Stützrententatbestand im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Betracht kommt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat zwar unter Anwendung der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung von § 96 Abs. 1 SGG angenommen, dass ein später erlassener Bescheid über die Anerkennung eines anderen, in den angefochtenen Bescheiden nicht geregelten zweiten Versicherungsfalls und die Ablehnung oder die Gewährung von (Stütz-)Rente wegen dieses Versicherungsfalls Gegenstand des Rechtsstreits über die Gewährung von Verletztenrente wegen des ersten Versicherungsfalls wird, selbst wenn er von einem anderen, gemäß § 75 Abs. 2 1. Alt. SGG beizuladenden Unfallversicherungsträger erlassen wird (BSG, Urteil vom 27.06.1984 - 9b RU 76/83 -, juris Rn. 12 ff.). Auch wenn § 96 Abs. 1 SGG ab dem 01.04.2008 enger gefasst und deshalb ungeklärt ist, ob diese Rechtsprechung noch Geltung beanspruchen kann, könnte die Auffassung vertreten werden, dass die richterrechtlich entwickelten Erweiterungen des Anwendungsbereichs von § 96 SGG im Rahmen von § 86 SGG weiterhin Anwendung finden müssen, weil § 86 SGG nicht geändert worden ist (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 09.12.2016 - B 8 SO 14/15 R -, juris Rn. 11 m.w.N.). Die Voraussetzungen von § 86 SGG lassen sich jedoch nur bejahen, wenn der später erlassene Bescheid betreffend einen anderen Versicherungsfall irgendeinen Bezug zu dem in dem zuerst erlassenen Bescheid geregelten Versicherungsfall enthält oder erkennen lässt. Dies ist durch Auslegung aus objektiver Empfängersicht (§§ 133,157 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB> analog) zu ermitteln. Behandelt der zuständige Unfallversicherungsträger verschiedene Versicherungsfälle nur isoliert und enthalten die von ihm erlassenen Bescheide keinerlei Ausführungen zu anderen Versicherungsfällen und möglichen, aus ihnen erwachsenden Stützrententatbeständen im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, überstiege die Annahme, mit der Ablehnung der Gewährung von Rente wegen des zweiten Versicherungsfalls habe der handelnde Unfallversicherungsträger auch die Gewährung von Stützrenten aus beiden Versicherungsfällen abgelehnt und damit noch einmal im Sinne eines (partiellen) Zweitbescheids ablehnend über die Gewährung von Verletztenrente wegen des ersten Versicherungsfalls entschieden und damit den zunächst erlassenen Ablehnungsbescheid in Bezug auf den ersten Versicherungsfall ersetzt, die Grenzen möglicher Auslegung. So liegt der Fall hier. Im Bescheid vom 06.09.2016 über die Ablehnung der Gewährung von Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 werden der vorliegend streitgegenständliche Versicherungsfall einer BK 2112 und etwaige hieraus resultierende Rentenansprüche nicht erwähnt. Aus den beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten geht zudem hervor, dass die Beklagte im Rahmen des Verwaltungsverfahrens betreffend die Gewährung von Rente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 andere Versicherungsfälle und damit auch die BK 2112 nicht in ihre Prüfung mit einbezogen hat. Ein Regelungswille der Beklagten in Bezug auf Rentenansprüche aus der BK 2112, gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Stützrentensituation, kann deshalb bei Erlass des Bescheids vom 06.09.2016 nicht angenommen werden.

 

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 06.09.2016 davon ausgegangen ist, dass aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 eine MdE von 10 v.H. besteht. Zwar dürfte der zuständige Unfallversicherungsträger jedenfalls dann zu einer einheitlichen Entscheidung über mehrere in Betracht kommende Stützrententatbestände verpflichtet sein, wenn er selbst nach dem Ergebnis seiner Ermittlungen davon ausgeht, dass aus einem Versicherungsfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von genau 10 v.H. resultiert, da § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII eine einheitliche Entscheidung über mehrere Stützrentenfälle aus verschiedenen Versicherungsfällen gesetzlich anordnet (siehe dazu unten). Wenn der zuständige Unfallversicherungsträger sich aber dieser rechtlichen Zusammenhänge nicht bewusst ist oder sie sogar willentlich ignoriert, scheidet eine Auslegung dahingehend, dass die Ablehnung von Rente wegen des zweiten Versicherungsfalls erneut die Ablehnung von Rente wegen des ersten Versicherungsfalls mitregelt, aus. Andernfalls würde man den Inhalt eines Verwaltungsaktes, d.h. das von der Behörde Gewollte, aufgrund materiell rechtlicher Vorgaben, d.h. des gesetzlich Gesollten, fingieren. Für eine solche Fiktion gibt es aber keine Rechtsgrundlage.

 

2. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 12.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2016 im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind teilweise rechtswidrig. Zwar hat der Kläger nicht gemäß § 44 Abs. 1 SGB X Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 13.02.2013 ändert und ihm rückwirkend ab Eintritt des Versicherungsfalls der anerkannten BK 2112 Verletztenrente gewährt. Der Kläger hat auch keinen Anspruch gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII auf Gewährung von Verletztenrente allein wegen der anerkannten BK 2112 ab einem späteren Zeitpunkt, denn seine Erwerbsfähigkeit ist nicht allein wegen der BK 2112 um mindestens 20 v.H. gemindert. Dem Kläger steht jedoch ab dem 02.07.2020 gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wegen der BK 2112 und dem Arbeitsunfall vom 06.08.2004 als sogenannten Stützrententatbeständen Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von jeweils 10 v.H. zu, sodass ihm für beide Versicherungsfälle zusammen ab dem 02.07.2020 Verletztenrente zu gewähren ist.

 

a) Wegen der anerkannten BK 2112 ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers ab dem 01.07.2020 um 10 v.H. gemindert.

 

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Unfallfolgen sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (sog. Stütztatbestand). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

 

Für die Feststellung einer rentenberechtigenden MdE aufgrund einer anerkannten Berufskrankheit sind nur solche Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die durch die Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem i.S.d. Berufskrankheit verursacht wurden (haftungsbegründende Kausalität). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt insoweit die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 16.03.2021 - B 2 U 11/19 R -, juris Rn. 12 m.w.N.). Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Berufskrankheitenrecht - wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung - die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolgs ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Ursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Ursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (BSG, Urteil vom 06.09.2018 - B 2 U 13/17 R -, juris Rn. 15 m.w.N.).

 

Die Bemessung der MdE hängt zum einen von den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und zum anderen von dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten ab. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG, Beschluss vom 29.12.2022 - B 2 U 89/22 B -, juris, Rn. 6 m.w.N.; Urteil vom 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R -, juris Rn. 14 m.w.N.). Die Bemessung des Grades der MdE ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG - welcher sich der Senat ausdrücklich anschließt - eine tatsächliche Feststellung, die das Tatsachengericht unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen richterlichen Überzeugung trifft (BSG, Urteil vom 20.12.2016, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.). Bei der Bestimmung der MdE kann auf die MdE-Tabellen zurückgegriffen werden (zur Zulässigkeit siehe BSG, Urteil vom 20.12.2016, a.a.O., juris Rn. 17). Die MdE-Tabellenwerte sind allgemeine (generelle) Tatsachen, die für die Bestimmung des Inhalts einer Rechtsnorm - nämlich des in § 56 Abs. 2 SGB VII verwendeten Begriffs der MdE - und damit für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle relevant sind. Bei einer Vielzahl von Unfallfolgen haben sich im Laufe der Zeit für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet. Sie sind in Form von Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und dienen als Hilfsmittel für die MdE-Einschätzung im Einzelfall. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber als in sich stimmiges Beurteilungsgefüge die Grundlage für eine gleichförmige Bewertung der MdE, ohne dass hier eine exakte rechtsdogmatische Einordnung der MdE-Tabellen erforderlich wäre. MdE-Tabellen bezeichnen typisierend das Ausmaß der durch eine körperliche, geistige oder seelische Funktionsbeeinträchtigung hervorgerufenen Leistungseinschränkungen in Bezug auf das gesamte Erwerbsleben und ordnen körperliche oder geistige Funktionseinschränkungen einem Tabellenwert zu. Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte geben damit auch allgemeine Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit aufgrund des Umfangs der den Verletzten versperrten Arbeitsmöglichkeiten wieder und gewährleisten, dass die Verletzten bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden (BSG, Urteil vom 20.12.2016, a.a.O., Rn. 18, 19 m.w.N.).

 

Der im Berufungsverfahren beauftragte Sachverständige G. hat in seinem Gutachten vom 22.10.2020 die MdE aufgrund der im Rahmen der ambulanten Untersuchung am 01.07.2020 erhobenen Befunde und unter Berücksichtigung der medizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 641 ff.) nach Ansicht des Senats zutreffend mit 10 v.H. eingeschätzt. Grundlage für die graduelle Bemessung der MdE bei der Gonarthrose sind die spezifischen Funktionseinschränkungen in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk, eines Kniegelenkergusses, einer Kapselentzündung mit Verdickung oder Verplumpung der Gelenkkontur, einer Krepitation bei der Gelenkbewegung, einer Atrophie der Oberschenkelmuskulatur oder eines hinkenden Gangbildes (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 684 f.). G. hat als auf die BK 2112 zurückzuführende Gesundheitsstörungen eine endgradige schmerzhafte Bewegungseinschränkung an beiden Kniegelenken für die Streckung und Beugung (0-5-125°), einen leichten Weichteilreizzustand im Bereich des Kniescheibengleitweges beidseits und die darauf zurückzuführenden Belastungsbeschwerden festgestellt und dafür zutreffend eine MdE von 10 v.H. angesetzt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen für die schmerzfreie Funktion des Kniegelenkes die zwanglos erreichbare Streckung wesentlich wichtiger als eine leichte Einschränkung der Beugefähigkeit ist, so dass eine Gleichstellung einer Funktionseinbuße von 0-0-120° mit einer solchen von 0-5-125° hinsichtlich der Beurteilung der MdE gerechtfertigt erscheint.

 

Diese Einschätzung wird auch durch die anlässlich der erneuten Begutachtung des Klägers am 27.09.2022 erhobenen Befunde gestützt. Im Rahmen dieser Untersuchung hat G. erneut eine leichte Bewegungseinschränkung (0-5-120°) sowie leichte parapatellare Weichteilverdickungen und ein retropatellares Reiben festgestellt.

 

Die Einwendungen der Beklagten sind nach Ansicht des Senats nicht geeignet, Zweifel an der Einschätzung des im Bereich der Begutachtung im Unfallversicherungsrecht äußerst erfahrenen Sachverständigen zu wecken. Soweit diese ausführt, entscheidend für die Messung von Bewegungseinschränkungen sei nicht die von G. dokumentierte eigentätige Beweglichkeit, sondern die fremdtätig geführte, überzeugt dies nicht. Zutreffend ist, dass bei der Messung der Gelenkbeweglichkeit die Bewegungsausmaße vom Untersucher geführt werden sollen, damit willentliches Gegenspannen oder ein vorzeitiges Abbrechen der Bewegung erkannt werden können (vgl. Mehrhoff u.a., Unfallbegutachtung, 13. Aufl. 2012, S. 135 f.). Dementsprechend wird in dem Gutachten von G. auch von der „eigentätig geführten Bewegungsprüfung“ gesprochen. Die Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit ist hingegen erst dann relevant, wenn erhebliche Differenzen zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit vorliegen. In diesem Fall sind die unterschiedlichen Bewegungsausmaße zu vermerken (vgl. Mehrhoff u.a., a.a.O., S. 136). Dann ist zu prüfen, ob die Abweichungen medizinisch plausibel erklärbar sind. Vom Ergebnis dieser Prüfung hängt es ab, ob die schlechteren aktiven Bewegungsausmaße bei der Einschätzung der Funktionseinschränkungen zugrunde gelegt werden können oder nicht (so Hessisches Landessozialgericht <LSG>, Urteil vom 05.06.2014 - L 3 U 254/10 -, juris Rn. 55). Der Senat hat keinerlei Zweifel daran, dass die von G. durchgeführte Bewegungsprüfung unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erfolgt ist und die von ihm dokumentierten Bewegungsausmaße zutreffend ermittelt wurden. Im Übrigen hat G. nachvollziehbar dargelegt, dass sich aus dem Gutachten von H. vom 11.09.2020, das zur Beurteilung der MdE der Sprunggelenksverletzung des Klägers erstellt wurde, und der diesem Gutachten anliegenden Fotodokumentation nicht entnehmen lässt, dass seine Befunde unzutreffend seien. Er habe vielmehr gegenüber den Befunden von H. nur gering differierende Befunde, insbesondere ein geringes Streckdefizit, festgestellt, das ihm aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung gut bekannt sei und ein typisches klinisches Merkmal der anerkannten Retropatellar-Arthrose darstelle.

 

Soweit der Sachverständige G. das Vorliegen einer MdE von 10 v.H. auch für die Zeit vor dem 01.07.2020 bejaht, folgt der Senat dem nicht. Für den Zeitraum vor der Untersuchung am 01.07.2020 ist eine MdE von wenigstens 10 v.H. nach Ansicht des Senats nicht nachgewiesen.

 

Der im Verwaltungsverfahren beauftragte U. hat in seinem Gutachten vom 10.09.2012 die MdE aufgrund der im Rahmen der ambulanten Untersuchung am 02.11.2011 erhobenen Befunde unter Berücksichtigung der medizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 641 ff.) zum damaligen Zeitpunkt mit unter 10 % eingeschätzt. Zwar hat U. eine Bewegungseinschränkung für die Streckung/Beugung der Kniegelenke von beidseits 0-0-120° festgestellt, was nach Einschätzung des Sachverständigen G. bereits eine MdE von 10 v.H. rechtfertigen kann. Unter Berücksichtigung der weiteren klinischen Befunde hat U. jedoch insgesamt eine MdE von kleiner 10 v.H. angenommen. Diese Bewertung erachtet der Senat auch unter Berücksichtigung der in der Folgezeit erhobenen Befunde zum damaligen Zeitpunkt für zutreffend. So ist anlässlich einer weiteren Begutachtung durch U. am 30.07.2015 sogar eine freie Beweglichkeit der Kniegelenke dokumentiert. Gleiches gilt für die Untersuchungen durch I. am 15.11.2018 (beidseits 0-0-140°) und Y. am 09.05.2019 (beidseits 0-0-130°).

 

Der Senat verkennt dabei nicht, dass in der Vergangenheit auch deutlich schlechtere Befunde erhoben wurden. So hat T. im Rahmen seiner Begutachtung am 31.05.2017 eine eingeschränkte Beweglichkeit von rechts 0-0-120° und links 0-10-80° dokumentiert. Auch von Z. (Untersuchung am 22.01.2018: rechts 0-0-140°, links 0-10-85°; Untersuchung am 12.11.2018: rechts 0-0-140°, links 0-10-85°) und von P. (Untersuchung am 06.03.2020: rechts 0-05-110°, links 0-10-110°) wurde eine Bewegungseinschränkung festgestellt, ebenso von G. am 01.07.2020 (0-5-125°) und am 27.09.2022 (beidseits 0-5-120°).

 

Den Ausführungen des Sachverständigen G., wonach das Vorliegen wechselhafter Befunde mit zum Teil höhergradigen, zum Teil aber auch deutlich geringeren Reizerscheinungen und Funktionsstörungen für eine Gonarthrose nicht untypisch sei und die MdE daher ab dem Zeitpunkt der Anerkennung der BK 2112 mit 10 v.H. eingeschätzt werden könne, konnte sich der Senat dennoch nicht anschließen. Die Ausführungen des Sachverständigen überzeugen insoweit nicht. Nach dem Ergebnis der umfangreichen Begutachtungen des Klägers in den diversen Verwaltungs- und Klageverfahren ist das - dauerhafte - Vorliegen von Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der BK 2112, die mindestens eine MdE von 10 v.H. bedingen, für die Zeit bis zur Begutachtung durch den Sachverständigen G. am 01.07.2020 nach Ansicht des Senats gerade nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen.

 

b) Wegen des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers ebenfalls um 10 v.H. gemindert.

 

aa) Der Senat hat die Frage, ob die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 um mindestens 10 v.H. gemindert ist, im vorliegenden Verfahren zu prüfen, obwohl sich die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Bescheide nur mit der Gewährung von Verletztenrente wegen der anerkannten BK 2112 befassen. Zwar beschränkt sich ausgehend von dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, der grundsätzlich auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt (vgl. BSG, Urteil vom 23.01.2018 - B 2 U 4/16 R -, juris Rn. 10 m.w.N.), der Klagegrund, d.h. der dem prozessualen Antrag zugrundeliegende Lebenssachverhalt, in einem auf die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gerichteten Verfahren grundsätzlich auf den Versicherungsfall (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, § 7 Abs. 1 SGB VII), aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird und mit dem sich die angefochtenen Bescheide befassen (vgl. Bieresborn in: beckonline, Großkommentar, SGG, § 99 Rn. 27; Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2024, § 99 Rn. 2b; vgl. auch BSG, Urteil vom 05.07.2016 - B 2 U 4/15 R -, juris Rn. 16 m.w.N.). Wegen der Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII gilt jedoch etwas Anderes, wenn aus dem Versicherungsfall, mit dem sich die angefochtenen Bescheide befassen, wie hier, eine MdE von genau 10 v.H. resultiert. In diesem Fall muss wegen der Vorgaben des materiellen Rechts geprüft werden, ob auch noch andere Versicherungsfälle des Klägers vorliegen und ob aus ihnen eine MdE von mindestens 10 v.H. resultiert. § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII enthält ebenso wie die Vorgängerregelung des § 581 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) einen besonderen Anspruch auf Verletztenrente, der sich wesentlich von dem Anspruch auf Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII unterscheidet. Es reicht für den Anspruch auf die Verletztenrente nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (unter der Geltung von § 581 Abs. 3 RVO „kleine Verletztenrente“ genannt) nicht aus, dass dem Grunde nach dieselben Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, die § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vorschreibt, nur eben dem Grad der arbeitsunfallbedingten MdE nach verringert auf weniger als 20 v.H. Mit einer solchen geringeren MdE wird vielmehr grundsätzlich die rentenberechtigende Grenze in der gesetzlichen Unfallversicherung unterschritten. Eine durch einen Arbeitsunfall bedingte MdE um 10 v.H. vermag nach geltendem Recht allein niemals den Anspruch auf eine Verletztenrente zu begründen. Hinzukommen muss vielmehr eine weitere Voraussetzung, nämlich die Verursachung einer MdE von mindestens 10 v.H. durch einen anderen Entschädigungsfall (BSG, Urteil vom 13.10.1993 - 2 RU 5/93 -, juris Rn. 20). Daraus folgt, dass nicht isoliert über die Gewährung einer Teilrente nach einer MdE in Höhe von 10 v.H. wegen des von den angefochtenen Bescheiden behandelten Versicherungsfalls, sondern über die in Betracht kommenden Stützrententatbestände nur einheitlich und gemeinsam entschieden werden kann. Die materiellrechtliche Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII bewirkt damit, dass die in Betracht kommenden Stützrententatbestände gemeinsam den Gegenstand des Streites bilden, da die jeweiligen Renten hinsichtlich der Feststellung der MdE untrennbar verbunden sind. Der prozessuale Streitgegenstandsbegriff wird dementsprechend materiellrechtlich ergänzt, um die gesetzliche Vorgabe einer einheitlichen Entscheidung über die in Betracht kommenden Stützrententatbestände zu erfüllen (zum Ganzen BSG, Urteil vom 27.06.1984 - 9b RU 76/83 -, juris Rn. 10 ff.; Urteil vom 28.02.1986 - 2 RU 23/84 -, juris Rn. 16; Urteil vom 18.03.1993 - 8 RKnU 4/92 -, juris Rn. 19 ff.; Urteil vom 13.10.1993 - 2 RU 5/93 -, juris Rn. 20 ff.; vgl. auch zuletzt Urteil vom 20.03.2007 - B 2 U 21/06 R -, juris Rn. 13).

 

bb) Der Senat ist an der Prüfung eines Stützrententatbestandes aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 und einer Entscheidung hierüber nicht dadurch gehindert, dass die Beklagte im Bescheid vom 06.09.2016 die Gewährung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 abgelehnt hat und dieser Bescheid Gegenstand des unter dem Aktenzeichen S 79 U 199/17 beim SG Dortmund anhängigen Klageverfahrens ist.

 

(1) § 77 SGG steht einer Prüfung und Entscheidung des Senats von vornherein nicht entgegen, denn der Bescheid vom 06.09.2016 ist wegen seiner erfolgten Anfechtung durch Widerspruch und Klage nicht bestandskräftig geworden.

 

(2) Es spricht darüber hinaus viel dafür, dass der Bescheid vom 06.09.2016 hinsichtlich der Ablehnung eines Stützrententatbestandes wegen einer MdE in Höhe von 10 v.H. aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 gar keine Regelung im Sinne von § 31 SGB X enthält. Wie bereits ausgeführt, ist die Beklagte bei Erlass des Bescheides davon ausgegangen, dass aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 eine MdE des Klägers in Höhe von 10 v.H. resultiert. Damit lag aus Sicht der Beklagten eine wesentliche Voraussetzung des § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vor. Hätte die Beklagte auch die Gewährung einer Rente nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ablehnen wollen, hätte sie nach den gesetzlichen Vorgaben zwingend andere Versicherungsfälle und die hieraus resultierende MdE in ihre Prüfung einbeziehen müssen. Dies hat sie jedoch ausweislich der Akten nicht getan. Vielmehr hat sie den Arbeitsunfall vom 06.08.2004 lediglich isoliert betrachtet und die Gewährung von Verletztenrente allein aufgrund dieses Arbeitsunfalls im Bescheid vom 06.09.2016 abgelehnt, weil die MdE wegen des Arbeitsunfalls weniger als 20 v.H. betrage. Nach objektivem Empfängerhorizont könnte man dementsprechend den Bescheid vom 06.09.2016 mit guten Gründen dahingehend auslegen, dass er lediglich die Gewährung von Rente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 ablehnt, einer Berücksichtigung des Arbeitsunfalls als Stützrententatbestandes wegen einer durch ihn verursachten MdE in Höhe von 10 v.H. aber nicht entgegensteht.

 

(3) Unabhängig davon kann ein allein auf einen Versicherungsfall bezogener Rentenablehnungsbescheid einer nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII notwendigen einheitlichen Entscheidung über mehrere Versicherungsfälle als Stützrententatbestände nicht entgegenstehen (so in der Sache auch Scholz in: jurisPK-SGB VII, 3. Aufl. 2022, Stand: 15.01.2022, § 56 Rn. 37, der die Bindungswirkung von Rentenablehnungsbescheiden wegen anderer Versicherungsfälle im Rahmen von § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII verneint). Aufgrund von § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist in jedem Verfahren gegen die Ablehnung von Verletztenrente aufgrund eines Versicherungsfalls das Vorliegen eines Stützrententatbestandes aufgrund eines anderen Versicherungsfalls zu prüfen, wenn der in den streitgegenständlichen Bescheiden behandelte Versicherungsfall nicht für sich stehen kann, d.h. wenn die aus ihm resultierende MdE genau 10 v.H. beträgt. Dieser materiellrechtlich vorgegebene Streitgegenstand kann nicht dadurch beschränkt werden, dass die Beklagte die Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII im Verwaltungsverfahren nicht beachtet, jeden Versicherungsfall deshalb nur für sich betrachtet und jeweils gesonderte Rentenablehnungsbescheide erlässt. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn es die Beklagte - wie vorliegend - trotz einer Anregung des Gerichts explizit ablehnt, über mehrere Versicherungsfälle zusammen unter dem Gesichtspunkt einer Stützrentensituation zu entscheiden und dadurch verhindert, dass über §§ 86, 96 Abs. 1 SGG Bescheide, die sich unter dem Gesichtspunkt einer Stützrentensituation auch auf andere Versicherungsfälle beziehen, Gegenstand des Rechtsstreits werden können. Jede andere Sichtweise würde zu einer den gesetzlichen Vorgaben widersprechenden Beschränkung der Rechte von Versicherten führen und der dienenden Funktion des Verfahrensrechtes widersprechen, weil die ausschließlich separate Entscheidung über Rentenansprüche aus verschiedenen Versicherungsfällen dann bewirken würde, dass die gesetzlich notwendige einheitliche Entscheidung über mehrere Stützrententatbestände nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII prozessual nicht möglich wäre.

 

(4) Vor diesem Hintergrund hindert auch die gesonderte Anfechtung des Bescheids vom 06.09.2016 den Senat nicht an einer Entscheidung über einen Rentenanspruch aus dem Arbeitsunfall vom 06.08.2004 als Stützrententatbestand gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII im vorliegenden Verfahren.

 

Der streitgegenständliche Rentenanspruch aufgrund des in den angefochtenen Bescheiden behandelten Versicherungsfalls der BK 2112 umfasste nicht nur den Anspruch aus § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, sondern auch den Anspruch aus § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Nach den materiellrechtlichen Vorgaben von § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erstreckte sich der Streitgegenstand und damit auch die Prüfungspflicht der Gerichte im vorliegenden Verfahren von Anfang an auch auf andere Versicherungsfälle unter dem Gesichtspunkt einer Stützrentensituation. Der in den angefochtenen Bescheiden behandelte Versicherungsfall der BK 2112 kann und konnte von Anfang an nur unter der Bedingung isoliert betrachtet werden, dass die aus ihm resultierende MdE mindestens 20 v.H. beträgt - dann wäre die Klage aus § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII begründet gewesen - oder die aus ihm resultierende MdE 10 v.H. nicht erreicht, denn dann wären die Folgen aus der BK 2112 nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nicht zu berücksichtigen.

 

Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens umfasste dementsprechend von Anfang an unter dem Gesichtspunkt einer Stützrentensituation und damit partiell auch Rentenansprüche aus dem Arbeitsunfall vom 06.08.2004. Soweit sich das gegen den Bescheid vom 06.09.2016 gerichtete Klageverfahren nicht ohnehin auf den Anspruch aus § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII beschränkt, weil der Bescheid vom 06.09.2016 hinsichtlich der Anerkennung einer MdE in Höhe von 10 v.H. aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 gar keine ablehnende Regelung enthält (siehe dazu oben (2)), überschnitten sich die Streitgegenstände des vorliegenden Verfahrens und des beim SG Dortmund unter dem Aktenzeichen S 79 U 199/17 anhängigen Verfahrens teilweise. Da das vorliegende Verfahren im ersten Rechtszug am 04.10.2016 und somit vor dem am 17.02.2017 gegen den Bescheid vom 06.09.2016 anhängig gemachten Klageverfahren beim SG Dortmund anhängig gemacht wurde, ist die Klage unter dem Aktenzeichen S 79 U 199/17 wegen anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 Satz 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz <GVG>) unzulässig, soweit es um die Gewährung einer Rente nach einer MdE in Höhe von (mindestens) 10 v.H. wegen des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 im Rahmen einer Stützrentensituation im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII mit dem anerkannten Versicherungsfall der BK 2112 geht. Es gilt damit letztlich der Grundsatz, dass über mögliche Stützrenten aus § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII in dem Verfahren einheitlich und gemeinsam zu entscheiden ist, das als erstes mit dem Ziel der Gewährung von Verletztenrente aufgrund eines bestimmten Versicherungsfalls eingeleitet wird. Auf diese Weise werden einander widersprechender Entscheidungen verhindert.

 

Dies entspricht im Ergebnis der Situation, wenn für einen möglichen Stützrententatbestand aus einem anderen Versicherungsfall ein anderer Versicherungsträger zuständig ist. Dieser ist in dem Verfahren gegen die von dem einen Versicherungsträger erlassenen ablehnenden Bescheide gemäß § 75 Abs. 2 1. Alt. SGG notwendig beizuladen und kann dann nach der herrschenden Auffassung, gegebenenfalls nach Erlass eines gemeinsam mit dem beklagten Versicherungsträger erlassenen Bescheids, der die angefochtenen Bescheide ersetzt und deshalb gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens wird, gemeinsam mit dem beklagten Versicherungsträger verurteilt werden (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.06.1984 - 9b RU 76/83 -, juris Rn. 12 ff.; Kranig in: Hauck/Noftz, SGB VII, 3. Ergänzungslieferung 2024, § 56 Rn. 31). Die Verurteilung des beigeladenen Versicherungsträgers soll dabei offensichtlich in entsprechender Anwendung von § 75 Abs. 5 SGG erfolgen, der an sich voraussetzt, dass die Ansprüche gegen den beklagten Versicherungsträger einerseits und gegen den beigeladenen Versicherungsträger andererseits in Wechselbeziehung zueinander, d.h. in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen (siehe dazu B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 75 Rn. 18 m.w.N.). Dass gegen den beigeladenen Versicherungsträger ein eigenständiges Klageverfahren anhängig ist, hindert dessen Verurteilung nach ständiger Rechtsprechung nicht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.05.1982 - 11 RA 37/81 -, juris Rn. 38; Beschluss vom 18.05.2022 - B 7/14 AS 399/21 R -, juris Rn. 6). Ist demgegenüber - wie vorliegend - für die einzelnen Stützrententatbestände sogar derselbe Versicherungsträger zuständig, kann ein Versicherter nicht schlechter stehen.

 

cc) Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist wegen des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 um 10 v.H. gemindert.

 

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen G., denen der Senat vollumfänglich folgt, ist die bei dem Kläger aufgrund des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 bestehende MdE mit 10 v.H. zu bewerten.

 

Der Sachverständige G. hat in seinem Gutachten vom 20.12.2022 als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung im rechten oberen und unteren Sprunggelenk, den verbliebenen Weichteilreizzustand im Sprunggelenkbereich und die beschriebenen Narben, eine leichte Verschmächtigung der auf das Sprunggelenk wirkenden Muskulatur und Herabsetzung ihrer Kraft, die Kribbelmissempfindungen im Fußbereich, die röntgenmorphologisch im Bereich des Sprunggelenks beschriebenen Veränderungen sowie die hierauf zurückzuführenden Beschwerden festgestellt und die MdE unter Berücksichtigung der medizinischen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 712 ff.) seit dem 04.02.2005 mit 10 % eingeschätzt.

 

Diese Einschätzung entspricht auch den Feststellungen in den zahlreichen Stellungnahmen und Gutachten aus den bisherigen Verwaltungs- und Klageverfahren und stimmt insbesondere mit den Ausführungen von S. (Gutachten vom 19.12.2007), E. (Gutachten vom 20.08.2008), des Beratungsarztes A. (Stellungnahme vom 08.12.2010) und auch von U. (Gutachten vom 31.07.2015), die aufgrund der von ihnen erhobenen Befunde die MdE für die aufgrund des Unfalls bestehende Bewegungseinschränkung im oberen und unteren Sprunggelenk ebenfalls mit einer MdE von 10 v.H. bewertet haben, überein. Zu dieser Einschätzung ist auf der Grundlage der von Z. am 12.11.2018 erhobenen Befunde im Übrigen auch der Beratungsarzt B. in seiner Stellungnahme vom 27.03.2019 gelangt.

 

Soweit H. demgegenüber aufgrund der von ihm am 11.09.2020 erhobenen Befunde eine MdE verneint, kann dem nicht gefolgt werden. Der Sachverständige G. hat sowohl vorher (Untersuchung vom 01.07.2020) als auch später (Untersuchung vom 27.09.2022) sowohl am rechten oberen Sprunggelenk (0-0-30° bzw. 5-0-30°) als auch am rechten unteren Sprunggelenk (1/2 bzw. 2/3) eine Bewegungseinschränkung festgestellt, die eine MdE von 10 v.H. rechtfertigt. Auch Y. hat im Übrigen anlässlich ihrer Untersuchung am 09.05.2019 eine Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenks rechts festgestellt.

 

Damit liegen ab dem 01.07.2020 die Voraussetzungen für die Gewährung einer Stützrente vor.

 

c) Weitere Stützrententatbestände sind nicht ersichtlich.

 

Insoweit kann dahinstehen, ob dann, wenn, wie hier, aus zwei Versicherungsfällen eine MdE in Höhe von jeweils 10 v.H. resultiert, so dass zusammen eine MdE i.H.v. 20 v.H. besteht, weitere Stützrententatbestände überhaupt zu prüfen sind und sich der Streitgegenstand dementsprechend auch auf weitere Versicherungsfälle erstreckt. In jedem Fall ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen anderer Versicherungsfälle nicht um wenigstens 10 v.H. gemindert.

 

Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2012 das Vorliegen einer BK 2105 anerkannt hat, resultiert aus diesem Versicherungsfall kein weiterer Stützrententatbestand im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Insoweit ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der im vorliegenden Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund der BK 2105 nicht um wenigstens 10 v.H. gemindert ist. Der Sachverständige G. hat in seinem Gutachten vom 20.12.2022 als Folgen der BK 2105 die reizlose Narbe nach Entfernung des Schleimbeutels am linken Kniegelenk und einen Teil der Beschwerden an beiden Kniegelenken beim Knien und Hocken, soweit sie nicht Folge der anerkannten BK 2112 sind, festgestellt und die MdE mit unter 10 % eingeschätzt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat vollständig an.

 

Weitere Versicherungsfälle, aus denen eine MdE resultieren könnte, sind bislang von der Beklagten nicht anerkannt worden.

 

Zwar sind derzeit sowohl beim SG Dortmund als auch beim Senat (Anerkennung einer BK 2109, Aktenzeichen L 15 U 120/22) noch weitere Verfahren des Klägers anhängig, was einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren jedoch nicht entgegensteht.

 

Insbesondere bestand keine Veranlassung, das vorliegende Verfahren bis zum Abschluss des auf die Anerkennung einer BK 2109 gerichteten Verfahrens oder im Hinblick auf die erstinstanzlich anhängigen Verfahren gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG auszusetzen, da eine Aussetzung nicht sachdienlich wäre. Über den streitgegenständlichen Rentenanspruch kann auch ohne Berücksichtigung einer etwaigen MdE aufgrund einer gegebenenfalls anzuerkennenden BK 2109 oder weiterer Versicherungsfälle entschieden werden. Dem Kläger entstehen hierdurch keine Nachteile, da er einen etwaigen - weiteren -Rentenanspruch auch auf der Grundlage von § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nach Abschluss der jeweiligen Verfahren verfolgen kann. Die Rechtskraft der Entscheidung im vorliegenden Verfahren bindet dabei die Beklagte auch hinsichtlich der Gewährung von Rente nach § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII wegen einer etwaig anzuerkennenden BK 2109 oder weiterer Versicherungsfälle.

 

3. a) Da die Erwerbsfähigkeit des Klägers damit aufgrund der BK 2112 und des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 um jeweils 10 v. H. gemindert ist, ist die Beklagte gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zur Gewährung von Verletztenrente aus beiden Versicherungsfällen gemeinsam und einheitlich entsprechend zu verurteilen.

 

Der Beginn einer Stützrente aufgrund des späteren Versicherungsfalls richtet sich nach § 72 Abs. 1 SGB VII (Kranig in: Hauck/Noftz, SGB VII, 3. Ergänzungslieferung 2024, § 56 Rn. 29). Nach § 72 Abs. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet (Nr. 1) oder der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist (Nr. 2). Für den Fall, dass die Folgen eines Versicherungsfalls nicht sofort, sondern erst später zur Rentenberechtigung führen, ist der Rentenbeginn entsprechend § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII zeitlich hinausgeschoben auf den Tag nach dem Tag, an dem die rentenberechtigende MdE eintritt (Kranig, a.a.O., § 72 Rn. 13 m.w.N.).

 

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist ab dem 01.07.2020 aufgrund des Versicherungsfalls der BK 2112 vom Vorliegen einer MdE von 10 v.H. auszugehen. Unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden stützenden MdE von 10 v.H. aus dem früheren Versicherungsfall - dem Arbeitsunfall vom 06.08.2004 - ist ab dem 02.07.2020 Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

 

b) Der Senat hat darüber hinaus nicht nur die angefochtenen Bescheide der Beklagten, sondern auch den die Ablehnung von Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 06.08.2004 betreffenden Bescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids 19.01.2017 aufgehoben, soweit sie der Gewährung einer Rente nach einer MdE von 10 v.H. entgegenstehen, obwohl diese nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Die ausgesprochene Aufhebung dient der Beseitigung des Rechtsscheins, der von diesen Bescheiden hinsichtlich der Ablehnung einer entsprechenden Stützrente ausgeht und greift einer aufgrund der vorstehenden Verurteilung bestehenden Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Bescheide zur Gewährleistung von Rechtssicherheit vor. Die Kompetenz des Senats zu einem entsprechenden Ausspruch im Urteil des vorliegenden Verfahrens ergibt sich als Annex unmittelbar aus § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Dies entspricht der Sach- und Rechtslage im Falle einer Verurteilung eines beigeladenen Sozialleistungsträgers nach § 75 Abs. 5 SGG. Nach ständiger Rechtsprechung kann das zuständige Gericht die an sich nicht streitgegenständlichen, nicht bestandskräftigen Bescheide des verurteilten beigeladenen Sozialleistungsträgers aufheben (dazu BSG, Urteil vom 19.05.1982 - 11 RA 37/81 -, juris Rn. 38; Beschluss vom 18.05.2022 - B 7/14 AS 399/21 R -, juris Rn. 6; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.12.2011 - L 10 AY 4/11 -, juris Rn. 52; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.01.2016 - L 8 SO 385/12 -, juris Rn. 55).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Der Fall wirft zwar eine Vielzahl komplizierter verfahrensrechtlicher Fragen auf. Diese lassen sich aber ohne weiteres aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten.

 

 

 

 

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