L 16 KR 617/22 KH

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 65 KR 4242/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 617/22 KH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.07.2022 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.567,78 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Krankenhausvergütung.

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte L. (geb. 00.00.0000, nachfolgend Versicherter) befand sich vom 09.01.2018 bis zum 25.01.2018 im nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus des Klägers zur vollstationären Durchführung einer multimodalen Schmerztherapie.

 

Der Kläger stellte der Beklagten unter dem 29.01.2018 bei Ansteuerung der Fallpauschale (Diagnosis Related Groups, DRG) I42A (Multimodale Schmerztherapie bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe, mindestens 14 Tage) einen Betrag von insgesamt 5.567,78 € in Rechnung (Gesamtbetrag der Leistungen 5.737,78 € abzüglich Eigenbeteiligung des Versicherten i.H.v. 170 €) Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig und leitete sodann ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein (Prüfanzeige des MDK vom 01.02.2018). Prüfgegenstände waren die primäre und sekundäre Fehlbelegung sowie die Kodierung der Prozeduren und der abgerechneten Zusatzentgelte. Der MDK kam mit Gutachten vom 29.10.2018 zu dem Ergebnis, dass die medizinische Notwendigkeit der stationären Aufnahme und Behandlung des Versicherten nicht zu erkennen sei. Alle Behandlungen seien ambulant durchführbar gewesen. Auffällig sei, dass der Versicherte bei Aufnahme in das Krankenhaus und während des Aufenthalts keinerlei Schmerzmittel eingenommen habe. Zudem seien die Mindestmerkmale für die Abrechnung der seitens des Klägers kodierten Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-918.10 und OPS 8-977 nicht erfüllt, das Zusatzentgelt nicht belegt. Hieraus resultiere die DRG I68D (Nicht operativ behandelte Erkrankungen und Verletzungen im Wirbelsäulenbereich, mehr als ein Belegungstag oder andere Femurfraktur, außer bei Diszitis oder infektiöser Spondylopathie, ohne Kreuzbeinfraktur).

 

Mit Schreiben vom 30.10.2018 teilte die Beklagte dem Kläger das Ergebnis des Prüfverfahrens unter Bezugnahme auf die Ausführungen des MDK mit und erklärte, dass sie einen Erstattungsanspruch wegen zu Unrecht für den Behandlungsfall des Versicherten gezahlter Vergütung gegen Vergütungsansprüche des Klägers wegen der Behandlung der Versicherten M. und Y. aufrechne. Es ergebe sich eine Kürzung des ursprünglichen Rechnungsbetrages von 5.737,78 € auf 0,00 €, da die stationäre Behandlungsnotwendigkeit nicht erkennbar sei. Die Beklagte zahlte auf die Rechnungen zu den (unstreitigen) Behandlungsfällen M. und Y. demgemäß insgesamt 5.737,78 € weniger als ihr in Rechnung gestellt worden war.

 

Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 06.12.2018. Die stationäre Behandlung des Versicherten sei notwendig gewesen, um die Erkrankung differentialdiagnostisch abzuklären und eine weitere Verschlimmerung zu vermeiden. Die Schmerzintensität habe bei 8 von 10 möglichen Punkten auf der visuellen Analogskala gelegen. Der Versicherte habe einen hohen Chronifizierungs- und Beeinträchtigungsgrad in Verbindung mit einem starken Durchhalteverhalten aufgewiesen. Zuvor seien auch ambulante Therapien durchgeführt worden, die jedoch sämtlich fehlgeschlagen seien. Der Versicherte habe zudem eine Novalginunverträglichkeit, was der Grund sei, weshalb er keine Schmerzmedikamente eingenommen habe. Zudem hätten – anders als der MDK meine – die Voraussetzungen der Prozeduren zu den OPS-Ziffern 8-918.10 und 8-977 vorgelegen.

 

Der Kläger hat am 06.06.2019 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben, mit der er (zunächst) die Zahlung der restlichen Behandlungskosten aus den unstreitigen Behandlungsfällen i.H.v. 5.737,78 € begehrt hat. Hierzu hat er im Wesentlichen auf sein o.a. Schreiben vom 06.12.2018 Bezug genommen.

 

Nachdem der Kläger sodann im Sitzungstermin des SG vom 15.07.2022 ein Teilanerkenntnis der Beklagten über die Zahlung von 170,00 € nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 13.11.2018 angenommen hat, hat er beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.567,78 € zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.11.2018 zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie bezog sich zur Begründung auf die Feststellungen des MDK in seinem Gutachten vom 29.10.2028.

 

Das SG hat ein Sachverständigengutachten von O. (Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Rheumatologie, spezielle Schmerztherapie, Psychotherapie sowie Leiter der Gutachtenambulanz am Universitätsklinikum S.) vom 12.04.2021 eingeholt. Dieser ist zu der Beurteilung gelangt, dass die OPS 8-977 und 8-918.10 vollständig erbracht worden seien. Auch sei die multimodale Schmerztherapie auf der Grundlage der erhobenen Befunde indiziert gewesen. Ebenso sei die Behandlungsdauer zur Durchführung der Therapie notwendig gewesen. Die vorliegende Patientendokumentation habe jedoch nicht erkennen lassen, warum diese Therapieform bei dem Versicherten in einem vollstationären Setting hätte durchgeführt werden müssen. Der Versicherte sei frei gehfähig und selbstversorgend gewesen. Es seien keinerlei Einschränkungen der Mobilität oder sonstige Faktoren, welche einer teilstationären Therapiemaßnahme entgegenstünden, erkennbar. In Abwägung hierarchisch gegliederter Therapieoptionen wäre bei dem Versicherten teilstationäre Versorgung ausreichend und leidensgerecht gewesen.

 

Das SG hat ein Befangenheitsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen mit Beschluss vom 28.01.2022 abgelehnt. In der Sache hat der Kläger geltend gemacht, dass der vollstationäre Aufenthalt des Versicherten auch in Kenntnis des Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen sei. Anderenfalls sei von der Beklagten nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens jedenfalls die Vergütung für eine teilstationäre Behandlung zu zahlen. Die Kosten beliefen sich hierbei auf 4.546,66 €. Hierzu hat der Kläger eine „Testrechnung“ vom 12.07.2022 eingereicht, der die erstmals ab Juni 2021 gültige Entgeltvereinbarung zwischen dem Kläger und den Krankenkassen nach § 6 Abs. 1 KHEntgG mit einer tagesbezogenen Fallpauschale von 270,00 € zu Grunde liegt. Er – der Kläger – habe auch im Zeitpunkt der Behandlung nach dem maßgeblichen Feststellungsbescheid über einen Versorgungsauftrag für teilstationäre Leistungen verfügt. Dieser resultiere nach Maßgabe des nordrhein-westfälischen Krankenhausplanes bereits daraus, dass teilstationäre Leistungen zwingend von dem Versorgungsauftrag einer vollstationären Versorgung umfasst seien. Auch der Feststellungsbescheid für das Jahr 2021 sehe kein explizites teilstationäres Angebot des Krankenhauses vor; dennoch seien die entsprechenden Entgelte mit Wirkung ab Juni 2021 mit den Kassen vereinbart worden. Das Fehlen einer Erlösvereinbarung im Jahr 2018 sei für die Abrechnung teilstationärer Entgelte unschädlich, da das BSG in seinem Urteil vom 26.04.2022 (B 1 KR 5/21 R) auf den Krankenhausplan und damit die Befugnis zur Erbringung teilstationärer Leistungen abgestellt habe. Die Beklagte hat ausgeführt, dass auch die Zahlung einer teilstationären Vergütung nicht in Betracht komme, weil zum Zeitpunkt der Behandlung des Versicherten zwischen den Beteiligten keine tagesbezogenen teilstationären Fallpauschalen oder Entgelte vereinbart worden seien, nach denen sich die Vergütung einer teilstationären Behandlung zu richten habe. Eine solche Vereinbarung (mit einem Tagessatz in Höhe von 270,00 € für teilstationäre Behandlungen) gebe es erst seit dem 01.06.2021. Der Kläger sei daher zum Zeitpunkt der Behandlung im Januar 2018 nicht berechtigt gewesen, die fiktive wirtschaftliche Leistung selbst zu erbringen und abzurechnen.

 

Mit Urteil vom 15.07.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keine Ansprüche auf eine weitere Krankenhausvergütung in Höhe von 5.567,78 € aus den Behandlungsfällen der Versicherten M. und Y., da diese durch wirksame Aufrechnung der Beklagten erloschen seien. Der Beklagten stehe als Gegenforderung ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aus dem streitigen Behandlungsfall des Versicherten zu. Die Durchführung der multimodalen Schmerztherapie im vollstationären Setting sei nicht erforderlich gewesen. Dies folge aus den gutachtlichen Ausführungen des Sachverständigen. Das Gutachten sei in sich schlüssig, von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und habe die gutachterlich gezogenen Schlüsse logisch, nachvollziehbar und widerspruchsfrei dargestellt. Der Vortrag des Klägers überzeuge angesichts der Ausführungen des Sachverständigen nicht. Es seien keine Umstände ersichtlich, die eine vollstationäre Eingliederung des Versicherten in das Krankenhaus erforderlich gemacht hätten. Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherte einer Überwachung und Beobachtung „rund um die Uhr“ bedurft hätte und sich deshalb auch von 17 Uhr bis 8 Uhr im Krankenhaus habe aufhalten müssen, obwohl er in dieser Zeit nicht behandelt worden sei, ergäben sich nicht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf teilweise Zahlung nach den Grundsätzen des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens. Voraussetzung hierfür sei nach der Rechtsprechung des BSG, dass das Krankenhaus berechtigt gewesen wäre, die fiktive wirtschaftliche Leistung selbst zu erbringen und unmittelbar gegenüber der Krankenkasse abzurechnen. An der letztgenannten Voraussetzung fehle es vorliegend, da zwischen den Beteiligten zum Zeitpunkt der Behandlung des Versicherten keine tagesbezogenen teilstationären Fallpauschalen oder Entgelte nach § 6 Abs. 1 Fallpauschalenvereinbarung (FPV 2018) vereinbart gewesen seien. Ein Rückgriff auf bzw. eine analoge Anwendung von anderen Abrechnungsvorschriften komme nicht in Betracht. Insbesondere hätten die Parteien der FPV nur für bestimmte Konstellationen, die mit der vorliegenden streitgegenständlichen Konstellation nicht vergleichbar seien, die Möglichkeit einer Alternativabrechnung geschaffen, beispielsweise in § 7 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 FPV 2018. Die Parteien der FPV hätten die Möglichkeit einer Alternativabrechnung offenkundig auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränken wollen, so dass sich die in der streitgegenständlichen Konstellation gegebene „Lücke“ nicht als planwidrig darstelle.

 

Gegen das dem Kläger am 22.08.2022 zugestellte Urteil hat sich dessen am 06.09.2022 eingelegte Berufung gerichtet. Die vollstationäre Behandlung des Versicherten sei medizinisch indiziert gewesen. Mit einer teilstationären Behandlung hätte das Behandlungsziel nicht erreicht werden können. Die Ausführungen des Sachverständigen seien unzureichend und voreingenommen. Sämtliche dem Kläger bekannten Gutachten des Sachverständigen zur multimodalen Schmerztherapie wären zu dem Ergebnis gelangt, dass eine teilstationäre Behandlung ausreichend sei. Dies seien keine zufälligen Häufungen ungünstiger Gutachtenergebnisse, sondern vorhersehbare Ergebnisse. Auch werde in seinem Gutachten die teilstationäre Behandlungsmöglichkeit stets ohne jegliche Begründung unterstellt. So habe er auch hier nicht geprüft, ob eine teilstationäre Behandlung unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes des Versicherten und der Entfernung zwischen Wohnort und Einrichtung überhaupt zumutbar sei. Eine wohnortnahe Klinik mit dem Angebot einer teilstationären multimodalen Schmerztherapie habe es 2018 nicht gegeben. Auch im vorliegenden Fall habe der Sachverständige die Erbringbarkeit als teilstationäre Behandlung nur pauschal behauptet und sich etwa nicht mit dem Vorbringen auseinandergesetzt, dass der Versicherte gerade aufgrund seiner psychischen Begleiterkrankung auch aus seinem häuslichen Umfeld herausgelöst werden sollte. Überhaupt habe er die psychosozialen Umstände vollständig unberücksichtigt gelassen. Gerade das bei dem Versicherten festgestellte Durchhalte-Syndrom habe die vollstationäre Aufnahme notwendig gemacht. Auch sollte insbesondere einer Chronifizierung der Schmerzen vorgebeugt werden, die eine vollstationäre Behandlung unumgänglich habe werden lassen. Auf die Frage der Überwachungen, Beobachtungen, der Gehfähigkeit sowie der Selbstversorgung komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Jedenfalls sei aber eine fiktive teilstationäre Krankenhausbehandlung zu vergüten. Für die Vergütung sei allein maßgeblich, dass auch im Zeitpunkt der Behandlung ein Versorgungsauftrag bestanden habe und nicht das Bestehen einer Vergütungsvereinbarung. Letztere gebe lediglich Auskunft über die Höhe des konkreten Vergütungsanspruchs. Auch habe das BSG in seinem Urteil vom 26.04.2022 (B 1 KR 5/21 R) auf den Krankenhausplan abgestellt, in dem es festgestellt habe, dass das Krankenhaus danach teilstationäre Leistungen habe erbringen dürfen. Dies sei auch hier der Fall, da der vollstationäre Versorgungsauftrag im nordrhein-westfälischen Krankenhausplan auch die Vorhaltung einer teilstationären Versorgung umfasse. Im Übrigen entstehe der Vergütungsanspruch des Krankenhauses kraft Gesetzes mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Hingegen lasse sich der Vergütungsanspruch dem Grunde nach nicht aus Pflegesatzvereinbarungen ableiten, da das Krankenhausfinanzierungsrecht als Preisrecht nur die Höhe der Entgelte regele, nicht aber den Rechtsgrund für die Pflicht, die Entgelte auch zahlen zu müssen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 6/16 R). Rechtsgrund könne nur der Versorgungsvertrag des Krankenhauses sein, da dieser die Grundlage der rechtlichen Beziehung zwischen Krankenkassen und zugelassenem Krankenhaus sei. Auch setze § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V die Vergütungspflicht der Krankenkassen als Gegenleistung für die Behandlungspflicht der Krankenhäuser als Selbstverständlichkeit voraus. Die gesonderte Vereinbarung der Krankenhausentgelte betreffe hingegen allein die Höhe der Vergütung („wie“), nicht aber den Rechtsgrund („ob“). Ferner sei die Ermittlung der Höhe einer teilstationären Vergütung möglich, zumal das Krankenhaus bei einem fiktiv wirtschaftlichen Alternativverhalten keinen Vergütungsanspruch, sondern Wertersatz für die erbrachte Leistung erhalte. Der Wertersatz für eine teilstationäre Behandlung unter Zugrundelegung des einschlägigen OPS 8-91c sei bestimmbar, ggf. unter Einholung eines Sachverständigengutachtens. Da die Vergütung mangels Auflistung im Fallpauschalen-Katalog als krankenhausindividuell verhandelte Leistung gemäß § 6 KHEntgG unter Berücksichtigung der Kosten des jeweiligen Krankenhauses festgesetzt werde und in den späteren Vereinbarungen ein Entgelt von 270,00 € pro Tag vorgesehen sei, sei dieser Betrag von der Beklagten als Wertersatz zu zahlen. Für den vom Sachverständigen ebenfalls bejahten OPS 8-977 fehle es hingegen gänzlich an der Möglichkeit einer Abrechnung als teilstationäre Leistung, so dass diese als vollstationäre Leistung zu vergüten wäre.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des SG Dortmund vom 15.07.2022 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.567,78 € nebst zwei Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.11.2018 zu zahlen,

 

hilfsweise,

 

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.320,00 € nebst zwei Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.11.2018 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

                                                die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die sozialgerichtliche Entscheidung für zutreffend. Aus der Anzahl der vom Sachverständigen erstatteten Gutachten und ihren Ergebnissen lasse sich nicht der Schluss ziehen, ein subjektives Misstrauen in seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Die Behauptung des Klägers, bei der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen handele es sich um vorhersehbare Ergebnisse, entbehre bereits deshalb einer Grundlage, weil nicht bekannt sei, in wie vielen Gutachten der Sachverständige die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Durchführung der multimodalen Schmerztherapie bejaht habe. Auch die inhaltlichen Einwände des Klägers verfingen nicht. Der Sachverständige habe die Gründe dargelegt, die für seine Einschätzung der fehlenden Erforderlichkeit der Durchführung der Schmerztherapie im vollstationären Setting maßgebend gewesen sind. Auch habe der Kläger keine nachvollziehbare Begründung für seine Auffassung, es sei dringend notwendig gewesen, den Versicherten aus seinem privaten Umfeld herauszunehmen und deshalb die Behandlung vollstationär durchzuführen, gegeben. Ferner komme eine Vergütung als fiktive teilstationäre Leistung nicht in Betracht. Ob die teilstationären Leistungen schon 2018 vom vollstationären Versorgungsangebot des Klägers umfasst gewesen seien, sei hier nicht maßgeblich. Denn teilstationäre Leistungen müssten krankenhausindividuell zwischen Krankenhaus und Krankenkassen vereinbart worden sein, um zur Abrechnung zu gelangen. Dies ergebe sich sowohl aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 KHEntgG als auch § 6 Abs. 1 FPV. Da die entsprechenden Entgelte für teilstationäre Leistungen erst ab Juni 2021 mit den Krankenkassen vereinbart worden seien, habe der Kläger für eine 2018 durchgeführte Behandlung noch keinen Anspruch auf eine Vergütung unter dem Gesichtspunkt des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogene Patientenakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung von 5.567,78 € nebst Zinsen noch den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf 4.320,00 € nebst Zinsen. Dem steht ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger entgegen, mit dem sie wirksam gegen unstreitige Forderungen des Klägers aus anderen Behandlungsfällen aufgerechnet hat. Der streitige Vergütungsanspruch des Klägers für die durchgeführte vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten scheitert an deren fehlender medizinischer Erforderlichkeit. Eine Vergütung für eine teilstationäre Behandlung aus dem Gesichtspunkt des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens kommt wegen Fehlens einer krankenhausindividuellen Vereinbarung tagesbezogener teilstationärer Fallpauschalen oder Entgelte im Zeitpunkt der Aufnahme des Versicherten in das Krankenhaus des Klägers nicht in Betracht.

 

Der Hauptantrag des Klägers ist unbegründet. Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 5.567,78 € nebst Zinsen besteht nicht.

 

Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Kläger aufgrund stationärer Behandlung anderer Versicherter der Beklagten zunächst einen Anspruch auf Vergütung weiterer 5.567,78 € hatte; eine nähere Prüfung des Senats erübrigt sich insoweit (vgl. etwa BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R –, Rn. 9, juris; BSG, Urteil vom 17.12.2013 – B 1 KR 57/12 R –, Rn. 8, juris, jeweils m.w.N.).

 

Dieser Vergütungsanspruch (Hauptforderung) ist durch Erfüllung infolge der von der Beklagten erklärten und gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 387 BGB möglichen Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen, weil dieser ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in entsprechender Höhe aus dem Behandlungsfall des Versicherten als Gegenforderung zustand. Die Beklagte hat einen Anspruch auf Rückzahlung von 5.567,78 € gegen den Kläger nach Maßgabe der im Krankenhausvergütungsrecht zwischen den Krankenkassen und Krankenhausträgern geltenden Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, die an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach §§ 812 ff. BGB treten (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 11.05.2017 – L 16 KR 523/14 –, Rn. 20 f., juris). Denn diese Leistung ist rechtsgrundlos erbracht worden.

 

Die Beklagte hat die Aufrechnung korrekt nach Maßgabe des § 10 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2016 erklärt. Die zum 01.01.2017 in Kraft getretene PrüfvV 2016 ist auf den hier streitigen Behandlungsfall aus dem Jahr 2018 sowohl zeitlich (§ 13 Abs. 1 PrüfvV 2016) als auch sachlich anwendbar, da der Prüfauftrag der Beklagten an den MDK vom 31.01.2018 sowohl auf die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung und damit eine Auffälligkeitsprüfung als auch die Kodierung der Prozeduren gerichtet war, die dem Anwendungsbereich der PrüfvV 2016 unterliegt (s. § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V, hier in der der vom 01.01.2018 bis 10.05.2019 gültigen Fassung vom 23.12.2016). Insbesondere benannte die Beklagte Leistungsanspruch und Erstattungsanspruch genau i.S.d. § 10 Satz 2 PrüfvV 2016, indem sie mit Schreiben an den Kläger vom 30.10.2018 sowohl den (ursprünglichen) Erstattungsbetrag in Höhe von 5.737,78 € zum Behandlungsfall der Versicherten als auch den zur Auszahlung nach Verrechnung gelangten Betrag aus den unstreitigen Forderungen der namentlich benannten Versicherten (dort 0,00 € bzw. 445,77 €) aufführte, so dass kein Zweifel an Höhe und Identität der Erstattungsforderung sowie des Leistungsanspruchs besteht (s. näher BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R –, Rn. 19 ff., juris). Auch steht der von der Beklagten nach Maßgabe des § 10 Satz 2 PrüfvV 2016 erklärten Aufrechnung das landesvertragliche Aufrechnungsverbot des § 15 Abs. 4 Satz 2 des Vertrages NRW nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht entgegen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30.07.2019 – B 1 KR 31/18 R –, Rn. 26, juris). Dies alles ist zwischen den Beteiligten (einschließlich der sonstigen formellen Voraussetzungen für die Aufrechnung nach Maßgabe der PrüfvV 2016, die das SG mit zutreffender Begründung bejaht hat, < § 153 Abs. 2 SGG >) auch nicht streitig.

 

Es besteht ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger hinsichtlich der überzahlten Vergütung für die vollstationäre Behandlung des Versicherten in Höhe von 5.567,78 €.

 

Rechtsgrundlagen der von dem klagenden Krankenhaus geltend gemachten und von der beklagten Krankenkasse dem Grunde nach zu zahlenden Vergütung sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 KHEntgG und § 17b KHG, die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2018 und die von den Vertragsparteien auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2018. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes (§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V), wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) durchgeführt wird und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (BSG, Urteil vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R – Rn. 11, juris m.w.N.). An einer solchen Erforderlichkeit fehlte es für die durchgeführte vollstationäre Behandlung des Versicherten im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie.

 

Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Damit ist die vollstationäre Krankenhausbehandlung nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung. Der Nachrang der vollstationären Behandlung trägt deren Bedeutung als medizinisch intensivster und aufwendigster Form der Krankenbehandlung Rechnung und stellt eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots dar (BSG, Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 5/21 R –, Rn. 12, juris m.w.N.). Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Als besondere Mittel des Krankenhauses hat die ständige Rechtsprechung des BSG eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten oder rufbereiten Arzt herausgestellt. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre oder teilstationäre Behandlung. Ob einem Versicherten voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich dabei allein nach den medizinischen Erfordernissen (vgl. nur BSG Großer Senat, Urteil vom 25.09.2007 – GS 1/06 –, Rn 15, juris; BSG, Urteil vom 13.12.2016 – B 1 KR 1/16 R –, Rn. 29, juris; BSG, Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 5/21 R –, Rn. 13, juris).

 

Hier hat der Sachverständige O. in seinem gerichtlichen Gutachten vom 12.04.2021 unter Auswertung sämtlicher Unterlagen einschließlich der Patientenakte des Versicherten überzeugend ausgeführt, dass die Durchführung der multimodalen Schmerztherapie in einem vollstationären Setting nicht erforderlich gewesen ist. Der Versicherte war, wie sich auch der Patientenakte entnehmen lässt, trotz seiner Rückenschmerzen in mehreren Bereichen der Wirbelsäule sowie der daraus resultierenden biomechanischen Funktionsstörungen frei gehfähig und – mangels näherer Dokumentation pflegerischer Leistungen – in der Lage, sich selbst zu versorgen. Mobilitätseinschränkungen, die insbesondere geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten oder rufbereiten Arzt erfordert hätten, lagen hier ebenso wenig vor. Ob die vom Kläger in diesem Zusammenhang monierte Heranziehung des gemeinsamen Katalogs von Kriterien für das Prüfverfahren nach § 17c Abs. 4 Satz 9 KHG der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (G-AEP) – wie vom Sachverständigen praktiziert – bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer unter vollstationären Bedingungen durchgeführten multimodalen Schmerztherapie sachgerecht gewesen ist, kann dahingestellt bleiben, weil dies die o.a. Beurteilung des Sachverständigen auf der Grundlage der aktenkundigen medizinischen Unterlagen nicht ernstlich in Zweifel zieht oder gar erschüttert. Insbesondere geht der Einwand des Klägers fehl, dass die genannten Kriterien der Überwachung, Beobachtung, Gehfähigkeit sowie der Selbstversorgung bei der multimodalen Schmerztherapie keine Rolle spielten oder jedenfalls nachrangig seien, da hier die psychosozialen Umstände sowie die Vorbeugung einer Chronifizierung der Schmerzen im Vordergrund gestanden hätten. Der Kläger verkennt insoweit, dass es im vorliegenden Fall nicht um die Abgrenzung einer stationären von einer ambulanten Behandlung geht (hier ist die multimodale Schmerztherapie ausweislich des OPS 8-918 mit seinem typischen Ineinandergreifen mehrerer Behandlungsansätze unter Einbeziehung verschiedener Fachdisziplinen auf eine stationäre Durchführung gerichtet gewesen, was auch der Sachverständige nicht in Abrede stellt), sondern die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer vollstationären anstelle einer teilstationären Behandlung. Die teilstationäre Behandlung unterscheidet sich nach der gesetzlichen Gesamtkonzeption von der vollstationären Behandlung im Krankenhaus im Wesentlichen dadurch, dass sie nicht auf eine Aufnahme rund um die Uhr ausgerichtet ist, sondern nur jeweils zumindest einen Teil des Tages umfasst (BSG, Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 5/21 R –, Rn. 21, juris m.w.N.). Es kommt darauf an, ob beide Behandlungsmöglichkeiten in dem konkreten Behandlungsfall zur Erreichung des Behandlungsziels (§ 11 Abs. 1 u. 2, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V) gleichermaßen geeignet bzw. zweckmäßig waren (BSG, a.a.O. – Rn. 23, juris). Wäre also die teilstationäre Behandlung gleichermaßen geeignet bzw. zweckmäßig gewesen, die auf „initiale Schmerzlinderung“ und „Funktionsbesserung“ ausgerichteten Behandlungsziele der multimodalen Schmerztherapie (s. S. 9 des Entlassungsberichts des Krankenhauses vom 25.01.2018) zu erreichen, kann eine Erforderlichkeit der Durchführung der Behandlung im vollstationären Setting nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden. Dies ist hier der Fall. Sämtliche ausweislich des aktenkundigen Behandlungsplans erbrachten Leistungen bzw. Maßnahmen fanden tagsüber, meist in der Zeit von 8:00 Uhr bis ca. 18:00 Uhr, statt. Es ist nicht ersichtlich, wieso aufgrund dieser Behandlungen unter Berücksichtigung der Behandlungsziele eine Aufnahme „rund um die Uhr“ erforderlich gewesen wäre. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Versicherte eben bestimmte Mobilitäts- bzw. Funktionseinschränkungen aufgewiesen hätte, die auch den Einsatz pflegerischen Personals an allen vollen Tagen erforderlich gemacht hätten. Ebenso wäre eine Überwachung oder gar ein ärztlicherseits angeordnetes Monitoring, etwa mit Blick auf bestimmte Medikamentengaben, ein möglicher Grund für eine vollstationäre Behandlung gewesen. Beides war bei dem Versicherten aber gerade nicht der Fall. So hat auch der MDK in seinem Gutachten vom 29.10.2018 unter Auswertung des Entlassungsberichts sowie der in Auszügen vorhandenen Patientenakte festgestellt, dass der Versicherte ohne Schmerzmittel zur Aufnahme gekommen sei und er während des stationären Aufenthalts fast keine Analgetika eingenommen habe. So rief der Versicherte eine Bedarfsmedikation mit Ibuprofen selten ab und verzichtete wegen möglicher Nebenwirkungen auf eine medikamentöse Schmerzmodulation.

 

Auch die sonstigen Einwände des Klägers verfangen nicht. Soweit er – im Übrigen recht pauschal – die Unzumutbarkeit einer multimodalen Schmerztherapie im teilstationären Setting wegen zu großer Entfernung des Wohnorts des Versicherten von der nächsten Einrichtung mit dem Angebot einer entsprechenden Therapie geltend macht, kann er damit schon aus Rechtsgründen nicht durchdringen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setzt der Anspruch auf Vergütung medizinisch nicht notwendiger vollstationärer Krankenhausbehandlung neben der Nichtverfügbarkeit geeigneter Behandlungsalternativen voraus, dass das Krankenhaus – abgeleitet aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot – der Krankenkasse als zuständigem Leistungsträger zunächst die Möglichkeit gibt, dem Versicherten die notwendige Behandlung zu verschaffen oder selbst die dafür notwendigen Vorkehrungen treffen muss (BSG, Beschluss vom 20.02.2024 – B 1 KR 27/23 B –, Rn. 17, juris, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 19.11.2019 – B 1 KR 13/19 R –, Rn. 23, juris, und BSG, Urteil vom 21.04.2015 – B 1 KR 6/15 R –, Rn. 14, juris;). Dass vonseiten des Klägers zumindest eine dieser beiden Varianten im streitigen Behandlungsfall bzw. vor Aufnahme in das Krankenhaus auch nur erwogen oder gar (mit entsprechender Dokumentation) durchgeführt worden ist, hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Nicht durchgreifend ist auch der Einwand, dass die psychische Begleiterkrankung sowie überhaupt die psychosozialen Umstände des Versicherten, insbesondere vor dem Hintergrund der Durchhalte-Symptomatik, eine Herausnahme des Versicherten „aus dem häuslichen Umfeld“ erforderlich gemacht hätten, woraus zwingend die Notwendigkeit der vollstationären Behandlung resultiert hätte. Hierzu heißt es im Entlassungsbericht der Klinik vom 25.01.2018, dass eine „Herausnahme des Patienten aus seinem Alltagsumfeld erforderlich“ gewesen sei. Eine Herausnahme aus dem Alltagsumfeld ist aber etwas anderes als eine Herausnahme aus dem häuslichen Umfeld. In diesem Zusammenhang ist auch das im psychotherapeutischen Aufnahmebefund festgestellte „Durchhalteverhalten“ des Versicherten zu sehen, welches sich explizit auf den „Bereich der Arbeit“ bezogen hat. Dies lässt darauf schließen, dass es im Zusammenhang mit dem Behandlungsziel gerade nicht darum gegangen ist, den Versicherten aus seinem privaten Umfeld (trotz nachvollziehbarer familiärer Belastungen aufgrund der psychosozialen Folgen der Schmerzverarbeitung), sondern seinem Arbeitsumfeld – der Versicherte ist Industriemechaniker – zu lösen. Hierfür hätte jedoch eine teilstationäre Aufnahme und Behandlung des Versicherten, d.h. tagsüber, ausgereicht und wäre ein Aufenthalt rund um die Uhr gerade nicht erforderlich gewesen. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich aus den im Entlassungsbericht vom 25.01.2018 dargestellten Vorbehandlungen keine Hinweise auf eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung des Versicherten im Vorfeld der stationären Behandlung im Krankenhaus des Klägers ergeben. Im psychotherapeutischen Aufnahmebefund wird die Stimmungslage bei vorhandener affektiver Schwingungsfähigkeit in der Gesprächsverarbeitung als ausgeglichen beschrieben. Hinweise auf formale oder inhaltliche Denkstörungen, Ich-Störungen, Sinnestäuschungen oder psychotisches Erleben fanden sich nicht. Diagnostiziert wird eine ärgerlich-gereizte Schmerzverarbeitung. Mit diesem Befundbild setzt sich der Sachverständige O. in seinem Gutachten vom 12.04.2021 auch auseinander; sie fließt in seine Bewertung mit ein, nach der sich die Notwendigkeit eines vollstationären Aufenthalts nicht begründen lässt.

 

Was die Einwände des Klägers gegen die Person des Sachverständigen selbst anbelangt, sind diese nicht dazu geeignet, das Gutachten nicht zu verwerten oder es von Vornherein als unschlüssig anzusehen. Abgesehen davon, dass das SG das Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen mit unanfechtbarem Beschluss vom 28.01.2022 abgelehnt hat, überzeugen die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers nicht. Weder ist das jeweils gleiche Ergebnis der dem Kläger aus anderen Verfahren „bekannten“ Gutachten des Sachverständigen maßgeblich, noch lässt sich ein angebliches ökonomisches Eigeninteresse aufgrund der Tätigkeit des Sachverständigen in der Tagesklinik S., die die multimodale Schmerztherapie teilstationär anbietet, derart objektivieren, dass es der Verwertung des Gutachtens entgegensteht. Während ersterer Einwand auf weitgehender Spekulation beruht, weil die genannten 15 Verfahren nur einen Ausschnitt aus der mannigfaltigen Gutachtentätigkeit des Sachverständigen für verschiedene Sozialgerichte im Bundesgebiet wiedergeben und daher nicht repräsentativ sind, hält es der Senat in Bezug auf den zweiten Einwand  für weitgehend neben der Sache, dem Sachverständigen unterstellen zu wollen, mit gerichtlichen Gutachten, die auch von S. weit entfernte Krankenhäuser (wie hier in Hamm) betreffen, Patientenakquise zugunsten seiner Arbeitgeberin betreiben zu wollen und für das „Modell“ einer teilstationär durchgeführten multimodalen Schmerztherapie in „seiner“ Tagesklinik zu werben. Ferner ergibt sich aus dem Gutachten vom 12.04.2021 nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass sich der Sachverständige nicht von dem konkreten Behandlungsfall des Versicherten hat leiten lassen.

 

Auch der Hilfsantrag des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Zahlungsanspruch auf 4.320,00 € nebst Zinsen unter dem Gesichtspunkt des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens für eine teilstationäre Leistung und damit auf Zahlung der Differenz aus den unstreitigen Behandlungsfällen, gegen die die Beklagte ihren Erstattungsanspruch aufgerechnet hat.

 

Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung einen Vergütungsanspruch nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens für den Fall angenommen, dass das Krankenhaus von zwei gleichermaßen zweckmäßigen und notwendigen Behandlungsalternativen die unwirtschaftliche gewählt hat. Denn der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (BSG, Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 5/21 R –, Rn. 17, juris m.w.N.). Gleiches gilt auch dann, wenn das Krankenhaus anstelle einer zweckmäßigen, erforderlichen und ausreichenden teilstationären Behandlung eine ebenfalls zweckmäßige, aber nicht erforderliche vollstationäre Behandlung durchführt. Auch hier ist es gerechtfertigt, dass das Krankenhaus für die wegen des Nachrangverhältnisses (s. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V) nicht erforderliche vollstationäre Behandlung diejenige Vergütung beanspruchen kann, die es für die erforderliche und ausreichende teilstationäre Behandlung hätte abrechnen können (BSG, Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 5/21 R –, Rn. 20, juris). Neben der gleichermaßen bestehenden Geeignetheit und Zweckmäßigkeit der teilstationären Behandlung ist weitere Voraussetzung für eine Abrechnung auf der Grundlage eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens, dass das Krankenhaus berechtigt gewesen wäre, die fiktive wirtschaftliche Leistung selbst zu erbringen und unmittelbar gegenüber der Krankenkasse abzurechnen. Der Vergütungsanspruch nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens darf nicht dazu führen, dass das Krankenhaus außerhalb seines Versorgungsauftrages tätig wird oder dass zwingende Vorgaben des Leistungserbringerrechts unterlaufen werden (so BSG, Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 5/21 R –, Rn. 24, juris).

 

Zwar hatte der Kläger auf der Grundlage des Krankenhausplanes des Landes NRW i.V.m. dem Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 24.08.2009 einen Versorgungsauftrag auch zur Erbringung teilstationärer Leistungen auf dem (auf Erbringung schmerztherapeutischer Leistungen beschränkten) Gebiet der Chirurgie, der von der Zulassung für die vollstationäre Erbringung mitumfasst gewesen ist. Dies hat auch die Beklagte nicht in Abrede gestellt, zumal die Kassen mit dem Kläger zum 01.06.2021 eine Vergütungsvereinbarung nach § 6 Abs. 1 KHEntgG geschlossen haben, obwohl der auch zuletzt gültige Feststellungsbescheid vom 26.03.2021 für die Fachgebiete Chirurgie und Innere Medizin keinen expliziten teilstationären Versorgungsauftrag für eine Tagesklinik ausweist.

 

Ein Zahlungsanspruch für die im Jahr 2018 durchgeführte Behandlung scheitert aber daran, dass zwischen dem Kläger und den Kassen einschließlich der Beklagten als Vertragsparteien (s. § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG, § 18 Abs. 2 KHG) noch keine krankenhausindividuelle Vereinbarung tagesbezogener teilstationärer Fallpauschalen oder Entgelte für teilstationäre Leistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG (hier in der vom 01.01.2016 bis 31.12.2018 gültigen Fassung vom 10.12.2015) i.V.m. § 6 Abs. 1 FPV für das Jahr 2018 abgeschlossen worden war. Eine solche Vereinbarung besteht – zwischen den Beteiligten insoweit unstreitig – erst seit dem 01.06.2021. Ohne die Vereinbarung solcher Entgelte oder Fallpauschalen kann der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung oder „Wertersatz“ für eine fiktive teilstationäre Leistung geltend machen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von ihm zitierten Rechtsprechung des BSG. Auch ist es den Sozialgerichten verwehrt, anstelle der für solche Vereinbarungen zuständigen Vertragsparteien in rechtsgestaltender Tätigkeit ein (ggf. rückwirkendes) Preisrecht zu kreieren, weil es hierfür an einer Rechtsgrundlage fehlt und die verfassungsrechtlich auf Rechtsanwendung, Rechtsauslegung und ggf. Rechtsfortbildung beschränkte Befugnis der Gerichte überschreitet. Hierzu sind ausschließlich die Vertragsparteien nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG, § 18 Abs. 2 KHG berufen. Dies würde auch dann funktionswidrig unterlaufen, wenn man das von dem Kläger begehrte Entgelt als Wertersatz qualifiziert und damit die Befugnis entweder zur entsprechenden Anwendung eines die fiktive Leistung gar nicht erfassenden Preisrechts oder gar zur richterlichen Schätzung nach dem Rechtsgedanken des § 287 ZPO eröffnen will.

 

Das SG hat zunächst zutreffend ausgeführt, dass die FPV als zentrales Steuerungsinstrument für das Preisrecht im auch hier betroffenen Bereich der „sonstigen Entgelte“ (§ 7 FPV 2018) nur in den von ihr ausdrücklich bestimmten Fällen eine „betragsscharfe“ Abrechnung von Leistungen bei Fehlen einer Vereinbarung krankenhausindividueller Entgelte für den Vereinbarungszeitraum 2018 vorsieht, namentlich in § 7 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 FPV 2018. Für teilstationäre Leistungen einer multimodalen Schmerztherapie sind diese Regelungen jedoch nicht einschlägig. So bezieht die Anlage 3b zur FPV 2018, die nicht mit dem Fallpauschalen-Katalog vergütete teilstationäre Leistungen betrifft und für die § 7 Abs. 4 Satz 3 FPV 2018 bei Fehlen einer krankenhausindividuellen Entgeltvereinbarung eine Abrechnung von 300,00 € je Belegungstag vorsieht, nur bestimmte DRG´s ein (A90A, A90B, L90A), die hier aber nicht streitgegenständlich sind. Auch kommt eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 3 FPV 2018 mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Die Vertragsparteien haben mit § 7 Abs. 4 FPV 2018, indem sie nur in einem Teilbereich der sonstigen Entgelte subsidiäre Abrechnungsregelungen für einen Übergangszeitraum geschaffen haben, verdeutlicht, dass es sich um Ausnahmebestimmungen nur für spezielle Leistungen nach den Anlagen 3a und 3b zur FPV 2018 handelt. Eine analoge Anwendung dieser Regelungen einschließlich § 7 Abs. 4 Satz 3 FPV 2018 liefe diesem Regelungskonzept der Vertragsparteien erkennbar zuwider und wäre damit systemwidrig.

 

Soweit der Kläger einen „preisvereinbarungslosen“ Vergütungsanspruch für die fiktive teilstationäre Leistung aus der Rechtsprechung des BSG, insbesondere dem Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 5/21 R –, herleiten will, kann er damit keinen Erfolg haben. Im Gegenteil setzt eine Abrechnung auf der Grundlage eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens nach dieser Rechtsprechung des BSG vielmehr voraus, dass das Krankenhaus berechtigt wäre, die fiktive wirtschaftliche Leistung selbst zu erbringen und unmittelbar gegenüber der Krankenkasse abzurechnen (Rn. 24, juris). Damit stellt das BSG die Möglichkeit der Abrechnung unter zwei kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen („und“). Während die erste erkennbar auf das Vorliegen eines entsprechenden Versorgungsauftrages bezogen ist, impliziert die unmittelbare Abrechenbarkeit gegenüber der Krankenkasse nicht nur den Anspruch „dem Grunde nach“ (§ 39 Abs. 1 Satz 2, § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V), sondern eine auf gesetzlichen bzw. vertraglichen Regelungen beruhende tatsächliche Möglichkeit der unmittelbaren Abrechnung von Leistungen. Das BSG hat bereits in einer früheren Entscheidung zu der Möglichkeit einer Vergütung einer ambulanten Operationsleistung  bei einer nicht erforderlichen stationären Versorgung eines Versicherten im Krankenhaus ausgeführt, dass Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der zum ambulanten Operieren zugelassenen Leistungserbringer § 115b SGB V i.V.m dem "Vertrag nach § 115b Abs. 1 SGB V - Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus" (im Folgenden: VAOK) sei(BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 22/07 R –, Rn. 12 ff., juris). Danach vereinbaren die Vertragsparteien gemäß § 115b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V im VAOK "einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte" für den nach dem Vertrag zu bestimmenden Katalog ambulant durchführbarer Operationen. Gestützt darauf haben die nach § 115b Abs. 1 Satz 1 SGB V berufenen Vertragspartner in § 7 Abs. 1 VAOK bestimmt, dass die im Katalog ambulant durchführbarer Operationen aufgeführten Leistungen "auf der Grundlage des EBM und ggf. des BMÄ und der E-GO nach den für die Versicherten geltenden vertragsärztlichen Vergütungssätzen vergütet werden". Demzufolge erwirbt ein zum ambulanten Operieren zugelassener Leistungserbringer einen vertraglichen Vergütungsanspruch für eine ambulant durchführbare Operationsleistung nach Maßgabe der einschlägigen EBM-Gebührenlegende, sobald deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Entsprechendes gilt für ein zum ambulanten Operieren zugelassenes Krankenhaus, das gemäß § 115b Abs. 2 Satz 4 SGB V einen unmittelbar von den Krankenkassen zu vergütenden Anspruch nach Maßgabe der Bewertung durch den EBM in Höhe der vergleichbaren Vergütung einer Facharztpraxis erlangt, sobald es mit einer ambulant durchführbaren Operation eine nach dem jeweiligen EBM-Gebührentatbestand berechnungsfähige Leistung erbracht hat (BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 22/07 R –, Rn. 13, juris). Das BSG hat damit die Abrechenbarkeit der fiktiven Leistung (dort das ambulante Operieren) von dem maßgeblichen Preisrecht (hier dem EBM) abhängig gemacht, das jedoch erst aufgrund vertraglicher Vereinbarung zur Anwendung kommen konnte.

 

Es wäre daher nicht folgerichtig, wenn das BSG im Urteil von 26.04.2022 mit seinem Verweis auf die o.a. Entscheidung des 3. Senats nicht auch die Maßgeblichkeit des geltenden Preisrechts für die Abrechenbarkeit als fiktive teilstationäre Leistung mit einbezogen hätte. Der Unterschied zum EBM ist lediglich, dass bei teilstationären Leistungen kein bundesweit geltendes pauschales Abrechnungssystem (DRG, EBM) zur Anwendung gelangt, sondern individuell mit den Krankenkassen vereinbarte Entgelte nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 KHEntgG. Dies allein kann jedoch bei Berücksichtigung der Gesamtsystematik des Preisrechts nicht ausschlaggebend sein und die Befugnis eines Krankenhauses begründen, fiktive Leistungen ohne zu Grunde liegende Vergütungsvereinbarung zwischen den hierzu berufenen Vertragsparteien abzurechnen. Nach der Rechtsprechung des BSG darf der Vergütungsanspruch nach Maßgabe des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens nicht dazu führen, dass das Krankenhaus außerhalb seines Versorgungsauftrages tätig wird „oder dass zwingende Vorgaben des Leistungserbringerrechts unterlaufen werden“ (BSG, Urteil vom 26.04.2022, – B 1 KR 5/21 R –, Rn. 24 a.E., juris). Genau dies würde jedoch geschehen, wenn ein Krankenhaus ohne die gesetzlich und normenvertraglich vorgesehene spezielle Vereinbarung von Entgelten im Bereich der teilstationären Versorgung entsprechende Leistungen praktisch „freihändig“ abrechnen könnte.

 

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht durch die Bezugnahme des BSG auf § 8 Abs. 3 KHEntgG. Nach der zum 01.01.2020 (also außerhalb des hier streitigen Behandlungszeitraums) neu gefassten Regelung des § 8 Abs. 3 KHEntgG sind für den Fall, dass nach dem Ergebnis einer Prüfung nach § 275c Abs. 1 SGB V eine vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht vorgelegen hat, die vom Krankenhaus erbrachten Leistungen nach den für vorstationäre Behandlungen nach § 115a SGB V getroffenen Vereinbarungen zu vergüten, soweit keine andere Möglichkeit zur Abrechnung der erbrachten Leistung besteht. Dadurch soll vermieden werden, dass das Krankenhaus trotz erbrachter Leistung gar keine Vergütung erhält. Es soll für die im Rahmen der (nicht erforderlichen) vollstationären Behandlung erbrachten Leistungen zumindest eine Vergütung erhalten, die bei einer Abklärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung abrechenbar gewesen wäre (vgl. BT-Drs. 19/13397, S. 94). Bestehende anderweitige Abrechnungsmöglichkeiten für die erbrachten Krankenhausleistungen, zum Beispiel im Rahmen einer ambulanten Operation nach § 115b SGB V, der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b SGB V oder einer ambulanten Ermächtigung, sollen davon unberührt bleiben (BT-Drs., a.a.O.). Hierdurch wird nach Auffassung des BSG durch den Gesetzgeber der Fall geregelt, dass anstelle einer durchgeführten vollstationären Behandlung eine ambulante Behandlung ausreichend gewesen wäre und die Krankenkasse die erbrachten Leistungen auch ohne eine gesonderte gesetzliche Regelung so zu vergüten hat, als wären sie von dem Krankenhaus ambulant erbracht worden. Als regelungsbedürftig wurde deshalb nur der Fall angesehen, dass eine solche anderweitige Abrechnungsmöglichkeit nicht besteht, insbesondere, weil die betreffenden Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen und deshalb nicht von der Krankenkasse, sondern von der Kassenärztlichen Vereinigung zu vergüten wären (so BSG, Urteil vom 26.04.2022 – B 1 KR 5/21 R –, Rn. 26, juris).

 

Aus dieser Regelung vermag der Kläger jedoch nicht herzuleiten, dass auch ohne die krankenhausindividuelle Vereinbarung von Entgelten oder Pauschalen nach § 6 Abs. 1 KHEntgG eine Abrechnungsmöglichkeit mit der Krankenkasse mit einem hiermit korrespondierenden Zahlungsanspruch besteht. Denn wie das BSG ausgeführt hat, wurde § 8 Abs. 3 KHEntgG gerade deshalb neu gefasst, weil in der dort geregelten Konstellation zuvor keine Abrechnungsmöglichkeit für das Krankenhaus mit der Krankenkasse bestanden hat. Für die Erbringung teilstationärer Leistungen im Rahmen des Versorgungsauftrags besteht und bestand auch im Jahr 2018 allerdings eine „anderweitige Abrechnungsmöglichkeit“, eben die Vereinbarung krankenhausindividueller Entgelte nach § 6 Abs. 1 KHEntgG mit den Krankenkassen. Wenn eine solche Möglichkeit somit auch im Jahr 2018 bestanden, der Kläger jedoch, weil er teilstationäre Leistungen (trotz eines entsprechenden Versorgungsauftrages) nach seinem eigenen Vorbringen noch nicht im Versorgungsangebot hatte, von einer solchen Vereinbarung abgesehen hat, kann dies nicht zulasten der Krankenkassen und damit der Beklagten gehen. Insofern stellt die fehlende krankenhausindividuelle Vereinbarung von Fallpauschalen oder Entgelten auch kein Systemversagen dar.

 

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass eine Abrechnung fiktiver Leistungen von Gesetzes wegen als eine Anordnung eines teilweisen Wertersatzes qualifiziert werden könnte (vgl. Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 109 SGB V (Stand: 13.07.2023), Rn. 168 a. E.). Denn hierdurch geht die Anbindung an das Preisrecht nicht verloren. Wo immer das Gesetz einen „Wertersatz“ aus den Vorschriften einer anderen Behandlungsform anordnet, bezieht es das für diese Behandlungsform geltende Preisrecht (etwa den EBM bei ambulanten Operationen, die fiktiv abgerechnet werden können) mit ein (Wahl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 109 SGB V (Stand: 13.07.2023), Rn. 168). Einen durchsetzungsfähigen Anspruch ohne zugrundeliegendes Preisrecht, welches durch die Vertragsparteien zwingend ausgestaltet werden muss, sieht das Gesetz hingegen nicht vor.

 

Soweit der Kläger sich zur Stützung seiner Auffassung auf die beiden Urteile des BSG vom 25.10.2016 – B 1 KR 6/16 R – und vom 08.10.2019 – B 1 KR 2/19 R – beruft, greift diese Argumentation vorliegend ebenfalls nicht. Zwar hat das BSG in diesen Entscheidungen ausgeführt, dass das Pflegesatzrecht bzw. die Vergütung nach Fallpauschalen und weiteren Entgelten i.S.d. § 7 KHEntgG (wozu nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KHEntgG auch die Entgelte gemäß § 6 Abs. 1 KHEntgG gehören) als öffentlich-rechtliches Preisrecht die Maßstäbe zur Ermittlung der Höhe der Krankenhausvergütung sowie Einzelheiten ihrer Abrechnung behandele, nicht aber den Rechtsgrund für die Pflicht, die Entgelte zahlen zu müssen; das Preisrecht setze einen solchen Rechtsgrund voraus (BSG, Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 6/16 R –, Rn. 14, juris; BSG, Urteil vom 08.10.2019 – B 1 KR 2/19 R – Rn. 31, juris). Hieraus abzuleiten, dass ein Anspruch des Krankenhauses auf Vergütung dem Grunde nach stets ausreicht, um einen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse auch ohne preisrechtliche Vereinbarungen durchsetzen zu können, verfängt jedoch nicht. Das BSG hat in beiden Entscheidungen den oben zitierten Grundsatz vielmehr in den Kontext seines eigentlichen Rechtssatzes gestellt, nach dem ein Krankenhaus aus dem bestehenden öffentlich-rechtlichen Preisrecht (dort Pflegesatzvereinbarung bzw. krankenhausindividuelle Vereinbarung eines Zusatzentgelts nach § 11, § 6 Abs. 2 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG) keinen unbedingten Zahlungsanspruch auf nicht erforderliche Krankenhausbehandlungen begründen kann (BSG, Urteil vom 25.10.2016 – B 1 KR 6/16 R –, Rn. 13 ff., juris; BSG, Urteil vom 08.10.2019 – B 1 KR 2/19 R –, Rn. 28, juris). Denn dieses betrifft die Anspruchshöhe, nicht den Anspruchsgrund und kann daher auch keinen Vergütungsanspruch für nicht erforderliche, etwa gegen das Wirtschaftlichkeits- bzw. Qualitätsgebot verstoßende Krankenhausbehandlungen begründen. Nur in diesem Kontext hat das BSG den vom Kläger hervorgehobenen Grundsatz aufgestellt. Dagegen lassen diese Ausführungen nicht den Schluss zu, dass das Preisrecht bei der Durchsetzung von Vergütungsansprüchen völlig außer Acht gelassen werden oder ein solcher Anspruch gar ohne eine entsprechende Entgeltvereinbarung mit den Kassen realisiert werden könne.

 

Schließlich sind die Sozialgerichte nicht befugt, anstelle der allein zuständigen Vertragsparteien (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG, § 18 Abs. 2 KHG) als untergesetzlicher „Ersatz-Normgeber“ (auch mit etwaiger Unterstützung durch einen Sachverständigen) ein Preisrecht durch Festlegung eines tagesbezogenen Entgeltes nach § 6 Abs. 1 KHEntgG zu entwickeln. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Die Aufgabe der Gerichte ist im gewaltenteilenden Staat verfassungsrechtlich auf Rechtsanwendung, Rechtsauslegung und ggf. Rechtsfortbildung beschränkt. Mit vertragsgestaltenden Regelungen wie der Schaffung krankenhausindividueller Entgelte überschreiten die Sozialgerichte ihre Befugnisse, die dort enden, wo eine Rechtsgestaltung beginnt. Dies darf auch nicht funktionswidrig dadurch unterlaufen werden, dass man hier von einer Rechtsnatur der Vergütung fiktiver Leistungen als Wertersatz ausgehend die Befugnis der Sozialgerichte entweder zur entsprechenden Anwendung eines die fiktive Leistung gar nicht erfassenden Preisrechts oder gar zur Schätzung nach dem Rechtsgedanken des § 287 ZPO eröffnen will. Dementsprechend ist es auch nicht zulässig, auf das tagesbezogene Entgelt von 270,00 € entsprechend der seit dem 01.06.2021 geltenden Entgeltvereinbarung zwischen dem Kläger und den Kassen für die (fiktiven) teilstationären Leistungen im Jahr 2018 abzustellen, so wie dies der Kläger ausweislich seines Hilfsantrages erstrebt. Denn ob die Vertragsparteien im Jahr 2018 eine identische Vereinbarung getroffen hätten, ist völlig unklar, so dass auch aus diesem Gesichtspunkt eine „Ersetzungsbefugnis“ des Gerichts ausscheidet.

 

Eine Vergütungspflicht der Beklagten kann zuletzt entgegen dem Vorbringen des Klägers auch nicht daraus folgen, dass es zum (vom Sachverständigen bejahten) OPS 8-977 kein teilstationäres Äquivalent (anders als bei der multimodalen Schmerztherapie mit OPS 8-91c) gibt und es daher von vornherein an einer Abrechnungsmöglichkeit als teilstationärer Leistung fehlt. Auch hier mangelt es an einer Kompetenz der Sozialgerichte, entsprechende teilstationäre Entgelte zu schaffen. Wie das BSG zudem in ständiger Rechtsprechung hervorgehoben hat, ist das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt und sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl. nur BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R –, Rn. 27, juris; BSG, Urteil vom 20.01.2021 – B 1 KR 31/20 R –, Rn. 21, juris, jeweils m.w.N.). Gleiches gilt nach der Gesamtsystematik des Preisrechts auch für die Schaffung einer im teilstationären Setting abrechenbaren Prozedur sowie die Vereinbarung entsprechender krankenhausindividueller, tagesbezogener Entgelte nach § 6 Abs. 1 KHEntgG. Ebenso unzulässig ist eine Abrechnung des OPS 8-977 als vollstationäre Leistung, obwohl eine Erforderlichkeit der gesamten Behandlung nur im teilstationären Setting bestanden hat. Dass der OPS 8-977 nur bei vollstationärer Behandlung abrechenbar ist, kann im Übrigen nicht zu einer Erforderlichkeit der Leistung i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V führen, weil diese sich alleine nach medizinischen und nicht preisrechtlichen Gesichtspunkten richtet.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

 

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

 

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3, § 45 Abs. 1 Satz 3, § 47 Abs. 1 GKG. Eine Addition der Streitwerte von Hauptantrag einerseits und Hilfsantrag andererseits scheidet hier aus, weil beide Anträge auf dasselbe Interesse (Vergütung aus den unstreitigen Behandlungsfällen) gerichtet sind, sie also keinen jeweils eigenständigen Wert haben, sondern vielmehr zwischen beiden eine wirtschaftliche Identität besteht (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, vgl. hierzu BSG, Urteil vom 10.10.2017 – B 12 KR 3/16 R –, Rn. 15, juris). Auch schließen die geltend gemachten Haupt- und Hilfsansprüche einander aus, weil die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 23.10.2007 – 7 W 75/07 –, Rn. 13, juris).

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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